Körber, Emil - Ölblatt - Eine Kreuz- und Trostpredigt.
(17. Februar 1878.)
Text: Jak. 1, 2-12.
Meine lieben Brüder, achtet es eitel Freude, wenn ihr in mancherlei Anfechtungen fallt, und wisst, dass euer Glaube, so er rechtschaffen ist, Geduld wirket. Die Geduld aber soll fest bleiben bis ans Ende, auf dass ihr seid vollkommen und ganz, und keinen Mangel habet. So aber Jemand unter euch Weisheit mangelt, der bitte von Gott, der da gibt einfältig jedermann, und rückt es Niemand auf; so wird sie ihm gegeben werden. Er bitte aber im Glauben, und zweifle nicht; denn wer da zweifelt, der ist gleich wie die Meereswoge, die vom Winde getrieben und gewebt wird. Solcher Mensch denke nicht, dass er etwas von dem Herrn empfangen werde. Ein Zweifler ist unbeständig in allen seinen Wegen. Ein Bruder aber, der niedrig ist, rühme sich seiner Höhe; und der da reich ist, rühme sich seiner Niedrigkeit; denn wie eine Blume des Grases wird er vergehen. Die Sonne geht auf mit der Hitze, und das Gras verwelket, und die Blume fällt ab, und seine schöne Gestalt verdirbt: also wird der Reiche in seiner Habe verwelken. Selig ist der Mann, der die Anfechtung erduldet; denn nachdem er bewährt ist, wird er die Krone des Lebens empfangen, welche Gott verheißen hat denen, die ihn liebhaben.
Teure, im Herrn geliebte Gemeinde. Wir haben am letzten Sonntag uns von dem Apostel Petrus ein schönes Rezept verschreiben lassen, wie ein Christ leiden soll, und aus der himmlischen Apotheke des göttlichen Wortes eine Arznei geholt, um die Bitterkeit des Kreuzes zu vertreiben. Diese Arznei hat, wie wir gesehen haben, drei Bestandteile: einmal die Demut, die sich gern und willig hinunter gibt unter das Kreuz, das Leiden aus Gottes Hand annimmt, und nicht sorgt; fürs zweite den Glauben, der in Sturm und Wetter aufrecht und fest steht wider die listigen Anläufe des Teufels, der uns so gerne. in Verzagtheit und Verzweiflung stürzen möchte; und endlich die Hoffnung, die kühn zum Himmel das Haupt erhebt. Gott gebe, dass uns der Mann Gottes sein schönes Rezept fürs Leiden nicht umsonst verschrieben hat und wir die köstliche Arznei wider die Bitterkeit des Kreuzes täglich und stündlich einnehmen zum Heil unsrer Seele. Da nun gar Manche unter uns mitten im Leiden stehen und überhaupt das Leiden zum Christenstand gehört, so will ich heute nach Anleitung unsres Textes und unter dem Beistand und Segen des Heiligen Geistes noch einmal eine Kreuz- und Trostpredigt halten. Alles, was ich da zu sagen habe, fasse ich folgendermaßen zusammen:
I. Das Gold wird auf dem Feuerherd,
Der Christ in mancher Not bewährt.
II. Die Trübsal treibt hin zu Gott,
und lehrt uns beten in der Not.
III. Je größer Kreuz, je lieber Sterben;
Durchs Sterben geht's zum selgen Erben.
Herr Jesus Christus, du großer Kreuzträger und Herzog. unsrer Seligkeit, durch Leiden des Todes vollendet und eingegangen in die Herrlichkeit, nimm von uns alle Kreuzesscheu und gib uns deine heilige Willigkeit zum Leiden. Schenk uns Gnade, dass wir unser Kreuz gern und willig, getrost und fröhlich dir nachtragen und unter allem Leiden unser Auge fest und unverwandt nach der ewigen Heimat richten, wo kein Leid und kein Geschrei und kein Schmerz mehr sein wird, sondern Freude die Fülle und liebliches Wesen zu deiner Rechten ewiglich. O erquicke deine Kreuzträger mit himmlischem Troste, stärke unsre müden Hände und richte auf unsre strauchelnden Knie, dass wir in aller Not und Anfechtung feststehen und gewisse Tritte tun können auf dem schmalen Pfad, der zum Leben führt. Amen.
I.
Im Herrn Geliebte! Das Gold wird auf dem Feuerherd, der Christ in mancher Not bewährt. Ja manche Not geht über den Christen. So war es, seit die Kirche Christi steht; so ist es, und so wird's bleiben, solange es Christen gibt. Sie müssen durch Kreuz und Elend gehen. Ist nicht Christus, unser Herr und Heiland, unser Haupt und Vorbild, der Kreuzträger ohne Gleichen? Hat er nicht um unsertwillen das Kreuz getragen sein Leben lang, bis er zuletzt am Kreuze hing mit durchbohrten Händen und Füßen und das Haupt im Tode neigte? Grüßt ihn nicht die Kirche auf Erden bis auf den heutigen Tag mit jenem wunderbar ergreifenden Gesang: O Haupt voll Blut und Wunden, Voll Schmerzen, voller Hohn, O Haupt zum Spott gebunden Mit einer Dornenkron! O Haupt sonst schön geschmücket Mit höchster Ehr und Zier, Doch nun von Schmach gedrückt, Gegrüßet seist du mir! Ist nicht das Kreuz, dieses Schmerzenszeichen ohne Gleichen, das Symbol unsres Glaubens, das wir so gerne sehen auf unsern Gräbern, auf unsern Kirchtürmen, auf unsern Altären, in unsern Häusern? Und sind nicht Jesu, unserm Haupte, nach alle Apostel, alle Märtyrer, alle Diener und Kinder Gottes aller Zeiten die Kreuzesstraße gewandelt? Redet nicht die ganze heilige Schrift Alten und Neuen Testaments so viel vom Leiden derer, die auf Gottes Wegen gehen und Christo nachfolgen? Da heißt es: „Mein Kind, willst du Gottes Diener sein, so schicke dich zur Anfechtung. Will mir jemand nachfolgen, der verleugne sich selbst, und nehme sein. Kreuz auf sich täglich und folge mir nach. Alle, die gottselig leben wollen in Christo Jesu, müssen Verfolgung leiden. Welchen der Herr lieb hat, den züchtigt er; er stäupt einen jeglichen Sohn, den er aufnimmt. Ihr Lieben, lasst euch die Hitze, die euch begegnet, nicht befremden, als widerführe euch etwas Seltsames, sondern freut euch, dass ihr mit Christo leidet.“ Und Jakobus fügt heute hinzu, gleich im Anfang seiner Epistel: Meine lieben Brüder, achtet es eitel Freude, wenn ihr in mancherlei Anfechtungen fallt! Anfechtungen von innen und außen, Anfechtungen Leibes und der Seele, Anfechtungen um Christi willen, Anfechtungen durch Not, Krankheit, Schwachheit, Armut, Schmerzen, Elend und dergleichen. O diesen Kreuzesweg verstanden die ersten Christen gar gut. Sie wussten, dass lauter gute Tage uns nur schädlich wären. Von einem frommen Vater der alten Kirche, der alljährlich vom Fieber geplagt ward, wird erzählt, er habe dieses Fieber seinen lieben Hausgast genannt, der ihn jährlich an die Liebe Gottes erinnere. Und als es einst ein Jahr ausblieb, trauerte er darüber, dass sein lieber Hausgast ausgeblieben sei. Er fürchtete, Gott habe ihn nicht mehr so lieb, weil er ihm dieses Jahr keinen Boten gesandt habe, ihn zu sich zu ziehen.
Warum ist für uns Alle die Leidensschule so nötig? Wozu wird uns das Kreuz gesandt vom Herrn? Durch Leiden straft und züchtigt uns der Herr für unsre Sünde und Missetat. Durch Leiden weckt er uns auf aus der Schläfrigkeit und Trägheit. Durch Leiden läutert und reinigt er uns von den anklebenden Schlacken der Sünde und Weltliebe. Durch Leiden löst er uns los von der Erde, zieht uns zu sich und erzieht uns für den Himmel. Im Leiden wird unser Glaube geübt, bewährt und geprüft, ob er rechtschaffen ist. Davon redet Jakobus zunächst in unserm Texte. Deswegen sagen wir: Das Gold wird auf dem Feuerherd, der Christ in mancher Not bewährt.
Ja wohl, der Christ muss bewährt werden im Ofen des Elends. Dein Glaube kann sich erst als echt und wahr beweisen im Feuer der Trübsal, im Leiden, im Dulden, im Tragen, im Kämpfen. Es ist gut glauben an Gottes Allmacht, Weisheit, Liebe und Treue, wenn die Sonne am blauen Himmel freundlich lacht und ungetrübtes Glück und Wohlergehen dir blüht, wenn Scheune und Keller voll sind und nirgends Mangel und Not zu finden ist, wenn du eine kräftige Gesundheit hast, wenn deine Geschäfte gut gehen und du alljährlich einen schönen Gewinn erzielst, wenn dein Geld gut angelegt ist und überhaupt deine Verhältnisse glückliche zu nennen sind. Es ist gut glauben hier in Gottes Haus, an der Stätte, da seines Namens Ehre wohnt, wenn dein Herz, umgeben von der Gemeinde, getragen vom Gesang, gehoben durchs Gebet, erbaut durch die Predigt in seliger Andacht glüht. Da können Tränen der Rührung über deine Wangen rollen, du kannst alles Erdenweh vergessen, du kannst die schönsten Vorsätze und besten Entschlüsse fassen, du kannst ausrufen wie Petrus auf dem Berg der Verklärung: Herr, hier ist gut sein, hier lass mich eine Hütte bauen! Aber du musst wieder herab vom Berge der Verklärung, von den lichten, seligen Höhen Tabors, herab ins Tränental, in die raue Wirklichkeit, in die einförmige Alltäglichkeit, in Versuchung und Anfechtung, in Kreuz und Ungemach, in Not und Elend, in Kummer und Sorge, in Armut und Krankheit, in Schwachheit und mancherlei Widerwärtigkeit, in Verkennung, Zurücksetzung, Anfeindung, Verachtung da, da muss dein Christenglaube sich bewähren, da muss das Gold des Glaubens sich als echt beweisen. Aber wie oft stellt es sich da heraus als Flittergold, das im Feuer verbrennt. Zu Johann Mathesius kam einst ein Bauer und sagte: „Ich mag kein Kind Gottes mehr sein, denn Gott lässt es seinem Kinde zu schlecht gehen!“ wie viele machen es ähnlich wie dieser Bauersmann. Sie verlieren den Mut unter dem Druck des Kreuzes, sie werden innerlich verbittert unter der Last, die auf ihnen liegt, Misstrauen gegen Gott schleicht sich in ihr Herz ein, sie zweifeln oder verzweifeln gar an Gottes Liebe, Macht und Weisheit, und kehren ihrem Gott den Rücken. Wollen wir es auch so machen, meine Lieben? Nein! und noch einmal: nein! Herr, wohin sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens, die auch im bittersten Schmerze uns Labung und Erquickung bringen, unsern Mut neu anfachen und unsern Geist stärken, dass wir auffahren mit Flügeln wie Adler, dass wir laufen und nicht matt werden, dass wir wandeln und nicht müde werden. Ja, du hast Worte des ewigen Lebens, und wir haben geglaubt und erkannt, dass du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes. Wenn auch Leiden und Trübsale wie Berge mich umgeben, dennoch bleibe ich stets bei dir; denn du hältst mich bei meiner rechten Hand, wie ein lieber Vater sein schwaches Kind, du leitest mich nach deinem Rat und nimmst mich endlich mit Ehren an. Wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde. Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil.
Bei dir, Jesu, will ich bleiben,
Stets in deinem Dienste stehen;
Nichts soll mich von dir vertreiben,
Deine Wege will ich gehn.
Du bist meines Lebens Leben,
Meiner Seele Trieb und Kraft,
Wie der Weinstock seinen Reben
Zuströmt Kraft und Lebenssaft.
Könnt ichs irgend besser haben,
Als bei dir, der allezeit,
So viel tausend Gnadengaben
Für mich Armen hat bereit?
Könnt ich je getroster werden,
Als bei dir, Herr Jesu Christ,
Dem im Himmel und auf Erden
Alle Macht gegeben ist!
Ja Herr, stärke uns den Glauben, mehre uns den Glauben, und hilf uns im Leiden dieser Zeit zur rechten Bewährung des Glaubens!
Worin besteht aber diese Bewährung? „Wisst, dass euer Glaube, so er rechtschaffen ist, Geduld wirkt. Die Geduld aber soll fest bleiben bis ans Ende, auf dass ihr seid vollkommen und ganz und keinen Mangel habt.“ Spricht es Jakobus nicht klar und deutlich aus, wodurch der Glaube sich als echt und rechtschaffen beweist und bewährt in der Angst und Not des Lebens? Durch Geduld, die fest und unbeweglich bleibt bis ans Ende, wenn die Trübsal auch noch so lange währt. Ja Geduld ist das Kennzeichen der wahren Jünger Jesu; die köstliche Geduldsfrucht muss auf deinem Glaubensbaume wachsen, wenn er gesund ist. Geduld musst du haben, mein lieber Christ, auch in den schwersten Lagen und Umständen des Lebens. Ein rechter Christ hat stille Geduld, die sich kindlich und willenlos in Gottes heiligen Liebeswillen legt und unter allem Kreuz und Leiden spricht: Leg auf, Herr, ich will's gern tragen, denn es kommt von deiner Hand; deine Hand ist eine Hand der Liebe, sie mag nun wohltun und segnen, oder wehe tun, züchtigen und strafen. Ein rechter Christ hat männlich starke Geduld, die aufrecht und feststeht in Sturm und Wetter, heldenmütig streitet und kämpft, bis der Sieg errungen ist, trägt und duldet und ausharrt auch in den schwierigsten und widerwärtigsten Verhältnissen, so lange es dem Herrn gefällt. Ein rechter Christ hat freudige Geduld, die nicht nur leidet, weil man leiden muss und das Leiden nicht zu ändern ist, mit innerem Widerwillen und Widerstreben, sondern gern und willig, ja getrost und fröhlich, weil das Leiden, seit Christus gelitten hat, eine Ehre ist und uns dem großen Kreuzträger ähnlich macht; freudige Geduld, die nicht sauer sieht und kein trübes Gesicht macht, wenn der Himmel des Lebens sich umwölkt, sondern sich freut, in mancherlei Anfechtungen zu fallen, weil das Leiden für das Wachstum des inneren Menschen so gesegnete Früchte trägt; freudige Geduld, die mitten im Kreuz Gott den Herrn lobt wie Hiob, sich des Heilands getröstet und der seligen Christenhoffnung sich rühmt. Des großen Chrysostomus, jenes gewaltigsten Predigers der alten Kirche, Wahlspruch war: Gelobt sei Gott für Alles! Dieser Mann Gottes musste durch zahllose Leiden gehen. Getrost und freudig trug er seinem Heiland das Kreuz nach. Er wurde mehrmals, weil er mit furchtbar ernster Beredsamkeit gegen die Ausschweifungen des Hofes predigte, in die Verbannung abgeführt. Zuletzt starb er im äußersten Elend, noch mit sterbenden Lippen seinen Wahlspruch hauchend: Gelobt sei Gott für Alles. O dass auch wir eine solche freudige und fröhliche Geduld besäßen, die Gott lobt und des Heilands sich freut auch im bittersten Leide. Sie ist das Siegel eines echten Christentums, das Wahrzeichen eines rechtschaffenen Glaubens. Wir wollen solche Geduld uns erbitten von dem Lamme Gottes, das uns ein Vorbild gelassen hat, dass wir sollen nachfolgen seinen Fußstapfen. Ja
Gekreuzigter, lass mir dein Kreuze
Je länger und je lieber sein!
Dass mich die Ungeduld nicht reize,
So pflanz ein solches Herz mir ein,
Das Glauben, Lieb und Hoffnung hegt,
Bis dort mein Kreuz die Krone trägt.
Wir gehen einen Schritt weiter an der Hand unsres Textes, und sagen:
II.
Die Trübsal treibt hin zu Gott, und lehrt uns beten in der Not. Wie Mancher ist schon durch Kreuz und Elend zu Gott hingetrieben worden. Wie Mancher hat schon in der Trübsal mit dem verlorenen Sohne sprechen gelernt: Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe gesündigt in den Himmel und vor dir, ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße; mache mich als einen deiner Tagelöhner. Wie viele Kranke haben mir schon bekannt: Ich kann Gott nur danken, dass ich krank geworden bin; da bin ich aufgeweckt worden, da habe ich mit neuem Ernst Gott suchen gelernt. Und sie segneten ihr Krankenlager, sie segneten die Stätte dieses Krankenhauses. Man darf wohl sagen: die Meisten haben auf dem Wege der Trübsal Gott den Herrn gefunden. Herr, wenn Trübsal da ist, so sucht man dich. Die Anfechtung lehrt aufs Wort merken. Mancher musste arm werden an irdischem Gut, damit er reich würde in Gott. Mancher musste krank werden, damit er genäse am inwendigen Menschen und gesund würde an der Seele zu neuem Leben des Glaubens, der Liebe und der Hoffnung. Mancher musste lahm, blind, taub werden, damit ihm das innere Auge und Ohr geöffnet würde, damit er lernte auf dem schmalen Pfad wandeln und nach dem himmlischen Kleinod laufen. Wie Mancher hat erst durch den Verlust der Weltgunst und Ehre bei den Menschen die Gunst und Gnade des Heilands und die Ehre, die bei Gott ist, die Ehre der Gotteskindschaft, suchen gelernt. Wie Mancher hat sich erst unter allerhand Anfeindungen von den Menschen, vielleicht von vermeintlichen Freunden nach Gottes Freundschaft umgesehen und die selige Erfahrung gemacht: der beste Freund ist in dem. Himmel, auf Erden sind die Freunde rar. Wie Viele haben. erst, als sie ihr Liebstes und Teuerstes auf Erden ins Grab legen mussten, angefangen nach dem Himmel auszuschauen, zu fragen: was soll ich tun, dass ich selig werde? und sich mit dem bekannt zu machen, der allein sagen kann: Ich bin die Auferstehung und das Leben; wer an mich glaubt, der wird leben, ob er gleich stürbe, und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben. Ja die Trübsal treibt hin zu Gott. Sie ist von der größten Bedeutung für das innere Leben der Kinder Gottes. Ich muss von mir selbst bekennen, dass ich in kranken Tagen und unter schweren Heimsuchungen meinem Heiland am nächsten gekommen bin. O da lernt man sich flüchten unter seine Gnadenflügel, da lernt man sich anlehnen an seine Seite und sich anschmiegen an sein treues Herz wie ein kleines Kind. Diese Erfahrung haben schon unzählige Christen gemacht. Oft tritt im Glaubensleben eine gefährliche Windstille ein. Das Schifflein des Glaubens steht auf seiner Bahn still. Der geistliche Mensch liegt da in träger Ruhe und Sicherheit. Da kann nur durch Leidensstürme geholfen werden. Ein scharfer Nordwind der Trübsal muss sich erheben, um die Seele aufzuwecken, dass sie wieder mit vollen Segeln der ewigen Heimat zusteuert. Die Trübsal treibt hin zu Gott und lehrt uns beten in der Not. Not lehrt beten, sagt schon das Sprichwort. Und das Leben bezeugt's hundert- und tausendfach. Wie hat jener königliche Hofbeamte, dessen Sohn krank lag zu Kapernaum, unter der Last der Sorge um das teure Leben seines Lieblings beten gelernt. Während er in guten Tagen das leichtsinnige Hofleben mitmachte und um Gott und Ewigkeit sich nicht viel kümmerte, lief er, gedrückt von seinem schweren Hauskreuz, in der Angst seines Herzens fünf Meilen weit von Kapernaum nach Cana und bat Jesum flehentlich: Herr, komm hinab, ehe denn mein Kind stirbt. Und jenes kananäische Weib, deren Tochter vom Teufel übel geplagt war, wie lief sie dem Heiland nach, wie kniete sie vor ihm nieder, wie hielt sie an mit Beten, Flehen und Schreien! Die Not, das namenlose Elend hat sie so kräftig, so innig, so demütig, so anhaltend, so flehentlich beten gelehrt.
Auch unser Text redet vom Beten in der Not. „So jemand unter euch Weisheit mangelt“ oder sonst irgendetwas, ein inneres oder äußeres Gut mangelt „der bitte von Gott, der da gibt einfältig jedermann, und rückt es niemand auf, so wird sie ihm gegeben werden.“ Hab Dank, lieber Jakobus, möcht ich ausrufen, dass du uns so schlicht und einfach, so klar und deutlich den Weg zeigst, wie wir es machen sollen in des Lebens Not. So jemand Weisheit mangelt, oder sonst irgendetwas mangelt, so jemand von irgendwelcher Not gedrückt wird: der bitte von Gott!
Nicht: der sorge und ängstige und quäle sich ab, nicht: der zerbreche sich den Kopf über die Mittel und Wege der Abhilfe, und laufe bei allen Leuten umher und klopfe an allen Türen an - nein, an der Himmelstüre klopfe er an, den Weg nach Oben schlage er ein er bitte von Gott! Hinauf die gefalteten Hände, empor das betende Herz, himmelan mit dem flehenden Auge! Er bitte von Gott, dem Geber aller guten und aller vollkommenen Gabe, dem Brunnen alles Lebens, der Quelle aller Hilfe und alles Segens, von Gott, der da gibt einfältig jedermann, und rückt es niemand auf. ist das für ein herrlicher Zusatz, was ist das für eine köstliche, trostreiche Beschreibung unsres Gottes: „Gott gibt einfältig jedermann, und rückt es niemand auf.“ Ja Gott der Herr gibt, Geben ist seine Lust, er ist immer im Geben begriffen. Er lässt sich nicht nur bitten, er gibt auch, was wir bedürfen zur rechten Zeit und Stunde. Euer Vater weiß, was ihr bedürfet, ehe denn ihr ihn bittet. wie viel hat er uns gegeben in unserm ganzen Leben. Er ist der Gott, der uns von Mutterleib und Kindesbeinen an unzählig viel zu gut bis diese Stunde getan. Er gibt einfältig: von Herzen und reichlich, ohne zu berechnen und zu zählen, ohne der immer wieder kommenden Beter und Bettler müde zu werden. Er gibt jedermann: den Armen und den Reichen, den Kranken und den Gesunden, den Traurigen und den Fröhlichen, den Jungen und den Alten, auch den Unwürdigen, die seine Gaben nicht verdienen. Er lässt seine Sonne aufgehen über die Bösen und über die Guten, und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte. Und er rückt's niemand auf, er macht niemand einen Vorwurf und Vorhalt, wie viel er ihm schon gegeben habe. O meine Lieben, muss man zu einem solchen gnädigen und treuen Gott und Vater nicht ein getrostes Herz fassen, und ihm nicht Alles zutrauen? Darum ermahnt Jakobus weiter: „Er bitte aber im Glauben und zweifle nicht; denn wer da zweifelt, der ist gleich wie die Meereswoge, die vom Winde getrieben und gewebt wird. Solcher Mensch denke nicht, dass er etwas vom Herrn empfangen werde. Ein Zweifler ist unbeständig in allen seinen Wegen.“ Hast du's gehört, mein lieber Christ: „er bitte aber im Glauben?“ Du bist gemeint, du sollst im Glauben bitten. Im Glauben, dass Gott Gebete erhört. Im Glauben an Gottes Allmacht, die Alles kann und Alles vermag, der nichts zu schwer und nichts zu groß ist. Im Glauben an die Treue deines Gottes, der alle seine Verheißungen hält und dich nicht verlassen noch versäumen wird. Im Glauben an die Liebe deines Gottes, der seinen eingebornen Sohn dir geschenkt hat; wie sollte er dir mit ihm nicht alles schenken? Im Glauben an die Weisheit deines Gottes, der am besten weiß, was dir gut und heilsam ist, und, wo du mit allem Nachdenken und Grübeln keinen Ausweg finden kannst, plötzlich eine Türe auftut und alles herrlich hinausführt. Selig, wer in solchem Glauben bittet! Selig, wer nicht nur in der Not, nicht nur im Leide, sondern auch in der Freude zum Herrn betet und im Gebetsumgang mit seinem Gott und Heiland sein höchstes Glück findet. Die Trübsal treibt hin zu Gott, und lehrt uns beten in der Not. Und endlich sagen wir:
III.
Je größer Kreuz, je lieber Sterben; durchs Sterben gehts zum sel‘gen Erben. Das Kreuz ist das Messer in Gottes Hand, womit er die Bande des irdischen Sinnes entzweischneidet, die innersten Fasern unsres Herzens mehr und mehr loslöst von der Erde, und uns frei macht vom Hängen und Kleben an der Welt. Unter dem Druck des Kreuzes lernt man die Nichtigkeit alles Irdischen, die Vergänglichkeit aller Lust und aller Herrlichkeit der Welt erkennen. Da lernt „ein Bruder, der niedrig ist“ wie Jakobus sagt äußerlich gering und unangesehen ist, „sich rühmen seiner Höhe“, seines Christenadels und seiner Gnadenhöhe, die hinaufreicht bis zum Himmel, bis in die ewige Heimat; und „der da reich ist“, groß angesehen und herrlich vor der Welt, lernt „sich rühmen seiner Niedrigkeit“, lernt erkennen und einsehen, dass aller Reichtum, alle Macht, alle Lust, alle Herrlichkeit, alle Schönheit der Welt vergeht, wie die Blume des Grases verwelkt. Wer durch eigenes oder durch fremdes Leiden die Schattenseite des Erdenlebens reichlich erfahren hat, der lernt ausschauen nach der hellen Sonne des ewigen Lebens und dahin blicken, wo kein Leid und kein Schmerz und kein Geschrei mehr ist. Da verliert der Tod mehr und mehr seine Schrecken; er wird ein Lieber Freund, den man gerne begrüßt, weil er die Türe öffnet zu den ewigen Freuden des Vaterhauses.
Da hat ein Paulus Lust zu scheiden;
Ein Abraham ist lebenssatt;
Da wird ein Hiob müd und matt
Von langem Sehnen in dem Leiden;
Elias wünscht bei seinem Wandern
Zu schließen den betrübten Lauf;
Von einem Morgen bis zum andern
Sieht David nach der Hilfe auf.
Ist's nicht also: je größer Kreuz, je lieber Sterben? Und warum auch nicht? Wissen wir doch, dass, wenn Christus unser Leben ist, dann Sterben unser Gewinn ist. Durchs Sterben geht's zum selgen Erben. Das merke dir, du müder Kreuzträger und Pilgrim Gottes: Droben gehts zum seligen Erben! Droben darfst du Besitz ergreifen von dem Erbteil der Heiligen im Lichte, von dem Erbe, das unverweslich, unbefleckt und unverwelklich ist und behalten wird. im Himmel allen denen, die aus Gottes Macht durch den Glauben bewahrt werden zur Seligkeit. Muss diese Hoffnung und selige Gewissheit dich nicht heben und stärken und dein Auge himmelan richten in allem Kreuz und Leiden der Erde? Du Armer, der du hienieden nicht die kleinste Hütte dein Eigen nennen darfst, wie wirst du, wenn du deine Armut mit Christo getragen hast, droben dich ergötzen an den Schätzen und Reichtümern des Himmels; wie wirst du droben im großen, freien, schönen Vaterhaus, wo viele Wohnungen sind für Gottes Kinder, dich so behaglich und selig fühlen in deiner Wohnung, die für dich aufs lieblichste und freundlichste bereitet ist von der Hand der ewigen Liebe. Da ist kein Mietzins mehr aufzubringen mit Angst und Not. Die Gnade Gottes schenkt solche himmlische Wohnung mit königlicher Huld als ewiges Eigentum. Sich, das ist dein Erbteil im Lichte. Und du Kranker, der du vielleicht dein Leben lang mit einer schwachen. Gesundheit zu kämpfen hast, wie wirst du, wenn du unter dem Kreuz der Krankheit Christus gesucht und gefunden, droben einst dich so wonniglich wohl fühlen im Genuss der ewigen Gesundheit, befreit von aller Müdigkeit, aller Mattigkeit, aller Schwachheit, allen Schmerzen, aller Krankheit, durchströmt von lauter Kraft, Gesundheit, Lebensfrische und Stärke. Was hier kränkelt, seufzt und fleht, Wird dort frisch und herrlich gehn; Irdisch werd ich ausgesät, Himmlisch werd ich auferstehen; Hier sink ich natürlich ein, Nachmals werd ich geistlich sein. Sieh, das ist dein Erbteil im Lichte! Und du Angefochtener, der du hienieden durch manchen schweren Herzenskampf und heiße innere Anfechtung gehen musst, und zu keinem rechten Frieden, zu keiner bleibenden Ruhe gelangen kannst trotz alles Ringens, Betens und Flehens, sondern es heißt bei dir oft und viel: „uns ist bange“ höre: Es ist noch eine Ruhe vorhanden dem Volke Gottes; wer zu seiner Ruhe gekommen ist, der ruht von seinen Werken, gleich wie Gott von seinen. O wie wohl, wie wohl wird's tun, nach heißem Kampf dort ewig ruh‘n. Sich, das ist dein Erbteil im Lichte! Und du von den Menschen, vielleicht von deiner nächsten Umgebung Verkannter, Zurückgesetzter, Verstoßener, Angefeindeter, Verachteter: wie werden droben die heiligen Engel Gottes dich freundlich empfangen, dich zu Ehren bringen und vor den Thron des Lammes geleiten; wie werden die Überwinder und auserwählten Geister der vollendeten Gerechten deine Freunde sein und dich mit offenen Armen in ihrem Kreise bewillkommnen. Hier übel genannt Und wenig erkannt, Hier heimlich mit Christo im Vater gelebt, Dort öffentlich mit ihm im Himmel geschwebt! Sieh, das ist dein Erbteil im Lichte! Und du, den mannigfaches Kreuz hienieden drückt, der sich beständig in täglicher Verleugnung üben muss, oft in den kleinsten Dingen, was das Schwerste ist: droben geht's zum Genießen, zum Haben und Besitzen der ewigen, unvergänglichen Güter, der seligsten Genüsse: Du Trauriger, der hier unten manche stille Träne weint und sein Elend oft niemand klagen kann: droben wird auch die letzte Träne abgewischt werden von deinen Augen. durch die zarte Hand deines himmlischen Freundes; ewige Freude wird über deinem Haupte sein, Freude und Wonnewerden dich ergreifen, und Schmerz und Seufzen wird weg sein. müssen. Sieh, das ist dein Erbteil im Lichte. O was wird das für ein seliges Erben sein! Welches Entzücken wird die von allem Erdenleid erlöste Seele ergreifen! Welche Wonne wird den vom Erdenstaub befreiten Geist durchströmen! Da wird unser Mund voll Lachens und unsre Zunge voll Rühmens sein, da wird man sagen: der Herr hat Großes an uns getan, des sind wir fröhlich.
Hier unten hat Mancher nicht viel Gutes zu genießen und von den Gütern der Welt nichts zu erben; Kreuz und Elend sind sein Los und begleiten ihn bis zum Grab. Aber nur getrost! Droben wirst du, wenn du dein Kreuz, dein Elend, deine Not, deine Armut mit Christo getragen hast, ein reiches Erbe eintun, ein seliges Erbe. „Selig ist der Mann, der die Anfechtung erduldet; denn nachdem er bewährt ist, wird er die Krone des Lebens empfangen, welche Gott verheißen hat denen, die ihn liebhaben.“ Was soll ich noch weiter sagen, meine Lieben? Gegen diese Krone des ewigen Lebens, die einst das Haupt der Überwinder schmücken wird, sind alle Ehrenkronen der Menschen, alle Fürsten- und Königskronen der Erde nur Staub und Asche, nichts, rein nichts, ja man kann von einer Vergleichung gar nicht reden. Was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, das hat Gott bereitet denen, die ihn lieben. Der ärmste Tagelöhner und geringste Stallknecht, wenn er nur Jesum liebhat, empfängt die Krone des Lebens so gut wie der König im Purpurmantel und der Kaiser auf dem Thron. Gott hat sie verheißen allen denen, die ihn liebhaben. So lasst uns Ihn lieben, denn er hat uns zuerst geliebt. Lasst uns aus Liebe zu unserm großen Gott und Heiland, der uns bis in den Tod geliebt hat, die Welt und Sünde verleugnen, der vergänglichen Lust dieser Zeit absterben, und auch das schwerste und bitterste Kreuz, das er uns auflegt, gern und willig, getrost und fröhlich tragen, damit unser Glaube bewährt und rechtschaffen erfunden werde. Lasst uns kämpfen den guten Kampf des Glaubens, den Lauf vollenden und getreu sein bis in den Tod.
So lasst uns denn dem lieben Herrn
Mit unsrem Kreuz nachgehen;
und wohlgemut, getrost und gern
Im Leiden bei ihm stehen.
Wer nicht gekämpft, trägt auch die Kron
Des ewigen Lebens nicht davon.
Amen.