Kähler, Carl Nikolaus - Auslegung der Epistel Pauli an die Epheser in 34 Predigten - Dreißigste Predigt.
Kinder sind des Höchsten Gabe,
Sind ein göttliches Geschenk.
Kinder sind die beste Habe,
Christen, seid des eingedenk!
Drum mit eifrigem Bemühen
Sucht zum Herrn sie zu erziehen.
Soll es besser werden in der Welt, so muss es vor Allem besser werden in den Häusern. Denn was ist die Welt anders als eine Sammlung von Ländern und was ist das Land anders als eine Sammlung von Städten und Dörfern? und Stadt und Dorf, was sind sie anders als Sammlungen von Häusern? So kommt aus dem Hause die ganze Welt, wie aus dem Senfkorn ein Baum, unter dessen Zweigen die Vögel des Himmels wohnen. Kein Wunder, dass Christus vor Allem seine Augen auf das Haus gerichtet hat, nämlich auf Mann und Weib, Vater und Sohn, Herr und Knecht, die unter Einem Dache beisammen wohnen, wie wiederum auch der Fürst der Finsternis, indem er die Welt zu verderben trachtet, seinen Samen in den Boden des häuslichen Lebens streut. O gebe Gott dem Evangelium den Sieg über die Macht der Finsternis! Ihr lieben Hausgenossen, unterwerft euch Christo, dass das Leben in euren Häusern christlich werde, dass der Bund zwischen Mann und Weib sei wie der Bund zwischen dem Herrn und seiner Gemeinde, dass die Eltern Weinstöcke seien, und die Kinder Reben, die in Ehrfurcht und Gehorsam an dem Weinstock der elterlichen Liebe hangen; dass Herrschaften und Dienstboten das Band der Brüderlichkeit verknüpfe; Summa, dass Alle Ein Herz seien und Eine Seele im Glauben an den Herrn Jesum Christum. Am letztverflossenen Sonntage war die Rede von Mann und Weib; werde heute geredet von Vater und Sohn, von Herr und Knecht.
Ephes. 6, V. 1 bis 9: Ihr Kinder, seid gehorsam euren Eltern in dem Herrn, denn das ist billig. Ehre Vater und Mutter, das ist das erste Gebot, das Verheißung hat, auf dass dir's wohl gehe, und du lange lebst auf Erden. Und ihr Väter, reizt eure Kinder nicht zum Zorn, sondern zieht sie auf in der Zucht und Vermahnung zum Herrn. Ihr Knechte, seid gehorsam euren leiblichen Herren, mit Furcht und Zittern, in Einfältigkeit eures Herzens, als Christo, nicht mit Dienst allein vor Augen, als den Menschen zu gefallen, sondern als die Knechte Christi, dass ihr solchen Willen Gottes tut von Herzen, mit gutem Willen. Lasst euch dünken, dass ihr dem Herrn dient, und nicht den Menschen, und wisst, was ein Jeglicher Gutes tun wird, das wird er von dem Herrn empfangen, er sei ein Knecht oder ein Freier. Und ihr Herren, tut auch dasselbe gegen sie, und lasst das Drohen, und wisst, dass auch euer Herr im Himmel ist, und ist bei ihm kein Ansehen der Person.
Diese Worte, samt dem Ehetext des vorigen Sonntags, verdienten's, dass man sie mit großen Buchstaben auf eine schwarze Tafel schriebe, und die Tafel dann im Hause irgendwo an eine Wand hängte, damit sie von Allen, die im Hause sind, fleißig gelesen würden. Wir wollen unsern Text nennen
eine evangelische Haustafel
1. für Kinder und Eltern,
2. für Dienstboten und Herrschaften.
O gib, lieber himmlischer Vater, dass diese Haustafel zugleich eine Herztafel für uns alle werde! Lass uns zu Herzen nehmen, was auf ihr geschrieben steht, und vom Herzen gehe das Wort dann wieder über in Gesinnung und Tat.
1.
Mit euch, liebe Kinder, redet der Apostel zuerst, und vermahnt euch seid gehorsam euren Eltern in dem Herrn. Das Wort ist alt und doch neu. Alt ist es, denn von Anfang der Welt her haben's die Menschen gewusst, weil Gott es in ihre Herzen geschrieben hat, dass die Kinder ihren Eltern gehorchen sollen. Es steht ja übel um ein Haus, wo der Sohn sich wider den Vater, die Tochter sich auflehnt wider ihre Mutter, wo die Eltern klagen und sagen müssen: unsere Kinder graben durch ihren Ungehorsam den Eltern das Grab. Und es sind ja auch wirklich viele Väter und Mütter vor Herzeleid über den Ungehorsam ihrer Kinder ins Grab gesunken. Sind unter euch solche, die ihren Eltern den Sarg gehämmert und das Grab gegraben haben? O, denkt nicht, dass nun Gras über diese Sünde gewachsen sei.
Sitzt der Richter einst und richtet,
wird das Dunkle all' gelichtet,
und kein Gräu'l bleibt ungeschlichtet. 1)
Geht hin im Geiste und bittet sie mit Tränen um Vergebung, und vor Allem bittet Gott, dass er euch die an den Eltern begangene Missetat vergeben möge. Ihr aber, deren Eltern noch leben, nehmt recht zu Herzen, wozu der Apostel euch ermahnt: Seid euren Eltern gehorsam in dem Herrn. Überhört nicht den Zusatz: „in dem Herrn“, denn das ist gleichsam die Angel, worin sich die Tür der Ermahnung bewegt. Es wird der Gehorsam von euch gefordert als von christlichen Kindern, die in innerlicher Verbindung und Gemeinschaft stehen mit dem Herrn Jesus Christus. Dadurch wird das Gebot ein neu Gebot, das erst mit Christo in die Welt gekommen ist. Denn Christum haben die Heiden nicht gekannt, und daher auch in Christo ihren Eltern nicht gehorchen können. Hier bekommen nun aber zugleich die Eltern einen Wink, wie sie sich in ihren Kindern gehorsame Kinder erziehen sollen. Bringet eure Söhne und Töchter früh zu ihm, nicht nur indem ihr sie taufen lasst, sondern sie auch nachher, wie die Taufe es fordert, mit ihm bekannt macht, und die Liebe zu ihm in ihre Herzen pflanzt. Wo das nicht in den Häusern geschieht, sondern die Kinder ohne Christum aufwachsen, da kann weder rechte Liebe noch Gehorsam gegen Vater und Mutter sein, und der Eltern Herzeleid ist dann die Rute, die Gott in seinem Zorn für sie zusammen bindet. Aber habt ihr das Eurige getan, die Kinder nach Herz, Sinn und Wandel zu Christen zu machen, so habt ihr damit auch den Samen des Gehorsams in ihre Herzen gepflanzt. Denn nun sind sie in Liebe euch gehorsam, weil sie in Liebe dem Herrn gehorsam ist. Nun achten sie nichts für billiger und gerechter, als denen zu gehorchen, in welchen sie ein Abbild des himmlischen Vaters erkennen, in welchem Betrachtung der Apostel sagt: den Eltern gehorchen ist billig, wobei er hinweist auf das Wort der Schrift (2 Mos. 20, 12): Ehre deinen Vater und deine Mutter.
Ehren steht noch höher als gehorchen, denn es weist hin auf der Eltern Würde und Majestät, die sie von Gott empfangen haben. Ein Kind, das in Christo den himmlischen Vater erkannt und gefunden hat, erkennt sofort auch in dem irdischen Vater einen Mann, der Gottes Stelle bei den Kindern vertritt, und daher auch Gottes besten Namen führt. Denn Gott hat viele Namen, aber keinen schöneren als den Namen „Vater“, und nach Gott heißet so auch der irdische Vater. Äußerlich angesehen, sind ja die Eltern Menschen, wie andere Menschen sind; aber angesehen mit dem Auge des christlichen Glaubens, sind sie wie Keiner sonst auf Erden ist, ja sind der himmlische Vater selbst, der nur in ihnen Mensch geworden ist, damit er den lieben Kindern recht nahe sei. Wo nun die Kinder so gelehrt werden, äußerlich und innerlich, o wahrlich, da haben sie einen hohen, heiligen Respekt vor Vater und Mutter, und achten den Gehorsam gegen sie für viel billiger als selbst den Gehorsam gegen die Majestät, die auf dem Königsstuhle sitzt. Das ist der christliche Acker, worauf der Gehorsam gegen die Eltern wächst. Und welche Frucht trägt dieser Gehorsam? Ihr kennt die schöne Verheißung, die dem vierten Gebote hinzugefügt ist, als welches das erste, und man kann sagen auch das letzte Gebot mit Verheißung ist. Zwar kündigt sich Gott (2 Mos. 20) gleich nach dem ersten Gebot als einen gerechten Gott an, der die Sünder straft, dagegen denen, die ihn lieben, wohltut; aber das ist bloß im Allgemeinen gesagt und erstreckt sich auf alle Gebote in gleicher Weise. Den gehorsamen Kindern dagegen wird das Zuckerbrot der Verheißung vorgehalten, dass es ihnen wohlgehen soll und sie lange leben sollen auf Erden. Ist das wirklich aller Gehorsamen Lohn? Grünt nicht manches ungehorsame Kind, das seiner Eltern Kummer gewesen ist, in späteren Jahren wie ein Lorbeerbaum, und wird alt und mit vielen Ehren zu Grabe bestattet, wogegen hunderte von gehorsamen Kindern das Tränenbrot essen und früh hinwelken wie Blumen, auf die der Nachtfrost fällt, und still und ohne Tränen begraben werden? Aber bedenkt, meine Lieben, dass im vierten Gebot von einem Wohlergehen und langen Leben im Lande der Verheißung die Rede ist. Was ist das für ein Land? Nicht das irdische Kanaan, wo Milch und Honig fleußt, sondern für uns Christen ist das alte Kanaan geworden zum Himmelreich, und da, da sollt ihr leben, ohne zu sterben, da soll es euch wohlergehen in Ewigkeit. Möchtet ihr denn nicht gerne leben im neutestamentlichen Kanaan, dessen auch der Herr selbst erwähnt (Matth. 5, 5); Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Erdreich besitzen? Und wie oft reden auch die Apostel von diesem Erbe und von den Erben, da immer gedacht wird an Kanaan, wie es durch Christum verklärt ist zu einem himmlischen Jerusalem! Nun, wandelt in den Wegen des vierten Gebots, so seid ihr auf der Straße zu eurem zeitlichen und ewigen Wohlergeben; so lebt ihr unter Christo in seinem Reiche, wo er euch behütet als seinen Augapfel, euch segnet und euch bei sich behält in alle Ewigkeit.
2.
Nun aber werden, nach den Kindern, auch die Eltern ermahnt, besonders die Väter, die ja die Häupter der Familien sind. Ihr Väter, reizt eure Kinder nicht zum Zorn. Ihr sollt gewissermaßen die Geburtshelfer des Gehorsams eurer Kinder sein, dadurch, dass ihr sie gut und christlich erzieht. Aber wisst, die Geburtshelferin der Liebe ist die Liebe, daher auch Gottes barmherzige Liebe für uns Alle in den blutigen Tod gegangen ist, womit er uns zur Gegenliebe reizen will. Wie nun, wenn ihr Väter zwar eure Kinder erzöget, aber in der Erziehung die Liebe fehlen ließet? Es gibt ja harte, herzlose Eltern, die Löwen und Bären gegen ihre Kleinen sind. Brot und Kleidung wird ihnen ungern, wird ihnen mit Verdruss gereicht. Finstere Stirn und raues Wort ist das Unwetter, welches schon am Morgen aufsteigt und den ganzen Tag über den Häuptern der Kinder hängt, bis sie Abends hineinsteigen in ihr hartes, kaltes Bett. Arbeit, unaufhörliche, saure Arbeit ist das schwere Joch, das sie auf die Schultern ihrer Söhne und Töchter legen, die wie Pferde und Rinder hergehen müssen vor ihren Eltern als vor ihren Treibern, und Schelten ist ihr Groschen zum Tagelohn. Vergehungen, auch die leichtesten, werden als Verbrechen angesehen und behandelt, und wie ein reißendes Tier ist des Vaters Zorn, ist wie ein Gewitter mit Donner und Blitz, welches losbricht über die irrenden Kinder. Kommt nun auch dies hinzu, dass den Kindern auch die Schultür verschlossen ist, und dass im Hause Nichts von Gottesfurcht und Christentum gefunden wird: was Wunder, dass so das kindliche Herz nimmer den liebevollen, freudigen Gehorsam kennen lernt? Nein, da entfremdet ihr euch die Herzen eurer Kinder; da macht ihr sie schüchtern und scheu, so dass sie euch gram werden von den ersten Jahren an; da erzieht ihr in ihnen knechtisch gesinnte Menschen, die nie zur rechten Freiheit der Kinder Gottes gelangen, und immer mit Misstrauen und geheimer Furcht ihren Nebenmenschen gegenüber stehen. Sollt ihr's denn an aller Strenge fehlen lassen in eurer Erziehung? Nein, spricht Paulus, erzieht eure Kinder in der Zucht und Ermahnung des Herrn. Das Wort „Zucht“ weist auf den Ernst und die Strenge, das Wort „Ermahnung“ auf die Milde hin, die in der Erziehung sein soll, und der Zusatz „des Herrn“ deutet an, dass ihr sollt Christum wohnen lassen in euren Herzen, damit der euch allezeit lehre, wo ihr zum Stab Wehe oder zum Stab Sanft greifen sollt. Die Kinder werden ja nicht als reine Engel geboren, sondern der Same des Unkrauts steckt von der Geburt an in ihren Herzen, daher es des Jätens durch der Zucht bedarf, damit das Feld rein und zur Aufnahme des evangelischen Samens tüchtig werde. Daher besser sogar eine Rute mit Knoten, als ein zartes Reis, das mit Wolle umwickelt ist; aber immer stehe hinter dem Ernst eurer Züchtigung der milde Heiland, wie hinter dem grauen Gewölk die freundliche Sonne steht; und wie der Herr wohl donnert und blitzt, dann aber wieder milde Tage folgen lässt, so lasst ihr nach der Strafe das milde Licht der Elternliebe vor den Kleinen leuchten. O lieber Heiland, lenke du der Eltern Herz, Zunge und Hand, dass sie nach deinem Wohlgefallen das göttliche Werk der Erziehung treiben. Nimm dich aller unserer Kinder an, auch der meinigen!
Der Triumphtag der Gerechten
Sei ein Wonnetag auch mir!
Hilf, dass zu des Richters Rechten
Keins mir fehle, Herr, vor dir;
Dann frohlock' ich: Richter, sieh!
Hier bin ich, hier sind auch die,
Die dein Vater mir verliehen,
Sie zum Himmel zu erziehen!