Krafft, Johann Christian Gottlob Ludwig - Sieben Predigten über das 53. Kapitel des Propheten Jesaias - Siebente Predigt.

Krafft, Johann Christian Gottlob Ludwig - Sieben Predigten über das 53. Kapitel des Propheten Jesaias - Siebente Predigt.

Text: Jesaias 53, 10 - 12.
Aber der Herr wollte Ihn also zerschlagen mit Krankheit. Wenn Er sein Leben zum Schuldopfer gegeben bat, so wird Er Samen haben und in die Länge leben, und des Herrn Vornehmen wird durch seine Hand fortgeben. Darum, daß seine Seele gearbeitet hat, wird Er seine Lust sehen und die Fülle haben; und durch sein Erkenntniß wird Er, mein Knecht, der Gerechte, Viele gerecht machen, denn Er trägt ihre Sünden. Darum will ich Ihm große Menge zur Beute geben, und Er soll die Starken zum Raube haben, darum, daß Er sein Leben in den Tod gegeben hat, und den Uebelthätern gleich gerechnet ist, und Er Vieler Sünde getragen hat, und für die Uebelthäter gebeten.

Wie zu einem Triumphgesange erhebt sich die Stimme des Propheten, indem er in den vorgelesenen Schlußworten dieses Kapitels die Früchte des Todes und der Auferstehung Christi vorherverkündigt. Er weissagt zuerst, daß das Werk Christi, statt durch seinen Tod zerstört oder gehemmt zu werden, vielmehr von da an erst Fortgang haben werde in Kraft, daß Er Samen haben und in die Länge leben, und des Herrn vornehmen durch seine Hand fortgehen werde; denn eben der Tod, mit dem die Feinde Ihn zu beschimpfen und sein Werk zu Nichte zu machen gedenken würden, sey im Rathe Gottes zum Schuldopfer für die Sünde der Welt zuvor ersehen und zuvor verordnet gewesen, und also ein wesentlicher Theil, ja das Fundament des Erlösungswerkes. Der Prophet weissagt zweitens, dieser kraftvolle Fortgang des Werkes Christi werde für Ihn selbst der süße, und reiche, seinem Herzen theure und köstliche Lohn für die Arbeit seiner Seele seyn, „dafür, daß seine Seele gearbeitet, werde Er seine Lust sehen und die Fülle haben.“ Hieran geknüpft, findet sich in unsrem Texte drittens ein merkwürdiges prophetisches Zeugniß von dem im Evangelium geoffenbarten Wege des Heils, die Weissagung, daß Christus die Sünder gerecht machen, ihnen die Rechtfertigung auswirken werde durch sein Erkenntniß, dadurch, daß sie Ihn im Glauben erkennen und ansehen, als denjenigen nämlich, der ihre Sünde getragen. So gibt Gott der Herr, der Wahrhaftige, selbst hier Zeugniß, und redet, das Wort dem Propheten gleichsam abnehmend, in eigner Person: „Durch sein Erkenntniß wird Er mein Knecht, der Gerechte, Viele gerecht machen, denn Er trägt ihre Sünden.“ So weit haben wir die Worte unsers Textes am verflossenen Osterfeste betrachtet; laßt uns nun auch das Ende derselben hören und zuletzt noch einige Erinnerungen, die ich über das Ganze dieser Weissagung hinzuzufügen habe, erwägen. Der Herr verleihe uns Gnade dazu, daß es im Segen geschehe.

I.

„Die Weissagung unsers Textes von den Früchten des Todes und der Auferstehung Christi schließt mit einer Beschreibung der wundersamen Eroberungen, die der Erlöser machen werde. Es heißt V. 12.: „Darum will ich Ihm große Menge zur Beute geben, und Er soll die Starken zum Raube haben.“ Hier wird von Christo als einem mit Ruhm gekrönten Helden geweissagt, der siegreich Krieg führen werde; und dem Länder und Völker als Beute zufallen sollen. Offenbar ist hier von einem ganz andern Kriege, als wie die Fürsten dieser Welt ihn führen, und von ganz andern Eroberungen, als diese machen, die Rede. Wer für diejenigen, die er sich unterwerfen will, sein Leben zum Schuldopfer gibt, und denjenigen, die Er besiegt, die Rechtfertigung, die Sündenvergebung auswirft, der ist offenbar kein irdischer, sondern ein himmlischer Kriegsfürst, und führt offenbar nicht als Feind, sondern als Freund Krieg, der führt einen heiligen Krieg der Liebe. Solchen Krieg der Liebe führt Christus wirklich.

Er ist ausgezogen in den Krieg, zur Wiedereroberung einer von Gott abgefallenen, abtrünnigen Welt, zur Wiedergewinnung eines des Todes schuldigen und verlornen Volkes von Sündern; und dieses Volk sind wir. Von der Obrigkeit der Finsterniß, unter die wir durch die Sünde gerathen, uns zu erretten, uns in das himmlische Reich und Erbe der Kinder Gottes, das wir verloren haben, wiederum zu versetzen, das ist Christi Werk und Amt, die Beute, die Er sucht, sind wir, uns selbst will Er erobern und zum Raube haben. Wir werden Ihm unterthan und durch Ihn gerecht und selig, wie der Prophet eben vorher gesagt hat, durch Sein Erkenntniß, dadurch, daß wir im Glauben Ihm eigen werden. Unser Herz will Er zu eigen haben, (denn damit hat er den ganzen Menschen, Leib und Seele, Wort und Wandel, und alle Kräfte und Habe zum Eigenthum) die Herzen aber werden nicht durch irdische Macht und Waffengewalt, die Herzen werden nicht anders, als durch die Macht der Wahrheit, durch die Gewalt der Liebe erobert. Mit diesen Waffen der Wahrheit und Liebe ist Christus gegen uns zu Felde gezogen. Seiner Herrlichkeit als Sohn Gottes hat Er sich entäußert, und ist arm geworden um unsertwillen und in Knechtsgestalt aufgetreten, und hat es nicht für einen Raub gehalten, nicht damit geprangt, Gott gleich zu seyn, sondern durch Lehre und Wohlthun sich kund gegeben, wer Er ist, und was seine Absicht ist. Darnach hat er sich, mit unser aller Sünde beladen, in den Tod für uns gegeben, und sein Leben für uns zum Schuldopfer gegeben, und uns durch dieses Opfer einen offenen Weg zum Throne der Gnade, einen offenen Weg der Rückkehr zum Vater gebahnt. Kraft dieses Opfers hat Er dem Satan seine Rechte entrissen. Der Harnisch, auf den der Feind sich verläßt, ist die Gerechtigkeit Gottes, die wider uns ist. Dieser Gerechtigkeit hat Christus für uns genug gethan; wer an Ihn glaubt, geht frei aus, an den hat die Obrigkeit der Finsterniß keine Rechte mehr. Mit derselben Liebe, mit der Er sein Leben zum Opfer für uns gegeben, macht Er dasselbe im himmlischen Heiligthum auch für uns geltend durch seine Fürbitte, und wirkt das mit der Welt die große göttliche Geduld und Langmuth, deren sie genießt, und den Seinigen alle die Segnungen, die Ihnen zu Theil werden, und die Gnade der Bewahrung aus. Durch sein Wort und seines Wortes Predigt läßt Er die Welt diese seine Liebe und das Heil, das Er den Sündern erworben und bereitet hat, wissen, und da wir auf den sanften Ruf und Zug seiner Liebe nicht zu merken pflegen, so nimmt Er auch scharfe Mittel aller Art zu Hilfe, und greift uns aus Liebe mit zeitlicher Züchtigung an, ob wir so besser lernen aufmerken. Er läßt uns dabei Erfahrungen über Erfahrungen machen von der Eitelkeit des Wesens dieser Welt, Erfahrungen über Erfahrungen von unsrer natürlichen Sündigkeit und Verderbtheit, Armuth und Blöße, Erfahrungen über Erfahrungen aber auch von seiner Liebe und Treue, und dem Reichthum seiner Geduld über uns. Mit diesen Waffen der Demuth, der Wahrheit und Liebe führt Christus Krieg auch mit uns, ob Er uns damit überwinde, ob wir uns Ihm zu Gefangenen von Herzen ergeben, ein wundersamer Krieg, wo der überwundene Theil der gewinnende ist, und sich selig fühlt und zur Freiheit der Kinder Gottes gelangt, indem Er sich überwunden fühlt. So lange wir uns nicht unter seine Herrschaft begeben, sind und bleiben wir Knechte der Sünde, Kinder des Zorns, haben keinen Frieden mit Gott und keinen Frieden unter einander, jeder siehet auf seinen Weg. Wird Er unser Gebieter und in unserm Herzen König, so bringt Er Gnade und Gerechtigkeit und Friede und Freude und Freiheit im heiligen Geiste, Leben und volles Genüge mit.

Aus diesem Kriege mit der Welt, so lautet die Weissagung am Schlusse unsers Textes, werde Christus siegreich hervorgehen. „Es werde Ihm, heißt es, große Menge zur Beute gegeben werden.“ Schon in den ersten vierzig Jahren nach Christi Tod und Auferstehung ist dies reichlich in Erfüllung gegangen unter Juden und Heiden, und die Beweise davon haben wir noch jüngst in unsern Betrachtungen über die Apostelgeschichte vernommen. In allen nachfolgenden Jahrhunderten bis hiehin, unter vielerlei Heiden und Völkern und Sprachen sind immer neue Mengen eine Beute des Herrn und selig geworden, und auch unser Land und Volk ist durch Gottes freie Gnade bereits seit mehr als tausend Jahren ein Schauplatz dieser herrlichen Siege Christi geworden. Die Geschichte der allerneuesten Zeit bestätigt es mit neuen Beweisen, in allen Theilen der Welt, daß Christi Wort nicht schwach geworden, nicht veraltet ist, so wenig, wie seine Wahrheit und Liebe gealtert ist und altern kann, daß Er der in der Offenbarung Johannis beschriebene Held ist, der da ausgezogen ist zu überwinden und daß Er siegete, dessen Siegeswerk fortschreitet bis zu seiner Wiederkunft. Sein Evangelium beweist sich nah und fern auch heute als die Kraft Gottes, die da selig macht Alle, die daran glauben, als die Kraft Gottes, die Menschenherzen umzuschaffen und die Welt zu verwandeln. Die wildesten, durch sonst nichts zu zähmenden Völker werden durch Kraft dieses Evangeliums entwaffnet und wie Lämmerherden zu den Füßen des Gekreuzigten gelegt. Was durch kein andres Mittel der Gewalt noch Klugheit, durch keinen sonstigen Unterricht, durch kein sonstiges Bildungsmittel möglich ist, das Wort vom Kreuze, wo der Geist es begleitet, richtet es aus. Die wildesten Horden der Heiden lassen das sanfte Joch Christi sich auflegen, und werden gesegnet mit allen Wohlthaten in dessen Gefolge. So geht bis heute zu in Erfüllung, was der Ewige hier geredet hat: „Ich will Ihm große Menge zur Beute geben, und Er soll die Starken zum Raube haben.“. Zu diesen Starken gehört denn auch, was hoch und angesehen ist in der Welt, und eben darum schwer sich beugt. Auch unter den Fürsten und Königen der Erde hat Christus von Zeit zu Zeit immer Einzelne zur Beute gehabt, die sein Eigen geworden, und mit Herz und Mund und That Ihn bekannt haben. Zu diesen Starken gehören auch die durch Gaben und Kräfte. oder Gelehrsamkeit ausgezeichneten Geister; denn auch unter diesen hat es nie an einzelnen geistlich Armen gefehlt, die sich, wie der Geringste, vor Christo, dem Licht ihrer Seelen, dem Erwerber ihres Heils gebeugt, und Ihn demüthig als ihren Heiland gepriesen haben zur Ehre Gottes des Vaters. Zu diesen Starken gehören Alle, die Ihm vielen und langen Widerstand entgegensetzen in vermeinter Eigenkräftigkeit und eigener Würdigkeit und Weisheit, denen Er lange nachgehen, auf mancherlei und scharfe Weise sie angreifen, und dabei Lammesgeduld an ihnen üben muß, bis es Ihm, mit den Strahlen seiner Wahrheit und Liebe ihr Herz zu treffen, zu rühren, - bis es Ihm, sie tief und gründlich zu beschämen, und mit seiner Geduld sie zu überwinden und sie dadurch sich zu Füßen zu legen, gelingt. Ein solcher Starker unter den Jüngern war Petrus, in seiner Art auch Thomas. Ein noch stärkerer, den doch Christus sich zum Eigenthum zu rauben wußte, war Paulus. Auch in unsern Tagen hat der Herr sich solche Starke zum Raube zu gewinnen, und trotzige Widersprecher und Feinde in gelehrige, demüthige Jünger und eifrige Knechte und Mägde umzuschaffen gewußt. Ja wohl muß Er wunderbar heißen mit Namen, denn Er ist es, und sein Thun ist wunderbar. Sein Krieg ist wunderbar, und seine Siege sind wunderbar.

Es heißt am Schlusse unsers Textes: „Ich will Ihm große Menge zur Beute geben, und Er soll die Starken zum Raube haben, darum, daß Er sein Leben in den Tod gegeben hat, und den Uebelthätern gleich gerechnet wird, und Er Vieler Sünde getragen hat, und für die Uebelthäter gebeten.“ Hier wird am Schlusse noch einmal wiederholt, warum, aus welchem Grunde das Alles geschieht, und in Christi Leiden und Sterben für uns, in seinem priesterlichen Amt und Werk der Grund dieses seines Sieges und unsers Heiles namhaft gemacht. Was in der ersten Hälfte unsers Textkapitels sich nur angedeutet findet, wird in der andern Hälfte des Kapitels immer klarer, immer bestimmter ausgedrückt, daß Christus in den Tod sich hingeben werde, und zwar in den Tod eines Uebelthäters, denn diesen, so heißt es ausdrücklich, werde Er gleichgerechnet werden, oder in genauerer Uebersetzung: Er werde unter dieselben sich zählen lassen, denn Er er wählte freiwillig für die Ihm vorgelegte Freude das Kreuz, und hat der Schande nicht geachtet. Die Schmach dieses Todes war unsäglich, aber die Ehre ist nun auch um so überschwänglicher, daß der Sieg so wunderbarer Weise und groß im Erliegen errungen worden ist, daß Er durch Leiden des Todes für uns mit Preis und Ehre gekrönet ist, daß er auf diesem Wege zu seiner Erhöhung als Mensch hindurchgedrungen ist, und sich gesetzt hat zur Rechten der Majestät in der Höhe. Was jetzt hienieden in der Gemeinde der Erlöseten auf Erden von dieser seiner Ehre kund und laut wird, ist nur ein Weniges und Geringes von dem, was wir in der Gemeinde der Seligen droben davon sehen und hören, und woran wir, so wir anders Sein sind, auch selbst Theil nehmen sollen. - In den letzten Worten unsers Textes: „Darum, daß Er Vieler Sünde getragen hat, und für die Uebelthäter gebeten,“ sind die beiden priesterlichen Verrichtungen unsers Erlösers noch einmal zusammen genannt. Er hat unsre Sünde getragen, indem Er sich selbst zum Opfer für uns gegeben, und die Uebelthäter, für die Er priesterliche Fürbitte gethan, sind nicht nur jene, für die Er zunächst am Kreuze betete, wir sind es Alle, wir alle sind Mitschuldige an seinem Tode. Seine Fürbitte beschränkt sich auch keineswegs auf jenes Gebet am Kreuze, es steht geschrieben: „Er lebet immerdar und bittet für uns,“ es gehört zur fortgesetzten Verwaltung seines Mittleramts im Himmel, daß Er, kraft seines Opfers für uns Sünder zur Rechten Gottes uns vertritt.

II.

Indem wir unsre Betrachtungen über das 53ste Kapitel des Jesaias heute schließen, habe ich über das Ganze dieser Weissagung noch Einiges hinzuzufügen und eurer Erwägung zu empfehlen.

1. Zuvörderst laßt mich mit wenig Worten noch einmal hinzeigen auf das Wunder der Thatsachen selbst, die in diesem Kapitel geweissagt werden. Es sind die großen Thaten Gottes, die göttlichen Veranstaltungen zu unsrer Erlösung. Siehe, so faßte Johannes der Täufer das Ganze dieses Kapitels in Ein Wort zusammen, als er Jesum sah zu sich kommen, und zu seinen Jüngern sprach: Siehe, das ist Gottes Lamm, welches der Welt Sünde trägt. Es ist Thatsache, daß das menschliche Geschlecht gefallen ist, daß wir im Verderben des Abfalls liegen. Niemand kann es leugnen. Die Heiden haben es anerkannt. Die ganze Weltgeschichte, der ganze Zustand des Menschengeschlechts thut es kund, und wäre ein völlig unauflösliches Räthsel, wenn es sich anders hiermit verhielte, als das Wort der Wahrheit es auf allen Blättern bezeugt. Es ist Thatsache, daß der Eingeborne vom Vater, der unerschaffene Sohn von Ewigkeit, hat wollen Mensch geboren werden, und, da die Zeit erfüllt war, Mensch geboren und Mitglied unsers Geschlechts geworden ist um unsertwillen, als ein andrer Adam, der gekommen, wiederzubringen, was durch den ersten war verloren worden, der sich unser angenommen und unsre verlorne Sache zu der Seinigen gemacht hat, und durch Thun und Leiden vollbracht hat Alles, was zu unsrer Erlösung vom Verderben nothwendig war. Es ist Thatsache, daß der Mensch Jesus von Nazareth diese Person ist, und des Opfertodes für die Sünde der Welt gestorben ist. Man darf die Geschichte der Leiden und des Todes Jesu auch nur mit irgend unbefangenen Augen ansehen, um sich zu überzeugen, daß hier ganz was andres vorgegangen, als ein gewöhnlicher Märtyrertod. Andre Märtyrer starben um des Zeugnisses Christi willen. Sie hatten die Krone der Ueberwindung vor Augen, und besiegten damit die Schrecken des Todes, das ist etwas Großes, aber das ist nun auch Alles. Hier aber in Jesu Leiden und Tode galt es, Himmel und Erde wiedervereinigen, für die Sünden der Welt von Adam bis auf den Letzten der Gebornen das Opfer der Sühnung darbringen, den göttlichen Rath vollführen und die Schrift erfüllen, und wir sehen Ihn auch hiermit bis ans Ende beschäftigt, sein selbst und seines Werkes vollkommen bewußt, wir sehen Ihn in voller Besonnenheit das Alles bis zum letzten Augenblick im Auge behalten, nach allen Beziehungen dem Allem genugthun, und unüberwunden in Glauben, Liebe und Geduld und nicht in Einem Worte fehlend bis ans Ende heilig vollenden, bis Er ausrufen konnte: Es ist vollbracht!. Es ist Thatsache, daß Er am dritten Tage nach seinem Tode auferstanden und mit seinem Leibe ins unsterbliche Leben hindurchgedrungen, Thatsache, daß von da an sein Werk und sein Sieg bis hiehin fortgeschritten ist in Kraft. - Der Herr begnadige euch mit Licht und Kraft, diese Thatsachen je mehr und mehr im Glauben der Zueignung anzusehen, auf daß eure Seele genese auf ewig, und euer Geist sich freue allewege Gottes seines Heilandes.

2. Aber laßt mich bei dem Wunder dieser Thatsachen auch noch einmal euch hinweisen auf das Wunder der Weissagung, das auf so ausgezeichnete Weise in unserm Textkapitel sich unsrer Betrachtung darbietet. Wer anders, als der heilige Geist, der Geist vom Vater und vom Sohne, der die Tiefen der Gottheit durchschaut und selbst Theilhaber der göttlichen Rathschlüsse von Ewigkeit ist, wer anders, als Er, konnte es dem Propheten offenbaren und ihm geben, im Worte der Weissagung zum Voraus es auszusprechen, was im Rathe Gottes von unsrer Erlösung beschlossen war. Wie hätte es ein Menschenherz erdenken und erfinden können, daß es so sich ausführen ließe, daß es so geschehen sollte, daß die schuldbeladne verlorne Menschheit auf diese Weise erlöset und mit ihrem Schöpfer wieder vereinigt würde. Einen solchen Weg zur Errettung unsers Geschlechts, ein solches Lösegeld ausdenken, das konnte in keines Menschen Herz und Sinn kommen. In der Schrift aber, geliebte Zuhörer, finden wir von Anfang der Welt an dieses Geheimniß prophetisch ausgesprochen, und wir hören alle Propheten durch alle Jahrhunderte der Vorzeit hindurch in mannigfaltiger Weise, aber in vollkommener Uebereinstimmung mit einander einhellig Zeugniß über Zeugniß ablegen von diesem hohen Geheimniß. Auf diesem durch die Propheten gelegten Grunde, und auf keinem andern, bauen die Apostel fort. Die Propheten zeugen von Christo dem Zukünftigen, wie die Apostel zeugen von Christo dem Erschienenen;, wie auch Petrus sagt in seiner ersten Rede an die Heiden: „Von diesem, von Christo, von diesem zeugen alle Propheten, daß durch seinen Namen Alle, die an Ihn glauben, Vergebung der Sünden empfahen sollen.“ Sagt selbst, wie läßt sich das auch nur möglicher Weise anders erklären, als dadurch, daß es der heilige Geist ist, der sie Alle regiert, der sie Alle erleuchtet und getrieben, und sie dazu tüchtig gemacht hat. Sehet selbst, wie läßt sich das Wunder der Weissagung und der Uebereinstimmung der Propheten aller Zeitalter in ihrem Zeugnisse von Christo anders erklären?, Wo findet sich etwas dem Aehnliches in der ganzen übrigen Geschichte des Menschengeschlechts? In der Geschichte der Philosophie, der Weisheit dieser Welt, einmal gewiß nicht. Denn die Philosophen meistern bekanntlich alle ihre Vorgänger, sie wissen's immer besser als ihre Vorgänger; da hält jede Zeit sich für die einsichtsvollste und klügste, und gefällt sich in den vermeinten Fortschritten, die sie gemacht. Nicht so in der Schrift. Hier ist Uebereinstimmung von Anfang bis zu Ende, hier ist überall Rückweisung, Ein Prophet fußt auf den Andern, und die Apostel wieder auf die Propheten, weil Alles fußt auf ein und dasselbe Fundament, auf den Einen Grund, der da gelegt ist, Christum, und weil Jeder nicht seine Ehre sucht, sondern die Ehre deß, der ihn berufen hat, Zeugniß abzulegen von Ihm. Wie ist solche Erscheinung auch nur möglicher Weise anders erklärbar, als dadurch, daß der Geist Gottes, der Einer ist, sie Alle regiert hat. So aber wird die große Erscheinung auch völlig klar. Denn wenn es aus dem Geiste Gottes hervorgegangen, dieses Zeugniß vom Rathe Gottes, so muß es Eines seyn, und vollkommene Uebereinstimmung unter allen Zeugen vorhanden seyn. Solches, Geliebte, soll uns dienen zur Stärkung und völligen Befestigung unsers Glaubens an die Göttlichkeit der ganzen heiligen Schrift, des Alten wie des Neuen Testaments;, denn in jenem ist die Vorbereitung, hier die Vollendung, dort die Weissagung, hier die Erfüllung. Wie selig fühlten sich die Beiden, die nach Emmaus gingen, als der Unbekannte ihnen aus den Schriften der Propheten darlegte, daß Christus, also, grade also habe leiden und zu seiner Herrlichkeit eingehen müssen: „Brannte nicht, sprachen sie nachher, brannte nicht unser Herz auf dem Wege, als Er mit uns redete und uns die Schrift öffnete?“ Solche selige Erfahrung, zur Stärkung euers Glaubens und zur freudigen Gewißheit im Glauben, wünsche ich, geliebte Zuhörer, auch euch, und bitte euch zu dem Ende, namentlich dieses 53ste Kapitel im Jesaias, das wir in den letztverflossenen Wochen betrachtet haben, euch fortan theuer seyn zu lassen, und es in euern Herzen zu bewahren und zu bewegen; denn das ist der Wille Gottes, eures Heilandes, dazu hat es der Geist des Herrn nun auch euch aufs Neue ans Herz gelegt. ja möchten wir mehr aufmerksam werden auf das, was wir an der Schrift haben, was wir namentlich auch am Alten Testamente haben, welche Schätze darin niedergelegt sind, und zwar für uns, wie der Apostel Petrus ausdrücklich bezeugt, auf daß unser Glaube erbauet, werde mehr und mehr auf den Grund der Apostel und der Propheten, wo Jesus Christus der Eckstein ist.

Dazu nun eignet sich vorzugsweise dieses Kapitel des Propheten Jesaias. Es ist Unzähligen zum besondern Segen geworden für ihr Herz. Es ist die Veranlassung zu einer Menge von Bekehrungen geworden, in allen Zeitaltern, wovon die Kürze der Zeit näher zu reden und zu erzählen jetzt nicht gestattet. Die erleuchteten Kirchenlehrer aller Zeiten preisen es einstimmig der Christenheit an, und Luther sagt: „Und ist freilich in der ganzen Schrift des Alten Testaments kein klarerer Text oder Weissagung, beide von den Leiden und von der Auferstehung Christi, als in diesem Kapitel. Darum es billig allen Christen wohlbekannt seyn sollte, ja auch auswendig kennen sollten, unsern Glauben zu stärken und zu vertheidigen, allermeist wider die halbstarrigen Juden, welche diesen ihren Einen verheißenen Christum verleugnen, allein um des Aergernisses willen seines Kreuzes.“

3. Ich schließe mit einem Worte der Ermunterung an alle Gläubigen unter uns, von ganzem Herzen, von ganzer Seele und aus allen unsern Kräften den wieder zu lieben, der uns zuerst geliebt, und uns bis in den Tod geliebt. Von Natur haben wir diese Liebe nicht, und wer aufrichtig mit sich selbst umgeht, wird genugsam gewahr, daß er sie von Natur nicht hat. Wie gerne verläugnet man um des Geliebten willen, wenn es ihn freut! und wie wenig sind wir von Natur geneigt, um Christi willen zu verleugnen und aufzugeben, woran unser Herz hängt, und dem Himmelreich Gewalt anzuthun! Wer es noch nicht weiß, daß unser Schade so groß ist, kann es daran allein merken, daß es uns von Natur so schwer wird, um Christi: willen etwas irgend Namhaftes zu verleugnen. Das aber ist unser Christenberuf. Fragen wir den Herrn: Was willst Du, daß ich thue, womit ich die Liebe vergelten soll? so antwortet Er uns: Nimm dein Kreuz auf dich und folge mir nach! Hienieden bleibt der Weg der Nachfolger, der Jünger und Jüngerinnen Jesu, der Weg, den Er gegangen, der Weg der Selbstverleugnung. Wo nun aber Glaube ist und Liebe Christi, daß es aus Liebe geschieht, da wirds leicht, und geht auch da schon hienieden in Erfüllung, was der Herr gesagt hat: „Ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen. Ich will euch erquicken. Mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht.“ Der Weg der Selbstverleugnung ist das königlich priesterliche, das göttliche Mittel der Ueberwindung aller unsrer Feinde. Dem Feinde unsrer Seligkeit, der da Macht hat in den Kindern des Unglaubens, läßt sich nach dem priesterlich königlichen Regiment; das der Herr fortan noch über die Welt führt, nichts abtrotzen, wohl aber läßt sich ihm abdulden; die Waffen des Glaubens, die Waffen der Liebe und Selbstverleugnung, die kennt er nicht, auf diese versteht er sich nicht, wer mit diesen gegen ihn kämpft, der siegt, da zieht der Feind den Kürzern. In der Lammesgeduld unsers Herrn liegen die Kräfte der Weltüberwindung auch in den Seinigen. Der Weg der Selbstverleugnung ist der Weg der ewigen Erhöhung, der ewigen Freude und Herrlichkeit. Grade das, weswegen Christus auf Erden der Allerverachtetste und Unwertheste war, ist der Gegenstand der ewigen Lobpreisung der Erlöseten geworden. Wie lautet das Loblied der Erlöseten Jesu im himmlischen Heiligthum, welches wir im fünften Kapitel der Offenbarung Johannis lesen? Es heißt: „Das Lamm, das erwürget ist, ist würdig zu nehmen Kraft und Reichthum und Weisheit und Stärke, und Ehre und Preis und Lob.“ Ein Loblied, das sich auf die Worte unsers Textes bezieht. Er ist würdig zu nehmen Kraft, heißt es zuerst, grade wie auch hier der Prophet zuerst sagt: Er wird Samen haben, und in die Länge leben, und des Herrn Vornehmen wird durch seine Hand fortgehen. Er ist würdig zu nehmen Reichthum, heißt es darnach, und so auch bei unserm Propheten: Darum, daß seine Seele gearbeitet hat, wird Er seine Lust sehen, und die Fülle haben. Er ist würdig zu nehmen Weisheit, heißt es drittens in jenem himmlischen Lobgesang, und so auch bei unserm Propheten: Durch sein Erkenntniß wird Er, mein Knecht, der Gerechte, Viele gerecht machen, denn Er trägt ihre Sünden. Er ist würdig zu nehmen Stärke, heißt es darnach im himmlischen Lobliede, wie es beim Propheten heißt: Ich will Ihm große Menge zur Beute geben, und Er soll die Starken zum Raube haben. Dafür aber, daß Er sich unter die Uebelthäter rechnen lassen, ist Er würdig zu nehmen Ehre, und für sein Opfer- und Priesterthum, durch welches Er Vieler Sünden getragen und für die Uebelthäter gebeten, ist Er würdig zu empfangen und empfängt dafür ewiglich von der Gemeine der Erlöseten Preis und Lob.

Kraft und Reichthum, Weisheit und Stärke, Ehre und Preis und Lob werde Ihm auch unter uns, meine Geliebten! Die Zahl derer müsse geringer unter uns werden, die dem Herrn zu stark sind, die fortwährend den Waffen seines Worts und seiner Liebe und seiner Zucht widerstehen, und sich nicht gefangen geben und seine Beute werden wollen, in deren Herzen es noch heißt: Wir wollen nicht, daß dieser über uns herrsche! - Die Zahl derer müsse größer unter und werden, die sich Ihm unbedingt; mit Allem, was sie sind und haben, zum Eigenthum und Dienste hingeben, zum lebendigen Opfer, das sey unser vernünftiger Gottesdienst. Amen.

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