Mayfart, Johann Matthäus - Himmlisches Jerusalem - XIX. Von dem himmlischen Hochzeitsmahle der auserwählten Seele.
Lasst uns eilen an einen Ort, der viel sicherer ist, in Gefilde, die viel fruchtbarer sind, auf eine Weide, die viel gesünder ist, auf dass wir daselbst wohnen ohne Furcht, reich seien ohne Mangel, wohl leben ohne Überdruss. (Bernhardus.)
Viele werden kommen von Morgen und Abend und mit Abraham, Isaak und Jakob im Himmelreich sitzen (Matth. 8, 11.). Dazu gelangt die auserwählte Seele, wann sie am Lage ihrer Hochzeit zur Himmelstafel gezogen und mit einem freudenreichen Wohlleben gelabt wird. Dann speist der Sohn Gottes ihren Verstand mit voller Erkenntnis, der heilige Geist den Willen mit unsträflicher Gerechtigkeit, der Vater das Gefühl mit der allersüßesten Lieblichkeit.
Heliogabalus, ein König aller Narren, ein Ausbund aller Gecken, stellte einst ein großes Festmahl an, setzte aber seinen Gästen nur hölzerne und gemalte Speisen vor, so dass sie viel hungriger wieder abziehen und davon schleichen mussten, als sie gekommen waren. Die Welt ist solch ein Heliogabal. Sie lädt die Seelen zu ihren Festmahlen und trägt dem Scheine nach fürstliche Speisen auf, in Wahrheit spottet sie der Geladenen mit Scheingerichten. Bei dem himmlischen Mahle aber sind alle Speisen Fett und Mark und alle Weine Kraft und Saft.
Wie große Summen haben verschwenderische Fürsten oft auf eine einzige Mahlzeit verwendet! Ausländische Speisen haben sie über Meer in Schiffen, über Berg und Tal auf Wagen herzuführen und von weit entlegenen Inseln herbeibringen lassen. Aber wo sind die Gerichte, mit denen die auserwählte Seele im Himmel gespeist wird, in dieser Welt gesehen worden? Aus welchen Landen sind sie geholt? In welchen Küchen bereitet? Auf welchem Tische vorgesetzt worden? Spricht man von köstlichem Malvaster, Champagner und dergleichen hochgeschätzten Weinen: sie sind Wasser, welches die Sonne mit ihrer Hitze in den Reben bereitet hat. Spricht man von köstlichen Speisen, Wildbret, Fischen und edlem Zugemüse: es ist Erde, welche die Natur solcher Gestalt gebildet hat. Spricht man von dem starken Bier, davon unsere deutschen Vorfahren oft trunken geworden: es ist ein Wasser, welches der Braumeister mit Erde und Wasser auf seine Art vermengt hat. Spricht man von gutem Met: es ist ein Wasser, welches der Sieder mit Honig angemacht und abgesotten hat.
Das Hochzeitsmahl der auserwählten Seele im Himmel behält den Preis vor allen. Davon rühmt schon der Prophet Jesaias (Kap. 25, 6.): „Der Herr Zebaoth wird allen Völkern machen auf diesem Berge ein fett Mahl, ein Mahl von reinem Wein, von Fett, von Mark und Wein, darin keine Hefe ist.“ - Ein fett Mahl nennt er es wegen seines Überflusses, ein Mahl von Mark wegen seiner Kraft, ein Mahl von Wein wegen seiner Lieblichkeit, ein Mahl von reinem Wein wegen seiner ungetrübten Freude. Das ist das rechte Freudenmahl, von welchem Christus spricht: „Ich sage euch, ich werde von nun an nicht mehr von diesem Gewächs des Weinstockes trinken bis an den Tag, da ich es neu trinken werde mit euch in meines Vaters Reich“ (Matth. 26, 29.). Und abermals (Luk. 22, 29. 30.): „Ich will euch bescheiden das Reich, welches mir mein Vater beschieden hat, dass ihr sollt essen und trinken über meinem Tische in meinem Reich.“ So sitzt also die auserwählte Seele zu Tische bei ihrem Bräutigam Jesu Christo und hat die heiligen Engel zu Tafeldienern.
Was sind dagegen alle Gastereien dieser Welt? Giftmahle, mit denen die Leiber verdorben und die Gemüter beschwert werden. Was ist dagegen alles Wohlleben auf dieser Erde? Nichts anderes als das Hungermahl des verlorenen Sohnes, da er seinen Bauch mit Träbern, die die Säue fraßen, zu füllen begehrte.
Dieses Freudenmahl der auserwählten Seele nennt Christus ein groß Abendmahl; denn der Allmächtige ist der Gastwirt, heilig sind die Speisen, himmlisch die Getränke, selig die Festfreuden.
Bei des Königs Ahasverus großem Gastmahl ging es hoch her. Es wurde im königlichen Garten gehalten. Daselbst hingen weiße, rote und gelbe Tücher mit seidenen Schnüren und scharlachenen Seilen in silbernen Ringen gefasst auf Marmorsäulen. Die Bänke waren golden und silbern auf Pflaster von grünem, weißem, gelbem und schwarzem Marmor. Die Getränke trug man auf in goldenen Gefäßen und königlichen Wein in königlicher Fülle (Esther 1, 6. 7.). Die Augen weideten sich an dem königlichen Prunke des ganzen Hofes, an der Ordnung der Diener in mannigfaltigen prächtigen Kleidern, an der Menge unschätzbarer, aus Gold, Silber, Edelsteinen und andern teuren Stoffen verfertigter und mit feiner Kunst ausgearbeiteter Geschirre, in denen man die Speisen auf- und abtrug und die Getränke aus- und einschenkte. Die Ohren wurden ergötzt durch die lieblichen Stimmen der ausgezeichnetsten Sänger und durch den fast himmlischen Klang der musikalischen Instrumente. Der Geruch wurde gelabt von süßen Düften, welche sanft erregte Lüfte von dem Balsam der Rosen und Blumen, von den Salben der Spezereien und von den Wohlgerüchen der künstlich bereiteten Wasser daher wehten. Der Geschmack wurde angereizt und belebt von den lieblichsten Gewürzen, mit welchen die ohnedies schon herrlichen Speisen bereitet waren, und von dem edelsten Weine, der von allen Seiten herzugetragen ward. Das Wohlgefühl wurde erreget durch seidene Kissen und Polster, durch babylonische Teppiche und sidonische Gewebe.
Diese königliche Herrlichkeit mag allerdings andere irdische Dinge weit überschatten; aber mit dem Hochzeitsmahle Jesu Christi verglichen ist es ganz nichts zu schätzen. Denn die allersüßesten Speisen dieser Welt sind gegen die Süßigkeit der himmlischen Mahlzeit nur saure Träbern und bittere Schalen. Diese wird gehalten im Garten des Paradieses. Da sind keine seidenen Tücher, mit denen er umhangen ist, sondern die Klarheit des Herrn Zebaoth erfüllt ihn. Da sind keine Marmorsäulen, sondern das Mahl steht auf dem von Gott selbst mit unerforschlicher Weisheit gelegten und mit unbeschreiblicher Schönheit ausgestatteten ewigen Grunde. Da wird nicht in güldenen Gefäßen Wein umhergetragen, sondern die edlen Wasser des Lebens werden voll eingeschenkt. Nichts wird gespeist, denn lauter Freude, lauter Wonne, lauter Friede, lauter Trost, lauter Liebe. Da sitzen die Auserwählten unter des Lebensbaumes Schatten, des sie begehren, und seine Frucht ist ihren Kehlen süße (Hohel. 2, 3.). - Es spricht auch der himmlische Bräutigam allen Hochzeitsgästen freundlich zu: „Esst, meine Lieben! Trinkt, meine Freunde, und werdet trunken“ (Hohel. 5, 1.), als wollte Er sagen: O ihr auserwählten Patriarchen und Erzväter! o ihr auserwählten Priester und Leviten! o ihr auserwählten Könige und Fürsten! o ihr auserwählten Propheten und Apostel! o ihr Märtyrer und Bekenner! o ihr auserwählten Israeliten und Christen! um meinetwillen hat man euch mit Tränenbrot gespeist und mit Wasser der Trübsal getränkt. Man hat euch nicht zu Tische gesetzt, sondern in Banden und Ketten geschlossen. Ihr habt geredet von meinen Zeugnissen vor Königen und euch nicht geschämt (Ps. 119, 46.). Ihr habt meine Worte gehalten und meinen Namen nicht verleugnet (Offenb. 2, 3.). Ihr habt geeifert um meine Worte und euch gegrämt, dass euch das Herz verschmachtete (Ps. 119, 28. 139.). Um meinetwillen habt ihr das Elend gebaut, und in den Wüsten die Berge, und in den Bergen die Klüfte bewohnt, Spott und Schande, ja den bitteren Tod gelitten; das muss hier vergolten werden. Ihr seid meine Lieben, ich euer Bräutigam. Ihr seid meine Freunde, ich euer Bruder. Esst von dem verborgenen Manna (Offenb. 2, 17.)! „Trinkt aus dem Kelch der ewigen Seligkeit! Trinkt, damit ihr in der Liebe trunken werdet!“
Die Alten pflegten zu sagen, bei dem Festmahle gelte der erste Trunk der Gesundheit, der andere der Freude, der dritte dem Schlafe, der vierte der Mäßigkeit, auf den fünften erfolge Geschrei, auf den sechsten Zank, bis endlich der zehnte mit der tollen Unsinnigkeit schließe. Bei der himmlischen Tafel aber ist keine Ungelegenheit zu befürchten. Ist der erste Trunk die Seligkeit, so bringt der andere die Fröhlichkeit, der dritte die Freiheit, der vierte den Lobgesang, der fünfte die keusche Liebe, der sechste die sanfte Ruhe, bis der zehnte mit der Unsterblichkeit beschließt. „Selig sind, die zu dem Abendmahl des Lammes berufen sind,“ spricht der Engel (Offenb. 19, 9.). Ja wahrlich selig sind sie! denn sie werden bei demselben mit voller Genüge ewig gesättigt. Wie das Abendmahl hienieden des Tages letzte Speise ist und bei eintretender oder schon eingetretener Nacht gehalten wird: so ist diese Mahlzeit der Auserwählten letzte Labung im ewigen Jerusalem; aber doch keine vergängliche Labung, welcher neuer Hunger folgte; sondern es ist das ewige, überflüssige, reiche, königliche Abendmahl, dadurch anfänglich die auserwählte Seele allein, endlich aber bei der Auferstehung auch der Leib erquickt und beseligt wird.
Von diesem Freudenmahle redet der königliche Prophet (Ps. 17, 15.): „Ich will satt werden, wenn ich erwache nach Deinem Bilde“; und will sagen: jetzt kann ich nicht gesättigt werden, sondern ein Hunger folgt auf den andern; wann aber die Zeit kommt, dass mein Leib aufersteht und ich gänzlich in Dein Bild verklärt, und an den Tisch der Glorie gelangt bin, welchen Du Deinen auserwählten Knechten verheißen hast: dann will ich satt werden, dass mich nimmermehr hungern soll.
Ist es aber nicht zum Erbarmen, wenn alle Menschen zu dieser Mahlzeit durch die heilige Bibel schriftlich und durch die Prediger mündlich aus des ewigen Vaters, des himmlischen Bräutigams und der auserwählten Braut Befehl eingeladen worden, ist es nicht zum Erbarmen, dass der größte Teil der Menschen mit jenen Toren sich ausreden: „Ich habe einen Acker gekauft, und muss hinausgehen und ihn besehen; ich bitte dich, entschuldige mich. Ich habe fünf Joch Ochsen gekauft und gehe jetzt hin, sie zu besehen; ich bitte dich, entschuldige mich. Ich habe ein Weib genommen, darum kann ich nicht kommen.“ Ja die Bosheit der Menschen ist so groß, dass sie sich nicht nur nicht begnügen, Äcker zu kaufen, Ochsen zu besehen, Weiber zu nehmen, sondern sie unterstehen sich auch die Äcker und Länder zu verwüsten, die Ochsen und Güter zu stehlen, Buhlerinnen und Dirnen zu halten, damit sie um so gewisser von der himmlischen Mahlzeit ausgeschlossen werden.
Und doch sollten wir, wenn uns armen Würmern Gott auch nicht so ein stattliches, völliges Mahl, sondern nur die von dem Tische abgefallenen Brosamen und hinterlassenen Bröcklein verheißen hätte, im Augenblick alle zeitlichen Güter hintenan setzen, damit wir nur derselben mit Segen teilhaftig werden möchten.
Von den Verächtern spricht der Herr: „Ich sage euch, dass der Männer keiner, die geladen sind, mein Abendmahl schmecken wird.“ Keiner wird das Abendmahl schmecken; aber wenn sie den Leib mit allen Sinnen des Fleisches abgelegt und die irdischen Güter auf Erden verlassen haben, müssen sie mit unaussprechlichem Verlangen nach dem himmlischen Wohlleben ewig hungern und gequält werden.
O mein Heiland, nimm auf meinen Geist! O mein Leben, nimm auf meine Seele! O Gott meine Freude, zeuch mein Herz zu Dir! O du meine süße Speise, erquicke mich! O du mein Haupt, regiere mich! O du mein Licht, umglänze mich! O du mein Psalm, erfreue mich! O du mein Lob, ermahne mich! O du mein Gott, erhöre mich! Amen!