Neviandt, Heinrich - Brief zur Tauffrage

Neviandt, Heinrich - Brief zur Tauffrage

Elberfeld und Barmen, den 17. April 1867

An den Abendmahlsgenossen Bruder R. Xbender in Schauberg.

Lieber Bruder Xbender! Ihr Brief vom 26. März ist richtig in unsere Hände gekommen, und wollen wir Ihnen auf die angeregten Fragen nach unserer besten Ueberzeugung antworten. Möge dann der Herr selbst Ihnen seinen Weg zeigen. Wir haben die feste Ueberzeugung, daß die Tauffrage die Kinder Gottes nicht voneinander trennen darf und soll. Es heißt 1. Korinther 12,13: „Denn wir sind durch einen Geist alle zu einem Leibe getauft, wir seien Juden oder Griechen, Knechte oder Freie, und sind alle zu einem Geiste getränkt.“ Sollen nun die, die der Herr durch die Gabe seines Heiligen Geistes zu einem Leibe verbunden hat, sich wieder trennen und wieder fremd werden, weil sie in diesem Punkte nicht einerlei Meinung sind? Könnte man dann nicht mit demselben Recht um anderer Meinungsverschiedenheiten willen sich auch absondern, während es Philipper 3,15.16 ausdrücklich heißt: „Wie viel unserer nun vollkommen sind, die lasset uns also gesinnet sein, und so ihr in etwas anders gesinnet seid, so wird euch Gott auch dieses offenbaren. Doch daß wir in dem, wozu wir gelangt sind, nach einerlei Regeln wandeln und gleichgesinnet seien.“ - Und wohin würde das zuletzt führen? Auch lehrt die Erfahrung, und unsere Gemeinde liefert davon den Beweis, daß Geschwister, die verschieden über die Taufe denken, sehr wohl und mit Segen in einer Gemeinschaft miteinander verbunden sein können, während eine Trennung um dieses Punktes willen fast notwendig zum Sektentum hinführt, wo man in der eigenen Gemeinde die Herde Christi sieht und ein ungebührliches Gewicht auf diesen Differenzpunkt legt. - Natürlich ist es wichtig, daß die Geschwister, die für die nochmalige Taufe der als Kinder Getauften sind, es für möglich halten, daß ein Kind Gottes in Lauterkeit vor dem Herrn anders hierin stehen kann; aber, den schlimmsten Fall angenommen (der übrigens nicht der Wirklichkeit entspricht), alle als Kinder Getauften ließen sich aus fleischlichen Rücksichten bestimmen, in diesem Punkte nicht dem Worte Gottes zu folgen, so würde es unserer Ueberzeugung nach auch dann noch nicht gerechtfertigt sein, um dieser Schwachheit willen die Gemeinschaft mit Brüdern im Brotbrechen aufzugeben, die im übrigen lauter vor dem Herrn wandeln. -

Die Frage ist einfach die: Soll man, da tatsächlich die Kinder Gottes in der Tauffrage auseinandergehen, die Gemeinschaft so lange anstehen lassen, bis eine Einigkeit in dieser Beziehung da ist; oder soll man es dem Heiligen Geiste zutrauen, daß er denen, die in der Hauptsache eins sind und sich darum auch untereinander zu einer äußeren Gemeinschaft verbinden, es immer mehr geben wird, auch in untergeordneten Fragen eines Sinnes zu werden? Die Antwort ist uns im Blick auf Philipper 3, 15.16 nicht zweifelhaft. Daraus folgt dann von selbst, daß die Aufnahme in die Gemeinde nicht notwendig durch die Taufe erfolgt, eben weil diese Frage, wie die Verhältnisse einmal liegen, dem persönlichen Gewissen des einzelnen überlassen werden muß. …

Übrigens lassen wir Ihnen, lieber Bruder, gerne Zeit, des Weges gewiß zu werden, den Sie einschlagen sollen, und befehlen Sie der Leitung des Heiligen Geistes, der in alle Wahrheit leitet. Wir bitten Sie noch, sobald Sie zu einem Entschluß gekommen sind, uns denselben anzuzeigen.

Der Vorstand der Freien evang. Gemeinde Elberfeld und Barmen.

Namens desselben: H. Neviandt, Prediger und Ältester

Quelle: W: Hermes „Hermann Heinrich Grafe“

Anmerkung: Der Name des Empfängers ist im Buch selber unkenntlich gemacht.

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