Müller, Heinrich - Von beweglichen Predigten.

Müller, Heinrich - Von beweglichen Predigten.

Von Herzen ins Herz.

Das geht mich und dich an, die wir arbeiten im Wort und in der Lehre. Du klagst, es geht den Leuten nicht zu Herzen, was ich predige. Ich frage, gehts auch von Herzen? Was nicht von Herzen, das geht auch nicht zu Herzen. Das Herz will gern etwas gewisses haben. Wie kannst du trauen, daß die Zuhörer deiner Lehre gewiß sind, wenn du nicht derselben durch eigne Erfahrung bei dir selbst versichert bist? Belade nicht die Zuhörer mit der Schuld, daß die Lehre nicht zu Kräften komme, ehe du dich selbst entladen hast. Du redest ohne Verstand dahin wie ein Papagey, predigst das Wort schläfrig wie ein Träumender und ist dir weder durch den Glauben, noch durch einige empfindliche Beistimmung deines Herzens bewußt, was du redest. Glaube mir, daß du des Unglaubens beim Zuhörer sowohl schuldig seist, als er selbst. Wenn Christus sagt zu Nicodemus: Wir reden, was wir wissen, ihr aber nehmt unser Zeugniß nicht an, Joh.8, lt.; gibt er sattsam zu erkennen, daß die Juden einigermaßen Ursache gehabt hätten, das Wort zu verwerfen, sofern es ihnen ohne Wissenschaft und Selbsterfahrung wäre vorgetragen. Prediger sind Säugammen der Gemeine; sollen ihre Brüste gesunde, süße Milch geben, müssen sie zuvor selbst die Speise göttlichen Worts schmecken, kauen, dauen und ins Leben wandeln. Bienen müssen sie sein, die sich selbst zuvörderst, darnach auch andere mit Honig satt machen. Ach, wie viel sind gleich den Rinnen, durch welche nur das Wasser hinstießt, andere wässern, selbst bleiben sie dürre! Wie kann das Wasser ein Schiff bewegen, das selbst nicht bewegt wird von den Winden? Eine Rede, die aus einem bewegten Herzen geht, dringt tief ein und wirkt kräftiglich, obs gleich nur eine Rede ist eines geringen Menschen. Ja selbst das Stillschweigen eines solchen ist nicht ohne Kraft. Origines, als er nach seinem Fall diese Worte aus dem 50. Ps.: Was nimmst du meinen Bund in deinen Mund, im Text der Predigt dem Volk vorlas und nicht reden konnte vor Thränen, machte, daß die ganze Gemeine mit ihm weinte. Wenn das Herz der Lehrer reden möchte, ach, wie kräftig würden ihre Predigten sein! Nun ich will drob sein, nicht daß ich zierlich, sondern beweglich predige, nicht die Ohren kraue, sondern das Herz rühre. Von mir selbst will ich den Anfang machen. Was mich nicht bewegt, wie will das Andere bewegen? Ich habe wohl eher unter meiner Predigt die Thränen fließen sehen, wenn mir zuvor selbst die Thränen geflossen in meinem Studierstüblein. Ach mein Gott, laß deinen Wind wehen, daß wir selbst durchgeweht, auch andere kräftig anwehen, so wird man deine Würze riechen.

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