Melanchthon, Philipp - Bedenken von den Konzilien, vom J. 1552.
Ich will kürzlich meine einfältige und wahrhaftige Meinung vom Konzil anzeigen.
Alle christliche Potentaten, kais. Majestät, Könige und Fürsten, sind Gott diesen Dienst und dieses Werk schuldig, so oft in der Religion, besonders zwischen vielen Nationen Uneinigkeiten vorfallen, Konzile generalia, oder nationalia gebührlicher Weise zu fördern, dass Gottes Ehre und rechte Anrufung nicht gefälscht werde, denn es steht geschrieben: Die Ecclesiae.
Also ist es gehalten vom Anfang in der Kirchen, und sind nicht allein Konzile universalia oder generalia durch Constantinum, Theodosium, Arcadium, Martianum, zu Nicaea, zu Konstantinopel, zu Epheso, zu Chalcedon, sondern auch nationalia in Hispania und Deutschland gehalten worden. Das Alles ist öffentliche Wahrheit.
Und sind Konzile ordentliche christliche Gerichte; darum tüchtige Personen sollen zum Verhör und zum Sprechen gewählt werden (welches die Potestaten als die vornehmsten Gliedmaßen der Christenheit dahin arbeiten sollen). Und dieweil die Konzile ordentliche Gerichte sind, sollen die Parteien dahin gefördert und gehört werden. Es soll auch Niemandem aufgelegt werden, sich zu verpflichten, zu halten, was man sprechen werde, sondern wie in andern ordentlichen Gerichten, soll ein Jeder warten, was man spricht, und so er nicht gehorsam ist, mag er der Strafe gewarten.
Dass man ganz alle Konzile fliehen und ablehnen wollte, das kann nicht sein; denn es müssen Kirchengerichte bleiben. So haben fremde Nationen ein großes Missfallen daran, so sie hören, man wolle ganz kein Konzil besuchen.
Dass aber kais. Majestät die Kur- und Fürsten und Stände zuvor verpflichten will, dass sie sich verpflichten, zu halten, was da gesprochen werde, das ist auch Unrecht; denn Konzile sind nicht compromissa, sondern ordentliche Gerichte, darin ein Jeder seiner Strafe wartet rc.; doch sollen sie gebührlich gehalten werden.
Et redduntur in invitum1).
Und dass man spricht: was ist es Not, Konzile zu halten, so man nicht gehorsam sein will? Item, Konzile sollen ohne Widersprechen gehalten werden; darauf ist diese wahrhaftige klare Antwort: Solches ist vor dem Konzil und vor dem Verhör nicht zu suchen. Denn es sind die Konzile ungleich gewesen. Item, so man sich zuvor zum Gehorsam verpflichtet hat, sind zu dieser Zeit der Papst und die Mönche, die doch im Grunde diese Sache guberniren2), so viel freudiger, schließen, was sie wollen; denn sie wissen, dass Niemand ihr Urteil anfechten wird. Es ist auch vor Alters, als zu Konstantins Zeiten, nicht gesucht worden, zuvor zu bewilligen in den Beschluss, sondern nach dem Beschluss.
Zu Nicaea hat Konstantin sich unterschrieben, und bei Andern um die Subscription angesucht.
Und wissen alle Verständigen hierin, was ordentlicher Gerichte Weise und Kraft ist, besonders in Sachen, Gottes Ehre und das Gewissen betreffend.
Dass aber etliche Stände raten, man solle willigen in die Fortsetzung des Konzils zu Trident, sage ich für meine Person, dass ich solche Bewilligung verstehe für eine Annehmung der gemachten Dekrete.
Dieweil denn etliche Artikel in den gemachten Dekreten gewiss falsch und wider göttliche Wahrheit sind, so kann ich solche Annehmung der gemachten Dekrete nicht raten, und will mein Gewissen hier nicht beschweren.
Ich will Nichts reden von den ersten Dekreten, darin keine Lehrartikel sind, sondern ich will allein von den zwei Dekreten reden, darin von der Erbsünde, hernach vom Glauben und Gerechtigkeit, Artikel gestellt sind, und weiß wohl, dass Viele sagen, man solle nicht grübeln und nicht zu genau suchen. Ich will auch nicht strafen, das recht ist, und sage also, es sind viel Stücke in diesen Artikeln, die recht sind; aber dagegen sind auch etliche vornehme Stücke, die gewiss falsch und wider göttliche Wahrheit sind, als im Dekrete von der Gerechtigkeit ist dieses klar gesetzt, dass Irrtum sei, lehren, dass man glauben soll, dass wir Vergebung der Sünden haben und Gott gefällig sind. Item, so man spricht, die Gerechtigkeit Christi ist uns geschenkt; dieses soll nicht also verstanden werden: wir sind angenehm und Gott gefällig um der Gerechtigkeit Christi willen, sondern von wegen unserer eigenen Reinigkeit und Würdigkeit, die uns gewirkt ist, darum dass Christus gelitten hat.
Ich will Nichts verkehrt deuten, sondern es ist gewiss der natürliche Verstand desselbigen Dekretes wider die wahrhaftige Lehre von der Versöhnung und Gerechtigkeit des Glaubens, davon unsere Kirchen reden. Item, sie loben noch im Dekrete Weihwasser und Indulgentias3). Item, sie sagen, böse Neigungen im Menschen, Sicherheit und Zweifel von Gott sei nicht Sünde.
Wiewohl nun Leute sein werden, die diese und andere unrechte Stücke im Dekrete schmücken und glossieren werden, und werden sagen, es sei um Friedens willen also in gemeinen Worten gesetzt; so will ich doch mein Gewissen mit diesen Glossen nicht beladen, und will für meine Person die unrechten Stücke nicht annehmen.
Was auch für Dekrete folgen werden, von der Messe und Heiligenanrufung, ist wohl zu achten. Es ist auch wohl zu achten, dass diese Dekrete nicht zu Stillung der Uneinigkeit dienen werden; denn sie werden von Vielen angefochten werden, und sind bereits Schriften dagegen ausgegangen.
Auch ist dieses Dekret dem Artikel zuwider, der zu Regensburg Anno 1541 von der Gerechtigkeit verglichen ist.
So nun kais. Majestät in via ordinaria bleiben will, und will stracks durch ein Generalkonzil prozedieren4), so ist Not, dass man uns erfordere (laut des kurfürstl. Bedenkens) und unsere Antwort und Erklärung höre, und dass tüchtige Personen zum Verhör durch Ihre Majestät gewählt werden.
Danach mag ein Jeder gewarten, was folgen werde; weiter kann ich von der ordinaria via nicht sagen.
So aber bei kais. Majestät zu erhalten wäre, dass Ihre Majestät andere Wege, als eine Vergleichung in Deutschland zulassen wollte, wie zu Speyer beratschlagt worden, dass man auf beiden Seiten Bedenken einbringen sollte, dieses mag man bei kaiserl Majestät versuchen.
Ich achte aber, es werden Wahrheit und falsche Lehre wider einander streiten für und für, und werden rechte Christen viel und mancherlei Verfolgung haben.