Mayfart, Johann Matthäus - Himmlisches Jerusalem - III. Bei den Frommen fängt das ewige Leben in dieser Welt an.

Mayfart, Johann Matthäus - Himmlisches Jerusalem - III. Bei den Frommen fängt das ewige Leben in dieser Welt an.

Du allmächtiges, hochgelobtes Vaterherz! erzeigst Du mir und den Meinen so viel Wohltaten in dem Trauerhause der Nichtigkeit, was für Wohltaten wirst Du mir erzeigen in dem Lusthause der Ewigkeit! Erzeigst Du mir solche Gnade in dem Kerker, was für Gnade wirst Du mir erzeigen in Deinem Palast! Erzeigst Du mir solche Liebe in dem Elend, was für Liebe wirst Du mir erzeigen in dem Vaterland! (Augustinus.)

Wie süß ist doch das Leben derer, die Gott recht fürchten. Gott der Allerhöchste hat sie schon in dieser Welt hingerückt in sein eigenes Gezelt und in seiner Hütte verborgen (Ps. 27.5. u. 31,21.), nicht anders als wenn ein mächtiger König dieser Erde seine liebsten Freunde in seinen Palast, ja in sein eigenes Zimmer aufnimmt, damit ihnen von den Feinden kein Leid zugefügt werde. Dieses achten freilich die Kinder der Finsternis nicht. Sie wollen viel lieber sein Kerker der gräulichen Wollust, Sklaven der flüchtigen Ehre, Vorläufer des Todes, Nachfolger der Teufel, weil ihnen das Licht der Wahrheit nicht geschienen und die Sonne der Gerechtigkeit nicht aufgegangen (Weish. 5,6.), weil sie ihre Ohren verstopft wie Pharao und ihres Herzens Türen so fest verriegelt, dass nicht ein einiger Strahl hat durchbrechen können. Darum fängt bei ihnen schon hienieden an die Hölle, bei den Auserwählten aber das ewige Leben. Das beweisen wir mit dem Machtspruch: „Wo der Friede und die Freude des ewigen Lebens angeht, da fängt auch das ewige Leben an.“ Denn Friede und Freude sind unzertrennlich vom ewigen Leben. Eher ist es möglich, dass ein Mohr seine Farbe und ein Pardel seine Flecken verliere, als dass das ewige Leben ohne Frieden und Freude sein könnte.

Nun aber haben die Auserwählten großen Frieden in ihren Herzen; denn da sie zuvor Gottes Feinde waren, sind sie mit Gott versöhnt worden durch Christum. Ihr Gewissen ist gestillt. Ihr Fleisch ist gedemütigt. Wenn auch von außen Kampf, haben sie doch im Herzen sanfte Ruhe und beständige Sicherheit. Denn ihre Seele hat sich aus den wütenden Wellen der ungestümen Welt gerettet und in dem Hafen des Glaubens die Anker geworfen. Sie erhebt die Augen von der Erde gen Himmel, naht mit allen ihren Gedanken zu Gott, und was groß geachtet vor der Menschen Augen, verachtet sie gegen das Ewige. Gott ist ihre Zuversicht und Stärke, eine Hilfe in großen Nöten. Darum fürchtet sie sich nicht, wenn gleich die Welt unterginge, und die Berge ins Meer sänken. Und ob auch das Fleisch noch schwach und zaghaft ist, so kann es doch den Frieden nicht stören. Denn die Frommen sprechen ihrer Seele mit David mächtig zu (Ps. 42,6.): sie solle sich nicht betrüben, auch nicht unruhig sein, sondern auf Gott harren; denn sie werde Ihm noch danken, wann von der Vernunft aller Irrtum, von dem Willen aller Schmerz, von dem Gefühl alle Furcht zu seiner Zeit geschieden, und an ihre Statt eine wunderbare Klarheit, eine ewige Sicherheit und eine volle Süßigkeit gekommen sein werde. Das alles aber werde Gott tun, um seiner Wahrheit, Liebe und Barmherzigkeit willen, auf dass Er alles in allem sei, in der Vernunft ein Licht, das nicht auslösche, in dem Willen der Friede, der nicht aufhöre, in dem Gefühl die Freude, die nicht vergehe.

Und dass solche Freude des ewigen Lebens bei den Auserwählten schon hier anhebt, davon zeuget klärlich die Freude der heiligen Märtyrer. Denn woher kam es, dass Laurentius auf dem Rost, wie auf einem köstlichen mit Samt und Seide geschmückten Bett sich umwendete und des Henkers spottete, wenn nicht aus der Freude des ewigen Lebens? Woher kam es, dass Vincentius auf dem Richtplatz, wie in einem schönen und wohlgebauten Tempel um so heller und höher sang, je mehr er gepeinigt wurde, wenn nicht aus der Freude des ewigen Lebens? Woher kam es, dass Hus sich auf den Scheiterhaufen, wie auf einen Königsthron schwang, als ob er sich zum Gericht über seine Feinde und nicht zum Tod in die Flammen setzen wollte, wenn nicht aus der Freude des ewigen Lebens? O du Unendlichkeit, und hast den Anfang in der Nichtigkeit! O du sanfte Ruhe, und hast den Anfang in dem Schmerz und der Arbeit! O du Brunn der Trübsal und gibst Wasser der Freuden! O ihr heiligen Märtyrer! indem ihr anschaut den Himmel und darin erkennt euren Schöpfer und Erlöser, seid ihr viel höher als die Sonne und viel mächtiger als alle menschliche Gewalt! Ihr fangt an zu werden, was ihr angefangen habt zu glauben. Auf! ihr Verfolger, die ihr Lust habt die Hände zu binden, ob der Freude des ewigen Lebens werden euch die Märtyrer den Hals bieten zum Würgen! Die ihr Lust habt zu geißeln, sie werden euch alle Glieder bieten zum Verwunden! Die ihr Lust habt zu verwunden, sie werden euch den ganzen Leib bieten, dass ihr ihn tötet! Es wird sich keiner, wie Saul, mit der Menge der Diener schützen. Es wird keiner, wie Joab, des Altars Hörner ergreifen, sein Leben zu fristen. Sie werden alle, wie ein angenehmes Opfer vor dem Altar sich einstellen und schlachten lassen; und das alles wegen der Freude des ewigen Lebens, die sie in ihrem Herzen empfinden. Ja lasset herkommen alle reißenden Tiere aus allen Wildnissen, alle Peiniger aus allen Landen, alle Teufel aus allen Höllen; sie werden sich nicht fürchten. Aus euren Ländern könnt ihr sie verweisen, aber nicht aus dem Paradies. Das Zeitliche könnt ihr rauben, aber nicht das Ewige. Geld und Gut könnt ihr nehmen, aber nicht den Glauben. Den Leib könnt ihr töten, aber die Seele nicht.

Wo ist das helle Feu'r? wo ist die helle Flut? Da ist kein' Flamm' so groß; es bleibt des Glaubens Mut.
Wo ist das tiefe Meer? wo ist der Wellen Grund?
Da ist die feste Lieb; da ist der feste Mund.
Wo sind die Ketten dick? wo sind die harten Bande?
Da ist zu aller Not ein' freudenfreie Hand.

Sie begehren mit Paulus abzuscheiden und bei Christo zu sein. Sie sprechen: Christus ist mein Leben; Sterben mein Gewinn (Phil. 1,21.23.). Fürwahr, wo sollten solche Quellen herrühren, als aus dem Brunnen des ewigen Lebens?

Auch unser Herr Christus gibt davon Zeugnis, wenn Er spricht (Luk. 17,21.): „Seht das Reich Gottes ist inwendig in euch.“ Wo aber das Reich Gottes ist, da ist auch das ewige Leben. Fürwahr, ein herrliches Reich! Denn darin herrschen die Auserwählten über den Zorn mit der Sanftmütigkeit, über den Hass mit der Freundlichkeit, über die Unbilligkeit mit der Versöhnung, über die Hoffart mit der Demut, über die Wollust mit der Mäßigkeit, über alle andere Sünde mit der Heiligkeit. Darin herrschen sie über Krankheit mit Geduld; über Verfolgung mit Bekenntnis, über Marter mit Beständigkeit, über den Tod mit dem Leben. Darin herrschen sie über Schätze und alle irdischen Güter mit freudiger Aufopferung, über Ruhm und eitle Ehre mit der Schmach Christi. Darin herrschen sie endlich über die Heiden mit dem Glauben, über die Bösen mit der Frömmigkeit, über die Ketzer mit der Wahrheit, über die Teufel mit der Seligkeit. Lasst uns umsehen auf dem ganzen Erdkreis, ob irgend ein Reich sei, das diesem zu vergleichen wäre. Welcher Herrscher hat so große Majestät? Welcher Fürst so große Macht? Kein Herrscher ist mit Darius so hoch, dass er nicht von Alexander könne erniedrigt werden. Kein Fürst ist mit Krösus so reich, dass er nicht von Cyrus beraubt werden könne. In den Auserwählten aber ist ein solches Reich, welches auch die Pforten der Hölle nicht überwinden mögen. Und sollte in ihnen nicht das ewige Leben sein?

Dazu kommt endlich noch, was St. Paulus sagt (Ephes. 3,17.), dass Christus in den Herzen der Auserwählten wohne durch den Glauben. So sind sie Gottes Tempel. Ja sie sind Gottes Himmel; denn in ihnen glänzt die Sonne der Erkenntnis und leuchtet der Mond des Glaubens und blinken die Sterne der Tugenden. Sie sind Gottes Himmel, denn sie donnern mit der Lehre; sie glänzen mit Wunderwerken; sie regnen mit Weisheit, durch welche die ganze Kirche befruchtet wird. Betrachtet doch diesen geistlichen Himmel! Er ist viel herrlicher, als der irdische Himmel; denn der irdische wird beleuchtet von der Sonne, die erschaffen ist; der geistliche von der Sonne, die ewig ist. Er ist viel fester, als jener; denn der irdische Himmel muss zerbrechen und mit großem Krachen zergehen (2 Petr. 3,10.). Aber der geistliche Himmel ist so fest, dass der Apostel saget (Röm. 8,38.39.): „Er sei gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fürstentum, noch Gewalt, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes, noch keine andere Kreatur die Auserwählten scheiden möge von der Liebe, die in Christo Jesu ist unserm Herrn.“ Und hier sollte nicht das ewige Leben sein?

Daher gleichen die Auserwählten den köstlichen Perlen; denn gleichwie die Perlen dem Himmel ähnlich sind durch ihre lichte Farbe, durch ihren hellen Glanz, durch ihre unübertreffliche Schönheit; und sind doch nicht vom lichten Firmament abgebrochen, sondern aus der dunkeln Tiefe des Meeres: so tragen auch die Auserwählten an sich des Himmels Licht und des ewigen Lebens Glanz und Schönheit, obwohl sie nicht aus dem himmlischen Paradiese stammen, sondern aus dem finstern Sündenmeere dieser Welt.

O Herr Jesu, gib mir in diesem Leben ein Tröpflein von dem Brunnen der Wahrheit, der Weisheit und der Liebe, daraus die Wasser der Erleuchtung, der Betrachtung und der heiligen Bewegungen entspringen und fließen. Lass mich von demselben nur etwas hier zeitlich schmecken und dort ewiglich von dem Strome Deiner Gnade trinken. Amen.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/m/mayfart/mayfart-himmlisches_jerusalem/mayfart-himmlisches_jerusalem-kapitel_3.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain