Krummacher, Gottfried Daniel - Die Sonne der Gerechtigkeit - 3. Predigt über Maleachi Kap. 4, V. 2.
Wir entwickelten neulich das Bild der Sonne als eine Weissagung von Christo. Höchst merkwürdig ist der Zusatz, den wir auch nicht unbeachtet ließen, wodurch diese Sonne eine Sonne der Gerechtigkeit genannt wird. Dieser Zusatz aber ist so merkwürdig, an dieser näheren Bezeichnung ist uns so sehr viel gelegen, es deutet dies so sehr auf den Hauptinhalt des Evangeliums, dass wir dabei mit Recht noch etwas verweilen. Die Sache läuft auf vier Hauptpunkte hinaus:
I. wir müssen eine Gerechtigkeit haben,
II. wir besitzen sie aber nicht,
III. wir können sie uns selbst nicht erwerben,
IV. sie ist aber in Christo.
I.
Der erste Satz: wir müssen eine Gerechtigkeit haben, ist so einleuchtend, dass er keines weitläufigen Beweises bedarf, sondern etwa nur erläutert werden mag, was er besage, was das für eine Gerechtigkeit sei, die wir bedürfen, und wozu wir sie brauchen.
Der Ausdruck: eine Gerechtigkeit haben, ist nicht dunkel, und bedarf bloß der näheren Bestimmung, dass wir dieses in Beziehung auf Gott als unsern König und Richter meinen, und da bezeichnet das Wort „Gerechtigkeit“ den Inbegriff aller derjenigen Eigenschaften, welche Gott mit Recht von uns fordert und erwartet. Würden wir irgend vor ein weltliches Gericht gefordert, so würden wir die uns nötige Gerechtigkeit besitzen, wenn wir uns über das, was daselbst vorkäme, gehörig legitimieren und ausweisen könnten; sollte sich jemand zu einer Prüfung oder Examen stellen, so würde er durch gehörige Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen seine Gerechtigkeit dartun, so auch wenn uns ein Auftrag gegeben würde und wir ihn gehörig ausführten und dadurch unsere Tauglichkeit bewiesen. Es gehört nur ein kleines Nachdenken dazu, dessen auch Kinder, will geschweigen Erwachsene, fähig sind, um einzusehen, dass es keineswegs gleichgültig ist, wie wir gegen Gott stehen, und sehr wenig Gottesfurcht, um zu begreifen, wie wichtig dies sei. Es ist allerdings möglich, und leider nur viel zu oft wirklich, dass Menschen so tief unter ihre Würde und Bestimmung herabsinken, dass sie ein Leben führen, als sei kein Gott, oder als bekümmere er sich um das Tun und Lassen der Menschen gar nicht, als könne daher Jeder nach seinem Gutbefinden leben und handeln. So sprachen auch die gottlosen Zeitgenossen Maleachis: es ist umsonst, dass man Gott dient, und was nutzt es, dass wir seine Gebote halten. Er lässt die Menschen gehen wie die Fische im Meer und wie das Gewürm, das keinen Herrn hat. Habakuk 1, 14. Das sind, wie man sie zu nennen pflegt, praktische Atheisten, die, wie Paulus sagt, nicht nur ohne Christum, sondern auch ohne Gott in der Welt leben, und deren gibt's in allen Ständen nur gar zu viele. Aber bei dem allen wird's doch kein Mensch zu der Überzeugung jemals bringen können (wir reden aber nicht von demjenigen, was der höchste Grad der Verstockung bewirken kann) dass ein gottloses Leben das rechte und wahre sei, vielmehr sehen sich solche Hunde und Säue genötigt, nicht nur den Gedanken an Gott, sondern auch alles, was auf ihn Bezug hat, und nur von ferne an ihn erinnert, geflissentlich von sich zu entfernen, und sich aus den Gedanken zu schlagen. Mag er leugnen, mag er spotten, lachen und drein fluchen, es beweist im Grunde nur die Mühe, die er anwenden muss, den Gedanken an Gott, Ewigkeit und Vergeltung fern von sich zu halten. Der Mensch hat ein Gewissen, einen Richterstuhl an Gottes statt in sich selbst. Mag es schlafen, so hat es einen so leisen Schlaf, dass nicht immer die Schläge eines erschrecklichen Donners nötig sind, es zu wecken, sondern schon das magische Tickern einer sogenannten Totenuhr in seiner Kammer es schreckhaft aufrühren kann.
Ein gewisser sehr vornehmer Franzose, der bei einem andern noch viel Vornehmeren in hohem Ansehen stand, leugnete in seinen Schriften das Dasein Gottes selbst, und verspottete alle christlichen Wahrheiten nach der Reihe, entfärbte sich aber vor Schrecken, wenn das Salzfass auf seiner Tafel umfiel. Wollte er Gott nicht, so musste er doch ein Salzfass fürchten, und so dumm sein, dessen grundlose Weissagungen zu glauben, da er der göttlichen höhnte. Das war mir ein großer Philosoph, dessen der Herr also spottete! Kurz, es liegt schon in dem, will ich einmal sagen, nicht ganz und und gar verdorbenen Menschen, die angeborene Überzeugung, dass er eine Gerechtigkeit haben müsse, um vor Gott zu bestehen. Er kann unmöglich glauben, es sei einerlei, wie er denke, rede, gesinnt sei und handle, sondern er wird endlich auf irgendeine Art und Weise darüber zur Rechenschaft gezogen werden. Werdet denn, ihr alle, recht nüchtern, und lasst es bei euch recht zum Bewusstwerden kommen, dass ihr eine Gerechtigkeit haben müsst, um damit bestehen zu können. Ihr wollt alle selig werden, und hofft es zu werden. Begreift das denn recht, dass ihr's ohne Gerechtigkeit nicht könnt noch werdet.
Es fragt sich aber, was das für eine Gerechtigkeit sei, die wir bedürfen, worin sie bestehe, wie sie beschaffen sein müsse, was dazu gehöre? Diese Frage ist von allzu großer Wichtigkeit, als dass uns jede Antwort darauf genügen dürfte. Es ist uns allzu viel daran gelegen, um nicht die bestimmteste und zuverlässigste Anweisung darüber zu begehren. Es müssen sehr leichtfertige und gottlose Menschen sein, die glauben, dass sie hinlänglich bereitet wären, wenn nur die bürgerlichen Gesetze mit ihnen zufrieden sind, und sie keine grobe Verbrechen begehen. Es gibt auch solche, die noch einige Schritte weiter gehen. Sie beweisen auch eine gewisse Pünktlichkeit in Abwartung des öffentlichen Gottesdienstes und eine allgemeine Achtung gegen das Gebot und Wort Gottes, dem sie keineswegs freventlich entgegen handeln, mögen sie's auch so gar genau nicht nehmen. Am besten aber glauben diejenigen zu stehen, welche sich in ihrem Leben und Verhalten einer sogenannten Rechtschaffenheit und Gewissenhaftigkeit befleißigen, so dass man wirklich von ihnen bekennen muss, dass sie ehrliche, rechtschaffene und zuverlässige Leute sind. Einige von diesen sind zugleich kirchlich, andere sind das eben nicht, ohne doch gerade etwas dawider zu haben. Sie denken, das mache es nicht aus, und lassen sie's ziemlich links liegen. Ehemals gab's auch unter den Christen solche, die sich einer sehr strengen und ungewöhnlichen Lebensart beflissen, in Klöster und Einöden gingen, allerhand Büßungen vornahmen und Gelübde taten, ohne doch zu glauben, dass das aller Menschen Pflicht sei. Was sollen wir zu diesem allen sagen? Ist das die Gerechtigkeit, die wir haben müssen, reicht das hin, oder nicht? Vielleicht sagt man ja, und setzt hinzu: nur muss auch das Herz redlich und aufrichtig sein; wenn das ist, so steht alles wohl; ganz von allen Fehlern ist niemand frei, wenn er gleich danach streben muss. - Allein das Wort Gottes bestätigt diese Vorstellung so gar nicht, dass es sie vielmehr ganz über den Haufen wirft. Dies Alles reicht nicht hin. Es will etwas durch aus Vollkommenes and Fehlerfreies haben. Ja, wird jemands Gewissen gründlich aufgeweckt, bekommt es die gebührende Zartheit, und wird es so empfindlich, wie es sein soll, so kann dasselbe auch nur durch etwas durchaus Vollkommenes und Fehlerfreies befriedigt werden. Begeht so jemand auch keine grobe Fehltritte, befleißigt er sich, alle seine Pflichten gehörig zu erfüllen, bereut er jede Übereilung, sucht er dieselbe zu verbessern und zu meiden, ist er fortwährend beflissen, selbst seinen innersten Grund von jeglicher, auch der subtilsten Unart zu reinigen, muss und darf er sich selbst dies Zeugnis geben, so ist dies doch keineswegs im Stande, ihn vollkommen zu beruhigen. Eben weil er jene Zartheit hat, merkt er, wie unvollkommen und mangelhaft dies alles sei, und je ernstlicher er es meint und betreibt, desto weniger ist er mit sich selbst zufrieden, und sieht, wie viel noch zurückbleibt. Fordert nun schon unser Gewissen etwas Vollkommenes zu seiner Beruhigung, wie viel mehr fordert Gott etwas Vollkommenes, so dass auch derjenige, welcher das ganze Gesetz hielte, aber an einem fehlte, des ganzen Gesetzes schuldig ist. Auch hierüber sollten wir billig alle recht nüchtern werden und uns dessen recht deutlich und klar bewusst werden, dass wir kein Flick- und Stückwerk, sondern etwas Vollkommenes haben müssen, das jede, auch die schärfste Probe, auch die der göttlichen Flammenaugen aushält, und vor ihm gilt.
Die Frage aber, wozu wir dies bedürfen, beantwortet sich selbst. Wir brauchen es, um vor dem allerheiligsten Gott und seinem erschrecklichen Richterstuhl zu bestehen, um von seiner Gerechtigkeit, Heiligkeit und Allmacht nichts besorgen zu dürfen, um das Recht zum Eingang in die ewige Herrlichkeit zu haben, mit einem Wort: um selig zu werden. Kann ein wichtigeres Ziel uns vorschweben? Ist das nicht billig unser höchster Wunsch und Bestreben, wie es uns auch die Schrift vorstellt? Ach ja, lasse sich doch ein jeglicher seiner Seelen Seligkeit das höchste Ziel werden und sein! Trachte doch jeglicher am ersten nach dem Reiche Gottes und nach dessen Gerechtigkeit, so wird ihm das Übrige schon alles zufallen. Und um dies herrliche Ziel zu erreichen, müssen wir Gerechtigkeit haben, und zwar eine vollkommene. Dies ist die erste Wahrheit.
II.
Die zweite ist diese: wir haben sie nicht, diese, zum Seligwerden erforderliche Gerechtigkeit. Eine wichtige Wahrheit, deren Erkenntnis durchaus notwendig ist, um zur wahren Gerechtigkeit zu gelangen. Wir wissen wohl, dass diese Wahrheit ungern eingestanden wird und mit unserer gesamten Sünden-Erkenntnis zusammenhängt, wozu wir wenig Lust haben. Allenfalls wird man einräumen, dass dies von denen gilt, welche sich als unverbesserliche Verbrecher beweisen, sich aber auch nur auf diese beschränkt, und es dagegen um die größte Anzahl, die aus rechtlichen Leuten besteht, sehr wohl stehe. Aber, meine Zuhörer, das Wort Gottes spricht hierüber so allgemein, dass keine Ausnahme, und so deutlich, dass kein Zweifel übrig bleibt. Es sagt: da ist nicht, der gerecht sei, auch nicht einer; es setzt hinzu: sondern die ganze Welt ist Gott schuldig, ist verdammlich, denn wer nicht gerecht ist, der ist strafwürdig. So lehrt die Schrift. Sie dehnt dies auch über diejenigen aus, welche. doch darin nicht mitbegriffen werden zu können scheinen. Die Pharisäer stehen bei uns in sehr üblem Kredit, dass sie das aber in dem Sinne verdienen, wie er bei Vielen sich äußert, ist sehr zu bezweifeln, und viele ihrer Tadler stehen gewiss schlechter, wie die Getadelten selbst. Jener reiche Jüngling war ein Mensch, welcher die Gebote: du sollst nicht ehebrechen, nicht töten, nicht stehlen, kein falsch Zeugnis reden, deinen Vater und Mutter ehren, und deinen Nächsten lieben als dich selbst, von Jugend auf erfüllt hatte. Paulus war auch ein Pharisäer, und von Jugend auf so eifrig beflissen, die Gebote zu halten, dass er unsträflich war nach dem Gesetz. Meint ihr aber, solche Personen wären es, welchen die Schrift ihr Wohlgefallen und ihre Zufriedenheit bezeugt, so irrt ihr euch sehr. Ihr irrt euch ebenso sehr, wenn ihr glaubt, sie ständen im Vorteil gegen Andere. Im Gegenteil wird die Wahrheit, dass sie nicht gerecht seien, umso mehr aufgedrungen, je mehr sie meinen, dies gehe sie nicht an, und ihnen eine umso niedrigere Stufe angewiesen, je höher sie zu stehen glauben. Es ist in der Tat ein Stück der Gerechtigkeit, zu erkennen, dass man keine besitzt.
Betrachtet einen David. Er war ein Mann, der nicht nur begehrte: O! dass mein Leben deine Rechte von ganzem Ernst hielte! sondern sogar schwur und es erfüllen wollte, dass er die Rechte seiner Gerechtigkeit halten wollte. Dennoch hielt er sich so wenig für gerecht, dass er betete: Gehe nicht ins Gericht mit deinem Knechte, denn vor dir ist kein Lebendiger gerecht. Hiob, welch ein Mann war das, schlecht und recht und gottesfürchtig, dennoch aber betete er: du wollest ja nicht Acht haben auf meine Sünde. Welch' ein Mann war Paulus, aber wie weit entfernt war er, auf sich selbst zu setzen, und zu glauben, es stehe um seine Gottseligkeit gut mit Gott. Es ist demnach nicht, der gerecht sei, auch nicht Einer. Auch diese wichtige, wenn gleich demütigende Wahrheit, lerne jeder recht erkennen und glauben.
III.
Hieran reihet sich die dritte Wahrheit: wir können sie uns selbst nicht erwerben, und zwar durch gar nichts. Man ist sehr häufig mit der Wahrheit fertig: wenn man seine Sünde bereut, so vergibt Gott sie. Aber teils gilt das nicht von jeder Reue, davon gibt die Reue des Judas einen erschrecklichen Beweis; teils können wir uns mit der besten Reue doch nichts erwerben. Sünde bringt Strafe, und die können wir durch alle Reue nicht abwenden, und dürfen uns auch von ferne nicht einbilden, als ob wir durch dieselbe Gott eine Art von Verpflichtung aufbürdeten, mit uns, wenn er nicht eine Art von Ungerechtigkeit begehen wollte, zufrieden sein zu müssen. Das sei ferne. Wir können die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, durchaus nicht erwerben. Darüber belehrt uns die Heilige Schrift auf das Deutlichste. Sie erklärt's geradezu für unmöglich, wenn sie sagt: es ist dem Gesetz unmöglich, sintemal es durch das Fleisch geschwächt ist; für ganz ausgemacht: wir wissen, dass durch des Gesetzes Werk niemand gerecht wird; als ganz positiv: durch des Gesetzes Werk wird kein Fleisch gerecht; als der göttlichen Ordnung zuwider, nach welcher nur der aus dem Glauben Gerechte leben soll. Sie beweist es mit Exempeln, sonderlich dem des Abrahams, welcher auch nicht durch Werke gerecht ward, was für ein großer Heiliger er auch war. Und was stellt die Unmöglichkeit: durch uns selbst gerecht zu werden, deutlicher ins Licht, als die Behauptung: dass Alle, die mit des Gesetzes Werk umgehen, so ganz ihres Zwecks verfehlen, dass sie unter dem Fluch bleiben, statt sich den Segen zu erwerben? Dagegen stellt die Schrift den Glauben als das einzige Mittel, gerecht zu werden dar. Wer glaubt, kommt nicht ins Gericht. Wer nicht mit Werken umgeht, glaubt aber an den, der die Gottlosen gerecht spricht, dem wird sein Glaube gerechnet zur Gerechtigkeit. Wir wissen, dass der Mensch gerecht werde ohne des Gesetzes Werk allein durch den Glauben. Deswegen: glauben wir nicht, so bleibt er doch getreu. Und dies ist wiederum ein wichtiges und notwendiges Stück unserer Erkenntnis, davon überzeugt zu sein und zu werden, dass keiner von uns sich die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, irgend zu erwerben vermag. Der ernstliche Versuch, dies auszuwirken, kann nützlich sein, indem er in uns die Überzeugung fördert, dass es nicht gelinge. Wer diesen ernstlichen Versuch macht, der wird mit allen seinen inneren Gesinnungen sowohl, als durch seine Handlungen nach außen, den Forderungen des Gesetzes genau und pünktlich nachzukommen suchen. Er wird sich innerlich waschen, reinigen und all' sein böses Wesen von den Augen des Herrn wegtun, Gutes tun lernen, und nach dem Recht trachten. Zugleich wird er nach Außen dem Hungrigen sein Brot brechen, den Nackten kleiden, den Bedrängten ins Haus führen. Aber eben auf diesem Wege werden ihm die weiten Forderungen des Gesetzes desto deutlicher einleuchten, und er dadurch zu einem desto größeren Sünder in seinen eigenen Augen werden. Wer die Forderungen des Gesetzes nicht versteht, der mag eine sehr gute Vorstellung von sich selber haben können, wem dieselben aber recht bekannt werden, der wird sich auch schon genötigt sehen, sich einen elenden Menschen zu nennen, ja gar fleischlich und unter die Sünde verkauft. Je mehr ihr euch aber einbildet wegen eures unsträflichen Lebenswandels vor Gott bestehen und euch der Seligkeit versichert halten zu dürfen, desto weiter seid ihr vom rechten Wege entfernt, desto tiefer steckt ihr in der Blindheit und im Tode. Lernt es reumütig erkennen, dass ihr keine Gerechtigkeit habt, lernt es erkennen, dass ihr euch keine erwerben könnt, werdet dadurch bekümmert und demütig, seht es ein, dass ihr durchaus keine Rechte, noch Ansprüche an den Himmel habt, und fragt sodann mit wahrer Angelegenheit eures Herzens: wie werde ich denn gerecht vor Gott? Dann tretet ihr auch in die Reihe der Armen, denen das Evangelium ausschließlich gepredigt wird.
IV.
Was für ein Evangelium? Das Evangelium, die fröhliche Botschaft, das gute Neue, dass die wahre Gerechtigkeit in Christo Jesu sei. Er ist gehorsam geworden für uns, d. h. für alle gebeugte, gedemütigte, die Sünde hassende Menschen. Durch diesen Gehorsam hat er uns eine überschwängliche Gerechtigkeit erworben, welche vom Gesetz und den Propheten und den Aposteln bezeuget wird. Diese Gerechtigkeit wird von Gott zugerechnet, und durch den Glauben ergriffen. Dies sind die Hauptpunkte, welche in dem Satz liegen: Die Gerechtigkeit ist in Christo.
Er ist gehorsam worden. Er ward unter das Gesetz getan. Er hat alle Gerechtigkeit erfüllt. Freiwillig ward er Mensch, ja Knecht. Aus eigener Bewegung begab er sich in solche Verhältnisse, denen er auch fern hätte bleiben können, wo er alle menschliche Pflichten ausüben sollte, ja wo dieses mit den größten Schwierigkeiten verbunden war. Es war kein gewöhnlicher Gehorsam, sondern ein Gehorsam bis zum Lode, ja bis zum Tode am Kreuz, und bestand sowohl im Tun als im Leiden. Durch sein Tun hat er das ganze Gesetz in seinem ganzen Umfange aufs Pünktlichste und Vollkommenste erfüllt. Dies hatte aber für ihn selbst so gar keinen Vorteil, dass er obendrein unter die Missetäter gerechnet, dass er um der Sünde willen zerschlagen, dass er zur Sünde gemacht, dass er sogar ein Fluch ward, dass alle die Strafen über ihn herfielen, die nur Sündern gebühren, so dass er auch ohne Barmherzigkeit getötet ward.
Aber hier haben wir zwar nur ein kleines, aber ein über alle Maßen wichtiges Wörtlein hinzuzusetzen, ein Wörtlein, das dem Gesagten eben seine wahre Bedeutung, Wichtigkeit und Segen gibt, und das ist das große Wörtlein: für uns. Er ist nicht so im Allgemeinen hin verwundet und zerschlagen, sondern um unserer Missetat willen. Er ward nicht im Allgemeinen hin, sondern für uns zur Sünde gemacht. Für uns ward er ein Fluch, und eben deshalb ans Holz aufgehängt. Für uns vergoss er sein Blut. Für uns ward sein Leib gebrochen. Für uns ist er gestorben. Für uns ist er durch sein eigen Blut einmal in das Heilige eingegangen und hat eine ewige Erlösung gefunden. Für uns hat er die Dinge getan, die bei Gott zu tun waren. Und so wie er für uns gelitten, so ist er auch für uns gehorsam geworden, damit, wie durch Eines Ungehorsam viele Sünder geworden sind, also auch durch Eines Gehorsam viele gerecht würden. Für uns hat er Gott und den Nächsten geliebt, hat er geglaubt und gebetet, und alle Gerechtigkeit erfüllt, so dass dem Gesetz in allen seinen Forderungen durch ihn an unserer statt ein überschwängliches Genüge und mehr geleistet ist, als es je zu fordern berechtigt war.
In der Tat ein höchst wichtiges für uns, an unserer statt! Das Fundament aller Beruhigung für Sünder, wie wir sind, die Quelle alles Trostes für Verlorene, der Grund alles Friedens gegen Gott, der abwehrende Schild gegen die Donnerkeile des Gesetzes und der feurigen Pfeile des Bösewichtes. Raubt uns dies für uns, und es ist auf einmal um uns alle geschehen, und wir mögen mit Rahel schreien: es ist aus mit uns.
Macht uns dies für uns wankend, und das ganze Gebäude unserer Hoffnung und Seligkeit zittert. Steht aber dies wundervolle: für uns, fest, so sind wir berechtigt zu fragen: wer ist, der Recht zu mir hat? wer will verdammen, beschuldigen, verklagen? So sind wir berechtigt, alle Forderungen des Gesetzes als erfüllt, alle seine Flüche als entwaffnet, alles Übel als entfernt, und alles Heil als erworben anzusehen, ja so dürfen wir, wenn wir's anders nur können, sagen: ich bin Gerechtigkeit Gottes in ihm, ich habe nie keine Sünde begangen noch gehabt. Und wer vermag die Wunder alle auszusprechen, die dies herrliche: für uns, bewirkt! Wir wissen aber, dass dasselbe so genau und durchgreifend ist, dass der Apostel kein Bedenken trägt, von sich zu sagen: Ich bin samt Christo gekreuzigt, und den Gläubigen zu schreiben: Ihr seid in ihm gestorben und auferweckt, welches ja unerhört kräftige und bedeutungsvolle Ausdrücke sind.
Auf diese Weise ist Christus die Sonne der Gerechtigkeit worden, die lauter Gerechtigkeit allein von sich scheint.
Diese Gerechtigkeit Christi nun wird von Gott zugerechnet, d. h. so angesehen, als ob nicht Christus, sondern sein Volk dieselbe geleistet hätte, für welches er sie auch, und nicht für sich selbst vollbracht hat. Paulus begehrt deswegen nicht seine eigene, sondern die Gerechtigkeit zu haben, die von Gott dem Glauben zugerechnet wird. Er zeigt dies an dem Exempel Abrahams, von welchem er sagt, dass es deswegen aufgezeichnet sei, weil auch wir durch Zurechnung dieser Gerechtigkeit teilhaftig werden.
Derselben kommt der Glaube entgegen, wie die Hand des Armen der ihm dargereichten Wohltat. Dieser Glaube aber ist des Heiligen Geistes Werk, welches aber in keinen andern als in zerbrochenen, zerknirschten, betrübten und gedemütigten Herzen ausgeboren wird, und nur in solchen Wurzel fasst. Wer ein solches Herz nicht hat, und entweder meint, er stehe als ein rechtschaffener Mensch ohnehin gut mit Gott, also weder sich selbst für gottlos hält, noch dafür angesehen sein mag; oder frech und leichtsinnig einhergeht und sich um Gott und sein Ge bot wenig und gar nicht bekümmert, oder auch sich einbildet, als sei es um alles gut, weil ja Christus für uns sei, wie wenig er sich auch aus Christo und seiner Gnade macht, diese alle geht das: Christus für uns durchaus gar nichts an. Jenes zerschlagene Herz aber bekommt man mit der reumütigen Erkenntnis seiner Ungerechtigkeit, seiner tiefen Verdorbenheit, seiner Sünden und Strafwürdigkeit. Wer dieselbe recht unter die Augen bekommt, wer davon ein rechtes Gefühl kriegt, so dass ihm seine Sünde, mit David, als eine schwere Last zu schwer wird, der geht auch wohl mit ihm krumm und gebückt darunter her den ganzen Tag. Einem solchen wird das Glauben auch in der Tat so leicht nicht. Er wird es rechtschaffen gewahr, dass das Glauben keineswegs so natürlich hergeht, sondern ein Werk ist, das alle natürlichen Kräfte des klügsten und des einfältigsten Menschen weit übersteigt; dass das gerade Gegenteil in ihm wohnt, und dass er wirklich der mächtigen Wirkung Gottes zum Glauben höchlich bedarf. O! wie viel Ringens, Kämpfens, Flehens gibt's da oft, und gelingt's den einen Augenblick, so will es oft den andern wieder gar nicht geraten, bis Jesus selbst der Seele zuspricht und sagt: Fürchte dich nicht, glaube nur.
Wohlan denn, trachtet auf diese Weise nach der Gerechtigkeit Gottes. Lernet seinen großen und erschrecklichen Namen fürchten, so wird euch aufgehen die Sonne der Gerechtigkeit. Amen.