Krummacher, Friedrich Wilhelm - Vorworte zu "Salomo und Sulamith"

Krummacher, Friedrich Wilhelm - Vorworte zu "Salomo und Sulamith"

Vorwort zur sechsten Auflage.

Ich darf es wagen, dem Umstande, daß abermals eine neue Auflage dieser Betrachtungen nöthig wurde, die erfreuliche Bedeutung beizumessen, daß der Glaube der Kirche an die göttliche Eingebung wie an den geistlichen Sinn des Hohenliedes durch die Einwürfe des erfahrungslosen Unglaubens nicht erschüttert worden sei, und daß es in der heutigen Christenheit an wahrem Glaubensleben und geistiger Vertiefung nicht so gänzlich mangele, wie Manche, gar zu kleingläubig, behaupten möchten. - Gefalle es dem Herrn, jener ermuthigenden Ueberzeugung je länger je mehr das Siegel der Bestätigung aufzudrücken, und auch diese Betrachtungen ferner, wie bisher, zur Verklärung Seines Namens gesegnet sein zu lassen. Wir hoffen es zu Seiner Gnade, und grüßen unsere Leser mit dem Gruße der Liebe und des Friedens.

Berlin im Advent 1847.
Fr. W. Krummacher.

Vorwort zur ersten Auflage.

Nachstehende Vorträge, in wöchentlichen Betstunden gehalten, sind einfache Zeugnisse aus einem Gebiete innerer Erfahrungen und Zustände, in das die Sonde aller menschlichen Psychologie vergebens hinabzudringen strebt. - Den Kindern des Lichts, den Liebhabern der heimlichen Weisheit galten und gelten sie, und ihnen steht es zu, sie zu richten.

Die Herausgabe derselben möge in dem Umstande ihre Entschuldigung finden, daß sie von verschiedenen christlichen Freunden, denen diese anspruchlosen Betrachtungen als Spiegelbilder selbst durchlebter Seelenstände lieb geworden waren, zu wiederholten Malen gewünscht wurden.

Das Wörtlein „aus“ auf dem Titel will die nachfolgenden Predigten als solche ankündigen und bezeichnen, die nach des Verfassers bester Ueberzeugung, nicht etwa durch ein willkürliches Allegorisiren in's Bibelwort gewaltsam hineingezwängt, sondern auf dem Wege der Auslegung und Entwicklung aus dem Texte frei hervorgewachsen seien. - Der Verfasser bekennt sich mithin in Ansehung des Hohenliedes zur mystischen Ansicht, nicht sowohl darum, weil sie die Ansicht der Kirche und ihrer heiligen Altväter ist, sondern vielmehr, weil er glaubt, daß ihm hier der Geist gezeuget habe, was Wahrheit sei.

Indem der Verfasser denjenigen gerne und neidlos ihre Meinung lasset, die sich durch Gründe der Vernunft oder des Herzens gezwungen fühlen, das Lied der Lieder nach dem Vorgange einer neuern Gottesgelahrtheit in die Kategorie rein menschlicher Poesien zu verweisen, und in demselben nichts anders finden wollen, als Sprache irdischer Minne, oder eine Art mittelalterlicher Romantik in orientalischem Styl und Colorit: so hofft er, daß man's zu gleicher Vergeltung, auch ihm nicht gar zu übel nehmen werde, wenn ihm dieses heilige canonische Buch in einem andern Lichte erscheint. Ihm ist es ein Buch voll großer geistlicher Beziehungen, das er jenem Schmetterlinge, Apollo genannt, vergleichen mögte, der schön und farbig, wie wenige, nur auf den hohen Alpen lebt, und über unermeßliche Tiefen die glänzenden Flügel regt.

Der Schlüssel zum Hohenliede liegt in der eigenen Erfahrung. Wer noch draußen ist und das heitere und selige Heiligthum der Christus-Gemeinschaft, wovon das Lied durchgängig zeuget, noch nicht selbst betreten hat, dem gelten die süßen Töne der Sulamithin nicht. - Das Ohr dafür hat Keiner mit auf die Welt gebracht. - Suche die Deutung dieses Liedes nicht im Wege eines vernünftigen Reflectirens; es ist eitel. Suche sie nicht in der Schule einer stagnirten, dem Leben entfremdeten Orthodoxie. Es ist allein der Geist, der hier die Tiefen erforscht, und diese Hieroglyphen lesen lehrt.

Wen es befremden oder gar stoßen sollte, daß im Hohenliede zur Veranschaulichung geistlicher, geheimnißvoller Verhältnisse, die Bildhüllen aus dem Gebiete der bräutlichen und ehelichen Liebe entlehnt werden, der, bedenke doch, daß die Liebe der Geschlechter, in so weit sie in Gott ist, eine himmlische Blume sei in irdenem Topf. - Die irdene Scherbe wird zu seiner Zeit zerschlagen werden, daß die Blume zu ewiger Verklärung in den Himmel eingehe. Sollten die nachfolgenden Blätter, die sich übrigens äußerst wenig einbilden, es doch erleben, auch draußen vor den Thoren Zions berücksichtigt, das heißt verhöhnt und versschrien zu werden, so wird der Verfasser solches sich vielleicht zur Ehre auslegen, und daraus den angenehmen Schluß ziehen, daß er Gottes Wort geredet habe. Denn wo jener Reuter, mit dem scharfen Schwerdt im Munde, sein weißes Roß tummelt, da wirbelt's Staubwolken hinter ihm her.

Gemarke im Wupperthale
in den Tagen des Advents 1825.

Der Verfasser

Vorwort zur zweiten Auflage.

Zum zweitenmale wagen sich diese Predigten über die friedlichen Grenzen der geliebten Gemeine, welcher sie zunächst gegolten, hinaus, um das Weite zu suchen. - Der liebe Leser wolle sich versichern lassen, daß das weder aus Wanderlust noch Uebermuth geschehe. - Auch sie haben es ja reichlich erfahren müssen, kein Reisen sei ohn' Ungemach, und die Ehre war theuer im Lande. - Sie wissen zur Stunde noch von keinem andern Ruhme, als allein von dem, welchen der Apostel nennt: „unser Ruhm ist der, nämlich das Zeugniß unseres Gewissens!“ und wäre ihnen nicht von ohngefähr das Sprüchlein Sirachs auf die Seele gefallen: „man kann sich auch so schämen, daß man Sünde daran thut,“ sie wären sein daheimgeblieben.

Wenn gleich der Verfasser schmerzlich zu bedauern hat, daß um dieser seiner Zeugnisse willen die Zahl seiner bisherigen Gönner um ein Bedeutendes vermindert worden ist, so verdankt er ihnen dagegen von der andern Seite die Bekanntschaft so mancher theuern, in Christo nahverwandten Seele, daß der Ausgang des Kampfes, den der Schmerz über den Verlust und die Freude über den Gewinn in seinem Herzen wider einander führen, wenigstens ungewiß ist. In der Hoffnung, daß sie auch fernerhin noch manche Taube in den Felslöchern in Liebe ihm verbinden werden, entläßt er sie aufs neue, und wünscht ihnen, wenn der Wunsch nicht zu verwegen ist, die gnädige Begleitung dessen, der einst einem Blindgeborenen mit etwas Koth die Augen öffnete, und dem es allerdings ein Leichtes ist, zu sprechen, daß diese Steine Brod werden.

Gemarke im Juli 1826.
Krummacher.

Vorwort zur dritten Auflage.

Bei der dritten Auflage der Predigten aus dem Lied der Lieder haben wir nichts zu bemerken, als daß sie uns, nachdem die zweite schon eine Zeitlang vergriffen war, wider unser Erwarten durch fortdauernde Nachfragen gewissermaßen abgenöthigt wurde. Wir wollen zwar nicht in Abrede stellen, daß das leidenschaftliche Geschrei, welches da und dort wider diese Vorträge erhoben ist, zu dem erwünschten Absatz derselben das Seine möge beigetragen haben; doch gebricht's uns auch, Gottlob! an Gründen nicht, die uns gestatten, den häufigen Nachfragen, die nach diesen Zeugnissen geschehen sind und geschehen, eine erfreulichere Deutung zu geben. Während diese anspruchlosen Blätter auf dem literarischen Forum am Pranger schwebten, hat sich Der, „der da erwählt, was Nichts ist,“ nicht geschämt, sich in gnädiger Herablassung zu ihnen zu bekennen, und was der Unglaube wüthend zerpflückte und in die Winde warf, ward dem Glauben vieler Gläubigen durch die Gnade zu einem Balsamsträuchlein an dem Wege.

Die Predigten erscheinen abermals unverändert. Die öffentlichen Beurtheilungen, deren man sie gewürdigt, waren, leider! dem größten Theile nach, nicht von der Art, daß auf ihre Ausstellungen bei einer neuen Auflage irgend eine Rücksicht genommen werden konnte. Sie tadelten nur, was wir für den einzigen Vorzug dieser Betrachtungen hielten: ihre Schrift- und Erfahrungsmäßigkeit; und wir bedauern, daß sie uns zu nichts Anderem haben dienen können, als zu einer neuen Bestätigung der alten Wahrheit, daß „der natürliche Mensch vom Geiste Gottes nichts vernehme.“ Auch hätten sie uns in der Ueberzeugung bestärken können, einmal, daß die gepriesene „Denkgläubigkeit“ der Neueren wenigstens vor Gemeinheit nicht schütze, und zum andern, daß der neologische Fanatismus nirgends heftiger entbrenne, als wo das evangelische Christenthum nicht als System bloß, sondern als Leben erscheint, und sich als ein innerliches, im Wege lebendiger Erfahrung Erprobtes geltend machen will; wenn wir anders für diese Ueberzeugung noch weiterer Belege bedurft hätten. - Dem Unbekannten in den Heidelberger Annalen sagen wir übrigens, seines scharfen Tadels ohnerachtet, den aufrichtigsten Dank. Hier war treue Meinung, Anerkennung der innern Wahrheit in diesen Zeugnissen - und auf eine anderweitige Anerkennung machen wir keine Ansprüche - und des Lehrreichen viel, das wir gerne beherzigt haben.

Mögen die beiden letzten Betrachtungen, welche wir dieser Auflage zugegeben, unsern lieben Lesern nicht weniger willkommen und gesegnet sein, als es die ersten waren, und auf das Geheiß der Gnade namentlich den Bekümmerten und Bedrückten da und dort in Zion ein Oelblatt des Friedens und der Freude zutragen.

Barmen im Februar 1830.

Der Verfasser.

Vorwort zur vierten Auflage

Die vierte Auflage dieser Betrachtungen erscheint, wiederholt geäußerten Wünschen zu genügen, um neun Predigten vermehrt, und darf sich um so beherzter den nachsichtigen Lesern nahen, je weniger sie sich ihnen unberufen aufdrängt, indem sie mit ihrem Erscheinen nur der Nöthigung fortgehender Nachfragen sich bequemte. Das Hohelied ist immer noch für Viele, selbst der Gläubigen, wie die Freundin, deren Innerstes es uns enthüllt, eine Rose unter Dornen. Wie Manche bleiben zwischen dieses Liedes ungewohnten Ausdrücken und kühnen, den Verhältnissen bräutlicher Liebe entlehnten Bildern befremdet, ja verwundet hangen, ohne zu dem Himmelsrosendufte seines heiligen Inhalts durchzudringen! Es ist der Glaube eines Christen aber allzu zarter Natur, als daß er an irgend einem Flecke, wenn auch nur obenhin, geritzt werden könnte, ohne mälig ganz einem bedenklichen Entzündungszustande zu verfallen. Lassen wir uns den göttlichen Stempel auch nur eines Theils der Schrift, und wär's des unbedeutendsten, verdächtigen, so hat sich alsobald eine Bresche in unserm Mauerwerk geöffnet, durch welche unaufhaltsam, wenn gleich unvermerkt, ein ganzes Heer den Frieden zerfressender und die Thatkraft lähmender Scrupel zu uns eindringt. Der Einfältigkeit in Christo ist das Hohelied gegeben, nicht der vermeß'nen Speculation. Die gleichartige Erfahrung findet sich in diesem blühenden Garten innerer Lebensbilder leicht zurecht, und ersieht schon, wie in den mehrfachen bestätigenden Hinüberdeutungen auf dieses Lied, welche in den Gleichnißreden des Herrn und den Aussprüchen der Propheten ihr begegnen, so in dem allzeitigen einstimmig anerkennenden Zeugniß der Kirche Gottes eine hinreichende Bürgschaft für des Liedes göttlichen Ursprung und geistliche Bedeutung. Wir freuen uns übrigens, auch schon durch die unerwartet weite Verbreitung dieser wenigstens dem grünen Boden wirklichen Herzenslebens entwachsenen Vorträge uns zu dem Schlüsse berechtigt zu sehen, daß derer, die in den zarten Tönen des Hohenliedes den reinen Nachhall ihrer innern Führungen und Stände vernehmen, nicht gar wenige mehr seien, und harren mit Verlangen dem Anbruch jener Jubelperiode unsers Reichs entgegen, da das Lied der Lieder, das allerdings zur Stunde noch prophetisch mehr, als didaktisch und historisch dasteht, im Leben der Auserwählten eine neue, kaum noch geahndete Verwirklichung finden wird.

Elberfeld im April 1839.

Der Verfasser.

Vorwort zur fünften Auflage.

Daß abermals eine neue Auflage dieser Herzensergüsse - denn als solche darf ich diese Predigten bezeichnen - nöthig ward, kann mich in der für mich allerdings sehr erquicklichen Ueberzeugung nur bestärken, daß ich in denselben mit meinen eigenen innern Erlebnissen zugleich die gemeinsamen Erfahrungen aller Derer aussprach, die mit mir auf dem Wege zu der ewigen Gottesstadt begriffen sind. - Mit dem Gruße des Friedens grüße ich diese meine theuern Gefährten unter dem Panier des Heils, in der Nähe und in der Ferne, und rufe ihnen zu, was der Jünger, der an Jesu Brust ruhete, seinen Lieben: „Wir sind nun Gottes Kinder; doch ist noch nicht erschienen, was wir sein werden. Wir wissen aber, wenn es erscheinen wird, daß wir Ihm gleich sein werden; denn wir werden Ihn sehen, wie Er ist.“

Elberfeld im September 1843.

Der Verfasser.

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