Krummacher, Gottfried Daniel - Predigt am zweiten Ostertag über Kolosser 2,12.13

Krummacher, Gottfried Daniel - Predigt am zweiten Ostertag über Kolosser 2,12.13

von G. D. Krummacher, Pfarrer zu Elberfeld.

Als Petrus nach Apostelgeschichte 2 zu den Juden von der Auferstehung Christi redete, so hatte das nach Kapitel 2,37 bei vielen d. h. 3000 seiner Zuhörer eine so gesegnete Wirkung, dass wir unseren Osterpredigten wohl eine gleiche von Herzen wünschten, und diejenigen selig preisen müssten, denen es also ginge wie jenen. Die Predigt an sich war keineswegs eine so gar sonderliche, dass man natürlicher Weise schon im Voraus hätte erwarten müssen, sie würde unfehlbar Großes wirken. Es war eine ganz unstudierte, einfache, gelassene und ruhige Rede, ohne Pracht und Beredtsamkeit; dennoch hatte und tat sie eine so große Wirkung, dass man wohl sehen konnte, die Predigt tut es eigentlich hier eben so wenig als der Hahnenschrei es bei dem Predigenden selbst einst getan, sondern der göttliche Nachdruck, welcher dahinter war, der damit verbundene Lebenshauch des Heiligen Geistes, die von Christo ausgehende belebende, auferweckende Kraft, da er sein Wort erfüllte: ich lebe und ihr sollt auch leben. Und was war denn die Wirkung? Es ging ihnen durchs Herz und sie fragten: „was sollen wir tun?“ nämlich, dass wir selig werden.

Die Frage kann auch in verkehrter Weise getan werden. Ihr wisst, dass einst ein reicher vornehmer junger Herr eine ähnliche Frage an den Herrn Jesum tat, mit großer äußerlicher Demut und Ehrerbietung zwar, indem er, wie vornehm er auch war, vor ihm auf die Knie fiel. Aber diese äußerliche Demut verbarg im Grunde einen großen innern Hochmuth. Er fragte, aber es war ihm nicht so sehr um die Antwort, als um die Bestätigung der guten Meinung zu tun, die er von sich selbst hatte. Er fragte, nicht voll Vertrauen zu Jesu, sondern voll Vertrauen zu sich selbst und zu seiner Kraft, durch welche es ihm, der schon so viel ausgerichtet hatte, auch ohne Zweifel noch wohl mit dem gelingen dürfte, was etwa Jesus ihm noch befehlen möchte, den er nur als einen Gesetzgeber, nicht aber als einen Seligmacher ansah und begehrte. – Nun glaube ich zwar nicht, dass man manchen jungen Herrn antrifft, der diesem an Tugend, wohl aber viele Leute, die ihm an eitlem Selbstvertrauen gleichen. Wäre aber auch jemand ihm an Tugend gleich, so wäre er vielleicht ihm auch darin gleich: dass es leichter ist, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, denn dass er ins Reich Gottes komme.

Die Frage „was sollen wir tun?“ welche die Leute, von denen hier die Rede ist, taten, kam aus einem ganz anderen Grunde. Es heißt von ihnen: es ging ihnen durchs Herz; aber wieder auf eine andere Weise, wie den Zuhörern des Stephanus, welche die Zähne zusammenbissen über ihn vor Zorn. Was ging den Zuhörern Petri denn so durchs Herz? Die Erkenntnis ihrer begangenen erschrecklichen Sünde, dass sie den Fürsten des Lebens getötet und den Herrn der Herrlichkeit gekreuzigt hatten, den aber Gott auferweckte. Nun fragen sie: „Was sollen wir machen“, was anfangen, dass uns unsre Sünde vergeben werde?

Sehet, so ist’s recht. Stehts so um jemand, dann ist er für die rechte Antwort fähig. Zu diesen bekümmerten und ernstlichen Frage muss es auch mit jedem durch den heiligen Geist kommen, mit dem es gut und selig werden soll. Schade, dass so wenige so fragen. Für diejenigen aber, die so fragen, haben wir auch in dieser Stunde eine befriedigende Antwort zu geben. Dazu verleihe der Herr seinen Segen.

Text: Kolosser 2,12.13.

„In dem, dass ihr mit ihm begraben seid durch die Taufe, in welchem ihr auch seid auferstanden durch den Glauben, den Gott wirket, welcher ihn auferweckt hat von den Toten; und hat euch auch mit ihm lebendig gemacht, da ihr tot in den Sünden und in der Vorhaut eures Fleisches und hat uns geschenkt unsre Sünden.“

Indem wir diese Worte lesen und hören, merken wir alsbald, dass hier von einer höchst merkwürdigen Gemeinschaft der Gläubigen mit Christo in seiner Begräbnis und Auferweckung gehandelt wird. Der Gegenstand ist sehr wichtig, tief und dem Evangelium eigentümlich. Lasst uns denselben aber in eine nähere Erwägung ziehen, und zuvor einiges bemerken über die Gemeinschaft mit Christo überhaupt, sodann uns besondere über die Gemeinschaft mit Christo in seiner Begräbnis und Auferstehung.

I.

Was es heiße: Gemeinschaft mit jemand haben, ist wohl jedem klar. Man steht alsdann in einer genaueren oder entfernteren oder auch in der allergenauesten Verbindung mit ihm und hat davon mehr oder weniger Nutzen, Ehre, Vergnügen oder das Gegenteil von diesem allen: Schaden, Schande, Verdruss. Die Verbindung einer Sache mit einer anderen hat oft die allerwichtigsten Erfolge. Wie wichtig für unsere Erde z. B. ist ihre Verbindung mit der Sonne und welchen Einfluss hat es auf dieselbe, ob diese Gemeinschaft eine nähere oder entferntere ist, welches unsern Frühling und Winter macht. Verbindet sich Hitze mit dem Wasser, so siedet und wallet es, wie wenn es lebte. Die Kälte bildet daraus die zarte Wolle des Schnees und gibt diesem farblosen Element die blendendste Weiße, oder macht es fest wie harten Stein. Die Wärme der Glucken entwickelt aus dem toten Ei ein lebendiges Wesen, das gleich bei seinem Austritt aus seinem Kerker Kenntnisse verrät, als hätte es daselbst einen Lehrmeister bei sich gehabt. Durch die Verbindung mit einem andern nimmt ein Ding wohl Eigenschaften an, die gar in seiner Natur nicht liegen, so dass z. B. ein elektrisierter menschlicher Körper Feuerfunken sprühet. Wird die Gemeinschaft des Leibes und der Seele gehemmt, so hat das für beide traurige Wirkungen, wird sie aufgehoben, so stirbt der Leib. Ein unwissender Schüler wird durch die Verbindung mit einem geschickten Lehrer verständig. Was muss nicht aber aus uns werden, wann sich die Weisheit, die Gerechtigkeit, die Heiligung und das Leben selbst in Gemeinschaft mit uns setzt! –

Die allerherrlichste und beseligendste Gemeinschaft, worin wir treten können, ist die mit Gott, welcher das einzige und höchste Gut ist. Wir kennen aber keinen andern Gott als denjenigen, der Vater, Sohn und Heiliger Geist ist. Niemand kommt zum Vater als durch den Sohn, und niemand zum Sohn als durch den heiligen Geist. Insbesondere haben wir ohne den Sohn keinen Gott, wenigstens keinen zugänglichen, genießbaren, erfreulichen Gott. Die Geschichte des Sohnes ist auch zugleich die Geschichte unsres Heils, unserer Errettung und Seligkeit, darum sind auch die Hauptstücke seiner Geschichte unsre Fest- und Feiertage, namentlich der heutige, so wie der vorige Freitag.

Die Schrift lehrt uns nun eine genaue Gemeinschaft mit Christo und offenbart uns dieselbe als ein großes, aber höchst folgen- und segensreiches Geheimnis, dessen Erfahrung wir aus allen Kräften begehren sollen. Sie stellt uns Christum überhaupt nicht als eine Person für sich vor, welche selbst der Hauptzweck ihres Daseins und Tuns ist, sondern deren Dasein, Tun und Geschichte einen allgemeinen, einen auf andere gehenden Zweck hat. Sie lehrt uns in wunderbarer und befremdender Weise, dass, als Christus gekreuzigt wurde, starb, begraben ward und auferstand, es nicht so sehr er selbst war, mit dem dies alles vorging, sondern es vielmehr andere waren, denen dies in seiner Person widerfuhr. Dies ist freilich auch im Bürgerlichen der Fall. Stellen wir uns vor, eine Stadt sendet in einer wichtigen Angelegenheit Abgeordnete anstelle des Königs Majestät, so betrachtet sie die gnädige oder ungnädige Aufnahme derselben nicht so sehr als den Abgeordneten, sondern vielmehr ihr selbst widerfahren. Und so ist’s auch gemeint. Es könnten unter den Abgeordneten Personen sein, die der König als solche sehr hoch schätzte, und die er doch als Abgeordnete sehr ungnädig behandelte, selbst wenn sein eigener und einziger, gehorsamer und geliebter Sohn darunter wäre, bei dem er aber alsdann nicht auf seine Eigenschaft als königlicher Sohn, sondern auf seinen Auftrag Rücksicht nähme. So ungefähr auch hier.

Die Schrift lehrt uns eine so genaue Vereinigung der Gläubigen mit Christo, dass sie Fleisch von seinem Fleisch genannt werden, dass sie sagen können: ich lebe eigentlich nicht, sondern Christus lebet in mir. In seinem hohenpriesterlichen Gebet Joh. 17 bittet Christus für sie: „Ich in ihnen, auf dass sie vollkommen seien in eins“, und Paulus sagt im vorhergehenden Kapitel, „Christus in euch, die Hoffnung der Herrlichkeit,“ so wie im Folgenden: „euer Leben ist verborgen mit Christo in Gott;“ und redet von sich selbst als von einem Menschen in Christo, ja gleich im Vorhergehenden sagt er: „ihr seid vollkommen in ihm“. Wunderbare, geheimnisvolle Lehre, welche aber in ihrer beseligenden, heiligenden, umwandelnden Wirkung als wahrhaftig erkannt wird. Mit Recht begehren wir deswegen mit Paulo, in Christus erfunden zu werden.

Die Gemeinschaft mit Christo wird auch durch biblische Redensarten und Gebräuche versinnbildlicht. Nicht nur ein Hirt und seine Herde, sondern auch der Weinstock und seine Reben, ja das Haupt und seine Glieder, wie eine Glucke und ihre Küchlein, bilden dies selige Geheimnis ab, wovon es sogar heißt: ihr werdet von mir im Leibe getragen. Gar merkwürdig kommt daher in der hebräischen Sprache das Wort Glaube von einem andern Worte her, was eine Amme bezeichnet, welche ein Kind in ihren Armen trägt, und welches sich von ihr tragen lässt, woraus wir zugleich sehen, dass auch das unmündigste Kind ebenso sehr zum Glauben an den Herrn Jesum fähig ist, sich von seiner Amme tragen zu lassen. Bekehren wir uns denn und werden solche Kinder, wie gut wird sich’s in solchen Armen ruhen, wie sicher werden wir daselbst sein.

Das heilige Abendmahl ist insbesondere der von Christo angeordnete Gebrauch, wodurch uns das Geheimnis der Vereinigung mit ihm versinnbildlicht werden soll. Das, was wir körperlich in demselben genießen, das heilige Brot und der Wein, vereinigt sich bald so mit unserm Körper, dass es ein Bestandteil desselben wird. So genau will Christus sich mit unserer Seele vereinigen. Kein Wunder demnach, wenn wir uns selbst verleugnen sollen, damit wir Christum bekommen; wenn wir unser eigen Leben verlieren sollen, damit Christus unser Leben werde, unsere eigene Gerechtigkeit und Stärke einbüßen sollen, damit Er beides in uns werde. Es ist aber auch leicht zu denken, dass dies so leicht nicht hergehe und nicht zu verwundern, wenn wir die Jünger zuweilen schreien hören: „Meister, wir verderben und du fragst nicht danach?“ Wir suchen unser eigenes Leben, Gerechtigkeit und Kraft zu erhalten und müssen es verlieren. Schmerzhafter Verlust, aber selige Schadloshaltung! Doch alles in seiner Folge und Ordnung.

Dies wollten wir über die Gemeinschaft mit Christo im Allgemeinen voraus bemerken. Nur eins lasst uns hinzusetzen, dies nämlich: ist es fast nicht unglaublich, dass Christus sich in so genaue Gemeinschaft mit so elenden Sündern einlässt, wie wir doch gewiss sind, und wofür wir uns um so mehr halten werden, je gründlicher wir uns kennen lernen, dass er in uns, ja in uns leben, wohnen, wandeln will. Es würde in der Tat durchaus unglaublich sein, wenn die Demut, Herablassung und Gnade des Herrn nicht so groß wäre, dass er, der in der Höhe und im Heiligtum wohnt, auch bei denen wohnt, so zerschlagenes und demütigendes Geistes sind, auf dass er erquicke den Geist der Gedemütigten und das Herz der Zerschlagenen. Sodann ist es für uns eine sehr gute Vorbedeutung, dass dieser Herr, welcher doch höher ist als der Himmel, wirklich in einem Stall hat geboren werden, in dem verachteten Nazareth hat wohnen, und zwischen ein paar Mördern hat sterben wollen. Die selbstgenügsamen Pharisäer, welche sich selbst für weise und gut hielten, meinten zwar, Jesus müsste ihre Gesellschaften suchen, aber sie bedurften des Arztes nicht, und sagten die Wahrheit, indem sie ihn zu schmähen gedachten: „dieser nimmt die Sünder an und isset mit ihnen.“ Fühlst du so, so hoffe das Nämliche.

II.

Lasst uns jetzt insbesondere die Gemeinschaft der Gläubigen mit Christo in seiner Begräbnis und Auferweckung erwägen, wovon unser Text redet. Die Vortrefflichkeit und Wünschenswürdigkeit dieser Gemeinschaft erhellt zuvörderst aus dem kläglichen Zustande, worin sich der Mensch vor oder außer der Gemeinschaft mit Christo befindet.

1.) Diesen elenden Zustand schildert der Apostel in den Worten: ihr wart tot in Sünden und in der Vorhaut eures Fleisches. Der letzte Ausdruck: Vorhaut des Fleisches will nichts anderes sagen als: euer natürlicher Zustand, bevor eine Veränderung in eurem inneren Gemütszustand vorgegangen ist. Und den schildert der Apostel als einen Tod in Sünden. Es gibt auch einen Tod, ein Sterben in dem Herrn, und wie dieses ist eine völlige Vereinigung mit ihm, so zeigt das Totsein in Sünden ein völliges Einssein mit derselben an. Die Kolosser befanden sich ehemals in diesem scheußlichen Zustande. Ihr wart tot. Das Leben eines unbekehrten, natürlichen Menschen ist also nichts als ein Tod, nichts als lauter Elend und führt zu nichts anderem als zu unsäglichem Elend.

Unbekehrte Menschen sind tot für Gott und seinen Dienst. Gott bekommt so wenig von ihnen, als wären sie gar nicht da, obschon er unzähligemal von ihnen beleidigt und sein Gesetz zerrissen wird. Sie sind ohne Liebe, ohne Verlangen, ohne Vertrauen zu ihm. Ja, was sagen wir – ohne Liebe? – Ihre Gesinnung ist Feindschaft gegen Gott. Was sagen wir – ohne Verlangen? da ist nicht nur nicht, der nach Gott frage, sondern es würde ihnen leid sein, wenn er ihnen Buße geben wollte. Was sagen wir – ohne Vertrauen? Man ist voll Misstrauen, voll arger Gedanken wider ihn und benimmt sich so, als komme weder Gutes noch Böses von dem Herrn, oder nur Böses. Zwar beweisen einige noch eine gewisse Gottesdienstlichkeit, aber welch ein totes Werk ist es, ohne Lust und inneren Trieb. Mit Lust, Überlegung und Trieb aber sündigen sie, jagen sie den sinnlichen Belustigungen nach, streben sie nach irdischem Besitz. Da sind sie nicht tot, sondern regsam und lebendig über die Maßen, sterben aber gleichsam augenblicklich, wenn vom Göttlichen die Rede ist, und sind wie außer ihrem Element. – Sie sind tot, denn sie sind ohne geistliches Leben und verstehen nichts von dem, was des Geistes Gottes ist, ja es ist ihnen sogar eine Torheit, lächerlich, unschmackhaft, auch können sie’s nicht erkennen, denn sie haben kein Auge, das sehen, kein Ohr, das hören, und kein Herz, das verstehen kann. Keine menschliche Macht kann’s ihnen verständlich machen, und wenn sie eine buchstäbliche Erkenntnis haben, so ist’s etwas Totes bei ihnen, das sie aufbläht, das sie sicher oder auch zanksüchtig macht, nicht aber sanft und von Herzen demütig.

Sie sind tot, denn sie sind ohne geistliches Leben. Sie besitzen keine Tüchtigkeit zu irgend einer auch nur der allergeringsten guten Handlung, als da ist nach dem Herrn zu fragen, fein zu begehren, nach ihm zu hungern, denn wo sich dergleichen zeigt, da beweist es schon das Dasein eines geistlichen Lebens in seinen ersten Anfängen, da heißt es schon: „Selig sind, die da hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit, denn sie sollen satt werden.“ Wieviel weniger hat der natürliche Mensch aus und für sich irgendeine Tüchtigkeit zu den größern Werken als: zu beten, zu glauben, zu lieben, zu hoffen. Jedoch ist es nicht eine solche Untüchtigkeit, wenn jemand z. B. gern etwas aus einer Predigt behalten möchte, aber es wegen seines Gedächtnisses nicht kann, oder seine Taubheit ihn verhindert zu vernehmen, was geredet wird. Eine Untüchtigkeit zu geistlichen Pflichten der Art schadet dem, der sie mit Schmerzen in sich gewahr werden muss, gewisslich ebenso wenig, als es jenem schadete, dass er nicht glauben konnte und deswegen schrie: „Ach Herr, komm zu Hilfe meinem Unglauben.“ Die Untüchtigkeit derjenigen, welche tot in Sünden sind, ist zugleich lauter Unwille, ja Widerwillen. Ihr wollt nicht zu mir kommen, nicht – ihr könnt nicht, obschon das auch wahr ist. Ich habe euch versammeln wollen wie eine Henne ihre Küchlein, aber ihr habt nicht gewollt. Allezeit widerstrebet ihr dem heiligen Geist, sagt Stephanus. Der Widerwille gegen das Göttliche ist so groß, dass manche das Wort Gottes nicht einmal hören mögen, andere es verdächtig und lächerlich zu machen suchen, und viele selbst diejenigen anfeinden, verspotten und hindern, welche ins Reich Gottes zu dringen suchen. Selbst wollen sie nicht hinein und wehren auch andern, die hinein verlangen.

Tot in Sünden, dies ist der Zustand, worin sich alle natürliche Menschen befinden, mag auch im Äußeren ein großer Unterschied sein. Freilich führen nicht alle Unbekehrten ein schändlich ruchloses Leben, wie gemein leider solches auch ist und wird. Es gibt auch sittsame, ehrbare und kirchliche Menschen. Aber die letzteren übertreffen gewöhnlich jene noch an innerer Bosheit und sind vom Reiche und der Gerechtigkeit Gottes noch entfremdeter und unhandelbarer, indem sie meinen, ihnen fehle wenig oder nichts, da jene doch noch leichter zu überzeugen sind, es müsse ganz anders mit ihnen werden. Sie sind stolze, satte, eigengerechte und sichere Menschen, so dass es leichter ist, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, denn dass sie in’s Reich Gottes kommen.

Aus dieser Ursache ist eine Lebendigmachung notwendig: Folglich ist eine wahrhaftige Bekehrung einer Auferweckung von den Toten gleich, ein Wunder; wiewohl die Bekehrung des einen sich mehr als ein Wunderwerk nach außen darstellt, als die des andern; und jenes geschieht besonders bei denen, welche früher ein ruchloses Leben geführt haben und in der Geschwindigkeit herumgeholt wurden, so dass jedermann es merkte, da hingegen andere in ihrem äußerlichen Lebenswandel wenig oder gar nichts zu ändern haben. Bei beiden reichen aber äußere Gnadenmittel nicht hin, möchte Gott selbst reden, wie es auf Sinai unter den furchtbarsten Umständen wirklich geschah, möchte Christus selbst predigen und noch so merkwürdige Wunder verrichten, möchten sonst die merkwürdigsten Dinge sich ereignen, die Erde erbeben, die Pest Tausende töten, das Meer wallen und toben und die Wasserwogen brausen, möchte jemand die empfindlichsten Leiden erdulden oder die augenscheinlichsten Wohltaten und Rettung erfahren, dies alles kann Mittel zur Bekehrung werden, bringt sie aber an sich nicht zuwege; dann muss noch eine Lebendigmachung hinzukommen, welches ein Werk Gottes ist, wozu er sich kleiner oder auch gar keiner Mittel zu bedienen braucht, wie es ihm gefällt.

2.) Die gläubigen Kolosser waren ehemals auch tot gewesen. Lasst uns jetzt auch zweitens vernehmen, welches das Mittel ihrer Rettung war, welches auch zugleich dasjenige ist, woraus auch unser Heil entspringen muss. Dies Mittel ist ein dreifaches: Schenkung der Sünde, Begräbnis und Auferweckung mit Christo vermittels des Glaubens, den Gott wirket.

Von dem ersten heißt es sehr herrlich: und hat uns geschenket alle Sünden, wie Jesus dort in dem Gleichnis sagt: er schenkte ihm die ganze Schuld. Und hat uns geschenket alle Sünden, die Worte sind so klar, dass sie keiner Erläuterung, und in der Sache so herrlich, dass sie keiner Empfehlung bedürfen. „Und hat uns geschenket alle Sünden.“ Es fällt mir dabei ein Römer ein, welcher, er mochte auch im Staatsrat vorgetragen haben, was er wollte, immer mit den Worten schloß: „Karthago muss zerstört werden!“ – So möchte und muss der Christ immer wieder darauf zurückkommen: „und hat uns geschenket alle Sünden,“ bis dies große Wort völlig kleben bleibt, bis es das ganze Haus seines Herzens mit lauter Friede und Ruhe, mit lauter Zuversicht und Liebe Gottes erfüllet, dass in ihm nichts als das „Abba, Vater!“ erschallt. Eine solche Erkenntnis wird niemand unfruchtbar sein lassen. Und dies geht auch billig allem andern vorher, denn dies macht Mut, sich aufzumachen und zum Vater zu gehen und ihm zu sagen: „Vater, ich habe gesündigt im Himmel und vor dir.“ Der Apostel redet auch vom Glauben. So lerne man das denn zuvor recht von Herzen glauben: „und hat uns geschenkt alle Sünden,“ so wird sich auch das Übrige schon regeln, und wir die Schuhe ausziehen, in welchen wir laufen können den Weg, der uns verordnet ist. Da nun Gott es ist, der den Glauben wirket, so wolle er denselben kräftiglich wirken in aller deren Herzen, die über ihre Sünden Leid tragen und die Erlassung derselben von ganzer Seele begehren.

Nicht so klar wie dies goldene Wort ist es, wenn der Apostel hinzusetzt: „ihr seid mit Christo durch die Taufe begraben.“ Eine Redensart jedoch, welche der Apostel öfter, wenigstens Römer 6 gebraucht. Dass Christus begraben sei, wissen wir, dass wir aber mit ihm begraben seien, ist eine über die Vernunft erhabene Sache, dem Glauben aber klar und gewiss. Zeichen und Unterpfand des Begrabenseins mit Christo ist die Taufe, und besonders der erste Teil derselben, welcher ehemals durch eine gänzliche Untertauchung ins Wasser geschah, wo der Täufling gleichsam im Wasser begraben wurde.

Wir besprengen bloß mit Wasser. Aber was für Nutzen bringt es denn, mit Christo begraben zu sein? Einen mehrfachen: Eine vollkommene Freiheit vom Fluche des Gesetzes, weil wir die Strafe unserer Sünden in unserem Haupte Christi aus- und durchgestanden haben, so wir anders glauben die Aufhebung des Todes. Denn Christen leiden den Tod nicht als eine Bezahlung für ihre Sünden, sondern nur als eine Absterbung der Sünden und Eingang zum ewigen Leben. Besonders aber bringt sie die Verpflichtung und Berechtigung mit sich, so vollkommen von aller Sünde geschieden zu sein und zu werden, wie die Lebendigen von den Begrabenen geschieden sind, und den Segen, dass Christus es wirklich mit allen, die sich ihm dazu ergeben, so weit bringen will und bringt, was sie auch von Herzen begehren und nach dem neuen Menschen suchen. Die Taufe, besonders in ihrer ursprünglichen Bedienung, bildet dies auch sehr treffend ab. Der Täufling schien von allem geschieden, und der Christ scheidet sich je länger je mehr von allem ungöttlichen Wesen. Der Täufling schien sterben zu sollen, und der alte Mensch muss wirklich sterben. Der Täufling empfand unter dem Wasser eine gewisse Todesangst und die Sünde wird nicht ohne Traurigkeit und Angst abgelegt. Begehret ihr aber wohl, so die Bedeutung eurer Taufe zu erfahren? Begehret ihr wohl auf diese Weise zu erfahren, dass ihr mit begraben seid, als Christus begraben wurde? Oder beweiset sich euer Totsein in Sünden darin, dass ihr’s nicht begehrt, wenigstens noch sobald nicht, wenn man nicht gar vorbei kommen kann. O wie wenig kennt und begehrt ihr dann euer wahres Heil!

3.) Das dritte Mittel zu unserm Heil ist in den Worten angegeben, in welchem (nämlich Christo) ihr auch seid auferstanden durch den Glauben, der kräftigen Wirkung Gottes, welcher ihn auferweckt hat von den Toten. Hier lehrt der Apostel eine ähnliche wundervolle, aus der Tiefe des Evangeliums gegriffene Wahrheit, wie in den vorhin angeführten Worten. Christus ist auferstanden, das glauben wir, und darum feiern wir auch das Fest. Gott hat ihn durch seine kräftige Wirkung auferweckt, das bekennen wir. Aber nun setzt der Apostel noch hinzu: „ihr seid samt ihm auferstanden.“ Und wen setzt das nicht in Verwunderung und Erstaunen zu vernehmen, dass wahre Christen solche sind, die (noch ehe sie geboren waren) gekreuzigt und gestorben, aber auch schon auferstanden sind. Ein jeder begreift leicht, ohne daran erinnert zu werden, dass dies nicht in einem natürlichen, fleischlichen, buchstäblichen Sinne zu nehmen sei, allein der Apostel war auch weit entfernt, sich in seltsamen Reden zu gefallen.

Wir kennen keinen andern Christum als denjenigen, der gekreuzigt, gestorben, begraben und auferstanden ist und diesem also bereiteten Christus verdanken wir alles Heil. Ihr seid samt Christo auferstanden, heißt also mit andern und geläufigeren Worten ungefähr so viel als: durch die Auferstehung Christi ist euch eine vollkommene Rechtfertigung und Heiligung rechtlich von Gott zuerkannt, und vor ihm war’s bei der Auferweckung Christi so gut, als ob ihr mit ihm auferweckt wäret. Darum sagt auch der Apostel anderswo: „Wer will verdammen? Christus ist hier, der gestorben ist, ja was mehr ist, der auch auferweckt ist, welcher ist zur Rechten Gottes, und vertritt uns.“ Er legt demnach ein größeres Gewicht auf seine Auferstehung als auf seinen Tod, weil durch jene erst die herrliche Wirkung des Todes Christi offenbart wurde. Sehet demnach die heilbringenden Früchte, welche für uns aus der Gemeinschaft mit Christo erwachsen, vermöge welcher wir in Christo von Gott als solche gerechnet und angesehen werden, die gekreuzigt und gestorben sind, als er am Kreuze starb, folglich ihre verdiente Strafe ausgestanden haben, die aber auch auferstanden sind, als er auferstand, und in ihm in ein neues, herrliches und seliges Wesen versetzt wurden. Beides bezeichnet und befestigt die heilige Taufe. Ist das erste, das Gekreuzigtwerden und Sterben mit Christo schmerzhaft, ängstlich, beschwerlich, so ist das andere, das Auferweckt- und Lebendiggemacht-Werden mit ihm etwas Erfreuliches und Erquickendes. Das war sie für Jesus selbst und deshalb sagte er [durch David] auch nach Apg. 2 „mein Herz ist fröhlich und meine Zunge freut sich, denn du tust mir kund die Wege des Lebens und erfüllst mich mit Freuden vor deinem Angesicht.“ Denn Lebendigmachen heißt auch erfreuen. So wird von dem alten Jakob gesagt, da, als er hörte, Josef lebe noch, da ward sein Geist lebendig, indem er aus langer Trauer zur Freude überging. Die Freude am Herrn ist aber zugleich unsere Stärke und wenn du mich tröstest, so laufe ich den Weg deiner Gebote.

Kennt ihr denn beides aus eigener Erfahrung, das Sterben mit Christo und das Lebendigwerden mit ihm? Dann seid ihr wirklich getauft, dann habt ihr wirklich Karfreitag und Ostern gefeiert, wo nicht, so seid ihr noch tot, Heiden in der Vorhaut eures Fleisches, tot in Sünden, möchtet ihr auch allenfalls eine äußere Sittlichkeit haben, heißet Christen, ohne doch mit Christo Gemeinschaft zu haben.

Diese Gemeinschaft wird vermittelst des Glaubens aufgerichtet. Durch den Glauben, den Gott wirket, sagt der Apostel, oder durch den Glauben der kräftigen Wirkung Gottes. Wir leben im Glauben. Unsern Tod und unsere Auferstehung mit Christo sollen wir glauben; glauben, dass wir mit dabei gewesen, und dass das mit uns selbst vorging, was an Jesus geschah. Jedoch sollen wir das nicht mit einem toten Glauben für wahr und gewiss halten, wie man etwa sonst eine Geschichte glaubt, sondern mit einem Glauben, den nicht wir uns selbst machen, sondern den Gott wirket. Sollen wir’s recht glauben, so werden wir auch zuvor glauben, dass wir mit dabei waren, als Adam von jenem Baum aß, ja es mit Schmerz und Bekümmernis mehr in uns gewahr werden, als uns wohl lieb ist, und daraus erkennen, wie sehr wir einen Erlöser bedürfen. Sollen wir sodann recht und völlig glauben, dass wir auch mit dabei waren, als Christus starb und auferstand, dass wir also mit und in ihm gerechtfertigt sind von der Sünde, so werden wir alsdann auch wohl mehr als uns das lieb ist, erfahren, dass Gott es sei, der es allein wirken könne und müsse, aber auch mit Verwunderung, Dank und Freude gewahr werden, was ein Glaube der kräftigen Wirkung Gottes zu glauben vermöge und wie freudig und fest. Ohne Glauben aber ist es unmöglich, Gott zu gefallen.

Haltet denn auf diese Weise Ostern, meine Brüder! – Sterbet mit ihm, um auch mit ihm zu leben, und sehet zu, dass ihr nicht bloß in einer äußern, sondern insbesondere in einer innern und wahrhaften Gemeinschaft mit ihm stehet, und als in ihm anwesend seid, als Eins mit ihm gerechnet werden, und so seinem Tode ähnlich werdet, und erkennt die Kraft seiner Auferstehung.

Davon zeigt sich leider sehr wenig, und selten sind die Erweckungen zu einem neuen gottseligen Leben. Die Anzahl ist groß, zu der man sagen muss: ihr seid tot in Sünden. Die Anzahl ist gering, in welchen sich die Wirkung des Todes und der Auferstehung Christi zeigen. O wachet auf, die ihr schlafet und stehet auf von den Toten, so wird euch Christus erleuchten. Erschreckt ihr nicht über euren Zustand, so beweiset ihr auch dadurch euren tiefen Tod. O, Er, der lebendig machet, welche Er will, Er mache viele lebendig.

Heilsbegierige Seelen aber sollen nicht bloß bei der Geschichte ihres Herzens stehen bleiben, sondern auch die Geschichte ihres Hauptes erwägen und glauben lernen, dass sie samt Christo begraben sind durch die Taufe in seinen Tod, auf dass, gleichwie Christus ist auferweckt von den Toten, also auch sie in einem neuen Leben wandeln. Ja, haltet euch dafür, dass ihr der Sünde gestorben seid und lebet Gott in Christo Jesu, unserm Herrn! Amen.

sprachlich überarbeitet durch Fritz

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