Luther, Martin - Sermon vom Wucher

Luther, Martin - Sermon vom Wucher

Zum ersten, ist zu wissen, daß unser Herr Jesus Christus, Matth. 5. da er sein Volk lehrt, wie sie sich sollten halten gegen einander in den zeitlichen Gütern, zu geben und zu leihen, setzt drei unterschiedliche Grade. Der erste ist: So jemand uns etwas mit Gewalt nimmt, sollen wirs nicht allein fahren lassen, sondern auch bereit seyn, so er mehr nehmen wollte, dasselbe auch zu lassen, und spricht also: wer mit dir hadern will am Gerichte, daß er dir den Rock nehme, so laß ihm den Mantel, d. i., sollst nicht widerstreben noch wehren, daß er den Mantel nicht auch nehme. Und dies ist der höchste Grad in diesem Werke.

Der andre ist, daß man geben soll jedermann, der sein bedarf und begehrt; davon sagt er also: wer von dir bitter, dem gib.

Der dritte Grad ist, daß man williglich und gern leihe oder borge, ohn allen Aufsatz der Zinse, davon sagt er: Und wer von dir borgen oder entleihen will, von dem kehre dich nicht, d. i., versags ihm nicht.

Dieser dritte letzte Grad ist der geringste, auch so gering, daß er im A. T. geboten ist dem schlechten unvollkommnen Volk der Juden; ja, auch der andre Grad, wie 5 Mos. 15, 7. 8. geschrieben steht: So jemand aus deinen Brüdern in deiner Stadt arm wird, sollst du dein Herz nicht gegen ihm verhärten, noch deine Hand zuhalten, sondern sollst sie aufthun, und ihm leihen was er bedarf. Item, der andre Grad im selben Capitel V. 11: Es werden allzeit arme Leute seyn in deinem Lande, darum gebiete ich dir, daß du deine Hand aufthust deinem Bruder, dem Armen, und der es bedarf und gebest ihm.

So nun GOtt die zween Grade im A. T. hat geboten, und gewollt, daß ein jeglicher des andern Bruder geachtet würde, und daß man niemand unter ihnen sollte betteln und darben lassen, als er spricht 5 Mos. 15, 4: Es soll je kein Bettler noch Darbloser unter euch seyn; wie vielmehr soll das christliche Volk dazu und noch höher verbunden seyn, daß sie sich unter einander mit leihen und geben halten, als Brüder, darüber auch bereit seyn fahren zu lassen, was man mit Gewalt nehmen will; und sollte billig keine Bettelei unter den Christen seyn, viel weniger denn unter den Juden.

Wenn man aber das halten will, so müßte man auch dafür seyn, daß man nicht in einer Stadt allen Fremden, Auswohnenden gebe. Darum setzt er in seinem Gebot das Wörtlein, in deiner Stadt, daß in einer jeglichen Stadt die Dürftigen von derselben Stadt Einwohner sollen versorgt werden. Nun ist des Bettelns so viel, und der Walfahrt zu S. Jacob hie und da alles nur auf den Bettelsack verlassen, daß Wunder ist, wie sichs ertragen mag. Das wüßte man alles aufheben. Und wollte GOtt, daß es die Obrigkeit erkennte und angriffe.

Etliche meinen, der erste Grad sei ein Rath, nicht geboten, und achtens für billig, daß ein jeglicher das seine wieder fordere, und vor Gewalt beschütze, wie er mag; den Vollkommnen aber sei es ein Gebot. Sprechen: So das wahr wäre, würde den Böswilligen Urlaub gegeben zu nehmen und stehlen, zuletzt würde niemand nichts behalten. Diese Ausrede hilft nicht, es ist schlecht ein Gebot, um böser Menschen willen nicht nachzulassen.

Doch hat GOtt das weltliche Schwert dafür eingesetzt, und der Obrigkeit befohlen, daß sie dieselben Böswilligen strafe und wehre, daß sie nicht öffentlich Urlaub haben zu nehmen was sie wollen, wiewohl der Apostel 1 Cor. 6, 1-8 den Unvollkommnen zuläst, das ihre mit Recht wieder zu fordern; doch straft er sie, daß sie nicht lieber Schaden und Betrug leiden, denn rechten und hadern. Und so es nicht geboten wäre, so wäre der Christenstand nichts höher, denn des Alten Testaments.

Dazu ists klar ausgedruckt Luc. 6, 30. ff. da der Herr sagt: Einem jeglichen gib, der dich darum bittet ff. Aus welchen Worten klar wird, daß Christenmenschen nichts anders zugebührt, denn geben und leihen umsonst, dazu den Feinden wohlthun, und nicht mit ihnen hadern, noch sie beschädigen.

Nu seht zu, wo die bleiben, die Wein, Korn, Geld, und was des ist, ihrem Nächsten also leihen, daß sie über das Jahr aus dieselben zu Zinsen verpflichten, oder beschweren und überladen, daß sie mehr, oder ein anders, das besser ist, wiedergeben müssen, denn sie geborgt haben. Das sind jüdische Stücklein und Tücklein, und ist ein unchristlich Fürnehmen wider das h. Evangelium Christi, ja wider das natürliche Gesetz und Recht, das der Herr anzeigt Luc. 6, 31. da er sagt: was du willst, das dir die Menschen thun und lassen sollen, das thu und laß du auch ihnen. Es ist niemand, der nicht gern wollte, daß man ihm ohn Aufsatz leihe; warum thut er denn nicht wieder dasselbe einem andern? Und gehen doch hin als fromme Christen, beten, fasten, geben zuweilen ein Almosen, stiften dies und das; aber dies christliche Werk will man nicht achten, da es ganz und gar anliegt.

So sprichst du denn: Ist es also gethan um das leihen und Borgen, so will ich niemand leihen; denn so verlör ich mein Interesse? Antwort: Du magst thun wie du willst, so wirst du das Gebot Christi nicht umstoßen, da er dir gebeut, du sollst leihen ohn allen Aufsatz deinem Nächsten. Dazu, so ers bedarf, auch geben ganz umsonst. Thust du es nicht, so bist du auch kein Christenmensch, und wirst deinen Himmel hie aus Erden empfangen haben. Denn nicht dein Wille, sondern GOttes Gebot und das natürliche Recht muß vorgehen, sollst du selig werden.

So sprichst du aber: Wenn das wahr wäre, so wären gar wenig Christen itzt in der Welt, ist es doch allenthalben Sitte worden, daß man auf Gewinst nur leiht? Antwort ich: Es sei Sitte oder Unsitte, so ist es nicht christlich, noch göttlich, noch natürlich. Darum, so man die rechten Werke ansieht, so wird man gewahr, wie wenig guter Bäume sind, die rechte christliche, evangelische Früchte tragen; die doch sonst viel andre Werke thun, die sie vor gut haben, ob sie ihnen wohl nicht geboten sind, betrügen und blenden sich selbst mit denselben eignen Werken, daß sie dieser göttlichen Werke noch gedenken noch erkennen.

Sprichst du aber: Thun doch die Priester, Gelehrten, Geistlichen und etliche Kirchen auch also, die nur auf Gewinst leihen, sonderlich dieweil dasselbe zur Besserung der Kirchen und geistlichen Güter gelangt? Diese Entschuldigung ist würdig, daß sie dem bösen Geist zugeschrieben werde, darum, daß sie mit der Kirchen und geistlicher Güter Besserung rechtfertigt den Wucher, unrecht Gut, des Nächsten Schaden und Verdrückung, und will auflösen GOttes Gebot; gerad als hätten der Kirchen und Geistlichen Güter Freiheit, GOttes Gebot zu reissen, den Nächsten berauben, Wucher treiben, und Unrecht üben. O heb dich, du verfluchte Bosheit! Soll die unschuldige Kirche und Geistlichkeit deine Untugend versechten? Wenn die ganze Welt mit solchem Aufsatz zu leihen einen Brauch hätte, so sollten doch die Kirchen und Geistlichen dawider handeln; und je geistlicher ihre Güter wären, je christlicher nach dem Gebot Christi geben, leihen und fahren lassen. Und wer anders thut, so thut ers nicht der Kirchen noch dem geistlichen Gut, sondern seinem jüdischen, wuchersüchtigen Geiz zur Besserung, er sei gelehrt oder ungelehrt, geistlich oder weltlich.

Unter diesen dreien Graden sind nun andre Grade, die zeitlichen Güter zu wandeln, als mit kaufen, erben, bescheiden und dergleichen; die mit geistlichen und weltlichen Gesetzen verfasset sind, in welchen niemand besser noch ärger wird für GOtt. Denn christlicher Handel und Wohlthun mit zeitlichem Gut steht in den dreien: geben umsonst, leihen ohn Aufsatz, und mit Liebe fahren lassen; wie gesagt ist. Denn das ist kein Verdienst, so du etwas kaufst, erblich besitzest, oder sonst redlicher Weise überkommst, sintemal auch die Heiden und Türken mögen nach der Weise fromm seyn.

Itzt lassen wir anstehen alle andre Grade, und nehmen für uns den Kauf, nämlich den Zinskauf, worin auch der Wucher ein gewaltiger Herr ist.

Derselbe Zinskauf geschieht etwan, daß man denen abkauft, die wohl dürften, daß man ihnen leihte oder gäbe; so taugt er doch zu grund gar nichts: denn GOttes Gebot steht im Weg, und will, daß den Dürftigen geholfen werde mit leihen und geben. Zum andernmal geschieht er, daß Käufer und Verkäufer, beider Theil des ihren bedürfen, derhalben noch leihen noch geben vermögen, sondern sich mit des Kaufs Wechsel behelfen müssen. Wenn nun das geschieht ohn Uebertretung des geistlichen Gesetzes, daß man aufs Hundert vier, fünf, sechs Gülden gibt, läßt sichs tragen; doch soll allzeit die Gottesfurcht sorgfältig seyn, daß sie mehr fürchte, sie nehme zu viel, denn zu wenig, daß der Geiz nicht neben der Sicherheit des ziemlichen Kaufs einreisse; je weniger aufs Hundert, je göttlicher und christlicher der Kauf ist.

Es ist aber meines Werks nicht, anzuzeigen, wo man fünf, vier oder sechs aufs Hundert geben soll. Ich laß es bleiben bei dem Urtheil der Rechten. Wo der Grund so gut und reich ist, daß man da sechs nehmen möge. Aber meines Dünkens acht ichs, so man Christus Gebot halten wollt, in den ersten dreien Graden, sollte der Zinskauf nicht so gemein oder noch seyn, es wäre denn in großen merklichen Summen und tapfern Gütern. Er reißt aber ein in die Groschen und Pfennige, und übt sich hienieden, in gar geringen Summen, die man leichtlich mit Geben oder Leihen ausrichtet, nach Christus Gebot, und will doch nicht Geiz genennt seyn.

Nun findet man etliche, die nicht allein in geringen Gütern, sondern auch zuviel nehmen, sieben, acht, neun, zehen aufs Hundert. Da sollten die Gewaltigen einsehen, hie wird das arm gemein Volk heimlich ausgesogen, und schwerlich unterdrückt. Darum geschieht auch, daß solche Räuber und Wucherer (wie die Tyrannen und Räuber würdig sind,) vielmals unnatürlich sterben, und des jähen Todes verfallen, oder sonst schrecklich umkommen; denn GOtt ist ein Richter für die Armen und Dürftigen, als er vielmal im alten Gesetz sagt.

Hie fahren sie denn aber daher und sagen: Die Kirchen und Geistlichen thun das, und habens Macht, dieweil solches Geld zu Gottesdienst gelangt. Fürwahr hat man keine andre Sache, den Wucher zu rechtfertigen, so ist er nie übler gescholten; denn er will je die unschuldige Kirche und Geistlichkeit mit ihm zum Teufel führen, und in die Sünde ziehen. Thu den Namen der Kirche ab, und sprich: Es thuts der wuchersüchtige Geiz, oder der Faulenzer alter Adam, der nicht gern arbeitet um sein Brod zu erwerben, daß er seinem Müßiggang unter der Kirchen Namen einen Deckel mache.

Was gottesdienest du mir? Das heißt GOtt gedient, sein Gebot gehalten, daß man niemand stehle, nehme, übersetze desgleichen, sondern gebe und leihe den Dürftigen. Solche wahrhaftige Gottesdienste willst du zureissen, auf daß du Kirchen bauest, Altar stiftest, und lesen und singen läßt, der dir GOtt keines geboten hat; und also mit deinem Gottesdienst den rechten Gottesdienst zunichte machest, laß den Gottesdienst vorgehen, den er geboten hat, und komm denn hernach mit dem, den du erwählt hast. Und wie ich droben gesagt: wenn alle Welt zehen aufs Hundert nähme, so sollten doch die geistlichen Stifte das gestrengste Recht halten, und mit Furchten vier oder fünf nehmen; denn sie sollen leuchten und gut Exempel geben den Weltlichen. So kehren sie es um, wollen Freiheit haben, GOttes Gebot und Dienst zu lassen, Uebel zu thun, und Wucher zu treiben. Willst du GOtt dienen nach deiner Weise, so dien ihm ohne Schaden deines Nächsten, und mit GOttes Geboten Erfüllung. Denn er spricht Esaia 61, 8: Ich bin ein Herr, der das Gericht lieb hat, und bin feind dem Opfer, das da geraubet ist; auch spricht der weise Mann Sprüchw. 3, 9: Gib ein Almosen von dem, das dein ist. Solche Uebersätze sind gestohlen deinem Nächsten, wider GOttes Gebot.

Fürchtet man aber, daß der Kirchen und Stiften abgehe, so die Meinung soll für sich gehen; sag ich: Es ist besser, aus zehen Stiftungen eine göttliche gemacht, denn viel behalten wider GOttes Gebot. Was hilft dich der Gottesdienst, den du hörest, er sei wider GOtt, sein Gebot und seinen Dienst? Du wirst einem GOtt nicht mit zweien widerspenstigen Diensten dienen, auch nicht zweien Herren dienen. Auch sind etliche so schlecht einfältige, daß sie solchen Zins ohne Grund und Unterpfand verkaufen, oder je mehr verkaufen, denn der Grund trägt; da merklich Verderben herkommt, und ist die Materie fast gefährlich und weitläufig, daß schwerlich davon gnugsam mag gesagt werden. Das beste wäre, daß man sich zu dem Evangelio wendete, nahete, und sich übete in christlichen Händeln mit den Gütern; wie gesagt ist.

Auch ist ein gefährlich Gesuche in diesem Kauf, des, wie ich besorge, niemand oder fast wenig Käufer ohne sind; der ist, daß sie wollen ihrer Zins und Guts gewiß und sicher seyn, und darum Geld von sich thun, daß bei ihnen nicht in der Gefahr bleibe; und viel lieber ihnen ist, daß andre Leute damit arbeiten, und in der Gefahr stehen, daß sie dieweil müßig und faul seyn mögen, und doch also reich bleiben oder werden. Ist das nicht Wucher, so ist er ihm fast ähnlich. Kürzlich, es ist wider GOtt. Denn wo du Vortheil an deinem Nächsten suchst, den du nicht auch wolltest an dir ihm lassen, da ist die Lieb aus, und das natürliche Gesetz zurissen. Nu sorg ich, daß man in Zinskaufen gar wenig achte, wie es dem Nächsten gedeihe, wenn nur unser Zins und Gut sicher ist, das man doch in keinem Wege nicht suchen soll; und ist gewiß ein Anzeigen des Geizes oder Faulheit, wiewohl der Kauf daraus nicht ärger wird, so ist es doch Sünde vor GOtt.

Denn das ist eines jeglichen Kaufs Natur und Art, daß der Käufer mit der Waar soll in der Gefahr stehn, und nicht der Verkäufer, der seiner Waar los worden ist. Wo aber das dazu schlägt, daß der Käufer seinen Zins will für voll haben, unangesehen daß der Verkäufer auf dem Grunde oder Unterpfand hat Schaden erlitten, wie das oft geschieht, ohne Verwirkung desselben, so ist der Käufer ein Räuber vor GOtt und der Welt, nimmt jenem seinen Schweiß und sein Blut. Denn des Grundes Gefährlichkeit soll stehen auf des Käufers Seiten, daß er seiner Zinse so unsicher sei, als jener seines Hauptgeldes, beide in GOttes Hand ihres Guts wegen.

Summa, ich achte, der Zinskauf sei nicht Wucher; mich bedünkt aber seine Art sei, daß ihm leid ist, daß er nicht muß ein Wucher seyn: es gebricht am Willen nicht, und muß leider fromm seyn.

Quelle: Lomler, Friedrich Wilhelm (Herausgeber) - Dr. Martin Luthers Deutsche Schriften

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