Oehninger, Friedrich - Wahrheiten für unsere Tage - Sündenfall.

Oehninger, Friedrich - Wahrheiten für unsere Tage - Sündenfall.

Wie's jetzt ist auf Erden,
Also soll's nicht sein;
Lasst uns besser werden,
Bald wird's besser sein.

Nicht's ist wahrer, als der erste Satz dieser Strophe, und die Wahrheit des zweiten Satzes ist die, dass es in Natur und Menschenleben nicht besser werden kann, ohne die geistige Erlösung und Wiedergeburt des Menschengeschlechts. Vgl. Röm. 8,20. - Zeugen einer, in unsere Natur eingetretenen Verderbnis sind besonders das Schamgefühl und der Tod; Zeugen des Falles sind besonders auch der Unwille und alles naturwidrige Verhalten, das der Mensch den Ordnungen der Natur und seines Schöpfers entgegensetzt. In Bezug auf gewisse sittliche Verwirrungen sagt der Herr: „Im Anfang war es nicht also.“ (Mat. 19.8).- Eine dunkle Erinnerung an einen besseren Urzustand findet sich in den Sagen der Völker vom goldenen Zeitalter, das allmählich zum ehernen herabgesunken sei. Es ist eine Degeneration des Menschengeschlechtes eingetreten und die physische und sittliche Auflösung der alten Völker und Staaten ist mit ein Symptom derselben. Erst von Christus an geht es wieder empor, doch hat dieser Heilprozess die Leiblichkeit und die äußeren Sphären des Menschenlebens noch nicht umgestaltet; der Eintritt solcher Umgestaltung wird erst das Ende der Wege Gottes sein. Sind Sünde und Tod hinterher in die Welt gekommen, so ist auch Rettung möglich; gehören sie aber zum Wesen der Welt, so bleibt alles, wie es ist.

Was den Urzustand und das Wesen des Menschen betrifft, so liegt dieses in dem Wort ausgesprochen: „Gott schuf den Menschen ihm zum Bild.“ Gott ist ein Geist; aber das ewige Ebenbild Seines Wesens ist der Sohn Gottes. Nach dem Sohn Gottes ist also der Mensch geschaffen; der Sohn Gottes ist des Menschen Urbild und auch letztes Ziel, indem es von Ewigkeit her, auch abgesehen von der dazwischen getretenen Sünde, in Gottes Ratschluss darauf abgesehen war, das Menschengeschlecht mit dem Sohn Gottes, dem „letzten Adam“ (1. Kor. 15) zu vereinigen. Darum, als Urbild des Menschen, konnte der ewige Sohn Gottes auch Mensch werden, weil die Menschen in Ihm und auf Ihn hin geschaffen sind. Christus aber lernen wir in der heiligen Schrift kennen als Prophet, als Priester und als König; so ist denn auch eine dreifache Anlage und Bestimmung in Seinem Abbild zu unterscheiden, eine priesterliche, prophetische und königliche. Das priesterliche am Menschen ist seine Beziehung zu Gott, seine religiöse Anlage und Sehnsucht, vermöge welcher er den ewigen, den unsichtbaren, heiligen Gott sucht und verehrt und Seinen Geboten gehorcht. Das prophetische liegt im Erkenntnistrieb, in dem unauslöschbaren Durst nach Wissen und denkender, geistiger Erfassung der sichtbaren und unsichtbaren Welt. Das königliche liegt in dem Bestreben, nach ewigen göttlichen Gesetzen den Stoff und die Wesen zu gestalten, zu gebrauchen und zu lenken. Religion und Tugend, Wissenschaft und künstlerische und praktische Gestaltung der Welt, - hierin liegt das göttliche des Menschen, dem der Schöpfer diese Sehnsucht nach dem Heiligen und der Pflicht, nach Erkenntnis und Wissen, nach dem Schönen und harmonischen Schaffen in die Brust gelegt hat, damit dadurch die niedere Natur und Sinnlichkeit beherrscht und Gott verherrlicht werde.

Und da geht das priesterliche allem andern voran; Anbetung und Gehorsam gegen Gott ist das Erste; das Zweite ist: „Macht die Erde euch untertan; baut und bewahrt sie.“ Mit andern Worten: Kultus und Kultur ist des Menschen Aufgabe, und die wahre Kultur kommt aus dem wahren Kultus. Mit dem Abfall von Gott, dem Verfall der Religion, verfiel auch das Kulturleben, wahre Erkenntnis, wahre Kunst und Industrie und Beherrschung der Erde. Es ist nicht zufällig, dass die Heroen auf dem Gebiet der Wissenschaft und Naturerkenntnis, die großen Entdecker und Erfinder, bis auf Newton, Haller und Edison herab, Männer waren, die Gott die Ehre gegeben haben.

Die Erkenntnis und Beherrschung der Natur würde eine ganz andere, nicht bloß mechanische sein, wenn nicht durch die Sünde das Bild Gottes im Menschen getrübt, die Kräfte des letzteren geschwächt und desorganisiert worden wären. Bei Jesu, der Leib und Seele in vollkommenem Gehorsam dem Vater unterwarf, sehen wir ein anderes Verhältnis zur Schöpfung, das sich durch Segnung und Heiligung, durch Stillung ihres Aufruhrs und Überwindung ihres aufhaltenden Widerstandes äußerte. Eine Kraft ging von Ihm aus, wie sie sich auch in Seinen Gliedern beweisen soll, wann in ihnen das wahre Leben einst sich offenbaren wird.

Eine Fundgrube göttlicher Weisheit ist das dritte Kapitel des ersten Buches Mosis, der unvergleichliche Bericht vom Sündenfall, der freilich nur verständlich wird durch das Licht des Neuen Testamentes, durch die parallele Versuchung Satans gegenüber Christo, an dem der Versucher seinen Meister und Entlarver gefunden hat. Entlarvung und Offenbarung seiner täuschenden Intrigen hasst der Feind vor allem; denn er sucht sich zu einem Engel des Lichts zu verstellen und bei seiner Verführung der Menschen an den Schein und die Reste der Wahrheit und berechtigten Sehnsucht anzuknüpfen. So ist es ein berechtigter Zug am Menschen, das Verlangen nach dem Guten, Schönen und Wahren. Das Falsche und Teuflische ist, dass die Befriedigung dieses Verlangens im Verbotenen verheißen und auf unrechte Weise, außer Gott und Seinen Wegen, gesucht wird. - Daher ist auch das Ende Verlust und Enttäuschung, ein Dasein, wo das flammende Cherubsschwert beständig der Erreichung des Höchsten im Weg steht und allem vollkommenen Glück die Spitze abgebrochen wird. An den Folgen des Falles hat nicht nur die der göttlichen, geistigen Herrlichkeit beraubte Seele Teil, sondern auch der menschliche Leib, der in seiner ganzen jetzigen tierischen Organisation, mit seinen Krankheiten und geistverzehrlichen Schwere, besonders aber im Sterben ein „Leib der Demütigung“ (Phil. 3,21), aber gerade in dieser Erniedrigung eine wohltätige und bewahrende Schranke für den Sünder ist; denn wie abscheulich würde wohl der Mensch sein, hielte ihn nicht sein Leib und die Kürze seines Lebens in Schranken! (1. Mose. 3,22-24).

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