Kapff, Sixtus Carl von - Saulus, Paulus - Predigt.

Christus vergleicht Matth. 13, 44 ff. das Reich Gottes einem verborgenen Schatz im Acker, welchen ein Mensch fand und verbarg ihn und ging hin vor Freuden über denselbigen und verkaufte Alles, was er hatte und kaufte den Acker.

Der Schatz im Acker ist Jesus Christus, dessen Niedrigkeit Seine Herrlichkeit verbarg. Der Acker ist Gottes Wort, in dessen Tiefe und Fülle das Leben und der Geist Jesu dem Unglauben verborgen, aber dem Glaubensauge offenbar ist.

Oft fallen diese Gegensätze in das Leben Eines Mannes herein. Das ausgezeichnetste Beispiel hierfür ist der Apostel Paulus.

Saulus, so erzählt uns die Apostelgeschichte in ihrem 9ten Kapitel, schnaubte, auch nach dem Märtyrertode des Stephanus, noch mit Drohen und Morden wider die Jünger des HErrn. Seine Wut hatte auf dem Wege nach Damaskus ihren Höhepunkt erreicht. Selbst schwache Frauen wollte er gebunden nach Jerusalem führen.

In der syrischen Stadt wusste man, dass er komme, um Alle zu binden, welche den Namen des HErrn Jesu anrufen. Wer beten konnte, der betete. Hier konnte man schwache Frauen auf ihre zitternden Knie sinken sehen, um im Glauben an ihren geliebten HErrn neu gestärkt sich zu erheben. Dort reichten gläubige Männer einander die Bruderhand und verbanden sich, auf den teuren Namen des HErrn Jesu lieber zu sterben, als Ihn zu verraten oder zu verleugnen. Hier war Geduld und Glauben der Heiligen. Aus mehr als 100 Seelen hörte der HErr zumal den dringenden Hilferuf. Wir lassen Dich nicht, Du segnest uns denn rangen sie im Geiste des Erzvaters Jakob, der in Christo auch ihnen angehörte, und siegten; Gott konnte so vielen vereinigten Bitten im Namen Jesu nicht widerstehen.

Da Saulus auf dem Wege war und nahe bei Damaskus kam, umleuchtete ihn plötzlich ein Licht vom Himmel. Und er fiel auf die Erde und hörte eine Stimme, die sprach zu ihm: Saul, Saul, was verfolgst du mich? Er aber sprach: HErr, wer bist Du? Der HErr sprach: Ich bin Jesus, den du verfolgst. Es wird dir schwer werden, wider den Stachel löcken.

Da lag nun der starke Mann auf dem Boden mit Zittern und Zagen als ein armer Mann, der Nichts hatte, als den Blutbrief des Hohepriesters in der Tasche und darunter ein zerschlagenes Herz. HErr, wer bist Du? Der Schatz war verborgen. Im Lichte der Offenbarung Jesu Christi ist der Schatz den Augen der Welt verborgen. Furcht und Sehnsucht war wohl in dieser bangen Frage des Saulus beisammen.

Die Antwort lautete freundlich, aber ernst. Ich bin Jesus - damit erschien dem tief gebeugten Geiste die Freundlichkeit und Leutseligkeit Gottes, unsers Heilandes, wie er sie selbst lange nachher seinem rechtschaffenen Sohne Titus (3, 4.) beschrieb. Den du verfolgst - die Gnade im Namen Jesu führte ihn alsbald auf sein Herz. Es ward ihm in scharfen Zügen das Bild seines Herzens vor die Seele gestellt. Er klagt sich nachher selbst an, er sei ein Lästerer und ein Verfolger und ein Schmäher gewesen (1 Tim. 1, 13.).

In dieser ergreifenden Stunde trat ihm zum Ersten Mal in seinem Leben Jesus, der Verfolgte, in voller Majestät seiner Gottheit, aber auch voll Milde, als des Menschen Sohn, in den Weg. Von dort an behielt er Jesum, den Gekreuzigten und Auferstandenen, im Gedächtnis.

Gottes Kraft und Liebe schnitt ihm damals gleich allen Widerstand mit den Worten ab: Es wird dir schwer werden, wider den Stachel löcken. Und Saulus sprach mit Zittern und Zagen: HErr, was willst Du, dass ich tun soll? Der HErr sprach zu ihm: Stehe auf und gehe in die Stadt; da wird man dir sagen, was du tun sollst.

Damit war eine Gemeinschaft zwischen Jesu und dem nachmaligen Paulus gegründet, die Gemeinschaft des HErrn mit seinem Knechte, ja des Kindes mit seinem himmlischen Vater durch Christum. Mit der Bitte und Frage: HErr, was willst Du, dass ich tun soll? begab Saulus sich selbst Gott, als der da aus den Toten lebendig geworden war und seine Glieder Gott zu Waffen der Gerechtigkeit. Nun er frei gemacht wurde von der Sünde, ist er ein Knecht geworden der Gerechtigkeit. Was er bisher getan, war unwissend im Unglauben getan. Jetzt war ihm Barmherzigkeit widerfahren. Er hatte den Schatz der Menschheit, ihr höchstes Gut, Jesum Christum, den HErrn, gefunden. In den Worten des HErrn selbst ward er ihm geschenkt. Im Worte Gottes finden wir allezeit Jesum durch den Glauben.

Und nun, lieber Leser, betrachte den Einzug des so gefürchteten Gesandten der Hohepriester in der Stadt Damaskus. Seine selbst vor Schrecken erstarrten Begleiter führten ihn erblindet bei der Hand durch das Stadttor hinein. Und drei Tage lang erfuhren die erstaunten Christen von seinen furchtbaren Maßregeln Nichts. In tiefer Abgeschiedenheit saß er und aß nicht und trank nicht. O wie beugt die Sünde! Aber wie vielmehr demütigt die Gnade!

Doch Jesus half ihm durch diese betrübte Stunde durch. Ein lieber Bruder ward vom HErrn überzeugt, dass es Saulo ein rechter Ernst sei und ging hin und kam in das Haus und legte die Hände auf ihn und sprach: Lieber Bruder Saul, der HErr hat mich gesandt, dass du wieder sehend und mit dem heiligen Geiste erfüllt werdest. Und Saulus ward wieder sehend und stand auf, ließ sich taufen und nahm Speise zu sich und stärkte sich.

Auf dem Wege war Saulus in die Gemeinschaft Gottes eingetreten, und nun labte er sich in der Gemeinschaft der Brüder. Sein erster Bruder war Ananias. Siehe, er betet hatte der HErr zu Ananias von ihm gesagt. O selige Zeit der Anfechtung, wenn sie uns beten und auf das Wort merken lehrt. In der wohltuenden Gemeinschaft der Heiligen machte ihn Jesus stark. Er hatte aber das Evangelium von keinem Menschen empfangen noch gelernt, sondern durch die Offenbarung Jesu Christi. Und deshalb predigte er auch alsobald Christum in den Schulen, dass derselbige Gottes Sohn sei. Das gab begreiflicher Weise ein allgemeines Aufsehen. Er aber ward immer kräftiger.

Aber der Schatz, den er kaum gefunden, musste wieder verborgen werden. Der HErr, welcher sich seine Arbeiter selbst heranbildet, führte Paulum nach Arabien in die Stille. In einer einsamen Wohnung der abgeschlossenen Halbinsel lebte er mit anhaltendem Gebet und Bibellesen beschäftigt. In den Psalmen und Propheten war ihm nun im Lichte der Offenbarung Christi Alles wie neu. Er führte nun das Evangelium, das er von Christo gelernt hatte, in die Tiefe seines Lebens ein. In der Stille dachte er den Worten Jesu nach und bewegte sie in seinem Herzen. Sein Geist gründete sich zwei Jahre lang (Gal. 1, 17. 18.) fest und klar auf den Fels des Wortes Gottes. Diese Zeit eines ungestörten und freien Umgangs mit Gott sollte diesem Apostel den 3jährigen persönlichen Verkehr der andern Apostel mit Jesu teilweise ersetzen. Er nahm da, wie sie früher, aus Seiner Fülle täglich Gnade um Gnade.

Nun war sein inneres Leben reichlich genährt und in der Kraft Gottes kam er wieder nach Damaskus. Nach einjährigem kräftigen Wirken daselbst besuchte er die Apostel und die Gemeine in Jerusalem. Hier ward er anfänglich mit Misstrauen empfangen, bald aber von Barnabas bei den Aposteln eingeführt und beglaubigt, und war nun bei ihnen im Hause des Petrus 15 Tage lang und predigte den Namen des HErrn Jesu frei. Aber wie die Juden in Damaskus, so stellten ihm nun hier die Griechen nach dem Leben. Deshalb begleiteten ihn die Brüder nach Cäsarien, von wo er in seine Heimat Tarsus zog, wo er eine Zeit lang von dem HErrn Jesu predigte.

Ein solches Arabien hat wohl jeder wahre Christ. Es sind besondere Umstände und Zustände, in welchen der HErr uns in die Stille und ins Bedenken seines Wortes und seiner Wege führt. Viel Ähnlichkeit mit einem solchen Arabien hat auch unser liebes Wilhelmsdorf, wo schon Manche in tiefes Nachdenken der Wege und des Wortes Gottes geführt worden sind. Und doch, wenn wir bei allen Opfern, welche Einzelne gebracht haben und noch fortwährend bringen, hier Demut und Genügsamkeit lernen, so ist der Preis nicht zu teuer.

Übrigens gibt es auch sonst da und dort einen Hausvater oder eine begabte Mutter, welche ihre höhere Begabung oft nicht entsprechend entwickeln oder anwenden können. Da schleicht sich nach der Hitze des Tages der düstere Geist des Missvergnügens in das sonst heitere Gemüt und will ihnen die große Treue in kleinem Berufe entleiden.

Solche Seelen mögen die Bibel aufschlagen und die Stelle annehmen: „Ei du frommer und getreuer Knecht, du bist über Wenigem getreu gewesen; Ich will dich über Viel setzen. Gehe ein zu deines HErrn Freude“ (Matth. 25, 24.).

So kann es insbesondere auch einem Lehrer scheinen, als ob seine Kräfte und Talente nutzlos liegen, wenn er Jahr aus Jahr ein an den Kleinen arbeitet. Dieser Boden trägt bekanntlich oft sehr langsam eine Frucht. Aber der, welcher die Lämmer in Seine Arme sammelt und in Seinem Busen trägt, wird sie einst königlich dafür belohnen. Denn die Lehrer werden leuchten, wie des Himmels Glanz (Dan. 12, 3.).

Liebe Jünglinge! In der Einsamkeit des Gebets wird der Bösewicht überwunden und das Wort Gottes verstanden und lieben gelernt.

Und diejenigen Jungfrauen, welche in sanftmütigem und stillem Geiste das Leben Jesu zu dem ihrigen machen, werden jenen klugen Jungfrauen gleich, die zum Abendmahle des Heilandes eingehen dürfen, weil sie das reine Öl des Heiligen Geistes bei sich haben.

Mögen sodann auch die lieben Kranken und Angefochtenen, welche manche Last und Bürde drückt, in ihren Leiden auf Jesum, den Anfänger und Vollende des Glaubens hinblicken und von Ihm glauben lernen. In Gethsemane rief Er: Vater, ist's nicht möglich, dass dieser Kelch vorübergehe, ich trinke ihn denn, so geschehe Dein Wille! Das ist der Glaubensgehorsam, der eine große Belohnung hat. Gleichwie das Haupt nach seinem Leiden mit Preis und Ehre gekrönt worden ist, also werden auch alle seine Glieder, welche ihr Kreuz auf sich nehmen und Ihm nachfolgen, Seine Herrlichkeit sehen und mit und in Seiner Liebe eins werden.

Wer in Seinem Leiden treu ist, den erfreut sein HErr Jesus Christus auch im Leiden. Er geht hin vor Freuden, verkauft Alles, was er hatte und kauft den Acker. Dies ist an Manchen buchstäblich erfüllt worden. Das Leiden hat sie zur Bibel geführt. In diesem Acker haben und behalten sie Gott.

Einen völligen Ausverkauf von Allem, was er hatte, sehen wir bei Paulus.

In seiner großen Freude über den im Acker gefundenen Schatz ging er hin, verkaufte Alles, was er hatte und kaufte den Acker.

Was gab er für Jesum hin?

Erstens die Beschneidung als ein Recht an Gott; denn er diente Gott im Geist und rühmte sich von Jesu Christo und verließ sich nicht auf Fleisch.
Zweitens die Geburt aus dem Volke von Israel, des Geschlechts Benjamin. Er war nun von Neuem geboren aus Wasser und Geist.
Drittens die Nationalität, dass er ein Hebräer war aus den Hebräern. Er war nun Christi, deswegen Abrahams Same und nach der Verheißung Erbe;
Viertens seinen Stand eines Pharisäers. Nun war er ein Knecht Jesu Christi, berufen zum Apostel, ausgesondert zu predigen das Evangelium Gottes;
Fünftens seinen gesetzlichen Eifer, womit er die Gemeinde verfolgte. Er war jetzt ein lieber Bruder und selbst ein Mitgenosse der Leiden Christi;
Sechstens seine Gerechtigkeit, in der er unsträflich lebte. Er hatte jetzt aus Gnaden die Rechtfertigung des Glaubens, und in ihr die Gerechtigkeit Christi, die vor Gott gilt;
Siebentens endlich verkaufte er ans Kreuz Christi die Welt, welche ihm durch Jesum Christum gekreuzigt war und er der Welt (Phil. 3, 5. 6. Gal. 6, 14.).

So erfuhr sein ganzer Wandel auf Erden eine völlige Erneuerung. Sein Wandel war nun im Himmel, von dannen er mit allen Gläubigen wartete des Heilandes Jesu Christi des HErrn. Ja er eilte ihm entgegen und jagte nach dem vorgesteckten Ziel, nach dem Kleinod, welches vorhält die himmlische Berufung Gottes in Christo Jesu. In dieser gläubigen Bereinigung mit seinem HErrn Jesu und in der Hoffnung auf Ihn, lag sein tiefer Friede und der Grund seiner Freude. Diese letztere war besonders deswegen so lauter, weil er vergaß, was dahinten ist und sich nach dem streckte, das da vorne ist. Was ihm Gewinn war, das achtete er um Christi Willen für Schaden. So gewann er Ihn ganz und erkannte Ihn und die Kraft seiner Auferstehung und die Gemeinschaft seiner Leiden.

Nun, nachdem er sich selbst verkaufte, hatte er den Acker und in und mit demselben das höchste Gut. As eine seligmachende Kraft hatte er Gottes Wort an sich selbst erfahren und empfahl es mit größtem Nachdruck auch Andern. Er lebte, doch nicht mehr er, sondern Christus in ihm.

Diesen Heiland predigte er nun seinen lieben Gemeinden, den Gehorsam des Glaubens aufzurichten unter allen Heiden.

Gegen das Ende eines solchen herrlichen Wirkens rief er im Blick auf seinen Herrn, dem er diente, freudig aus: „Ich habe einen guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe Glauben gehalten. Hinfort ist mir beigelegt die Krone der Gerechtigkeit, welche mir der Herr an jenem Tage, der gerechte Richter geben wird, nicht mir aber allein, sondern auch Allen, die seine Erscheinung lieb haben.“

Lieber Leser, zum Schlusse noch eine Bitte und eine Geschichte: Die Bitte, dass Jeder von uns auch Alles verleugnen und dem HErrn opfern möge, auf dass wir auch Christum gewinnen und in Ihm die wahre Freude des ewigen Lebens genießen.

Die Geschichte aber soll zeigen, wie der Acker nicht nur geistlichen, sondern auch leiblichen Nutzen bringt, wie Christus sagt, Matth. 6.: Trachtet am Ersten nach dem Reiche Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird Euch solches Alles zufallen.

Samuel Procter, ein Engländer, frühe in der Furcht Gottes erzogen, bewahrte diese Furcht auch als er später Soldat wurde. In der Schlacht bei Waterloo, in welcher ganz Europa die Hand Gottes sah und unser Vaterland des HErrn Hilfe erfuhr, hatte auch unser Procter eine solche Erfahrung. Er rückte am Morgen des Tages mit in den blutigen Kampf, in der einen Tasche seine Taschenbibel und in der andern das Gesangbuch. Gegen Abend bekam sein Regiment Befehl, die Franzosen aus einem Walde zu vertreiben. Sie rückten vor. Auf einmal wird er wie von einem unsichtbaren Schlage auf die Hüfte mehrere Schritte weit weggeschleudert. Er kann sich nicht denken, was das sei. Als er aber Abends im Quartier, wo Alles freudetrunken war über den herrlichen Sieg, seine Bibel herauszieht, da sieht er mit dankgerührtem Herzen, dass eine Musketenkugel die Hüfte gerade da, wo die Bibel lag, getroffen und dies heilige Buch halb durchbohrt hatte. Diese meine Bibel, pflegte er dann oft zu sagen, hat mir zweimal das Leben gerettet, das erste Mal von der Macht der Sünde, das zweite Mal von der Kugel der Franzosen bei Waterloo.

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