Kähler, Carl Nikolaus - Auslegung der Epistel Pauli an die Epheser in 34 Predigten - Siebenundzwanzigste Predigt.

Kähler, Carl Nikolaus - Auslegung der Epistel Pauli an die Epheser in 34 Predigten - Siebenundzwanzigste Predigt.

Erhalte mich, mein Gott,
Auf deinem Pfad' und leite
Mit deiner Rechten mich,
Damit mein Fuß nicht gleite!
Mein Auge lass allein
Auf deine Wege schau'n!
So hilf mir; denn du bist
Mein Heiland, mein Vertrau'n!

Werdet nicht Mitgenossen der Sünder, spricht Paulus (Eph. 5, 14). Unter den Sündern versteht er die dem Lasterleben Ergebenen, die noch ohne Erkenntnis, ohne Glauben, ohne Besserung sind; die Verblendeten, die auf dem Wege des Verderbens gehen und doch die nahe Grube nicht sehen, in die sie fallen werden; die Gottentfremdeten, die uneingedenk sind der Liebe und Treue, die sie Gott schuldig sind, und mit der Welt buhlen und huren. Ihre Mitgenossen werdet nicht. Was bedeutet das? Soll man sie fliehen, wie man vor Löwen und Tigern flieht? oder wie man vor einem bösen Wetter sich zurückzieht in sein Haus? Soll man nicht kommen, wo sie sind, und soll man weggehen, wo sie kommen? Soll man, wo man ihnen begegnet, das Angesicht von ihnen wegwenden, nicht sie anhören, wenn sie reden, noch reden, wo sie die Hörer sind? Nein, Christen, in diesem Sinne sollt ihr die Welt nicht meiden. Ihr könnt es nicht, ob ihr auch wolltet; ihr sollt es nicht, ob ihr auch könntet. Ihr könnt es nicht, sonst müsstet ihr in die Wüsten fliehen oder gar die Welt räumen. Ihr sollt es nicht, die Liebe verbietet es euch, die doch eure Königin ist. Mag denn der Apostel selbst uns sagen, in welchem Sinne wir die Welt fliehen und sie nicht fliehen sollen.

Ephes. 5, V. 7 bis 14: Werdet nicht der Sünder Mitgenossen. Denn ihr wart weiland Finsternis, nun aber seid ihr ein Licht in dem Herrn. Wandelt wie die Kinder des Lichts. Die Frucht des Geistes ist allerlei Gütigkeit und Gerechtigkeit und Wahrheit; und prüft, was da sei wohlgefällig dem Herrn. Und habt nicht Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis, strafet sie aber vielmehr. Denn was heimlich von ihnen geschieht, das ist auch schändlich zu sagen. Das alles aber wird offenbar, wenn es von dem Licht gestraft wird. Denn alles, was offenbar wird, das ist Licht. Darum spricht er: Wache auf, der du schläfst, und stehe auf von den Toten, so wird dich Christus erleuchten.

Hier haben wir nun die nähere Erklärung zu dem Worte:

Werdet nicht Mitgenossen der Sünder.

Es bedeutet, dass wir es kurz sagen:

1. nehmt nicht Teil an ihren Sünden,
2. sondern sucht vielmehr die Sünder zu gewinnen.

Wie du getan, lieber Heiland, der du dein Herz und Leben rein gehalten von den Sünden, und doch dich mitten unter die Sünder gestellt hast, dass du sie gewinnen möchtest für die Wahrheit und das ewige Leben, also lehre auch uns tun, damit Heiligkeit und Liebe sich bei uns küssen.

1.

Werdet nicht der Sünder Mitgenossen. Was soll's bedeuten? Was der Apostel sagt: Nehmt nicht Teil an den unfruchtbaren Werken der Finsternis. Alles was dem Leben Gottes entfremdet ist, und als gottentfremdet auf den Wegen der Sünden und Laster gefunden wird, das nennt der Apostel mit Einem Worte Finsternis. Denn man muss zwei Reiche unterscheiden, das Reich des Lichts und das Reich der Finsternis. In diesem herrscht der Satan, darum auch ein Fürst der Finsternis genannt, der sein Werk hat in den Kindern des Ungehorsams. Seht sie nur an, die in diesem Reiche unter diesem Fürsten leben: sind sie nicht lauter Nacht und Dunkel, als deren Verstand verfinstert ist, deren Wille in den Ketten der Lust liegt, deren Leben angefüllt ist mit Sünden, und deren Ende eben darum dies ist, dass der Herr sagen wird: Werft sie hinaus in die äußerste Finsternis? Wollt ihr nun mit diesen Leuten Einem Fürsten dienen? wollt ihr gleichgesinnt sein und einen gleichen Wandel führen wie sie? Wollt ihr mit ihnen den Weg wandeln, der zur Verdammnis führt? Das eben ist es, wovor der Apostel euch warnt. In die Wüsten und Einöden sollt ihr nicht vor den Sündern fliehen, aber in der Welt lebend sollt ihr doch nicht mit der Welt leben. Seid ihr nicht Wohnungen und Tempel Gottes? Nun, so stellt die Wachsamkeit und das Gebet vor diesen Tempel, dass sie seinen Eingang bewachen, und nicht leiden, dass die losen Leute von außen in ihn eindringen und das Licht auslöschen, welches Gott auf dem Altar angezündet hat, und das Heiligtum verunreinigen. Ihr haltet euer Haus rein und kehrt es jeden Tag: sorgt doch viel mehr noch für Reinlichkeit in eurem Herzen und in eurem Leben, damit, zu welcher Stunde auch Gott eintritt in euer Haus, er Alles rein und mit Besen gekehrt finde.

Der Apostel sagt uns nun, warum wir in diesem Sinne die Gemeinschaft mit den Kindern der Finsternis fliehen sollen. Ihr wart ehedem Finsternis, nun aber seid ihr ein Licht im Herrn. Ehedem und nun - ihr wart und ihr seid, bemerkt diesen Unterschied. Der Apostel redet mit bekehrten Christen. Seid ihr das, so bedenkt, von wannen ihr gekommen seid. Aus der Nacht hat der Herr euch an den Tag geführt. Es hat eine Zeit gegeben, wo ihr Gott nicht kanntet, von seinem Wort nichts wusstet; wo ihr verblendet wart, so dass ihr wie im Finstern tapptet und den Weg nicht gingt, der zu Gott und zum ewigen Leben führt. Da drang an euer Ohr der Ruf von oben: Wacht auf, die ihr schlaft, und steht auf. Ihr tatet das Auge des Glaubens auf, und erkanntet nun im Lichte des Evangeliums die Wahrheit. Die Erkenntnis leuchtete wie ein Licht in euer Herz hinein: nun saht ihr euer Verderben, aber auch das Heil, das Gott euch in Christo bereitet hat. Blieb euch nun noch irgendetwas dunkel, was zur Antwort auf die Frage gehört: Was soll ich tun, dass ich selig werde? Lag nicht der Weg deutlich vor euch, der zum Leben führt? Hörtet ihr nicht das Wort: Tut Buße, glaubt, erneuert euch, wachst im Glauben und in der Gerechtigkeit? Und wie den Weg, erkanntet ihr so nicht auch das himmlische Ziel, wohin dieser Weg uns führt? Taten sich nicht die Tore des Jenseits auf, so dass ihr helle Blicke hinein tatet in die herrliche Zukunft, die Gott bereitet hat denen, die ihn lieben? Seht, das ist das Licht, wovon unser Text redet, ein Licht in dem Herrn Jesus, der das große Licht ist, welches die Welt erleuchtet; wir aber, als in seiner Gemeinschaft lebend, sind angezündet worden an ihm, so dass es nun auch in uns helle ist. Unser Licht ist nicht zu scheiden von dem des Herrn; wir sind wie Lampen und Leuchter, in und auf denen er sein göttliches Licht leuchten lässt.

Sind wir aber Licht, welche Forderung ist gerechter, als dass wir nun auch im Lichte wandeln? Wandelt wie Kinder des Lichts. Dass wir sogenannt werden, weist auf die Unzertrennlichkeit zwischen uns und dem Lichte hin. Wie Kinder den Eltern anhangen, deren Natur, Art und Wesen sie an sich haben, so sind und leben wir in Christo, und sein Licht ist von uns nicht zu scheiden. Ein Christ leuchtet; wer aber nicht leuchtet, der ist kein Christ. Christi eigen und doch zugleich ein Kind der Finsternis sein, das klingt, als wenn man sagte: ein Hügel, den die Sonne bestrahlt, ist in Finsternis gehüllt. Nun, lieber Christ, liebes Licht, leuchte denn auch wirklich. Dein Sinn, dein Wort, dein Wandel,- alles in und an dir zeuge von dem Licht. Dein Weg durchs Leben ist wie eine Allee von Bäumen, in denen der Heiland tausend Lampen angezündet hat, du aber gehst dort und siehst am Ende der Allee die schöne Hoffnungssonne, welche aus dem Osten steigt: willst du nun umkehren und wieder in die Nacht treten, wo kein Mond, kein Hoffnungsstern durch die Wolken deiner Verblendung dringt? Nein, es zeuge dein Wandel davon, dass du nicht mehr Finsternis bist, sondern Licht.

Zwei Wirkungen hat das Licht: es macht hell und warm, und durch die Wärme befruchtet es. Hat dich denn Christus erleuchtet, so zeige die Frucht, die er bei dir wirkt. Frägst du, wie das zu verstehen sei? Die Frucht des Geistes besteht ja in Allem, was Güte und Gerechtigkeit und. Wahrheit heißt. Sieh, da führt dich der Apostel in dein Inneres hinein und zeigt dir den Grund und Boden, woraus die guten Werke hervorwachsen, wie Weizen aus dem fruchtbaren Acker. Hat der Herr dich nicht erfüllt mit seinem Heiligen Geiste? Der aber ist nicht müßig in dir, sondern wie ein fleißiger Landmann wirkt er allezeit, dass aus deinem Herzen ein guter Acker werde. Da wird uns nun Dreierlei genannt, woran der gute. Acker zu erkennen ist Güte, Gerechtigkeit, Wahrheit. Güte bedeutet die lautere, göttliche Gesinnung, die dein ganzes Wesen durchdringt, und die dich tüchtig macht, jegliches Gute zu vollbringen. Da hört denn die Lust und Liebe zum Bösen auf, es tritt an ihre Stelle die Gerechtigkeit, die heilige Tugendliebe, die nicht will, was böse ist, sondern in allen Dingen dem nachtrachtet, was der Wille des lieben himmlischen Vaters ist. Und könnte neben diesen beiden nun noch die Lüge Platz finden, davon der Apostel früher geredet hat? Nein, wer aus der Wahrheit ist, der ist wahr und hat die Wahrheit lieb; er hasst Alles, was Lüge heißt, weil es eine Ausgeburt der Hölle ist.

Siehe, das ist der heilige, göttliche Boden in dir, woraus der mächtige Trieb des Heiligen Geistes die guten Werke hervorgehen lässt. Willst du nun wandeln als ein Kind des Lichts, so frage und forsche nach diesem Spiegel, den dir Paulus vorhält, wie du wandeln sollst. Prüfet, was da sei wohlgefällig dem Herrn. Habt ihr wirklich einen göttlichen Sinn, und habt Gerechtigkeit und Wahrheit lieb: könntet ihr dann etwas anderes denken, reden und tun, als was der Wille eures Heilandes und eures Vaters im Himmel ist? Nein, dann ist bei Allem eure erste Frage: was soll ich tun, dass ich dir, mein himmlischer Herzensfreund, wohlgefalle? Das sei ferne von mir, dass ich dich betrübte und deinen Heiligen Geist; denn du hast mich ja mit deinem eigenen Herzblut erkauft und hast mich aus den Banden des Todes und Verderbens erlöst zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes; darum muss ich ja - ich kann nicht anders - muss all mein Leben lang deine und deines Vaters Freude sein.

David tat nach dem Herzen seines Jonathan; o, siehe, du bist mehr als Jonathan, und ob ich tausend Freunde in der Welt hätte, deren einer für mich durchs Feuer ginge, ein zweiter mir alle seine Habe gäbe, so wollt' ich doch sagen: sie sind alle Sternlein gegen dich, der du meine Sonne bist. Darum soll auf meinem Acker auch keine andere Frucht wachsen, als die, woran du deine Freude hast, nämlich Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Gütigkeit, Glaube, Sanftmut, Keuschheit.

Wohl gesprochen, wenn ihr so sprecht! Aber dann nehmt nun auch nicht Teil an den unfruchtbaren Werken der Finsternis. Was das für Werke sind? Die obengenannten: Hurerei, Unreinigkeit, Lüsternheit, schandbares Wesen, oder was genannt wird Galater 5, V. 19 bis 21, wo 17 solcher Fleischeswerke zu lesen sind mit einem hinzugefügten „Und der gleichen.“ Kann man das Frucht des Geistes nennen? Nein, Steine, Disteln und Dornen sind's, und ebendarum, weil sie auf dem Acker des Heiligen Geistes nicht wachsen, heißen sie „unfruchtbare“ Werke, Werke nicht des Lichts, sondern der Finsternis. Faule Bäume bringen arge Früchte (Matth. 7, 17), aber ein Baum gepflanzt an den Wasserbächen des Heiligen Geistes bringt gute, göttliche Frucht.

2.

So geht denn aus von den Kindern der Finsternis und sondert euch ab (2 Kor. 6, 17), oder, wie es in unserem Texte heißt: Werdet nicht ihre Mitgenossen. - Aber nicht so versteht das, als sollten wir nun alle Gemeinschaft mit ihnen aufgeben. Nein, der Sünde Feind, aber des Sünders Freund! Hört im andern Teile der Predigt, wie das zu verstehen ist. Paulus ermahnt uns, dass wir die Sünder sollen zu gewinnen suchen. Denn das ist nicht genug, dass wir nicht teilnehmen an ihren Werken; das könnte wohl gar dahin führen, dass wir sie hassten, sie flöhen, und wenn wir ihnen begegneten, kein Wort mit ihnen redeten. Aber da träte uns die Liebe in den Weg und spräche: Nicht also! Unterscheidet die Sünde von dem Sünder, und bedenkt, dass die Sünde ein Kleid ist, welches ausgezogen werden kann und soll; ihr aber sollst den Sündern helfen die Sünde ausziehen. Sinkt nicht zu ihnen herab, sondern zieht sie zu euch herauf. Wie das anzufangen ist? Ich will's euch kurz sagen: Rüget oder strafet ihre Werke, und so überzeuget sie, dass sie in der Finsternis wandeln, damit sie sich bekehren. Es haben die meisten Christen die ärgerliche Weise an sich, dass sie, entweder aus Gleichgültigkeit oder aus Furcht, zu den Sünden der Weltkinder schweigen. Was kümmert's mich, dass der Wolf die Schafe meines Nachbarn frisst, wenn ich nur meine eigenen Schafe sicher weiß? Was frag' ich danach, dass dieser und der seinen Acker in der Wildnis liegen lässt, wenn nur mein eigener Acker Weizen trägt? Soll ich aller Menschen Hüter und Wächter sein? Ja, das sollst du, lieber Mensch, und sollst, wenn du den Nächsten freveln siehst, die Feigheit töten, welche sagt: Schweige still! und selbst aus christlicher Liebe und Barmherzigkeit deinen Mund auftun, wie Nathan tat, da er vor David stand. Wie? du wolltest das Leichentuch des Stillschweigens über die tote Seele deines Nächsten decken? Reiß das Tuch herab, tritt mit ihm vor die Leiche hin, zeige ihm die blaffe Wange und das gebrochene Auge und die starre Totenhand seiner Seele, dass er wo möglich über sich selbst erschrecke und durch Gottes Barmherzigkeit Leben in ihn komme.

Oder ist der Zustand der Sünder nicht traurig? Ja, der Apostel weist uns auf die Größe ihrer Sünden hin, um dadurch unsere Teilnahme für sie zu erhöhen. Was sie tun, sagt er, ist schändlich auch nur zu sagen, darum es heimlich von ihnen geschieht. Er redet von jenen Werken der Finsternis, deren manche ja in der Tat so schändlich sind, dass man ihre Namen nicht nennen und ihre Gestalt nicht malen kann, besonders wenn man die Werke der Wollust denkt. Aber hat nicht fast jede Sünde etwas an sich, um deswillen der, welcher sie vollbringt, mit ihr in die Finsternis geht? Wie tief müsste Jemand gesunken sein, wenn er von der Verwerflichkeit des Bösen, das er tut, auch gar keine Ahndung mehr hätte; wenn er es wohl gar für etwas Gutes hielte, und ohne Scheu damit hinträte vor die Öffentlichkeit! Aber so ist es nicht. Das findet man fast bei allen Sündern, dass, wer eine Schalkheit getan hat, gern seine Schande wollte decken und schmücken, dass sie Niemand sähe noch wüsste, und muss wohl gar Gott selbst mit seinem Namen herhalten, und die Büberei fromm, und die Schande zu Ehren machen. Warum sucht der Unkeusche, wenn er das Feuer seiner Lust dämpfen will, die Nacht? Warum gibt, wer seinen Nächsten hasst, sich doch wenigstens öffentlich den Schein, als liebe er ihn? Warum Gebärdet sich der Neid als Liebe, die Allen Alles gönnt? Warum führt die Lüge die Sprache der Wahrheitsliebe? Warum macht der Heuchler die Frömmigkeit zum Deckel seiner argen Gesinnung? Weil in allen Sündern noch ein heimlicher Richter ist, der sie verurteilt. Sie möchten sich selbst die Verwerflichkeit ihrer Gesinnung, ihres Tuns verbergen, aber sie können nicht. Daher ihr lichtscheues Wesen und die Heimlichkeit, worin sie ihre Werke kleiden. Oder sind sie wirklich so verblendet, dass sie nicht erkennen, auf welchen Wegen des Verderbens sie gehen? Nun dann wären sie ja umso beklagenswerter, und man müsste umso mehr darauf bedacht sein, sie auf bessere Wege zu bringen. Wer wird, wenn er einen Unglücklichen am Rande des Verderbens schlafen sieht, ihn nicht erfassen und wecken, dass er nicht hinuntergleite? Es darf die Sünde nicht bleiben in ihrer Verborgenheit; sie muss ans Licht gezogen, muss offenbar werden, wenn sie ein Ende nehmen soll.

Aber wie wird sie offenbar? Das alles, sagt Paulus, wird offenbar, wenn es gerügt wird vom Licht. Das Licht bist du, lieber Christ. Du bist der Erleuchtete, der durch sein strafendes Wort nicht nur die Sünde äußerlich aufdecken, sondern sie auch als Sünde dem Täter zum Bewusstsein bringen soll. Wer soll's tun, wenn du es nicht tust? Ein Weltkind straft das andere nicht; ihm fehlt dazu die Erkenntnis, ihm fehlt auch der Mut. Und ob auch ein Ungerechter den andern strafen wollte, was hülfe das? Die Stimme, die nicht aus der Wahrheit und Liebe kommt, hat keine überzeugende und gewinnende Kraft. Das Licht muss scheinen in die Nacht, wenn sie hell werden soll. Darum ist es der Christen heiliger Beruf, auch durch das strafende Wort ihr Licht vor der Welt leuchten zu lassen, damit die Nacht in Tag verwandelt werde. Gelingt es dir, durch dein Wort den Sünder zur Selbsterkenntnis zu bringen, so hast du ihn gewonnen, denn alles, was offenbar wird, ist Licht. Was hat die Kinder der Welt bisher gehindert, zu Christo zu kommen und ihm anzuhangen mit ihrem Herzen und Wandel? Der Mangel an Erkenntnis. Überzeuge sie von ihrer Sünde, so bekennen sie sich mit dir zu Einem Herrn. Das Alte ist dann vergangen, es ist Alles neu geworden. Sage nicht: „es ist umsonst, dass ich den Sünder strafe und durch Strafen zu wecken suche; unter Taufenden nimmt kaum Einer das Wort von mir an, und erkennt seine Sünde und kehrt um. Wer in der Finsternis lebt, der hat die Finsternis lieb, und hasst das Licht, darum haben sie Christum ans Kreuz geschlagen.“ Sage das nicht, lieber Christ, denn du verdammst damit dich selbst. Hast nicht auch du, haben nicht Unzählige mit dir der Weckstimme des Evangeliums Gehör gegeben, der Sünde entsagt und das Lichtkleid angezogen? Es hieße ja, den Glauben an das Evangelium aufgeben, wenn man an der Möglichkeit, die Welt zu bekehren, zweifeln wollte. Gewiss, es würden viele, viele Menschen sich zu Christo bekehren, die noch im Finstern wandeln, wenn nur mehr Weckstimmen laut würden in der Christenheit. Wie soll das Evangelium in die Herzen der Leute kommen und sie erleuchten und gewinnen, wenn Niemand ist, der sie wecken will? Strafe die Finsternis, so wird sie Licht. Darum heißt es in der Schrift: Wache auf, der du schläfst, und stehe auf von den Toten, so wird Christi Licht dir aufgehen. Der Apostel weist uns ins Alte Testament hinein. Hat Gott nicht schon vor Zeiten, ehe noch Christus da war, Männer zu lebendigen Stimmen an sein Volk gemacht? Eine solche Stimme war die des Propheten Jesaias, welcher sprach (Jes. 60, 1): Stehe auf, werde Licht, Jerusalem, denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des Herrn geht auf über dir. So haben sie gerufen in den Zeiten des Alten Testaments: und wir sollten schweigen in den Zeiten des Neuen Testaments? Der von den Propheten Verheißene ist ja nun gekommen, es ist Christus, das Licht der Welt. Nun wohl, ihr Christen, so tretet denn jetzt an die Sünder heran, strafet sie, wecket sie, und sprecht: Stehet von den Toten auf, denn tot seid ihr in euren Übertretungen und Sünden, - steht auf, schlagt in euch, tut Buße, glaubt an den Herrn Jesum, so wird sein Licht euch aufgehen!

Das ist die Weise, wie wir uns an die Kinder der Finsternis machen sollen. Blos an ihren Sünden nicht teilnehmen, das ist bei Weitem nicht genug; nein! wo und wenn sich Gelegenheit dazu findet, ihre Sünde rügen, sei es mit mildem oder mit hartem Wort, damit sie zur Erkenntnis kommen, und durch die Erkenntnis zur Buße, und durch die Buße zur Erneuerung, das ist aller Christen Pflicht. Eltern, tut's bei euren Kindern; Ehemänner, tut's bei euren Weibern; Christen, tut's bei allen, die ihr in der Finsternis wandeln seht. Seid ihr Licht, so beweist's damit, dass ihr euer Licht auch in der Weckstimme leuchten lasst. Rettet Andere, die ihr selber von Andern gerettet seid. Mag zürnen und trotzen, wer zürnen und trogen will; mag schelten und toben, wer eine weckende Stimme nicht hören will: ihr werdet doch diesen, werdet jenen aus der Finsternis zum Lichte bringen.

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