Kähler, Carl Nikolaus - Auslegung der Epistel Pauli an die Epheser in 34 Predigten - Achtundzwanzigste Predigt.

Gib, Herr, dass nichts in aller Welt
Von dir mich jemals scheide!
Nur das zu tun, was dir gefällt,
Sei meine Lust und Freude!
Dir, was ich hab' und bin, zu weih'n,
Lass meine größte Freude sein!

Das Himmelreich wird in der Schrift ein Haus Gottes genannt (1 Tim. 3, 15), und die in diesem Hause wohnen, heißen Gottes Hausgenossen. Es sind die, welche durch die Tür dieses Hauses, welche ist Christus und der Glaube an ihn, eingegangen sind. Ach, dass sich von denen, die äußerlich zur christlichen Gemeinde gehören, sagen ließe: sie sind alle eingegangen! Aber viele sind noch draußen, wie Paulus sagt (Kol. 4, V. 5), nämlich Alle, die noch den Sinn und Wandel der Mutter Welt haben und führen. Nun fragt sich: wie sollen die Bekehrten sich gegen die Unbekehrten verhalten? Zum Teil ist diese Frage schon in der letzten Predigt beantwortet worden, wo, es hieß: Seid nicht Mitgenossen der Sünder, nehmt nicht Teil an ihren Sünden, sondern sucht vielmehr die Sünder zu gewinnen. Aber die Sache ist zu wichtig und bietet der Betrachtung zu viel Stoff dar, als dass nicht noch weiter davon. die Rede sein müsste. Wir wollen den Apostel reden lassen.

Ephes. 5, V. 15 bis 20: So seht nun zu, wie ihr vorsichtig wandelt, nicht als die Unweisen, sondern als die Weisen. Und schicket euch in die Zeit, denn es ist böse Zeit. Darum werdet nicht unverständig, sondern verständig, was da sei des Herrn Wille. Und sauft euch nicht voll Weins, daraus ein unordentliches Wesen folgt, sondern werdet voll Geistes, und redet unter einander von Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern und singt und spielt dem Herrn in eurem Herzen; und sagt Dank allezeit für Alles Gott und dem Vater, in dem Namen unsers Herrn Jesu Christi.

„So seht nun zu, wie ihr vorsichtig wandelt.“ Das Wörtlein „nun“ knüpft diese Worte an das zuvor (V. 8) Gesagte: Ihr wart weiland Finsternis, nun aber seid ihr ein Licht in dem Herrn. Wie haben wir nun als Kinder des Lichts uns zu verhalten gegen die Kinder der Finsternis? Kol. 4 heißt es: Wandelt weislich gegen die, so draußen sind. Auch in unserem Texte spricht sich darüber der Apostel aus. Hören wir denn dies sein Wort über unser Verhalten unter denen, die draußen sind.

Er erinnert uns

1. an den Wandel, den wir führen,
2. an die Zeit, die wir nützen,
3. an den Willen, dem wir folgen,
4. an den Geist, mit dem wir uns erfüllen, und
5. an die Freude, die wir sollen laut werden lassen.

O nehmt zu Herzen, was der Mann Gottes sagt! Und Gott gebe, dass ihr es auch im Herzen bewahret und Frucht bringt in Geduld.

1.

Der Apostel hat noch immer die Kinder der Welt vor Augen, und es liegt ihm gar sehr daran, dass wir, die wir als Kinder des Lichts mit ihnen zusammenleben, uns so verhalten, wie es ihrem und unserem Heile angemessen ist. Suchen wir sie zu gewinnen! Dazu dient die Weckstimme, die wir vor ihnen sollen laut werden lassen, wenn sie sündigen. Aber was hülfe das christliche Wort ohne den christlichen Wandel? Wort und Tat müssen mit einander harmonieren. Wolltet ihr strenge sein in eurem Wort und nicht auch strenge in eurem Wandel? Sehet zu, wie ihr streng wandelt, nicht als Unweise, sondern als Weise. Also Weisheit und Strenge in unserem Wandel wird gefordert. Was aber bedeutet nun diese Weisheit? Nichts anderes als dies, dass wir immer unsere Bestimmung, unser Ziel als Christen vor Augen haben und, uns auf dem graden Wege halten, der zu diesem Ziele führt. Wir sind ja Gäste und Fremdlinge auf Erden und wissen also, dass es sich nicht bloß darum handelt, wie wir durch die Welt kommen, sondern wie wir zu der Heimat im Himmel gelangen sollen. Ein Unweiser also wärst du, wenn du die Fremde, in der du lebst, mit deiner Heimat verwechseln, und einen Weg einschlagen wolltest, der dich nicht aus der Wüste in Kanaan, sondern eher aus Kanaan in die Wüste führte. Und doch sind solcher Unweisen gar viele unter uns. Die sagen: wir sind Christen, wir sind Himmelsbürger; aber ihr Wandel, den sie führen, ihr Weg, den sie gehen, straft sie Lügen. Darum ermahnt uns Paulus, dass wir doch ja immer den rechten Weg gehen und es streng gewissenhaft mit unserem Wandel nehmen mögen. Wir sind das nicht nur uns, sondern ebenso sehr denen schuldig, die durch uns auf den rechten Weg geführt werden sollen. Wie sollen sie von uns den Unterschied zwischen Licht und Finsternis, zwischen Gut und Böse lernen, wenn wir es selbst nicht genau mit der christlichen Tugend nehmen, sondern bald ein leichtsinniges Wort hören, bald ein unchristliches Werk blicken lassen? Aber haben wir bei allem, was wir reden und tun, unsern heiligen, göttlichen Beruf vor Augen, und weichen auch nicht mit einem Schritt von dem Wege ab, davon der Prophet sagt (Jes. 30, 21): Dies ist der Weg, denselben geht, sonst weder zur Rechten noch zur Linken! - tun wir das, und halten das Auge unsers Gewissens so rein, dass auch nicht der geringste Sündenstaub hineinkommt: ja, dann sind wir nicht nur weise Leute, sondern ziehen auch die, welche draußen sind, hinein in das Haus des Himmelreichs. Reden wir göttlich, aber handeln ungöttlich, oder sind wir in unserem Verhalten heute Weise und morgen Toren, so bauen wir mit der Rechten und reißen mit der Linken nieder. Nach dem Bilde unsres Textes sollen wir wie Wanderer sein, die nie träumend ihren Weg gehen, sondern immer die Augen offen halten, und wenn sie jemals in Zweifel sind, ob ihr Gang der rechte ist, dann gleichsam auf einen Hügel steigen* und um sich herblicken, ob der Weg auch zu dem Ziele führe, das sie vor sich sehen.

2.

Und zu dieser Sorgfalt sind wir umso mehr verpflichtet, wenn wir auf die Zeit sehen, in der wir leben. Wandelt behutsam, spricht der Apostel, auskaufend die Zeit, denn die Tage sind böse. Das ist das Zweite, was er uns zu bedenken gibt. Benutzt, will er sagen, jeden günstigen Augenblick, der sich euch darbietet, zu eurem und zu eures Nächsten, Heil, und geht dabei um so klüger und vorsichtiger zu Werke, da die Tage oder die Zeiten, in denen ihr lebt, mit so vielen Gefahren verbunden sind, dass, wenn ihr den günstigen Augenblick nicht nützt, der ganze große Gewinn, der sich euch darbietet, für euch verloren geht. Wie tut ein kluger Kaufmann? Er ersieht sich den rechten Augenblick für sein Geschäft, und statt sorglos sich beherrschen zu lassen von der Zeit, beherrscht er vielmehr die Zeitumstände, achtet genau auf die Konjunktoren, hütet sich, dass er von Keinem berückt und betört werde, und ersieht sich einen günstigen Augenblick: rasch ergreift er ihn, und beutet ihn zu seinem Vorteil aus. Das tat auch der ungerechte Haushalter, dessen Klugheit uns der Herr vorhält in dem bekannten Gleichnis Luk. 16. Solche Haushalter oder Kaufleute nun geraten zwar oftmals mit ihrem Tun auf böse Wege; aber in Einem Betrachte können und sollen sie doch uns Christen zum Vorbilde dienen, was nämlich ihre Klugheit anbetrifft. Bedenkt, Christen, dass auch wir auf Erden Geschäfte zu machen haben, aber nicht Geldgeschäfte, wie der Kaufmann, sondern Heilsgeschäfte für uns und unsern Nächsten. Dass wir reich werden und reich machen, reich an Gütern, wonach die Diebe nicht graben, und die von Motten und Rost nicht gefressen werden; dass wir das Himmelreich an uns bringen, welches ist Gerechtigkeit, Leben, Friede und Freude im Heiligen Geist: dazu sind wir auf Erden, dazu ist das Leben in der Welt. Wehe, wehe dir, wenn dir diese Zeit verloren geht, und du nichts hinter dich gebracht hast, wenn's zum Sterben geht! Dann geht's dir wie dem fallierten1) Kaufmann, der, unvermögend zu bezahlen, was er schuldig ist, nun zuletzt die Schande und das Verderben des Bankrotts über sich ergehen lassen muss. Willst du dann die Zeit, wo du noch gewinnen und viel, viel werden und ausrichten kannst, unbenutzt vorübergehen lassen? Bedenke, dass die Tage böse sind. Böse? Ja, die Sünde macht sie böse, die hier und allenthalben gefunden wird in der Welt. Die Sünde bringt uns in Gefahr, dass wir unser ewiges Heil aus den Augen setzen, und unsere Tage vergeuden im Dienste der Welt und der bösen Lust. Die Sünde reizt von innen und lockt von außen, und wer nicht auf seiner Hut ist, der wird von ihr hingerissen und folgt dem großen Strome der Welt. Kein Tag ist in deinem Leben, wo du nicht auf Versuchungen und Kämpfe stießt, die du zu bestehen hast: hütest du dich auch, wachest und betest du, dass du nicht sorglos, nicht träge, nicht pflichtvergessen werdest in dem, was du auszurichten hast für dich und Andere? Wie Viele gibt es, die so ihre Zeit, und mit der Zeit auch sich und Andere verlieren! Mancher Vater klagt über ein verlorenes Kind: ach, hätte er den günstigen Zeitpunkt benutzt, da es noch zu retten war, und hätte in früheren Jahren das Licht der Frömmigkeit und Tugend vor dem Kinde leuchten lassen, so wäre es gerettet; nun aber gehen vielleicht beide, Vater und Kind, auf ewig verloren. Wie mancher Gatte könnte gerettet werden durch eine christliche Gattin, wie manche Gattin durch ihren Gatten, wenn sie Einer den Andern gesucht und die Zeit benutzt hätten zu ihrem gegenseitigen Heil! Aber beide dienten der Sünde, beide gerieten in den Strudel der bösen Tage, und so hat der Gatte nicht nur sich, sondern auch die Gattin, und die Gattin sich und ihren Gatten verloren. Wie viele arme, unglückliche Menschen wandeln nahe am Abgrunde ihres ewigen Verderbens, die doch hätten gerettet werden können, wenn du, wenn du sie herum geholt hättest, der du ihnen so nahe standst! Nun aber ist ihr Herz verhärtet, und ihr Sinn ist tot, und ihre Rettung ist verloren, da sie den Freund nicht gefunden haben, der barmherzig und christlich genug war, um die Seele zu retten, da sie noch rettbar war! Christen, kauft die Zeit aus, die Tage sind böse!

3.

Deshalb seid nicht unverständig, fährt der Apostel fort, sondern verständig, was der Wille des Herrn sei. Da zeigt er uns einen Stern, dem wir folgen sollen auf unserem Wege, es ist der Wille unsers Herrn und Heilandes Jesu Christi. Als ob er sagen wollte: Wisst ihr wohl, wovor ihr euch zu hüten habt, wenn ihr euern Weg richtig wandeln und demgemäß die Zeit auskaufen wollt zu eurem und zu eures Nächsten Heil? Vor Allem hütet euch vor euch selbst! Denn es ist in euch der Wille des Fleisches, der wider Gottes Willen ist; folgt ihr dem, so geratet ihr in das heidnische Wesen, dem ihr kaum entronnen seid. Wäre es nicht Unverstand, wenn ihr, eurem eigenen Willen folgend, eurer eigenen Luft frönend, euch und Andere ins Verderben stürztet? Das dagegen ist Verstand, wenn ihr Gottes Willen erforscht, und ihm folgt in allem euren Tun. Wie könnt ihr euren Weg richtig wandeln, wenn ihr kein Licht habt auf eurem Wege, und wie könntet ihr euch des Lichtes rühmen, wenn ihr nicht wüsstet, was der Wille eures Herrn ist? Nun, Christen, lasst uns diese Erinnerung des Apostels zu Herzen nehmen. Dass Gottes Wille geschehe, wie im Himmel, also auch auf Erden, darum bitten wir ja auch im Vaterunser. Ein Sodom und Gomorra würde ja aus der Kirche Christi, wenn Gottes Wille vergessen würde, und statt dessen der Welt und des Fleisches Wille das Regiment bekäme. Aber wie sehr sind wir in Gefahr, unserem eigenen Willen zu folgen, wenn wir nicht fleißig forschen und fragen, was der Wille Gottes sei. Unzählige stehen in dem Wahne, dass ihr Wille des Herrn Wille sei, und ist doch eine große, gewaltige Kluft zwischen ihnen und dem Herrn. Tausendmal tun wir etwas, davon wir meinen, es sei recht getan; gehen wir aber mit Ernst unserem Tun auf den Grund, so finden wir, dass, wie sehr auch das Tun gleiße und scheine, dennoch nichts als unser Ich dahinter steckt. Wir fahren mit der Welt in Einem Zuge, die Lokomotive ist das Fleisch, der Heizer ist die Lust, der Führer ist das Ich. Ach, manche fahren mit diesem Zuge Tag für Tag, und wenn endlich der Zug im Bahnhofe des Todes stille steht, so gehen ihnen zu spät die Augen darüber auf, dass sie nicht in dem rechten Wagen gefahren sind. Selbst die Kinder Gottes geraten nur zu leicht auf Abwege, wenn sie nicht fortwährend wachen und sich prüfen, damit nicht ihr eigener Wille sich auf Gottes Stuhl setze. Wie oft schleicht sich in ihr Herz und Tun die Selbstsucht, wie oft der Dünkel und Hochmut, wie oft ein falscher, ungöttlicher Eifer, da sie meinen, sie eifern für Gottes Sache, und eifern doch in Wahrheit nur für sich selbst. So treten sie denn nicht nur selber ab von der rechten Bahn, sondern werden auch denen, die draußen sind, zum Ärgernis und Spott, und Christi Name wird um ihretwillen gelästert unter den Kindern der Welt. Was ist zu tun? Fleißig bei Gottes Wort lasst uns in die Schule gehen; stets unser Vornehmen und Tun lasst uns prüfen vor dem Angesichte Gottes; streng uns selber richten lasst uns, damit wir nicht von Gott gerichtet werden; sorgsam' achten lasst uns auf der Leute Urteil über uns, zumal unserer Widersacher, die uns oft aufrichtiger die Wahrheit sagen, als unsere Freunde; beten lasst uns und jeden Tag mit dem Herrn reden über uns selbst, und in ihn dringen, dass er unsern eigenen Willen brechen, und seinen guten, Heiligen Geist uns wolle regieren lassen.

4.

Seinen Geist. Das ist das Vierte, wozu uns der Apostel vermahnt: Werdet voll von Geist. Von welchem Geiste? Natürlich von dem Heiligen Geiste, der ja das Lehramt und das Straf- und Trostamt in den Herzen der Christen hat.. Mit einer bloßen Verstandes - Erkenntnis ist es nicht getan, nein, wir sind nach unserem ganzen inwendigen Menschen ein Gefäß, das Gott erfüllen muss mit sich selbst. Die Kinder der Welt reden auch von Geist und suchen sich mit dem, was sie Geist nennen, zu erfüllen. Aber da zeigt sich nun eben das Verderben, worin der Mensch gerät, wenn er, statt von Gottes Willen, vielmehr von seines Fleisches Willen sich regieren lässt. Er gerät in Augenlust, Fleischeslust und hoffärtiges Wesen. Besonders ist es die Fleischeslust, auf die der Apostel uns aufmerksam macht, und da warnt er uns vor dem Geist, womit diese verderbliche Lust oftmals ihren Durst zu stillen sucht. Er weist uns auf die heidnischen Gelage hin, wo die Weltkinder beisammen sitzen, und unter schändlichen Liedern, die sie singen, mit starken Getränken sich berauschen. Auch der Wein hat einen Geist, der des Menschen Herz erfreut und die Letztere in seinem Herzen ausfüllt. Als die Apostel am ersten Pfingsttage anfingen mit fremden Zungen zu predigen, da sagten die Spötter: sie sind voll süßen Weins. Kommt nicht Mut, Unerschrockenheit, Beredsamkeit, Freude auch aus dem Wein, und weckt er nicht sogar eine gewisse Liebe, welche zärtlich tut gegen Gott und Menschen, und uns ruft: Seid umschlungen, Millionen!? seht doch, wie der Geist dieser Welt sich in die Gestalt eines Lichtengels zu kleiden weiß, nicht anders als wäre er der Heilige Geist selbst! Was er seinen Dienern einschenkt, ist nicht Essig mit Galle, sondern lieblich und süß ist es, und er spricht: Wollt ihr die Sorgen vergessen und fröhlich werden; wollt ihr, dass euer Herz auftaue und Liebe, Freude und Lust in euch emporsprieße, so kommt, ihr leeren, durstigen Seelen, und trinkt aus meinem Pokal! Und glaubt nur nicht, dass er bloß Ein Getränk habe für Alle; nein vom ganz gemeinen Kümmel geht's die lange Reihe hinauf bis zum Zaubertrank der vergötterten Kunst und Wissenschaft. Hier ein Tanzsaal, dort ein Trinklokal, anderswo ein Venustempel und wie sonst die Lokale des Weltgeistes heißen mögen. Aus dem allen nimmt der Apostel nur Eins heraus, den Wein, warnt uns und spricht: Berauscht euch nicht mit Wein. Den Wein untersagt er uns nicht, wohl aber den Rausch bis hinauf zur viehischen Trunkenheit, wobei fügt er hinzu liederliches Wesen ist. Was nennt er so? Allen und jeden Unfug, alles und jedes schändliche und schädliche Wesen, das wie Pilze aus solchem Genuss schießt. Seht die lärmenden Gesellen an, die, vom Weine berauscht, zuletzt Tische und Bänke umfassen, Streit und Händel anfangen, oder durch die Straßen ziehen mit Lärm und unsauberem Gesang. Seht die unkeuschen Leute an, die den Wein wie Öl ins Feuer ihrer Wollust gießen, und vom Weinhaus ins Hurenhaus laufen und umgekehrt. Seht die Verschwender an, die Haus und Hof, Acker und Vieh auf der engen Straße ihres Gaumens in den Abgrund treiben, bis Alles verloren ist und nichts übrig bleibt als rote Augen im Hause und ein nagender Gewissenswurm im Herzen. Dies und was sonst die Fleischeslust zeugen mag, wird von Paulus „liederliches Wesen“ genannt. Ist das der Geist, der unser Herz erfreuen soll, und dessen Licht wir sollen leuchten lassen vor der Welt? Nein, der Apostel empfiehlt uns einen andern Geist. Bedarf doch auch Jedermann einer innerlichen Erquickung und Erfrischung, eines Sorgenstillers, eines Mutgebers, eines Kraftverleihers, eines Freudenmeisters. Das alles aber bist du, teurer, Heiliger Geist, wenn du wie Morgentau die dürre Seele tränkst. O dass dich alle kennten, so würden dich auch alle lieben, und würden, statt zur Welt zu laufen, täglich zu dir gehen und bitten: Komm heil'ger Geist, Herr Gott, erfüll' mit deiner Gnaden Gut deiner Gläubigen Herz, Mut und Sinn. Denn wo du im Herzen lebendig bist, da ist kindlicher Sinn, Mut, Kraft, Freude.

5.

Und diese Freude, liebe Christen, diese Freude, die vom Heiligen Geiste kommt, ist von ganz anderer Art und führt auch eine ganz andere Sprache, als jene, die der Wein erzeugt. Der Apostel weist uns endlich auf die Freude hin, die wir sollen laut werden lassen. Wisst ihr nicht, wie einem frommen, vom Heiligen Geist erfüllten Christen ums Herz ist? Auch daheim, in seinem Hause, in seinem Kämmerlein, wenn er seines Gottes, seines Erlösers gedenkt, und mit ihm redet in seinem Lob- und Bittgebet, da ist's nicht bloß ein Gedanke, der sich in ihm bewegt, sondern sein Herz ist wie eine Harfe und die Freudigkeit seines Herzens wie Harfenklang. Nach außen hin ist Alles still, aber drinnen in dem kleinen Gotteshause sitzt der freudige Dank und greift in die Saiten des Instruments. Und das Herz ist so voll, und die Bewegung ist so mächtig, dass kaum die Brust sie fassen kann. Die Gattin fragt den bewegten Gatten: Wie ist dir? und er antwortet ihr mit einem milden Blick und mit zwei Tränen, die über seine Wangen rollen. Das heißt in unserem Texte: „dem Herrn singen und spielen im Herzen. Aus dieser Stille und Einsamkeit der Christenfreude führt uns Paulus in eine Versammlung von Christen ein, die nicht etwa gekommen sind, um die Herrlichkeit eines Doms zu bewundern, oder sich zu ergötzen an der zauberischen Musik eines Künstlers, oder um einen berühmten Redner zu hören, der schön predigt und noch schöner deklamiert. Nein, der Apostel führt uns in ein gewöhnliches Haus, wo eine kleine Zahl von gläubigen, christlichen Brüdern in einem Saale beisammen sitzt. Was hat sie hingeführt? Ein Drang des Innern, dem es nicht genug ist, dass das Herz in der Stille des Kämmerleins dem Herrn singt und spielt, sondern der auch in einer Versammlung von Brüdern, die Ein Glaube innerlich verbindet, seinen Dank und seine Freude will laut werden lassen vor dem Herrn. Da sitzen sie denn und sind versammelt um ihren lieben Herrn und Meister, wie Planeten um die freundliche Sonne, und reden zu einander womit? Mit geistlichen Liedern, die sie singen, wie denn schon in den Versammlungen der ersten Christen solche Lieder gesungen wurden. Die Christen aus den Juden nannten diese Gesänge Psalmen, die aus den Heiden nannten sie Hymnen oder Lobgesänge, Paulus nennt sie mit einem allgemein verständlichen Worte: geistliche Lieder. Denn es sind ja nicht Lieder, wie die Sauf- und Hurenlieder der Welt; sondern sie stammen von dem Heiligen Geiste und sprechen der Christen Freude, Lob und Dank gegen Gott und den Heiland aus. Und wahrlich, eine Freude, die auf solche Weise unter den Christen laut wird, ist die beste Freude, die es gibt in dieser Welt, daher denn Paulus sagt: werdet voll von Geist, redend zu einander mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern, singend und spielend in eurem Herzen dem Herrn. Dazu er dann noch den Dank fügt, der, wir mögen daheim sein oder im Gotteshause, gleichsam der ruhende Ton sein soll in unserem Herzen, und der Psalm, den wir täglich unserem Gotte singen, der ja nicht bloß Gott ist das ist er für alle Welt und für alle Menschen in der Welt; aber wir Christen kennen ihn auch als einen Gott, den der kindliche Geist in uns anredet: Abba, lieber Vater. Wir nun, in denen Christus wohnt, der uns alle Wege weist, die wir gehen mit unserer Rede und mit unserer Tat; wir, die wir Nichts tun ohne ihn, Alles aber in seinem Namen tun, wir danken eben darum auch allezeit für Alles, nicht nur für den großen Segen an himmlischen Gütern, den wir von ihm haben, sondern auch für das Allergeringste, das er uns gibt. So wacht die dankbare Freude Morgens mit uns auf, setzt sich mit uns an den Tisch, geht mit uns aufs Feld, legt sich Abends mit uns ins Bett, und dankt für den Frieden, den sie im Herzen trägt, und für den Schnitt Brots, den sie in ihrer Rechten hält. Ja, sagt Paulus, danksaget allezeit für Alles im Namen unsers Herrn Jesu Christi Gott und dem Vater. Amen.

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bankrotten
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