Lambs, Jean-Philippe - Die Jung St. Peter-Kirche in Straßburg. - §. 6. Paul Fagius, Nachfolger Capito's im evangelischen Predigtamt zu Jung St. Peter.

Lambs, Jean-Philippe - Die Jung St. Peter-Kirche in Straßburg. - §. 6. Paul Fagius, Nachfolger Capito's im evangelischen Predigtamt zu Jung St. Peter.

Nach dem Tode Capito's wurde an dessen Stelle Paul Fagius (eigentlich Bühlin), aus Rheinzabern gebürtig, durch E. E. Rath, auf Empfehlung Butzers, und mit Zustimmung der verwaisten Jung St. Peter Gemeinde, berufen1).

Dieser treffliche, junge Gelehrte hatte seine wissenschaftliche Bildung zum Theil in den straßburgischen Lehranstalten empfangen, und unter Capito's Leitung war ihm hauptsächlich das Studium der Hebräischen Sprache lieb geworden, in welcher er sich noch durch den Unterricht eines gelehrten venetianischen Juden, Elias Levita, vervollkommnete. Seit wenigen Jahren hatte er sich in der kleinen schwäbischen Reichsstadt Isny festgesetzt, und hatte einen großmüthigen Gönner an dem dortigen Rathsherrn Peter Buffler gefunden, der sich seiner väterlich annahm, und ihm 3000 Gulden vorstreckte um eine hebräische Druckerei daselbst anlegen zu können, als ihm der Ruf nach Straßburg zukam2). Zu derselben Zeit hatte auch der Landgraf von Hessen ihn für seine Universität Marburg zu gewinnen gesucht, und die Reichsstadt Constanz verlangte ihn desgleichen an die Stelle des vor kurzem verstorbenen trefflichen Predigers Johannes Zwick. Straßburg erhielt aber von ihm den Vorzug. Zwar bewilligte der Magistrat und die Gemeinde Jung St. Peter der befreundeten Stadt Constanz, daß Fagius einige Zeit daselbst zubringen dürfe, um die Reformation dort zu betreiben, während welcher Zeit der Helfer oder Miethling seine Stelle zu Jung St. Peter versah; endlich aber kam er, nach zweijährigem Aufenthalte in Constanz und auf das anhaltend dringende Bitten seiner Gemeinde, und nachdem die Constanzer sich vergeblich bemüht hatten ihn zu behalten, im August 1544 nach Straßburg, wo ihm von Seiten des Raths eine ansehnliche Besoldung ausgesetzt worden war3), und wo er hoffte mit mehr Muße und Erfolg seinen gelehrten Arbeiten obliegen zu können.

Im Jahr 1547 wurde Fagius zum außerordentlichen Professor der Theologie ernannt4); hier wirkte er mit Segen in seinen Vorlesungen für die Studierenden, und nicht weniger als Prediger in der Jung St. Peter Gemeinde; sein fester Charakter, so wie seine herzliche Frömmigkeit erwarben ihm allgemeine Hochachtung. Um den frommen, christlichen Sinn unter dem Volke zu beleben, stiftete er mit Butzer und andern außer der gewöhnlichen Zeit des Gottesdienstes Erbauungsstunden, zu denen sie ihre Beichtkinder in die Kirche beriefen, und ihnen besondere ascetische Ermahnungen ertheilten. Ferner veranstaltete Fagius eine christliche Gemeinschaft, d. h. eine Verbrüderung, deren Glieder ihre Namen bei dem Pfarrer aufzeichnen ließen und versprachen: Ihr Leben christlich einzurichten, mit Freuden zu den verordneten Zeiten in die Kirche zu kommen, das heilige Abendmahl öfters und mit Andacht zu genießen, im Gottesdienst treulich und reichlich zur Unterstützung der Armen Almosen zu bringen und Ermahnungen anzunehmen. Diese Gesellschaft, die unter den Händen eines von reinem Christensinne belebten Mannes viele gute Früchte bringen konnte, dauerte noch eine Zeitlang fort als Butzer und Fagius von Straßburg Abschied genommen hatten. Und zu diesem kam es denn auch bald. Das Interim war befohlen worden. Die Prediger verwarfen das Interimsgesetz, als geradezu dem göttlichen Wort widerstreitend, und Butzer und Fagius erklärten sich besonders stark dagegen, theils in Predigten, theils in Schriften, die sie an den Magistrat richteten.

Mehrmals ermahnte sie der Rath, „daß sie doch das Volk nicht also verhetzen sollten,“ und nur der Gedanke, daß Aufruhr entstehen könnte, bewog sie endlich zu einiger Zurückhaltung. Indessen wurde aus politischen Gründen, durch einen Schöffenschluß, das Interim angenommen, und der Rath antwortete auf eine von den Predigern entworfene Erklärung: „man habe dem Kaiser und dem Bischof geschrieben, daß sich die Prediger gegen das Interim ruhig verhalten; aus dieser Ursache wisse E. E. Rath die freie Predigt ferner nicht zu gedulden.“

Zuletzt beauftragte noch der Magistrat die Kirchspielpfleger und andere angesehene Bürger, in Privatunterredungen die Prediger, wenn auch nicht zur Nachgiebigkeit, doch zum Schweigen zu bewegen. Allein den Abgeordneten erklärten die Prediger einmüthig: „sie hätten bisher gepredigt, was sie hofften der Gemein besserlich und der heiligen Schrift gemäß und können auch nicht anders predigen. So wollten sie ferner fortpredigen, so lange man sie leiden möchte, wo nicht, so möge man die unter ihnen anzeigen, die man nicht leiden wolle.“

Da beschlossen Räth und XXI, auf ausdrückliches Begehren des Kaisers und des Bischofs5), am 1. März 1549: „die beiden, Butzer und Fagius, ihnen selbst zu Gutem, mit freundlichen guten Worten zu beurlauben, mit einem Zehrgeld abzufertigen, und mit einem Gehalt eine Zeit lang zu versehen, bis Gott Gnad' geb daß es besser würde, daß man sie wieder an der Hand haben möchte.“

Butzer und Fagius wurden durch diesen Urtheilsspruch nicht überrascht; sie hatten vorausgesehen, daß die Verbannung sie erwarte. Am 3. März hielten beide ihre Abschiedspredigten, und am 23. März ihre letzten academischen Vorlesungen. Sie brachten ihre Familienangelegenheiten in Ordnung, und da schon früher eine Einladung des Erzbischofs Cranmer, in England, an Butzer ergangen war, um an der kirchlichen Umgestaltung dieses Königreichs Antheil zu nehmen, so beschloß er, weil er sich in Deutschland doch nicht sicher glaubte, sich in England niederzulassen.

Am 5. April verließen die beiden Verbannten Straßburg, und langten am 25. desselben Monats in London an, von wo sie sich dann nach Lambeth begaben, dem Wohnsitz ihres Gönners, des Erzbischofs Cranmer, dessen zarte Sorgsamkeit alle Anstalten getroffen hatte, um ihnen ihren dortigen Aufenthalt angenehm zu machen.

Auf sein Verlangen beschäftigten sich nun Butzer und Fagius den Sommer hindurch mit einer neuen lateinischen Uebersetzung und Erklärung der Bibel; aber leider blieb diese Arbeit unvollendet, da beide des Clima's wegen häufig krank waren, und endlich Fagius am 13. November 1549, in einem Alter von 45 Jahren starb. Zwei Jahre später folgte auch Butzer, am 28. Hornung 1551. In der Hauptkirche zu Cambridge wurde sein Leichnam unter den höchsten Ehrenbezeugungen bestattet. Zwar wurden die Gebeine Butzers und seines Begleiters Fagius im Jahr 1554 auf Befehl der fanatischen Königin Maria wieder ausgegraben und verbrannt, aber im Jahr 1560 wurde ihre Asche wieder gesammelt und ihr Andenken auf eine würdige Art erneuert.

Der Gang der kirchlichen Angelegenheiten nahm gegen die Mitte des 16. Jahrhunderts in Deutschland für die Sache des Protestantismus eine ungünstige Wendung, die auch auf unsere Kirchengemeinde nachtheilig wirkte. Bekanntlich unterlag in dem, im Jahr 1546 ausgebrochenen Schmalkaldischen Kriege, die protestantische Partei, und der Sieger, Kaiser Karl V, führte eine Art provisorischer Kirchenverfassung bei derselben ein, welche den Namen Interim erhielt.

Dieser Verordnung ließ der Kaiser durch den Reichstag zu Augsburg im Jahr 1548 die Kraft eines Reichsgesetzes ertheilen. Den Protestanten war dadurch der Kelch im Abendmahle und die Ehe der Geistlichen zugestanden, in allem Uebrigen sollten sie die Gebräuche der römischen Kirche wieder beobachten6). Beide Theile, Protestanten wie Katholiken, waren mit diesem Interim, wie natürlich, unzufrieden. Doch war dasselbe im Ganzen für Straßburg nicht so drückend wie für die übrigen Gemeinden Deutschlands; der Kaiser überlies es dem Magistrate und dem Bischof dieser Stadt, sich in dieser Hinsicht mit einander zu vergleichen.

1)
Röhrich, Collekt. Mscpt. und dessen Geschichte der Ref. B. II. S. 33 u. ff. Der Vater des Fagius hieß Peter Büchlin oder Büchle, und war Schullehrer in Rheinzabern. Seine Mutter, Margaretha Hyrnin aus adelichem Stamm und von Heidelberg. Im Jahr 1515 schickte der Vater seinen jungen Sohn nach Heidelberg mit 11 Batzen Reisegeld, wo er unter Joh. Brentius und Martin Frecht studierte. Zur weitern Ausbildung ging Fagius im Jahr 1523 nach Straßburg, wo er einige Jahre blieb und in Verbindung mit Capito, Butzer und andern kam
2)
Ep. Buceri ad Fagium. 9 Aug. 1542.
3)
Collect. Ulstett, fol. 53 b. Der Rath zu Straßburg bot Fagius folgende Besoldung an: „Eine Behausung nach eurer Gelegenheit; an Geld 150 fl. An Korn 15 Mütt (Fiertel); an Haber 4; an Wein 2 Fuder.“ Man hat ihm darum weniger Früchte und mehr Geld zugedacht, weil es „etwas spöttisch und ärgerlich wäre, wenn er das übrige verkaufen müßte.“ - Sollte er etwas mehr brauchen, will mans ihm schaffen.
4)
Adam, Vitae theol. Germ. fol. S. 100.
5)
Protocoll v. Rath u. XXI. v. 8. Febr. 1549. - Röhrich, Collekt. Mscpt. 4° und dessen Geschichte. B. II. S. 202 u. ff.
6)
Rathsprotocoll v. 27. Juni 1550. Die hölzernen Altäre wurden blos an einen andern Ort gelegt, „ob Gott Gnad geb, daß es mit der Zeit ein anders würde, daß dieselben wieder gebraucht werden möchten.“
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