Luther, Martin - Sermon vom Sacrament der Buße.

Luther, Martin - Sermon vom Sacrament der Buße.

Der Durchlauchtigen und Hochgebornen Fürstin und Frauen, Frauen Margarechen, gebornen von Ritberg, Herzogin zu Braunschweig und Lüneburg, meiner gnädigen Frauen, entbiet ich Martinus Luther, Augustiner zu Wittenberg, nach alle meinem guten in GOtt Vermögen, GOttes Gnade und Friede in Christo, unserm Herrn.

Es haben bei mir, Hochgeborne Fürstin, gnädige Frau, etliche meiner guten Freunde, Väter und Herren, gesonnen, etwas geistliches und christliches E. F. G. zuzuschreiben, damit E. F. G. gnädigen Willen und Gefallen, so sie gegen mir Unwürdigen tragt, dankbarlich zu erkennen, und unterthänige meine Dienste erzeigen. Dahin mich auch vielmals mein eigen verpflicht Gewissen getrieben, doch schwer dazu gewesen, daß ich bei mir nicht so viel erfunden, damit ich solcher Begierde und Pflicht möge gnug seyn, sonderlich dieweil ichs gewißlich dafür achte, daß unser aller Meister, Christus, bei E. F. G. mir gar lang und weit zuvor kommen sei; hab ich zuletzt mich bewegen lassen E. F. G. Andacht zu der heiligen Schrift, die mir höchlich gepreiset ist, etliche Sermon unter E. F. G. Namen auszulassen, von dem heiligen hochwürdigen und tröstlichen Sacrament der Buße, der Taufe, des heiligen Fronleichnams. Angesehen, daß so viel betrübte und geängstete Gewissen gefunden, und ich bei mir selbst erfahren, die der heiligen und voller Gnaden Sacramente nicht erkennen, noch zu brauchen wissen, sich leider, mit ihren Werken mehr vermessen zu stillen, denn durch die heiligen Sacramente in GOttes Gnade Friede suchen. So gar sind durch Menschenlehre die heiligen Sacramente uns bedeckt und entzogen. Bitte, E. F. G. wolle solchen mein geringen Dienst in Gnaden erkennen, und meine Vermessenheit mir nicht verargen. Denn E. F. G. zu dienen bin ich allzeit unterthäniglich bereit, die GOtt ihm lasse hie und dort befohlen seyn, Amen.

Zum ersten: Sind zwo Vergebung in dem Sacrament der Buße, Vergebung der Pein, und Vergebung der Schuld. Von der ersten Vergebung, der Pein oder Gnugthuung, ist gnug gesagt in dem Sermon von dem Ablaß, längst ausgangen. An welcher nicht so viel gelegen, und unmaslich geringer ist, denn Vergebung der Schuld, die man möchte heißen göttlichen oder himmlischen Ablaß, den niemand denn GOtt allein vom Himmel geben kann.

Zum andern: Ist unter beiden Vergebungen dieser Unterscheid, daß Ablaß oder Vergebung der Pein ablegt aufgesatzte Werk und Mühe der Gnugthuung, und versöhnt den Menschen mit der christlichen Kirchen äußerlich. Aber Vergebung der Schuld oder himmlischer Ablaß legt ab die Furcht und Blödigkeit des Herzens gegen GOtt, und macht leicht und fröhlich das Gewissen innerlich, versöhnt den Menschen mit GOtt. Und das heißt eigentlich und recht, die Sünde vergeben, daß dem Menschen seine Sünden nicht mehr beißen noch unruhig machen, sondern eine fröhliche Zuversicht überkommen hat, sie seien ihm von GOtt immer und ewiglich vergeben.

Zum dritten: Wo der Mensch nicht in sich selbst befindet und fühlt ein solch Gewissen und fröhlich Herz zu GOttes Gnaden, dem hilft kein Ablaß, ob er schon alle Briefe und Ablaß löset, die je gegeben sind. Denn ohn Ablaß und Ablaßbrief mag man selig werden, und die Sünde bezahlen oder gnugthun durch den Tod; aber ohne fröhlich Gewissen und leichtes Herz zu GOtt (das ist, ohne Vergebung der Schuld) mag niemand selig werden. Und wäre viel besser, daß man kein Ablaß lösete, denn daß man dieser Vergebung der Schuld vergisset, oder nicht erstlich täglich am allermeisten übt.

Zum vierten: Zu solcher Vergebung der Schuld, und das Herz zu stillen vor den Sünden, sind mancherlei Wege und Weise. Etliche vermeinen durch Briefe und Ablaß das auszurichten, laufen hin und her, zu Rom, zu S. Jacob, lösen Ablaß hie und da; das ist alles umsonst, und ein Irrthum. Es wird dadurch viel arger; denn GOtt muß selber die Sünde vergeben, und dem Herzen Friede geben. Etliche mühen sich mit vielen guten Werken, auch zu viel fasten und arbeiten, daß etliche ihren Leib darob zerbrochen und tolle Köpfe gemacht haben, daß sie vermeint, also mit Gewalt der Werke ihre Sünde abzulegen und Ruhe dem Herzen zu machen. Diesen beiden gebricht, daß sie vor wollen gute Werke thun, ehe die Sünden vergeben sind; so doch wiederum vor die Sünden vergeben seyn müssen, ehe gute Werke geschehen: und nicht die Werke austreiben die Sünde; sondern die Austreibung der Sünde thut gute Werke. Denn gute Werke müssen geschehen mit fröhlichem Herzen und gutem Gewissen zu GOtt, das ist, in der Vergebung der Schuld.

Zum fünften: Der rechte Weg und die richtige Weise, ohne welche keine andre zu finden, ist das hochwürdige, gnadenreiche, heilige Sacrament der Buße, welches GOtt zu Trost allen Sündern gegeben hat, da er S. Peter, anstatt der ganzen christlichen Kirchen, die Schlüssel gab, und sprach Matth. 16, 19: Alles, was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden seyn. Und alles, was du auf Erden lösen wirst, soll auch los seyn im Himmel. Diese heilige, tröstliche, gnadenreiche Worte GOttes muß ein jeglich Christenmensch tief und wohl zu Herzen nehmen, und mit großem Dank in sich bilden. Denn hierin liegt das Sacrament der Buße, Vergebung der Sünde, Trost und Friede des Gewissens, alle Freude und Seligkeit des Herzens wider alle Sünde, wider alle Erschreckung des Gewissens, wider Verzweiflung und Anfechtung der Pforten der Höllen.

Zum sechsten: Nun sind drei Dinge in dem h. Sacrament der Buße. Das erste ist die Absolution; das sind Worte des Priesters, die zeigen an, sagen und verkündigen dir, du seiest los, und deine Sünde seyn vor GOtt vergeben, nach Laut und Kraft der obgesagten Worte Christi zu S. Petro. Das andre ist die Gnade, Vergebung der Sünde, der Friede und Trost des Gewissens, wie denn die Worte lauten. Darum heißt es ein Sacrament, ein heilig Zeichen, daß man die Worte hört äußerlich, die da bedeuten die geistlichen Güter inwendig, davon das Herz getröstet wird und befriedet. Das dritte ist der Glaube, der da festiglich dafür hält, daß die Absolution und Worte des Priesters seyn wahr, in der Kraft der Worte Christi: Alles, was du lösest, soll los seyn rc. Und an dem Glauben liegt es alles mit einander, welcher allein macht, daß die Sacramente wirken, was sie bedeuten, und alles wahr wird, was der Priester sagt; denn wie du gläubest, so geschieht dir. Ohn welchen Glauben alle Absolution, alle Sacramente umsonst find, ja mehr schaden denn frommen. Also ist ein gemeiner Spruch unter den Lehrern: Nicht das Sacrament, sondern der Glaube, der das Sacrament gläubt, ablegt die Sünde. Also sagt S. Augustin: Das Sacrament nimmt die Sünde nicht darum, daß es geschieht, sondern darum, daß man ihm gläubt. Derhalben ist mit allem Fleiß des Glaubens wahrzunehmen in dem Sacrament, und wollen ihn weiter ausstreichen.

Zum siebenten: Daraus folgt zum ersten, daß die Vergebung der Schuld und das himmlische Ablaß wird niemand gegeben, um der Würdigkeit willen seiner Reu für die Sünde, noch um der Werke willen der Gnugthuung; sondern allein um des Glaubens willen, auf die Versprechung oder Verheißung GOttes: Alles, was du lösest, soll los seyn rc. Wie. wohl die Reue und gute Werke nicht nachzulassen sind, ist doch auf sie keinerlei Weise zu bauen, sondern allein auf die gewissen Worte Christi, der dir zusagt: Wenn dich der Priester löset, sollst du los seyn. Deine Reue und Werke mögen dich trügen, und der Teufel wird sie gar bald umstoßen im Tode und in der Anfechtung; aber Christus, dein GOtt, wird dir nicht lügen noch wanken, und der Teufel wird ihm seine Worte nicht umstoßen. Und bauest du darauf mit einem festen Glauben, so stehst du auf dem Fels, darwider die Pforten und alle Gewalt der Höllen nicht mögen bestehen, Matth. 16, 18.

Zum achten folgt weiter, daß die Vergebung der Schuld auch nicht steht weder in Papsts, Bischofs, Priesters, noch irgend eines Menschen Amt oder Gewalt auf Erden, sondern allein auf dem Wort Christi, und deinem eignen Glauben. Denn er hat nicht wollen unsern Trost, unsre Seligkeit, unser Zuversicht auf Menschenwort oder That bauen, sondern allein auf sich selbst, auf seine Worte und That. Die Priester, Bischöfe, Päpste, sind nur Diener, die dir das Wort Christi vorhalten, darauf du dich wagen und setzen sollst mit festem Glauben, als auf einen festen Fels, so wird dich das Wort behalten, und müssen deine Sünden also vergeben werden. Darum auch nicht die Worte um der Priester, Bischöfen, Papst willen; sondern die Priester, Bischöfe, Papst, um des Worts willen zu ehren sind, als die deines GOttes Wort und Botschaft dir bringen, du seiest los von Sünden.

Zum neunten folgt mehr, daß in dem Sacrament der Buße und Vergebung der Schuld nichts mehr thut ein Papst, Bischofs denn der geringste Priester; ja, wo ein Priester nicht ist, eben so viel thut ein jeglich Christenmensch, ob es schon ein Weib oder Kind wäre. Denn welch Christenmensch zu dir sagen kann: Dir vergibt GOtt deine Sünde in dem Namen Christi rc. und du das Wort kannst sahen mit einem festen Glauben, als spräch es GOtt zu dir: so bist du gewiß in demselben Glauben absolvirt. So ganz und gar liegt all Ding am Glauben auf GOttes Wort. Denn der Papst, Bischof, Priester mögen zu deinem Glauben nichts thun; so mag auch keiner für den andern besser GOttes Wort führen, denn das gemeine, das er zu Petro sagt: was du auflösest, soll los seyn. Das Wort muß in aller Absolution seyn, ja alle Absolution hangen darin. Doch soll man die Ordnung der Obrigkeit halten und nicht verachten; allein, daß man nicht irre im Sacrament und seinem Werk, als wär es besser, so es ein Bischof oder Papst gäbe, denn so es ein Priester oder Laie gäbe. Denn wie des Priesters Messe und Taufe, und Reichung des heiligen Fronleichnams Christi eben so viel gilt, als obs der Papst oder Bischof selbst thäten; also auch die Absolution, das ist, das Sacrament der Buße. Daß sie aber ihnen vorbehalten etliche Casus zu absolviren, macht nicht ihr Sacrament größer oder besser, sondern ist gleich, als wenn sie jemand die Messe, die Taufe, oder dergleichen, aus Ursach vorbehielten, damit der Taufe und Messe weder zu- noch abgeht.

Zum zehenten: Darum, so du gläubest des Priesters Wort, wenn er dich absolvirt (das ist, daß er in Christi Namen und in seiner Worte Kraft dich löset, und spricht: Ich löse dich von deinen Sünden,) so sind die Sünden auch gewiß los vor GOtt, vor allen Engeln und vor allen Creaturen; nicht um deinetwillen, nicht um des Priesters willen, sondern um des wahrhaftigen Worts Christi willen, der dir nicht lügen mag, da er spricht: Alles, was du lösest, soll los seyn. Und so du nicht gläubest, daß wahr sei, daß deine Sünden vergeben und los sind, so bist du ein Heide, Unchrist, und ungläubig deinem Herrn Christo, das die allerschwerste Sünde ist wider GOtt. Und beileibe gehe nicht zum Priester, so du seiner Absolution nicht gläuben willst; du verwirkst deinen großen Schaden mit deinem Unglauben. Denn mit solchem Unglauben machst du deinen GOtt als einen Lügner, der dir durch seinen Priester sagt, du bist los von Sünden; und du sprichst: Ich gläubs nicht, oder zweifle daran; gerade als wärst du gewisser in deinem Dünken, denn GOtt in seinen Worten. So du doch sollst alle Gedanken fahren lassen, und dem Wort GOttes, durch den Priester gesagt, statt geben mit unverrücktem Glauben. Denn was ists anders gesagt, wenn du zweifelst, ob deine Absolution GOtt angenehm sei, und du los seiest von Sünden, denn als sprächst du: Christus hat nicht wahr gesagt, und ich weiß nicht, ob ihm sein eigen Wort angenehm sei, da er zu Petro sagt: Alles, was du lösest, soll los seyn? O GOtt! behüt alle Menschen für solchem teuflischen Unglauben.

Zum eilften: Wenn du absolvirt bist von Sünden, ja, wenn dich in deiner Sünde Gewissen ein fromm Christenmensch tröstet, Mann, Weib, Jung oder Alt; so sollst du das mit solchem Glauben annehmen , daß du dich solltest lassen zureissen, vielmal tödten, ja alle Creaturen verleugnen, ehe du daran zweifelst, es sei also vor GOtt. Denn uns doch ohn das geboten ist, in GOttes Gnaden zu gläuben, und hoffen, daß unsre Sünden seyn uns vergeben; wie vielmehr sollst du denn das gläuben, wenn er dir desselben ein Zeichen gibt durch einen Menschen. Es ist keine größere Sünde, denn daß man nicht gläubt dem Artikel, Vergebung der Sünde, wie wir beten im täglichen Glauben. Und diese Sünde heißt die Sünde in den h. Geist, die alle andre Sünde stärkt und unvergeblich macht zu ewigen Zeiten. Darum siehe, wie einen gnädigen GOtt und Vater wir haben, der uns nicht allein Sünden Vergebung zusagt, sondern auch gebeut bei der allerschwersten Sünde, wir sollen gläuben, sie seyn vergeben, und uns mit demselben Gebot dringt zum fröhlichen Gewissen, und mit schrecklicher Sünde uns von den Sünden und bösem Gewissen treibt.

Zum zwölften: Sind etliche, die uns gelehrt haben, man soll und muß der Absolution ungewiß seyn, und zweifeln, ob wir zu Gnaden aufgenommen und die Sünden vergeben sind, darum, daß wir nicht wissen, ob die Reue gnugsam sei oder für die Sünde gnug geschehen, der Unwissenheit halben auch der Priester nicht möge gleichwürdige Buße aufsetzen. Hüte dich vor diesen verführischen unchristlichen Plauderern. Der Priester muß ungewiß seyn an deiner Reue und Glauben, da liegt auch nichts an. Es ist ihm gnug, daß du beichtest und eine Absolution begehrst; die soll er dir geben, und ist dir sie schuldig. Wie aber die gerathen werde, soll er GOtt und deinem Glauben lassen befohlen seyn. Du sollst aber nicht allererst disputiren, ob deine Reue gnugsam sei oder nicht; sondern des gewiß seyn, daß nach alle deinem Fleiß deine Reue ungnugsam sei, und darum zu GOttes Gnaden fliehen, sein gnugsam gewisses Wort im Sacrament hören, mit freiem fröhlichem Glauben aufnehmen, und gar nicht zweifeln, du seist zu Gnaden kommen: nicht durch deine Verdienste oder Reue, sondern durch seine gnädige göttliche Barmherzigkeit, die dir lauter umsonst Vergebung der Sünde zusagt, anbeut und erfüllet. Auf daß du also nicht auf dich noch dein Thun, sondern auf deines lieben Vaters im Himmel Gnad und Barmherzigkeit lernst prachten und pochen, wider alle Anfechtung der Sünde, des Gewissens und der Teufel. Darnachhin reue so vielmehr, und thue gnug, wie du kannst; lasse nur diesen bloßen Glauben der unverdienten Vergebung, in Worten Christi zugesagt, vorgehen, und Hauptmann im Felde bleiben.

Zum dreizehenten: Die aber nicht Friede wollen haben, sie meinen denn, sie haben gnugsam Reue und Werk gethan, über das, daß sie Christum lügen strafen, und mit der Sünde in den h. Geist umgehen, dazu das hochwürdige Sacrament der Buße unwürdig handeln; so nehmen sie ihren verdienten lohn, nämlich, daß sie auf den Sand bauen, ihnen selbst mehr, denn GOtt vertrauen. Daraus denn folgen muß je größere und größere Unruhe des Gewissens, und nach unmöglichen Dingen umsonst arbeiten, Grund und Trost suchen, und nimmer finden, bis das Ende solcher Verkehrung folgt, die Verzweiflung und ewiges Verdammnis. Denn, was suchen sie anders, denn daß sie durch ihr Thun wollen gewiß werden, als wollten sie mit ihren Werken GOttes Wort befestigen, durch welches sie sollten befestigt werden im Glauben. Und heben an den Himmel zu unterstützen, daran sie sich halten sollten, das ist, daß man Gott nicht will lassen barmherzig seyn, und nur für einen Richter halten, als sollte er nichts umsonst vergeben, es wär ihm denn vorhin bezahlt. So wir doch im ganzen Evangelio nichts lesen, von welchem er etwas anders hätte gefordert, denn den Glauben, und alle seine Wohlthat den Unwürdigen umsonst und aus lauter Gnaden erzeigt, darnach ihnen befohlen, wohl zu leben und hinzugehen in Friede rc.,

Zum vierzehenten: laß gleich seyn, daß ein Priester irre oder gebunden sei, oder leichtfertig sei in seinem Absolviren, so du nur einfältiglich die Worte empfahst und gläubst, so fern du seines Irrthums oder Band nicht wissest oder verachtest, dennoch bist du absolvirt, und hast das Sacrament völliglich. Denn, wie gesagt, es liegt nicht am Priester, nicht an deinem Thun, sondern an deinem Glauben: So viel du gläubst, so viel hast du. Ohne welchen Glauben, so es möglich wäre, daß du aller Welt Reue hättest, so wär es doch Judas Reue, die mehr GOtt erzürnt denn versöhnt. Denn nichts versöhnt GOtt bas, denn daß man ihm die Ehre gebe, er sei wahrhaftig und gnädig. Das thut niemand, denn wer seinen Worten gläubt. Also lobt ihn David: Herr, du bist geduldig, barmherzig und wahrhaftig, Psalm 145, 8. 9. Und dieselbe Wahrheit erlöset uns auch von allen Sünden, so wir an ihr halten mit dem Glauben.

Zum fünfzehenten folgt, daß die Schlüssel und Gewalt S. Peters ist nicht eine Gewalt, sondern ein Dienst: und die Schlüssel nicht S. Petro, sondern dir und mir geben: dein und mein sind die Schlüssel. Denn S. Petrus darf ihr nicht, in dem als er ein Papst oder Bischof; sie sind ihm auch nicht noch nütz. Aber alle ihre Tugend ist darin, daß sie den Sündern helfen ihre Gewissen trösten und stärken. Also hat Christus geordnet, daß der Kirchen Gewalt soll seyn eine Dienstbarkeit, daß durch die Schlüssel die Geistlichen gar nichts ihnen selbst, sondern allein uns damit dienen sollen. Derhalben man also sieht, thut der Priester nicht mehr, denn spricht ein Wort, so ist das Sacrament schon da, und das Wort ist GOttes Wort, als er sich versprochen hat. Auch hat der Priester gnugsam Zeichen und Ursache zu absolviren, wenn er sieht, daß man von ihm begehrt der Absolution. Höher ist er zu wissen nicht verbunden. Das sag ich darum, daß man die allergnädigste Tugend der Schlüssel liebhabe und ehrwürdige, und nicht verachte um etlicher Mißbräuche willen, die nicht mehr denn bannen, dräuen und plagen, lauter Tyrannei machen aus solcher lieblicher, tröstlicher Gewalt, als hätte Christus nur ihren Willen und Herrschaft mit den Schlüsseln eingesetzt, gar nichts zu wissen, wozu man ihr brauchen soll.

Zum sechzehnten: Daß nicht abermal jemand mir Schuld gebe, ich verbiete gute Werke; so sag ich: Man soll mit allem Ernst Reu und Leid haben, beichten, und gute Werke thun. Das wehr ich aber, wie ich kann, daß man den Glauben des Sacraments lasse das Hauptgut seyn, und das Erbe, dadurch man GOttes Gnade erlange, und darnach viel Gutes thue, allein GOtt zu Ehren und dem Nähesten zu Nutz und nicht darum, daß man sich darauf verlassen soll, als gnugsam für die Sünde zu bezahlen. Denn GOtt gibt umsonst frei seine Gnade; so sollen wir auch umsonst frei wiederum ihm dienen. Auch alles, das ich gesagt habe von diesem Sacrament, ist denen gesagt, die betrübte, unruhige, irrige, erschrockne Gewissen haben, die gern wollten der Sünden los und fromm seyn, und wissen nicht, wie sie es anfahen sollen. Denn dieselben haben auch wahre Reu, ja, zuviel Reu und Kleinmüthigkeit. Die tröstet GOtt durch den Propheten Jesajam 40,2: Prediger den Kleinmüthigen, und sagt ihnen ein Consolamini: seid getrost, ihr Kleinmüthigen, seht, das ist euer GOtt. Und Christus Matth. 11, 23: Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken rc. Die Hartmüthigen aber, die noch nicht begehren Trost des Gewissens, haben auch dieselben Marter nie befunden, denen ist das Sacrament nichts nütze; die muß man mit dem schrecklichen Gerichte GOttes vor weich und zag machen, daß sie auch solches Trosts des Sacraments suchen und seufzen lernen.

Zum siebenzehenten: Will man einen fragen in der Beichte, oder selbst sich seiner erforschen, ob er wahre Reu habe oder nicht, laß ich geschehen; doch also, daß je niemand so frech vor GOttes Augen sei, daß er sage, er habe gnugsam Reu; denn das ist Vermessenheit und erlogen. Niemand hat gnugsam Reu für seine Sünde. Auch daß die Erforschung viel größer sei, ob er festiglich gläube dem Sacrament, daß ihm seine Sünde vergeben seien; gleichwie Christus sprach zu dem gichtbrüchigen Menschen Matth. 9, 2: Mein Sohn, gläube, so sind dir deine Sünden vergeben. Und zu dem Weibe Matth. 9, 22: Gläube, meine Tochter, dein Glaube hat dich gesund gemacht. Solch Erforschen ist ganz seltsam worden in diesem Sacrament; man hat nur mit der Reue, Sünde, Gnugthuung und Ablaß zu schaffen. Also führt immer ein Blinder den andern. Fürwahr, im Sacrament bringt der Priester in seinem Wort GOttes Botschaft von der Sünden und Schuld Vergebung; darum sollte er, wahrlich, auch am meisten fragen, und sehen, ob der Mensch der Botschaft auch empfähig wäre, der nimmermehr, denn durch den Glauben und Begierde derselben Botschaft empfähig werden mag. Sünde und Reu und gute Werke soll man in Predigten handeln, vor dem Sacrament und Beichte.

Zum achtzehenten: Es geschieht, daß GOtt einen Menschen die Vergebung der Schuld nicht läßt befinden, und bleibt das Zappeln und Unruhe des Gewissens, nach dem Sacrament, wie vor. Hie ist weislich zu handeln; denn der Gebrech ist am Glauben. Es ist nicht möglich, daß das Herz nicht solle fröhlich seyn, so es gläubt seiner Sünde Vergebung, als wenig als auch möglich ist, daß nicht betrübt und unruhig sei, wo es nicht gläubt, daß die Sünden vergeben sind. Nun, läßt GOtt den Glauben also schwach bleiben, daran soll man nicht verzagen, sondern dasselbe aufnehmen als ein Versuchen und Anfechtung, durch welche GOtt probirt, reizt und treibt den Menschen, daß er destomehr rufe und bitte um solchen Glauben, und mit dem Vater des Besessenen im Evangelio sage: O Herr, hilf meinem Unglauben. Und mit den Aposteln Luc. 17, 5: O Herr, mehre uns den Glauben. Also lernt der Mensch, daß alles GOttes Gnade sei, das Sacrament, die Vergebung und der Glaube, bis daß er Hände und Füße fahren lasse, an ihm selbst verzweifelt, lauter auf GOttes Gnaden hofft und hast ohn Unterlaß.

Zum neunzehenten: Es ist viel ein ander Ding die Buße, und Sacrament der Buße. Das Sacrament steht in den dreien Dingen, droben gesagt: im Wort GOttes, das ist die Absolution; im Glauben derselben Absolution, und im Friede, das ist, in Vergebung der Sünde, die dem Glauben gewiß folgt. Aber die Buße theilt man auch in drei, in Reu, Beicht und Gnugthuung. Nun, wie in der Reu mancherlei Mißbrauch droben ist angezeigt; also geht, es auch in der Beicht und Gnugthuung. Es sind fast viel Bücher voll dieser Dinge, und leider wenig Bücher vom Sacrament der Buße. Wo aber das Sacrament recht geht im Glauben, da ist die Buße, Reu Beicht und Gnugthuung gar leicht und ohn alle Gefährlichkeit, sie sei zu wenig oder zu viel. Denn des Sacraments Glaube macht alle Krümme schlecht, und füllet alle Gründe, und mag niemand irren, weder in Reu, Beicht noch Gnugthuung, wer den Glauben des Sacraments hat; und ob er schon irret, so schadet es ihm gar nichts. Wo aber der Glaube nicht ist, da ist keine Reu, Beicht, Gnugthuung gnugsam. Und daher fließen so viel Bücher und Lehren von der Reu, Beicht und Gnugthuung, damit viel Herzen sehr geängstet werden, oft beichten, daß sie nicht wissen, ob es tägliche oder tödtliche Sünde sei. Doch auf diesmal wollen wir ein wenig davon sagen.

Zum zwanzigsten: Man mag die tägliche Sünde nicht dem Priester, sondern allein GOtt bekennen Nun hebt sich aber eine neue Frage: Was tödtliche oder tägliche Sünden sind? Ist noch nie kein Doctor so gelehrt gewesen, noch wird immer seyn, der eine gewisse Regel gebe, tägliche vor den tödtlichen zu erkennen, ausgenommen die groben Stücke wider die Gebote GOttes, als Ehebruch, tödten, stehlen, lügen, verleumden, trügen, hassen und dergleichen. Es steht auch allein in GOttes Gericht, welche andre Sünde er tödtlich achtet, und ist dem Menschen nicht möglich zu erkennen; wie denn sagt Psalm 19, 13: O GOtt, wer kann denn alle Sünde erkennen? mache mich rein von den verborgnen Sünden. Darum so gehört in die heimliche Beichte keine Sünde, denn die man öffentlich für Todsünde erkennet, und die das Gewissen zur Zeit drücken und ängsten. Denn, sollte man alle Sünde beichten, so müsste man all Augenblick beichten, weil wir nimmer ohne Sünde sind in diesem Leben, auch unsre guten Werke nicht rein ohne Sünde sind. Doch ist es nicht ohne Besserung, daß man auch die geringe Sünden beichtet, sonderlich so man sonst keine Todsünde weiß. Denn, wie gesagt, im Sacrament wird GOttes Wort gehört, und der Glaube je mehr und mehr gestärkt. Und ob einer schon nichts beichtete, dennoch wäre die Absolution und GOttes Wort vielmals zu hören nütze, um desselben Glaubens willen, daß man also sich gewöhne der Sünden Vergebung zu gläuben. Darum hab ich gesagt, der Glaube des Sacraments thuts gar, die Beichte sei zu viel oder zu wenig. Es ist alles besserlich dem, der da GOttes Sacrament und Wort gläubt. Von der Gnugthuung sei itzt gnug, daß die beste ist, nimmer sündigen, und seinem Nächsten alles Guts thun, er sei Feind oder Freund, von welcher man auch selten handelt; nur mit aufgesetzten Beten will mans alles bezahlen.

Zum ein und zwanzigsten: Das ist die Gewalt, da er von sagt Matth. 9,6 zu den ungläubigen Schriftgelehrten: Auf daß ihr wißt, daß der Sohn des Menschen Macht habe u. s. w. Denn diese Gewalt, die Sünde zu vergeben, ist nichts anders, denn daß ein Priester, ja, so es noch ist, ein jeglich Christenmensch mag zu dem andern sagen, und so er ihn betrübt und geängstigt sieht in seinen Sünden, fröhlich ein Urtheil sprechen: Sei getrost, dir sind deine Sünden vergeben; und wer das aufnimmt und gläubt es als ein Wort GOttes, dem sind sie gewißlich vergeben. Wo aber der Glaube nicht ist, hilfts nicht, ob gleich Christus und GOtt selbst das Urtheil spräche; denn GOtt kann niemand geben, der es nicht will haben. Der will es aber nicht haben, der nicht gläubt, daß es ihm geben sei, und thut dem Worte GOttes eine große Unehre, wie oben gesagt. Also siehst du, daß die ganze Kirche voll ist Vergebung der Sünde; aber wenig sind ihr, die sie aufnehmen und empfahen, darum, daß sie es nicht gläuben, und wollen sich mit ihren Werken gewiß machen.

Also ist es wahr, daß ein Priester wahrhaftig die Sünde und Schuld vergibt, aber er mag dem Sünder den Glauben nicht geben, der die Vergebung empfaht und aufnimmt; den muß GOtt geben. Nichts destoweniger ist die Vergebung so wahrhaftig wahr, als wenns GOtt selber spräche, es hafte durch den Glauben oder nicht. Und diese Gewalt, die Sünde zu vergeben, und also ein Urtheil an GOttes Statt fällen, hat im A. T. weder oberster noch unterster Priester gehabt, noch König, noch Propheten, noch jemand im Volk, es wurde ihm denn sonderlich befohlen von GOtt; als Nathan über den König David.

Aber im N.T. hat sie ein jeglicher Christenmensch, wo ein Priester nicht da ist, durch die Zusagung Christi, da er sprach zu Petro: Alles, was du wirst lösen auf Erden, soll los seyn im Himmel. Denn so das allein zu Petro wäre gesagt, so hätte er Matth. 18,18. nicht zu allen insgemein gesagt: was ihr auf Erden auflösen werdet, soll auch im Himmel los seyn. Da redet er zu der ganzen Christenheit, und einem jeglichen insonderheit.

Also ein groß Ding ist es um ein Christenmenschen, daß GOtt nicht voll geliebt und gelobt werden mag, wenn uns nicht mehr geben wäre, denn Einen zu hören, in solchem Wort mit uns reden. Nun ist die Welt voll Christen, und niemand das achtet, noch GOtt dankt.

Summa Summarum, wer gläubt, dem ist alles besserlich, nichts schädlich. Wer nicht gläubt, dem ist alles schädlich, nichts besserlich.

Quelle: Lomler, Friedrich Wilhelm (Herausgeber) - Dr. Martin Luthers Deutsche Schriften

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