Löhe, Wilhelm - David und Salomo - XII.
1. Chr. 18,1-2;3-6;7-14 (Vergl. 2. Sam. 7)
1.
Als der König David sich auf seiner Burg ein Haus von Zedern gebaut hatte, glaubte er nichts Sonderliches getan zu haben, trotzdem dass er vom Hirtenknaben zum König erhoben worden war. Als er aber nun in seinem Zedernpalast wohnte und in seinen prächtigen Zimmern wandelte und von seinen Fenstern schaute auf das Zelt, in welchem der HErr über der Lade thronte, da erwachte in ihm das Gefühl, wie unwürdig es sei, dass er in einem solchen Haus, und der HErr unter Teppichen wohne. Er lässt darum Nathan, seinen Freund, kommen und sagt ihm seine Gedanken, und der durch die Weisheit Gottes erleuchtete Mann erwidert ihm: Alles was in deinem Herzen ist, das tue. Nathan freut sich über das Vorhaben Davids wie man sich freut, wenn der Frühling kommt und die Knospen brechen und süßer Geruch ausgeht von den Blüten. Er merkt, dass eine Zeit gottesdienstlicher Herrlichkeit für Israel im Anzug ist.
Aber nicht bloß Nathan freut sich, sondern auch der HErr in seinem Zelt. Die Gesinnung, die David aussprach, war vor Dem recht und schön, der auf dem ewigen Throne sitzt. Salomo bezeugt es ausdrücklich (1. Kön. 28, 18), dass Gott zu seinem Vater David gesagt habe: dass du im Sinne hast, meinem Namen ein Haus zu bauen, hast du wohl getan, dass du solches vornahmst. Das Vornehmen, der Sinn, der menschliche Plan, die gute fromme Meinung war Ihm angenehm. Der HErr trennt aber das Vorhaben Davids von dem, was sein eigner Rat beschlossen hat. So kann ein Mensch wohl etwas beschließen, die Besten im Lande können es billigen, ja der HErr kann Freude haben am Sinn und Willen eines Menschen und doch kann Sein Wille ein anderer sein. David erkennt in seiner Demut, dass neben seinem Zedernpalast das Teppichzelt eine wenig würdige Wohnung für Gott; er will dem HErrn dienen im heiligen Schmuck. Wer solchen Geist in sich trägt, an dem freuen sich Propheten und der HErr.
2.
Wenn dem HErrn der Sinn und Plan eines Menschen gefällt, wenn alles recht empfunden und weislich gedacht ist warum wird dann doch aus der Sache nichts? Es wird dem David vom HErrn ein doppelter Grund angegeben. Du bist ein Kriegsmann sagt der HErr zu David und hast viel Blut vergossen; die blutbeflossenen Hände des Starken, dem noch so viel zu tun übrig ist, taugen nicht zu dem friedlichen Werk des Tempelbaus. Noch hat David erst die Philister gedemütigt, aber es haben sich nun alle Völker erhoben vom Libanon bis Ägypten, da darf David das Schwert noch nicht einstecken; was unter Josua und unter den Richtern versäumt worden ist, muss er nachholen. Es müssen noch viele Jahre vergehen, bis David ruhen darf, er muss Krieg führen fast bis an sein Ende. Das ist der erste Grund. Und der zweite Grund? „Ich habe bisher in keinem Zedernhaus gewohnt und es auch nicht verlangt. Israel ist bisher eine wandernde und viel beunruhigte Herde gewesen und ich - sagt der HErr - bin auch bisher gewandert mit meinem wandernden Volke; die Zeiten, da ich ruhen soll, sind noch nicht gekommen.“ Es steht dieser zweite Grund in innigster Verbindung mit dem ersten. Dabei klingt aber doch durch diese Worte Gottes etwas hindurch, was einen fast schauerlich groß anweht. Wer ist denn der, der dem David den Gedanken ins Herz gegeben hat, dem HErrn eine Stätte zu bauen, die seiner Ruhe würdig wäre; wer hat ihm denn den feinen Sinn für die Ausgestaltung der heiligen Liturgie gegeben, ihn zum Sang- und Baumeister ohne Gleichen gemacht? Der HErr, sein Gott. Und nun klingt fast schauerlich kalt dem David die Antwort entgegen: „Ich habe nie in einem Zedernhause gewohnt und nie danach verlangt.“ Der Allgenugsame, der dem David in den Sinn gab, dass er unzufrieden war mit der notdürftigen Gotteswohnung, ist selbst damit zufrieden. Ihm geschieht nichts mit einem äußeren Bau; Er trägt alle Dinge in Seiner Hand, Er überragt alles; niemand kann Ihn fassen. Wenn Er sich dem Menschen naht, so wird Er klein, um in der Kleinheit seine Größe zu offenbaren. Aber den Menschen schauert vor einer Größe, die nichts bedarf. Es liegt in der Tat für David etwas Schauerliches, Demütigendes, in die Kleinheit Herabdrückendes in der Rede, die Gott gegen ihn führt. Aber es liegt darin auch eine weise und heilige Absicht Gottes. Wer sich Gott hat nahen dürfen, dem muss, damit er sich recht nahe, die Ferne, der große Abstand gezeigt werden zwischen der armen Kreatur und dem ewigen Schöpfer.
Damit alle eitlen Gedanken ersterben, damit der Mensch begreife, dass es Gnade und nur Gnade ist, wenn er sich Gott nahen darf, muss Gott zuweilen ihn fernen. Ist er dann klein geworden, so hebt Er ihn auch wieder auf und zieht ihn zu sich.
3.
Diese Lektion erinnert an jene Stelle der Heiligen Schrift, die erzählt, wie Abraham mit dem HErrn gegangen ist gen Sodom und da mit seinem Gott anfing zu handeln um die Seelen, die in Sodom als gerecht erfunden werden möchten. Wie neigt sich da in väterlicher, fast menschlicher Liebe der große Gott zu dem Patriarchen! Alle Zeiten haben sich an diesem Gang erquickt. Die heutige Lektion ist jener Stelle sehr verwandt. Da handelt auch ein ewiger unermesslicher Gott mit einem Menschenkinde. David will dem HErrn ein Haus bauen, da es sich für ihn nicht schicke in einem Zedernpalast zu wohnen, während die Lade Gottes unter einem Zelte sei; der HErr aber zeigt ihm, wie das Werk für ihn (David) sich nicht schicke, wie Er, der HErr, nach Menschenwerken kein Bedürfnis habe, hält ihm aber dann alle Werke der Barmherzigkeit vor, die Er an ihm getan von seiner Jugend auf, wie Er ihn von der Weide genommen und ihn erhöht und ihm einen Namen gemacht habe gleich den Großen auf Erden. Ohne Zweifel liegt für David in dieser göttlichen Aufzählung aller ihm erwiesenen Wohltaten etwas Demütigendes. Dann aber fährt Gott fort und verheißt dem David ein Reich von dauerndem Bestand. Es soll ihm nicht gehen wie dem Saul, der auch 40 Jahre lang König war, dann aber mit seinem ganzen Geschlecht schauerlich unterging. Der HErr will dem David ein Haus bauen, Er will ihn zum Ahnherrn einer Dynastie machen. David ist tief ergriffen von der Rede des HErrn. Was ist's, das ihn so mächtig ergreift? Doch nicht die bloße Verheißung, dass er seinen Thron auf Nachkommen vererben werde; die Gründung einer Dynastie kann er doch für kein so großes Glück achten, das ist nur irdischer Segen: damit kann er sich nicht trösten. Aber das ist's, dass ihm der HErr sein Haus und seinen Thron bestätigen will ewiglich. Hier ist nicht die Rede von Dynastien, wie sie in der Weltgeschichte dagewesen sind, die emporgekommen und wieder in den Staub gesunken sind und von denen die Mutter Gottes in ihrem Liede singt: Er stößt die Gewaltigen vom Stuhl. David soll eine ewige Dynastie gründen, vielmehr der HErr will sie ihm gründen. Der, an welchen die Dynastie zunächst anknüpft, Salomo, der soll's nicht sein, der ewiglich blüht; vielmehr in dem Einen Sohn sieht David alle bis auf den letzten, an dem es wahr wird was geschrieben steht: Er wird sitzen auf deinem Stuhl ewig. Dazu heißt es noch so schön: Und ich erhalte ihn in meinem Hause auf ewig. Es will der HErr also dem David nicht bloß ein ewiges Haus bauen, sondern Er will ihm auch ein ewiges Wohnen in Seinem Hause gestatten. Was hier klein und vorbildlich beginnt in Salomo, soll ausgehen in ewiger Zier und Herrlichkeit in Christo JEsu. Auch das Werk Salomos, der Tempelbau, soll nur ein Vorbild sein auf die ewige Gotteswohnung, auf das wahre Haus Gottes, das unvergängliche, das bereitet werden soll durch JEsu Blut und zusammengefügt werden durch Seinen Geist. „Du sollst mir nicht ein Haus bauen, aber ich will dir ein Haus bauen- auf ewig.“ So überwindet der Allmächtige Seine Heiligen. Schauerlich fern lautete die vorige, wunderherrlich diese dritte Lektion. Wer sich ein wenig in Davids Seele hineinversetzen kann, der wird begreifen, dass er so angetan und begeistert ist zu Gottes Lob und Preis, wie wir es in den folgenden Versen lesen (V. 16 ff.) Der HErr hat David gelernt, aber nun naht Er ihm auch wieder mit Barmherzigkeit, Er segnet ihn und macht ihn groß.
Seid auch ihr in eurer Kleinheit, was ihr sein und was ihr durch die gütigen Kräfte des Wortes und des Sakramentes hienieden werden könnt, und überlasst die ewige Vollendung Dem, der alles gute Werk, das Er angefangen, hinausführt, der ein Anfänger, Mittler und Vollender aller Seiner Heiligen heißt.