Krummacher, Emil-Wilhelm - Tägliche Herzensweide aus Luther's Werken - Juli

Krummacher, Emil-Wilhelm - Tägliche Herzensweide aus Luther's Werken - Juli

Am 1. Juli.

Vor Gott hilft nicht, noch gilt einerlei Heiligkeit, sie sei so groß, als sie immer wolle. Denn was Er gibt, das will Er aus lauter Gnaden geben; Er will den Preiß alleine behalten. Die Juden waren nicht so heilig, stark und mächtig, daß sie mochten Gott hören reden, sondern waren ganz verzagt, meineten, sie müßten sterben, flohen von Gott und sprachen zu Mose: Rede du mit uns und laß Gott nicht mit uns reden, wir möchten sonst sterben. Das ist ihr freier Wille, das ist ihre Reinigkeit und Heiligkeit. So Gott anfähet zu reden, übereilet sie die Furcht, stecken sie ganz in Verzagen und Todesnöthen; fliehen von Gott, bei welchem sie allen Trost suchen sollten und laufen zu einem armen Sünder, der, wie sie, Fleisch und Blut ist; suchen mehr Freundschaft, Trost und Liebe bei einem Menschen, denn bei Gott. Was ist das für eine Heiligkeit und Reinigkeit, die sich nichts Gutes zu Gott versiehet? Wäre sie gerecht, so hielte sie den Stich, scheuete sich nicht vor Gott. Aber diese Heiligkeit spricht zu Gott unverschämt: Ich will dein nicht, mag dich nicht hören, ich will Moses hören, Mosen habe ich lieber. Aus, zum Teufel mit solcher Heiligkeit! Des Menschen Herz sollte sich ja mehr Gutes versehen zu Gott, sollte mehr Hülfe und Trost da suchen, denn bei allen Engeln, heiligen Menschen und Creaturen, wie denn ein rechtschaffener Christe thut. Aber die heiligen Heuchler fliehen von Gott, wollen Ihn nicht haben. Was ist das Anders geredt, denn zu Gott sprechen: Du bist ein Stockmeister, Richter und Henker, der hinten her kömmt mit einer Keule, wolle sie an den Kopf schlagen. Wenn ich Gott nicht leiden kann, der so freundlich ist, der unser Heiland und Seligmacher ist, welchen Teufel kann ich denn leiden?

Am 2. Juli.

Was wir in der Verheißung haben, dasselbe ist so gewiß und besteht so feste, daß auch weder Teufel, noch Tod oder Hölle solches mit Gewalt wegreißen könnten. Was wir aber in Händen haben, oder in unserm Kasten oder Beutel lieget, ist so gar gewiß und wohl verwahret nicht. Es können es die Diebe stehlen, oder sonst Andere rauben; ja, es könnens auch wohl die Mäuse und Motten fressen. Aber was uns in göttlichen Verheißungen angeboten wird, dasselbe kann uns Niemand nehmen. Gleichwie Gott den Frommen und Gottseligen verheißen hat im 37sten Ps. V. 19: In der Theurung werden sie genug haben. Daher hoffen sie gewißlich, ihre Nahrung und Leibesnothdurft zu erlangen. Sie wissen, daß ihnen Küche und Keller auf das beste bestellet ist, wiewohl daheim in ihrem Haus nichts Sonderliches zugerichtet oder bereitet ist, ja, sie haben oftmals wohl nicht einen Heller oder Scherflein in ihrer Gewalt. Woher haben sie es denn? Antwort: Sie haben es in dem Worte, da Gott sagt: In der Theurung werden sie genug haben. Wer da gläubet, der hat es ohne allen Zweifel und wiewohl es der ärmste Mensch ist, hat er doch Alles, was ihm vonnöthen ist.

Am 3. Juli.

Wer da redet, daß er es rede als Gottes Wort,
(1 Petri 4,11.)

Das ist eine sehr nöthige Lehre in der Kirche, und wo sie wäre bisher gehalten worden, so wäre die Welt nicht mit des Antichrists Lügen und Verführung erfüllet; denn es ist hiemit allen denen, so in der Kirche Etwas sein und thun, wie hoch auch ihr Amt und Gaben sind, ein Ziel gestellet und gezeigt, wie fern sie in denselben gehen sollen, daß sie das Maaß nicht überschreiten. Denn es ist nicht also in der Christenheit gethan, wie in dem Welt-Regiments und denen Sachen, so äußerlich Ding und zeitlich Gut betreffen, da die Menschen, nachdem sie es verstehen und ihre Vernunft lehret, mögen regieren, Gesetz und Recht stellen und darnach gebieten, strafen, nehmen und geben; sondern es ist hier ein geistlich Regiment der Gewissen vor Gott, und was da geredet, gelehret, geheißen, oder gethan wird, das muß also gehen, daß man wisse, daß es vor Gott gilt und bestehet, ja, daß es von Ihm hergehet und fleußt, damit man könne sagen: Das hat Gott selbst geredet oder gethan; denn in seinem Hause (die Kirche), da Er regieret und wohnet, da soll und will Er auch, als der rechte Hausherr, Alles mit einander selbst reden und thun, ob Er wohl des Menschen Mund und Hand dazu gebrauchet. - Darum muß hier am ersten und vor allen Dingen in der Lehre, beide, von Predigern und Zuhörern, darnach gesehen werden, daß man klar und gewiß Zeugniß habe, daß solche Lehre sei eigentlich das rechte Gottes Wort, vom Himmel offenbaret, den heil. Propheten, Vätern und Aposteln gegeben und von Christo selbst bestätiget und befohlen zu lehren. Denn es mit nichten zu leiden ist, daß man also mit der Lehre wollte Umgehen, wie es einem Jeden gelüstet, oder ihm gut und fein deuchte, und sich reimen wollte nach menschlichem Verstand und Vernunft, oder mit der Schrift und Gottes Wort spielen und gaukeln, daß sichs müßte deuten, lenken, dehnen und sticken lassen, wie sichs leiden wollte, um der Leute, oder Friedens und Einigkeit willen; denn damit wäre kein gewisser, noch beständiger Grund, darauf sich die Gewissen verlassen möchten.

Am 4. Juli.

Wir sollen nicht gedenken, daß es daran genug sei, die zehen Gebote und das göttliche Wort ein oder zweimal anhören, sondern man muß es für und für hören und handeln. Denn gehet es doch mit dem äußerlichen, leiblichen Brod also zu, daß, wenn du heute issest, so lassest du es dabei nicht bleiben, sondern morgen issest du wieder und treibest solch Essen von Tag zu Tage, für und für, auf daß der Leib seine Speise, Nahrung und Unterhalt davon habe. Also laß es auch nicht an dem genug sein, daß du die zehen Gebote und Gottes Wort einmal gehöret und gelernet hast, sondern du mußt dein Lebenlang daran lernen, denn man sie nimmermehr genug wissen, noch auslernen kann.

Am 5. Juli.

Es ist eine große Gnade, weise oder klug, oder verständig genannt zu werden. Denn wahrhaftige Weisheit ist nichts Anders, denn Gottes Erkenntniß, wenn man weiß, was man von Gott halten soll, und weiß seinen göttlichen Wohlgefallen. Verständniß aber heißt das, daß man von allen Dingen in der Welt richten könne, was recht oder unrecht sei, wie sie St. Paulus oft zusammen gesetzet, sonderlich zu Eph. 1,8.9. u. Col. 1, 9. Von solcher Weisheit redet hier Christus nicht, sondern von weltlicher Weisheit, so in Gottes Wort und Werk fallet, die da aufgeblasene Leute machet und will die rechtschaffene göttliche Weisheit nicht zulassen. Solche Gesellen sind wir Alle von Natur, welche sich auflehnen wider Gottes Weisheit. Das heißest du aus weltlicher Weisheit gut, was da Lust, Ehre und Vortheil bringet, was aber dem entgegen ist, als Trübsal, Schande und Schaden, das heißest du böse; denn die menschliche Natur kann, noch vermag nichts Anders, denn das Ihre suchen, was ihr wohlgefallt und gutdünkt, das halt sie für das Beste; was ihr aber zuwider ist, das hält sie für das Aergste, es sei auch so gut, als es wolle. Darum sage ich, redet der Herr von den Weisen und Verständigen, die sich mit ihrer Weisheit aufwerfen wider Gottes Weisheit; denn die weltliche Weisheit ist so geschickt, daß sie nicht allein zeitliche, weltliche Dinge regieren will, sondern auch die Dinge, so Gottes sind; sie grübelt und erdenket immerdar etwas Neues; auch in geistlichen und göttlichen Sachen. Also hat sie Kappen und Platten erfunden aus ihrer Weisheit und fast Alles, was im ganzen Papstthum getrieben wird, da hat ihm ein Jeglicher ein eigen Werk erwählt, der hat dies, der Andere jenes erdacht, und wenn Eines hat aufgehört, oder hat nicht wollen gefallen, so haben sie sobald ein Anderes aufgeworfen; wie wir leider gesehen haben und noch heutiges Tages sehen, und will des Dinges kein Ende werden. Welches Alles daher kommt, daß wir Gottes Wort und die Wahrheit nicht wollen lassen Recht haben, sondern denken nur immerdar auf etwas Neues.

Am 6. Juli.

Man findet viele Leute, wenn sie gefragt werden, ob sie auch einen fremden Gott anbeten und Abgötterei treiben, antworten sie „Nein“ überall. Daß du nun diese in einer offenbaren Lüge ertappest, so siehe darnach, ob sie auch den zeitlichen Dingen abgestorben sind und in Christo also sicher und unerschrocken, daß sie weder des Reichthums sich erheben, noch Armuth halber verzagen, von großer Ehre nicht hoffährtig, oder von Schmach ungeduldig werden, sich nicht freuen des Lebens, noch erschrecken vor dem Tode, sich der Wollust nicht freuen, noch von Leiden und Unglück betrüben, ja allenthalben sich Nichts anfechten lassen, Gott gebe, wie es ihnen gehe, daß sie doch zufrieden seien, und Alles genug haben, wenn sie nur Christum haben, also, daß sie auch Armuth, Schmach, Leiden, ja den Tod selbst lieben und begehren, wiederum Reichthums, Ehre, Wollust und des Lebens überdrüssig seien vor großer Liebe zu Christo, dem wahren Gott. Wer aber solche Liebe bei sich nicht findet, der mag wohl frei bekennen, daß er noch nicht Gott dienet mit dem lautern, rechten Dienste, sondern steckt noch viel Abgötterei in ihm; denn er laßt sich noch betrüben, er begehrt und haßt noch nicht, wie und was er soll. Ja, sprichst du, das geht nur die Vollkommenen an und ist nicht Noth, daß alle Menschen also vollkommen seien. Antwort: Ich weiß selbst wohl, daß solches gesagt ist den Vollkommenen. Das sage ich nicht darum, als sollten alle die verdammt sein, die nicht so vollkommen sind, sondern der Zweck, das Ziel ist uns vorgesteckt, und wird Niemand entschuldigt, der es nicht erreicht, denn allein der mit Seufzen wehmüthig bekennet, daß er noch sehr unvollkommen sei, und doch täglich Fleiß thue, daß er möge vollkommen werden. Wo er dem Gebote Gottes zu wenig thut, bittet er um Verzeihung und spricht: Vergib uns unsere Schuld, und schaffe in mir, Gott, ein reines Herz. Welche nun also sich vor Gott fürchten, bekennen, klagen und um Vergebung bitten, denen rechnet Gott diese Abgötterei nicht zu um Christi willen. Die aber ohne Furcht sind und nicht denken, wie sie mögen frömmer werden, liegen in aller Sicherheit und schnarchen, denen rechnet Gott diese Abgötterei zu; denn sie sind recht abgöttisch, und hilft ihnen nicht, daß sie sprechen, als sollte nicht Noth sein, daß Jedermann vollkommen sei, gleich als wäre dieses Gebot allein Holz und Steinen, und nicht den Menschen gegeben.

Am 7. Juli.

Wo keine Liebe nicht ist, da wird auch kein Glaube sein, sondern eitel bloßer Schaum und schädliche Heuchelei und kein Ruhm, noch Freudigkeit im Herzen, sondern eitel Schrecken und Furcht, Angst und Pein mit Haufen hereinschlagen, wenn das Stündlein kommen wird, daß ich Jedermann mit allem Recht strafen kann. Aber wiederum, wo du Liebe hast, so kannst du beweisen vor Gott und Welt und allen Creaturen, daß du seist ein rechtschaffner Christ gewest, nicht allein die Hülsen oder Schalen vom Glauben gehabt und die Lehre, so du rühmest, gezieret mit deinem Leben, daß du Jedermann kannst Trotz bieten und heißen schweigen und also fröhlich dahin fahren, als der, der auf Christum getauft und dazu gethan und gelitten hat, was er thun und leiden soll. Denn darauf müssen wir leben und sterben, daß unsere Lehre, Leben oder Stand und Amt aus Gottes Wort gangen und damit Jedermann gedienet nach unserm Vermögen. Und ob darneben etwas Mangel und Gebrechen ist, das nehme Christus mit hinweg, durchs Unser Vater zugescharret und die Liebe unter einander vergeben. Also, daß dennoch Niemand im Herzen soll machen, sondern das Herze durch Christum wider Sünde, Teufel und Tod und durch die Liebe wider die Welt und alle ihre Macht bestehen, Amen.

Am 8. Juli.

Die rechte Ursache des Kreuzes, so den Christen auferlegt wird, ist, da sie dadurch am Fleische getödtet werden, daß die Sünde aufhöre und der Erbsünde, so uns von Natur anhanget, auch Etwas gesteuert werde. Und je mehr du gefegt oder geläutert wirst, je mehr du im zukünftigen Leben gesegnet sein wirst. Denn es wird ohne Zweifel Ehre und Herrlichkeit nach dem Jammer und Plage folgen, so wir in dieser Welt tragen müssen. Aber aller dieser Trübsalen etliche Ursache ist die Läuterung, welche ganz nöthig und nützlich ist, auf daß wir nicht schnarchen, träge und faul werden von der Schlafsucht unsers Fleisches. Denn wo wir Friede und Ruhe haben, so beten wir nicht, wir betrachten das Wort nicht, sondern gehen kalt mit der Schrift um und mit Allem, was Gott betrifft; oder aber gerathen doch endlich gar in schändliche Sicherheit. Darum müssen wir geplaget und gedemüthiget werden; geschieht es nicht durch Blutvergießen und Gefängniß, wie der heiligen Märtyrer Leiden gewesen; so muß es doch durch geistliche Anfechtung, durch Traurigkeit, Schmerzen und Angst, so wir im Herzen haben, geschehen. Denn sonst würden wir in Sünden verderben, dieweil unser Fleisch verderbet, vergiftet und gar aussätzig ist, und eines Arztes bedarf, der dem faulen Fleisch vorkomme durch Kreuz, Matter, Traurigkeit, Schande, Schmach; denn das ist die rechte Arznei, damit Gott die Sünde ausfeget.

Am 9. Juli.

Der Welt Friede gibt Nichts mehr, denn daß Leib und Gut sicher sein, und wir in diesem fleischlichen Leben Lust und Freude haben mögen, also, daß wir der Güter, so wir haben, gebrauchen mögen, so wohl wir können, ein Jeder in seinem Haus, Hof und Gütern u. s. w. Wenns aber zur Noth kömmt und das letzte Stündlein herannahet, so ists denn mit solcher Weltgnade und Friede Ade, und können uns in solchen Aengsten und Todesnöthen nicht helfen, sondern lassen uns darinnen stecken, zappeln und allerdings verzweifeln. Wo aber die Gnade und Friede Gottes ist, das machet den Menschen herzhaftig, daß er unerschrocken und freimüthig durch Liebe und Leid gehet, und Kreuz und Friede, Freude und Trübsal zugleich für gut annimmt. Denn da ermannet er und wird stark in der Ueberwindung des Todes Christi, und fähet an im Gewissen durch den Glauben, über Sünde und Tod zu herrschen und walten; denn er hat gewisse Vergebung der Sünden, welche, wo sie erlanget wird, das Gewissen ganz fröhlich und getrost machet. Wenn aber der Mensch durch Gottes Gnade, das ist, durch Vergebung der Sünden und den Frieden im Gewissen also getröstet und beherzt worden ist, kann er wohl und gewaltiglich alle Trübsalen, auch den Tod selbst überwinden. Es ist aber dieser Friede Gottes gegeben nicht der Welt, die sein auch weder begehret, noch verstehet; sondern allein den Gläubigen und durch nichts Anders, denn durch die Gnade Gottes.

Am 10. Juli.

Einer sprach zu Dr. Martin: Herr Doctor, etliche neue Theologen geben für, der heilige Geist wirkte nicht in denen, die Ihm widerstrebten; sondern allein in denen, die da wollen und ihren Willen darzu geben, darum ist des Menschen Willen auch mit eine Ursache und Mitwirker des Glaubens. Daraus denn folget, daß nicht allein der Glaube gerecht macht, noch der heilige Geist durch das Wort allein wirke; sondern unser Wille thut auch Etwas dazu. Darauf antwortete Doctor M. Luther und sprach. Mit nichten, der Wille des Menschen wirkt und thut Nichts überall darzu, in seiner Bekehrung und Rechtfertigung. Non est efficiens causa Iuistrificationis, sed materialis tantum, sondern leidet nur, und ist die Materie, in welcher der heilige Geist wirket (wie ein Töpfer aus dem Thon einen Topf macht) auch in denen, die da widerstreben und widerspanstig sind, wie in Paulo. Aber nachdem Er (der heil. Geist) in solchem widerstrebenden Willen gewirket hat, alsdann machet und schaffet Er auch, daß der Wille mitwillige und gleich mit Ihm übereinstimme. Dawider sagte Jener: St. Pauli Exempel ist ein sonderlich Werk Gottes vor andern, da er ist bekehret worden, darum kann es nicht für eine gemeine Regel angezogen werden, daß es müßt mit Andern auch also gehalten werden. Hierauf antwortete Dr. M. Luther: Gleichwie St. Paulus bekehret ist worden, also werden auch die Andern allzumal bekehret; denn wir Alle widerstreben Gott, aber der heilige Geist ziehet uns Menschen, wenn Er will, zu seiner Zeit, durchs Predigtamt, darum soll man das mündliche Wort allzeit groß achten und hören; denn die das mündliche Wort verachten, die werden bald zu Ketzern.

Am 11. Juli.

Wir, so da glauben, sehen, daß aus dem Evangelio viel Gutes kömmt, daß keine Zahl, noch Maaß ist, ungeachtet, ob wir wohl auswendig eine Zeitlang unzählig viel Unglücks leiden müssen. Denn wir werden verachtet, beraubet, verlästert, verdammt und erwürget; in Summa, wir müssen der Welt Fluch sein. Inwendig aber fühlen wir auch Schrecken und Zagen vor der Sünde und Tod; so plagt uns auch der Teufel mit seinen feurigen Pfeilen. Es gehe aber so schwächlich und ärgerlich zu, wie es kann, sind wir gleichwohl gewiß, daß unser Leben mit Christo verborgen ist; in dem und durch denselben sind wir Könige lind Herren über Sünde, Tod, Welt, Fleisch, Hölle und allerlei Unglück, durch welchen wir auch endlich den Drachen und Basilisken, welcher ein König der Sünde und Todes ist unter unsre Füße treten. Wie geschiehet aber solches? Durch den Glauben; denn unser Schatz und Gut ist noch nicht offenbar, darauf wir noch in Geduld warten müssen, und ist doch gewiß also, daß wir es schon bereitet haben durch den Glauben. Ich will der andern Früchte und Nutzen des Worts schweigen, daß die, so es hören und lernen, wissen, wie sich gegen Gott, ihren Nächsten und sich selbst, ein Jeder in seinem Stande, halten solle.

Am 12. Juli.

Des Schäfleins Hirte.

Solche liebliche Gleichnisse und Bilder, und solche süße und tröstliche Worte, sollen wir mit allem Fleiß merken, auf daß wir uns damit wider das böse Gewissen und Sünde lernen trösten und aufhalten. Denn wir Menschen sind allzumal Sünder und ist keiner, den der Teufel nicht verscheuchet hätte in die Wüsten, d. i. der also gelebt hätte, daß er nach der Taufe sich nicht verirrte, wie ein verloren Schaf, der nicht aus dem Wege trete und sich an seinem Gott versündigte. Wo aber Sünde ist, da folget, daß man sich vor Gott fürchtet; denn der Sünden Art ist, daß sie ein furchtsam und verzagtes Herz machet, daß sie der Ungnade und Strafe besorget. So kann menschliche Vernunft nicht anders schließen, und das Gesetz lehret auch nicht anders, denn daß Gott den Sündern feind ist. Darum ein Herz, das sich schuldig weiß, kann natürlich Nichts, denn sich fürchten und derhalben ihm selbst alle Gnade absagen und der Strafe warten. Da liegt nun alle Macht an dem, daß wir wider unser eigen Herz und Gewissen mit Christo dahin schließen und sagen: Ich bin ein armer Sünder, das kann, ja will ich nicht leugnen, ich will aber darum keines Weges verzweifeln, als wollte Er mein nicht; Ursach, mein Herr Jesus Christus sagt: es sey mit einem armen Sünder gleich wie mit einem Schäflein, das seinen Hirten verloren und in die Irre gerathen; solch irrig Schäflein will er nicht in der Irre lassen, sondern suchen und zu den andern Schäflein tragen. Das ist ja eine Anzeigung, daß Er der Sünden halben uns nicht verwerfen, sondern allen Fleiß dahin wenden wolle, wie Er uns von Sünden und wieder zu Gnaden möge bringen und saget dazu, daß beide, Er selbst und die Engel im Himmel droben, alle Lust und Freude daran haben, wo die Sünder zur Buße kommen und sich bekehren. Dazu dienet sonderlich das Gleichniß von dem Schäflein und Hirten. Kein elender Ding ist, denn wo ein Schäflein von der Weide von seinem Hirten in die Irre geräth, das kann ihm selbst nicht rathen, ist alle Augenblicke in Gefahr, daß der Wolf, so ohne das ihm nachschleichet, es erhasche und fresse. In solcher Gefahr hats gar keinen Befehl, kann sich auch weder schützen, noch aufhalten. Denn kein Thier unter allen ist, das von Natur so ganz blos und wehrlos erschaffen wäre, als ein Schaaf.

Eben also ist es um einen Sünder gethan, welchen der Teufel von Gott und seinem Wort abgeführt und in Sünden bracht hat, denn da ist er keinen Augenblick sicher, sintemal unser Feind, der Teufel, wie St. Petrus 1. Kap. 5, V. 8 sagt, umherschleicht, wie ein brüllender Löwe und sicher , ob er uns fressen möge. Es tröstet dies Evangelium nicht allein die armen Sünder, daß Christus solcher Hirte und König, und solch Reich und Amt habe, daß Er die irrenden Schäflein suchet, annimmt und trägt, sondern lehret auch, wie wir uns gegen diesen Hirten schicken, und was wir thun sollen, damit wir in Christi Heerde wieder gebracht, und seiner Gnade und Liebe theilhaftig, und aus verirrten, verlorenen Schaflein, liebe, angenehme Schäflein, aus Gottes Feinden, Gottes Freunde werden; nämlich, daß wir, wie diese Zöllner und Sünder thun, zu Christo nahen, sein Evangelium fleißig und mit Ernst hören und lernen und uns daraus bessern.

Am 13. Juli.

Ein Mensch soll sich üben, daß er einen Ueberwillen habe wider seinen Willen, und nimmer unsicher sei, denn, wenn er findet, daß nur Ein Wille und nicht zween wider einander in ihm sind, und sich also gewöhnen, dem Ueberwillen zu folgen wider seinen Willen. Denn wer seinen Willen hat und thut, der ist gewißlich wider Gottes Willen. Nun ist kein Ding, das dem Menschen so fast lieb und schwer zu lassen ist, als sein Wille. Viele thun große, gute Werke, aber ihrem Willen und aller Neigung thun sie ganz folgen, und meinen dennoch, sie seien wohl dran und thun nichts Uebels. Denn sie haltens dafür, ihr Wille sei gut und recht und bedürfen dieses Gebots gar nicht, sind auch ohne alle Gottesfurcht.

Am 14. Juli.

Zuzeiten laßt Gott irgend einen Menschen in Angst und Noth, in Schmerzen und Betrübniß fallen, daß die Welt sei, als hätte sie keinen Gott, machet Einen blind, lahm, wassersüchtig, laßt irgend Einen sterben; denn es sind seine Creaturen, Er mag es damit machen, wie Er will. Nun, warum thut Er denn das? Er thuts nur zu einem Ueberfluß, daß wir je seine Güte spüren sollen. Darum, da die Jünger im Johanne (Kap. 9, 3) den Herrn von dem Blinden fragten, ob er, oder seine Aeltern gesündiget hätten, antwortet der Herr und sprach: Es hat weder dieser gesündiget, noch seine Aeltern, sondern, daß die Werke Gottes offenbar würden an ihm; als wollte Er sagen: Gott will gepreiset werden in diesem Blinden, denn Gott siehet, daß die Schatze der ganzen Welt uns nicht bewegen; darum thut Er das zu einem Ueberfluß, aus lauter Gnade, daß Er uns einen Blinden vor die Augen stellet, auf daß wir sehen sollen, was wir für einen edlen Schatz haben an unserm Gesicht, ob wir seine Gnade und Wohlthat nicht können erkennen am Frommen, daß wir sie doch am Schaden erkenneten und merketen. Darum mußte dieser blind sein, auf daß die Andern sich erkennen und sprachen: Ach, Du gütiger Gott, was habe ich für eine köstliche Gabe, wie ein gut Ding ists um einen gesunden Leib und um ein frisches Gesichte! Aber Niemand nimmt es zu Herzen; ja wir sagen wohl, haben doch die Kühe auch Augen! Nun, wenn du blind wärest, du würdest den Schaden wohl fühlen, den du jetzt, weil du gesund bist und mit Wohlthat Gottes überschüttet, nicht fühlest.

Am 15. Juli.

Sie waren Dein und Du hast sie mir gegeben.
(Joh. 17, 6.)

Sie waren Dein, spricht Er, d. i. wie gesagt, wer das Wort höret, Herz und Ohren aufthut und die Offenbarung hineinschallen und klingen lasset, der gehöret nimmer in die Welt, sondern mir an. Weil nun das gewiß ist, daß sie mein sind, und ich ihr Herr, Meister und Heiland bin, so ists auch gewiß und kein Zweifel, daß sie Dein sind, ja nicht allein jetzt Dein sind, sondern vorhin von Anfang Dein gewesen und durch Dich zu mir kommen. Also ist mit einem Wort hinweggenommen aller Zorn und was man Schreckliches denken mag im Himmel und auf Erden, und ein weiter Himmel voller Gnade und Seligkeit über dir aufgethan. Hangest du an dem Herrn Christo, so bist du gewißlich unter dem Haufen, die Gott von Anfang dazu erwählet hat, daß sie sein eigen sein sollen; sonst würden sie nicht herzukommen, noch solche Offenbarung hören und annehmen.

Am 16. Juli.

Der Christen Gebet, so im Glauben au Gottes Verheißung gehet und von Herzen seine Noth vorträgt, das ist leicht und machet keine Arbeit. Denn der Glaube hats bald gesagt, was er begehret, ja mit einem Seufzen, das das Herz thut, und mit Worten nicht zu erholen, noch auszusprechen ist; wie St. Paulus sagt, Röm. 8, 26: Der Geist betet, und weil er weiß, daß ihn Gott erhöret, darf er nicht ein solch ewig Gewäsche führen. Also haben die Heiligen in der Schrift gebetet, als Elias, Elisäus, David und Andere, mit kurzen, aber starken und gewaltigen Worten, wie man im Psalter siehet, darin selten ein Psalm ist, der da ein Gebet habe über fünf oder sechs Verse lang. Darum haben die alten Vater wohl gesagt, es thue es nicht mit vielen langen Gebeten; sondern loben die kurzen Stoßgebetlein, da man mit einem Wörtlein oder zwei hinaufseufzet gen Himmel; welches Einer kann oft und viel thun, wenn er lieset, schreibet oder andere Arbeit thut.

Am 17. Juli.

Ich preise Dich, Vater und Herr Himmels und der Erde, daß Du solches den Weisen und Klugen verborgen hast, und hast es den Unmündigen geoffenbaret.
(Matth. 11,25.)

Ich bitte und ermahne treulich einen jeglichen frommen Christen, daß er sich nicht ärgere, noch stoße an den einfältigen Reden und Geschichten, so in der Bibel stehen, und zweifele nicht daran, wie schlecht und albern es immer sich ansehen laßt, so sind's doch gewiß eitel Worte, Werke, Geschichte und Gerichte der hohen göttlichen Majestät, Macht und Weisheit. Denn dieß ist das Buch, das alle Weisen und Klugen zu Narren macht, und allein von den Albernen und Einfältigen kann verstanden werden, wie Christus saget (Matth. 11, 25). Darum laß deinen Dünkel und Fühlen fahren, und halte viel von diesem Buch, als Ihn dem allerhöchsten, edelsten Heiligthum, auch als von der allerreichsten Fundgrube, die nimmermehr genug ausgegründet, noch erschöpft werden mag; auf daß du darinnen die göttliche Weisheit finden mögest, welche Gott in der Bibel so albern und schlecht vorleget, daß Er Aller klüglichen Hochmuth dämpfe und zu Schanden mache. In diesem Buche findest du die Windeln und Krippe, darinnen Christus lieget, dahin auch der Engel die Hirten weisete. Es sind wohl schlechte und geringe Windeln, aber theuer ist der Schatz, Christus, so darinnen lieget.

Am 18. Juli.

Vom wahren Glauben.

Ich habe ihn im Traume nicht erdichtet, sondern der heilige Geist hat ihn rechtschassen gemacht in meinem Herzen, ohne meine Kräfte, durch das Wort, das geprediget wird. Solch Feuer zündet Er selbst an, Luca 12, 49, und erleuchtet mein Herz mit einem neuen Licht und Brunst, daß ich mitten im Tode des Herrn Christi nicht vergesse.

Der wasserige oder der falsche Glaube verschwindet. Gleichwie ein Bildniß aus einem Spiegel verschwindet, also halt dieser Glaube den Puff und Stich nicht; sondern der feurige Glaube, den der heilige Geist anzündet, derselbige bestehet, ob er wohl gleich zuweilen erschrecket und betrübet wird. Denn da ist noch der alte Adam, der da zappelt, dennoch halt er aus. Das Feuer ist der heilige Geist, der das Lämmlein in uns gebraten macht, und einen rechten Glauben anrichtet, so Christum annimmt und bei Ihm bleibet, und wir auch gebraten und nicht gekochet werden, gleichwie ihr durch das Feuer gebraten ist. Zu diesem Glauben gehört nun Anfechtung und Trübsal, auf daß er brenne und nicht verlösche. Und wer recht gläubet, der hat ein Feuer, das ist, er siehet nicht auf seine Vernunft. Denn der Glaube ist nicht eine menschliche, sondern göttliche Kraft, wie St. Paulus zu den Römern (1, 16) saget. Diese Kraft verrostet nicht, ist auch nicht müßig, sondern wird überschüttet mit Trübsal, auf daß der Mensch sehe, daß er nicht in seiner, sondern in göttlicher Kraft hergehe. Und der Glaube ist nimmermehr stärker und herrlicher, auch wenn die Trübsal und Anfechtung am größten ist; derhalben wird der Glaube feurig genannt. Und ich fürchte sehr, daß unser Vieler Glaube auch wässerig sei, daß wir nur mit dem Maule viel davon reden, wenn aber die Püffe kommen, daß wir verfolget werden, dann so kömmt dieß Feuer, und wird das Lämmlein in unsern Herzen gebraten. So ist nun jenes ein falscher Glaube, dieses aber ein rechter Glaube, jenes ist ein wässeriger Glaube, dieses aber ein feuriger Glaube.

Am 19. Juli.

Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen, und reden allerlei Uebels wider euch, so sie daran lügen.

Dies ist auch eine große, schwere Verfolgung, und (wie gesagt) das rechte Leiden der Christen, daß man sie aufs allerbitterste und giftigste lästert und schmähet. Denn ob wohl andere Leute auch müssen Verfolgung leiden, daß man ihnen Gewalt und Unrecht thut, so laßt mans dennoch daran genug sein, daß sie ihre Ehre und guten Namen behalten. Darum ist solches noch nicht ein recht christlich Leiden. Denn hier ists nicht genug, daß man ihnen alle Marter und Plage anlegt, sondern muß dazu ihren Namen aufs allerschändlichste anspeien und durchlästern, so daß die Welt noch herrlich rühme, wenn sie die Christen würget, sie habe die ärgsten Buben hingerichtet, so die Erde nicht habe können tragen, und habe Gott den größten, angenehmsten Dienst gethan, wie Christus saget Joh. (16, 2), daß kein schmählicher und schändlicher Name auf Erden kommen ist, denn eines Christen, und kein Volk, dem man so bitter feind ist und mit so bösen, giftigen Zungen zusetzt, als den Christen.

Darum sage ich abermal. Wer ein Christ will sein, der wisse deß zu gewarten, daß er solche Verfolgung von giftigen, bösen Lästermäulern leiden muß (sonderlich, wo sie mit der Faust Nichts vermögen), daß er alle Welt ihre Zunge an ihm wetzen und auf ihn zielen, stechen und hauen lasse, und er dagegen solches Alles nur trotzlich verachte und dazu lache in Gottes Namen, und lasse sie zürnen in ihres Gottes, des Teufels, Namen, auf den Trost und Sicherheit, wie gesagt, daß unsere Sache recht und Gottes eigen ist, welches auch sie selbst bestätigen müssen, ob sie uns wohl verdammen und doch sagen, es sei die Wahrheit. Dazu unser Herz und Gewissen vor Gott sicher ist, daß wir recht lehren. Denn wir ja nicht aus unserm Kopfe und eigener Vernunft oder Weisheit lehren, noch unsern Nutzen, Gut oder Ehre bei der Welt damit suchen, sondern allein Gottes Wort und Werk predigen und preisen.

Dagegen sie, unsere Feinde, Nichts, denn ihr eigen Werk, Verdienst und Heiligkeit rühmen, und uns, die wir solches nicht mit ihnen treiben, darüber verfolgen. Denn sie verfolgen uns nicht, als seien wir Ehebrecher, Räuber oder Diebe, können die verzweifeltsten Schälke und Buben wohl unter sich leiden, sondern darüber erhebt sich ein Zetergeschrei, daß wir ihre Lehre und Leben nicht wollen recht heißen, und allein das Evangelium, Christum, den Glauben, und recht gute Werke preisen, und also nicht für uns, sondern Alles um des Herrn Christi willen leiden. Darum wollen wirs auch mit ihnen aussingen, und so harten Kopf sollen sie nicht haben; wir wollen noch härtern haben. Denn sie sollen noch kurzum den Mann lassen bleiben, es sei ihnen lieb oder leid.

Am 20. Juli.

Es wird kein Mensch besser von dem Gesetz, sondern nur arger, dieweil das Gesetz nicht hilft, noch Gnade gibt, sondern nur gebeut und fordert zu thun, das doch der Mensch nicht vermag, noch gerne thut. Aber der Geist, die göttliche Gnade, die gibt Starke und Kräfte des Herzens, ja macht einen neuen Menschen, der Lust zu Gottes Geboten gewinnet, und thut Alles mit Freuden, was er soll. Diesen Geist kann man nun in keine Buchstaben fassen, läßt sich nicht schreiben mit Dinten in Stein, noch Bücher, wie das Gesetz sich fassen laßt; sondern wird nur in das Herz geschrieben, und ist eine lebendige Schrift des heiligen Geistes ohne alle Mittel; darum nennt sie St. Paulus Christi Brief, nicht Mosis Tafeln, die nicht mit Dinten, sondern mit dem Geist Gottes geschrieben sei. Durch diesen Geist oder Gnade thut der Mensch, was das Gesetz fordert, und bezahlet das Gesetz; und also wird er ledig von dem Buchstaben, der ihn tödtet, und lebet durch die Gnade des Geistes. Denn Alles, was diese Gnade des lebendigen Geistes nicht hat, das ist todt, obschon gleisset das ganze Gesetz halten äußerlich. Darum gibt der Apostel dem Gesetze, daß es tödte, macht Niemand lebendig und behält ewig im Tode, wo die Gnade nicht kommt und erlöset und machet lebendig.

Am 21. Juli.

Doctor Staupitz pflegte recht und wohl zu sagen: es wäre mißlich und gefährlich, daß wir uns auf unsere eigene Kräfte verließen, wenn wir gleich zumal heilig und die Allergelehrtesten wären, und die Sachen auf das beßte und gewisseste verstünden; denn es kann wohl kommen, daß wir auch in dem, so wir aufs aller? beßte wissen und verstehen, gleichwohl fehlen und irren können, nicht allein zu unserm eigenen, sondern auch zu anderer Leute großem, merklichem Schaden. Darum ist uns wohl vonnöthen, daß wir in der heiligen Schrift mit höchstem Fleiß und aller Demuth studiren, und daß wir mit ganzem Ernst beten, daß wir ja die Wahrheit des Evangelii nicht verlieren. Darum sind wir gar Nichts, ob wir auch gleich allerlei und die allergrößten Gaben haben, unser Herr Gott sei denn bei und mit uns. Wenn derselbe seine Hand von uns abzeucht, oder laßt uns für uns selbst nach unserm eigenen Verstande und Willen wandelen, ists Nichts mit aller unserer Weisheit, Kunst und alle dem, das wir haben und wissen; wo Er uns nicht immerdar erhält, hilft uns auch das allerhöchste Erkenntniß und die beßte Theologie Nichts, so wir erreichen mögen. Denn wenn das Stündlein der Anfechtung kommt, ist es in einem Hui und gar flugs geschehen, daß uns der Teufel durch seine List hinwegreißet alle die Sprüche, damit wir uns trösten sollen, und stellet uns darnach nur allein die Dräusprüche vor Augen mit großem, unzähligem Haufen. Darum laßt uns das wohl lernen und merken, daß, wo unser Herr Gott seine Hand von uns abzeucht, wir gar balde fallen und zu Boden gehen mögen. Darum darf Niemand hoch einherrühmen und prangen mit seiner Gerechtigkeit, Weisheit und andern Gaben, so er hat; sondern es demüthige sich nur ein Jedermann und bete mit den lieben Aposteln, Luc. 17, 5, und sage: Ach lieber Herr, stärke und mehre unsern Glauben.

Am 22. Juli.

Abraham ist Nichts, denn eine Materie, oder solch Ding, welches die göttliche Majestät durch das Wort, damit sie ihn auffordert, ergreifet, und richtet daraus zu einen neuen Menschen und Patriarchen, daß also diese Regel an keinem Menschen fehlet, sondern stehet und bleibet durchaus also. Der Mensch ist von ihm selbst Nichts, denn Sünde, Tod und ewige Verdammniß; der allmächtige Gott aber schaffet an ihm so viel durch seine Gnade und Barmherzigkeit, daß er Etwas sei, und durch den Herrn Christum von Sünde, Tod und ewiger Verdammniß erlöst werde. Gleich also berufet Er Paulum, daß er ein Apostel der Heiden wird, der doch der ärgste Mensch war, ein Todtschläger, Gotteslästerer und der von Haß gegen Christum und seine Kirche brennte, so Er doch an seiner Statt hätte berufen können irgend aus den 72 Jüngern, oder sonst etwa einen vortrefflichen Mann. Er thut es aber nicht, nämlich darum, daß Er uns anzeige, wie überschwänglich seine Gnade und Barmherzigkeit sei.

Am 23. Juli.

Wir wissen, daß Niemand durch Werke vor Gott Etwas mag erlangen von der Seligkeit; sondern es muß zuvor, vor den Werken, Alles erlanget und besessen sein, daß die Werke darnach frei und umsonst, Gott zu Ehren und dem Nächsten zu gute geschehen, ohne Furcht der Strafe und Gesuch des Lohns. Das geben diese Worte, da Er saget: Sind es Rinder, so sind es auch Erben Gottes. Nun ist gnugsam gesaget, daß allein der Glaube Kinder mache, zuvor und ohne alle Werke. Machet Er aber Kinder, so machet Er auch Erben; denn ein Kind ist Erbe. So denn das Erbe schon da ist, wie mag es denn mit Werken allererst erworben werden? Es leidet sich nicht mit einander, daß das Erbe sollte zuvor da sein, aus lauter Gnaden gegeben, und dennoch durch Werke und Verdienst, als wäre es nicht da, oder nicht gegeben.

Am 24. Juli.

Es sind viel Sünden in mir verborgen, dafür ich mich zu besorgen habe. Wir dürfen uns nicht sicher dünken in uns selbst, auch dann nicht, wenn wir das Wort haben. Denn das Eingeben und Reizen des Fleisches ist bisweilen also, daß Einem dünket, es sei der heilige Geist; darum bittet er, daß ihn unser Herr Gott dabei wolle behalten. Wie Paulus auch dazu vermahnet (1 Cor. 10, 12): Wer sich dünken läßt, er stehe, der mag wohl zusehen, daß er nicht falle. Das ist nun das listige Nachstellen, daß Keiner sein Herz kann sehen und kennen. Unser Herz ist unser täglicher Hausfeind und sehr geschwinder und großer Feind. Darum saget er: verzeihe mir, oder mache mich unschuldig von meinem verborgenen Fehler. Ein Jeder, der das Evangelium hat, wird sicher, darüber wird der Geist immer mählig, lastig und faul, und verliert sich der Glaube also, daß man nicht wacker ist, auszurotten die übrigen Sünden. Das ist aber fein zu wissen, daß die Gerechten noch Sünder sind. In Sünden stecken ist gefährlich; nicht darinnen stecken ist auch gefährlich. Darum lasset uns beten, wie der Prophet thut wider die übrigen Sünden, die uns aufs listigste nachschleichen, daß uns Gott dieselben nicht wolle zurechnen; denn wir werden nimmer rein. Wie sie in der Epistel zu den Ebräern, (Kap. 12,1) eine schwere, anklebische Sünde und eine Last, die uns herabzeucht und feste anklebet, genennet wird.

Am 25. Juli.

Ein jeglicher Mensch sei schnell zu hören, langsam aber zu reden, und langsam zum Zorn. Das ist: Lasset euch sagen, durch Gottes Wort vermahnen, strafen und trösten, da seid schnell zu; und nicht bereden, bald zu murren, fluchen und schelten wider Gott und Menschen. Damit verbeut Er nicht, daß man gar nicht reden, noch schelten, zürnen, noch strafen solle, wo es Gottes Befehl oder die Noth erfordert; sondern, daß wir nicht sollen jäh und schnell dazu sein, für unsere Person, ob wir schon dazu gereizet werden, und zuvor hören und uns sagen lassen durch das Wort, welches ist das rechte oder wahrhaftige Wort, das wir sollen allezeit regieren und führen lassen, und daraus Alles gehen soll, was wir reden und was wir schelten oder strafen sollen. Darum heißt Er bald darnach das Wort mit Sanftmuth annehmen, daß wir nicht dawiderzürnen, so wir dadurch gestraft werden, oder ungeduldig werden und murren, ob wir Etwas darob müssen leiden. Und setzet Ursach dazu: Denn des Menschen Zorn thut nicht, was vor Gott recht ist; welches auch die Heiden gesagt haben: Ira furor brevis est etc. und die Erfahrung zeuget. Darum, wenn ihr fühlet, daß sich der Zorn in euch reget (sagte der 4te Psalm, V. 5), so sündiget nicht, sondern gehet in euer Kämmerlein, haltet doch ein wenig stille, und lasset euch den Zorn nicht also übereilen, daß ihr darnach thut; fahret nicht so jäh zu, ob man euch Schaden oder Schande anleget, oder böse Worte gibt, daß ihr euch bald entrüsten lasset und entbrannt werdet; sondern sehet zu, daß ihr die Reizung überwindet und nicht bewilliget. Das ist nun das erste Stück, daß die Christen sich hüten sollen, daß sie nicht in Zorn und Ungeduld fallen; sondern dagegen bedenken, was sie für große Güter und Gaben haben, welchen aller Welt Gut und Wesen gar nicht zu gleichen ist.

Am 26. Juli.

Der Unglaube ist die rechte Haussünde und die Quelle, daher alle Sünde fleußt. Denn, wo der Unglaube im Herzen ist, daß man an Christum nicht glaubt, da folget erstlich, daß man sein Wort nicht annimmt, sondern entweder verachtet man es, oder hält es für Ketzerei und Lügen, und verfolget es, als hatte es der Teufel geredet. Da folget denn weiter mehr Unrath aus, daß man Vater und Mutter und der Obrigkeit ungehorsam wird, daß Keiner seines Amts und Berufs mit Fleiß mattet, sondern in aller Unzucht und Unart lebet, ausgenommen, daß sich Etliche bisweilen, fürchten., oder vor den Leuten schämen müssen. Das sind die Blatter und der ganze Baum des Unglaubens, der wächst und blühet daher aus dieser Wurzel, da der heilige Geist die Welt um strafet, und ist Ihm nicht zu wehren. Denn, wer an Christum nicht gläubet, der hat den heiligen Geist nicht, und kann derohalben keinen guten. Gedanken haben; und ob er gleich Etwas thut, daß an ihm selbst nicht böse, sondern recht ist, das thut er, wie ein Knecht, allein aus Pflicht, und nicht aus einem rechten, herzlichen Gehorsam. Denn also die Welt ein recht Teufelgesinde ist, das nichts Gutes reden, thun, noch in Sinn nehmen kann; Ursache, die Quelle und der Brunnen des Uebels ist da, der Unglaube. Wer nun die Welt recht malen und ihre natürliche Farbe ihr ausstreichen wollte, der könnte sagen, daß es sei ein Haufen Leute auf Erden, die an Christum nicht gläuben und derohalben sein Wort lästern und schänden, die im Herzen, inwendig und auswendig, mit Worten und Werken, morden, stehlen, rauben und aller Unart sich befleißigen, und dazu noch aller Gaben und Güter Gottes, unsers Herrn, mißbrauchen.

Am 27. Juli.

Das ist der Welt Unart, wenn man von Vergebung der Sünden, ohne unser Verdienst, aus lauter Gnaden gegeben, zu sündigen. Als wenn der Richter dem Diebe, so den Galgen verdienet, Gnade thut und ledig laßt; das heißet, das Recht aufgehoben durch Gnade. Wo nun dieser wollte darauf fahren und trotzen: Ich bin nun unter der Gnade, und mag nun thun, was ich will; denn ich habe nun kein Recht, dafür ich mich fürchten müsse; wer wollte Solchen leiden? Denn das Recht ist nun wohl aufgehoben, daß er nicht gestrafet wird, wie er verdienet, und ist durch die Gnade erlöset vom Strang und Schwerdt, und das Leben ihm geschenket; aber nicht dazu, daß er nunmehr möge frei stehlen und morden; sondern, daß er hinfort fromm sei und recht thue; wo nicht, so gehet das Recht wieder über ihn und strafet ihn nach seinem Verdienst. Summa, wo das Recht aufgehoben und Gnade geschenket wird, damit wird Niemand erlaubet, daß er darnach möge Unrecht thun auf solche Gnade, sondern vielmehr ist er schuldig, von wegen der erzeigten Gnade, nun fort also zu leben, daß er nicht wieder in das Recht der Strafe falle.

Am 28. Juli.

Die scheinenden Heiligen, die erhöhet sind und im Licht der Menschen glänzen, nicht bekümmert, noch betrübt sind, haben ihren Trost und Freude im gegenwärtigen Wandel und Werken ihrer eigenen Stärke, Weisheit, Gerechtigkeit; dürfen Gottes nicht. Ich aber, der dieser Dinge ganz arm bin, weiß keinen andern Trost, denn daß ich gedenke, wie Gott alle seine Heiligen vorzeiten auch hat lassen mangeln, und noch nie keinen durch seine eigenen Werke, Vermögen, Wissen, Frömmigkeit behalten, als im Ps. 44, 3. 4: O Gott, wir haben gehöret, unsere Väter haben uns gesagt das Wort, das Du vorzeiten in ihren Tagen hast gethan, wie Du hast ausgetrieben und geschlagen die Heiden, daß Du sie in ihr Land setzest. Denn fürwahr, nicht mit ihrem Schwerdt haben sie das Land besessen, und ihre Kraft hat ihnen nicht geholfen, sondern Deine Kraft und Deines Angesichts gnädiges Erleuchten, darum, daß Dir es so wohl gefallen hat und sie nicht verdienet haben. Ich gedenke an die vorigen Zeiten, ich trachte von Deinen Werken. Das ist, deren Menschen Werke und Worte wie sie immer glänzen und belieben der Welt, habe ich nicht geachtet; denn ich weiß, daß sie Niemand selig machen, noch nütze sind, denn alleine zu falscher, eitler Ehre, sondern aller Trost, Hülfe und Seligkeit liegt ganz an deinen Werken alleine; wenn Du unsere Werke thust, und unsere Werke nicht unser, sondern Dein sind, so sind sie Dir angenehm, rechte, wahre und gute. Diese aber, Deiner Gnaden Werke, erkennen nicht, die ihres Lichtes, ihrer Stärke, ihrer Weisheit Werke thun und groß achten.

Am 29. Juli.

Dieweil ihr denn Kinder seid, hat Gott gesandt den Geist seines Sohnes in eure Herzen, der rufet: Abba, lieber Vater!

Da sehen wir, daß der heilige Geist nicht durch Werke, sondern durch den Glauben gegeben wird; denn Er saget hier, der Geist sei ihnen darum gegeben, daß sie Kinder sind und nicht Knechte; Kinder glauben, Knechte wirken; Kinder sind Gesetzes frei, Knechte sind unter dem Gesetze. Gezwungene Werke sind der Knechte, freie Werke der Kinder. Warum saget Er aber, der heilige Geist sei ihnen gegeben, weil sie Kinder sind, so doch der heilige Geist aus Knechten Kinder machet, und zuvor da sein muß, ehe sie Kinder werden? Antwort: Er redet das nach der Weise, wie Er droben saget: Wir waren unter den Elementen, ehe die Zeit erfüllet ward. Denn sie sind zukünftige Kinder gewesen vor Gott; darum ist ihnen der heilige Geist gesandt, der sie zu Kindern machet, wie sie zuvor verordnet waren. Und Er nennet den Geist einen Geist Gottes Sohns. Warum nicht seinen Geist? Darum, daß Er auf der Bahn bleibe. Er heißet sie Kinder Gottes, darum sende ihnen Gott eben den Geist, den Christus hat, der auch Kind ist, daß sie zugleich mit Ihm rufen: Abba, lieber Vater! Als sollte er sagen: Gott sendet euch seinen Geist, der in seinem Sohne wohnet, daß ihr seine Brüder und Miterben sein sollet, gleichwie Er thut rufen: Lieber Vater! Damit abermal die unaussprechliche Güte und Gnade Gottes gepreiset wird, daß wir durch den Glauben mit Christo in ungetheilten Gütern sitzen und Alles haben, was Er hat und ist, auch seinen Geist.

Am 30. Juli.

Darum thue ich euch kund, daß Niemand Jesum verfluchet, der durch den Geist Gottes redet.
(1. Kor. 12,3.)

Was wollt ihr nun Trennung und Ungleichheit machen in der Lehre und Glauben der Kirchen, welche stehet gar auf dem einigen Christo, da ihr ja Alle müsset Eines sein (Seid ihr anders rechte Christen), und alle zugleich, ein Jeglicher mit seiner Gabe, müsset denselben preisen; und ja nicht kann den heiligen Geist haben, wer Ihn nicht für einen Herrn hält, viel weniger, so er Ihn verdammt; denn wo ihr den Grund aufhebt, so ist es Alles aufgehoben und ist da kein Gott noch Geist mehr, und Alles Nichts, was ihr fürgebet, lehret oder thut. Das müsset ihr wissen, und möget euch darnach richten; der Zweier muß Eins sein: entweder Christum angenommen und geglaubet, gelobet und gepriesen als den einigen Herrn, oder denselben verflucht; es ist hier kein Mittleres. Darum ist nun leicht zu richten von einem Jeden, so ein Amt hat in der Christenheit, zu reden, daß man sich nicht darf darob rotten, oder im Zweifel hieher oder dorthin gaffen, auf diese oder jene Gaben, von welchem mehr zu halten sei; sondern auf diese Predigt, als das Hauptstück, muß man sehen und hören, was, und wie er von Christo sage und lehre; denn, redet er aus dem heiligen Geiste, so muß er gewißlich Christum nicht verfluchen, sondern preisen und rühmen; und so er das thut, so wird er damit freilich keine Rotterei, noch Trennung machen, noch Ursach dazu geben; wo aber nicht, so kannst du gewißlich schließen, daß er nicht rechtschaffen ist, noch aus dem Geiste Gottes redet.

Am 31. Juli.

Die Buße und Reue, die man zubereitet durch Erforschung, Betrachtung und Haß der Sünde, als wenn ein Mensch aus dem Gesetz, mit Bitterkeit seines Herzens, seine ganze Lebenszeit betrachtet und die Größe, Menge und Schande seiner Sünden, dazu den Verlust des ewigen Lebens und den Gewinn der ewigen Verdammniß erwäget; die macht einen Heuchler und größeren Sünder. Darum habe ich gelehret, daß ein Jeglicher zuvor soll sein Herz erforschen, ob er aus gründlicher Lust und willigem Herzen die Sünde hasset, und so er sich nicht also findet, so soll er seine Reue nur verachten und zuvor niederfallen und seinen Herrn bitten um eine rechte, wahre Reue, und dann mag er seine Sünden bedenken.

Ein reuiges Herz ist ein gar seltsam Ding und eine hohe Gnade, und laßt sich nicht mit dem Bedenken der Sünde und der Hölle zubereiten, sondern allein durch den heiligen Geist eingießen, sonst hätte Judas die beßte Reue gehabt, der seine Sünde mit großem Herzeleid bedacht hat. Darum ist es eitel erlogene und verführerische Heuchelei, daß man Reue bereiten lehrt aus dem Gesetz durch Betrachtung der Sünde und ihres Schadens; so man sollte zuvor Christum in seinem Leiden ansehen und aus demselben seine Liebe gegen uns erwägen, und alsdann unsere Undankbarkeit erwägen und also aus herzlicher, gründlicher Gunst zu Christo und aus Ungunst auf uns selbst die Sünden betrachten. Das ist eine rechte Reue und fruchtbare Buße.

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