Kähler, Carl Nikolaus - Auslegung der Epistel Pauli an die Epheser in 34 Predigten - Zweiundzwanzigste Predigt.

Gelobt seist du, Jesu Christ,
Dass du Mensch geboren bist!
Du willst uns machen groß und reich,
Und deines Vaters Engeln gleich.
So hilft uns Gott! 1)

Was spricht die heutige Festepistel? wie lautet sie? Es ist erschienen die heilsame Gnade Gottes und züchtigt uns, dass wir verleugnen sollen das ungöttliche Wesen und die weltlichen Lüfte, und züchtig, gerecht und gottselig leben in dieser Welt. Das ist ein Wort, wobei man ausrufen muss: Hört! Hört! Es wird uns nämlich darin gesagt, welchen Zweck das Kommen unsers Erlösers hat. Will er die Welt lassen wie sie ist? Nein! er will sie wie eine Tür aus der Angel heben, er will sie wie einen Acker urbar machen, er will schaffen, dass das Alte aufhöre und ein ganz Neues anfange. Aus der in Sünde verlorenen Menschheit will er sich eine Herde machen, die ihm folgt und seine Stimme hört, ein Volk, das fleißig ist zu guten Werken. Darauf zielt jegliche Stufe seiner Erniedrigung hin, sein Menschwerden, sein Leben, sein Leiden, sein Sterben, darauf auch seine nachfolgende Verherrlichung, dass ihn nämlich Gott erhöht und ihm einen Namen gegeben hat, der über alle Namen ist. Christen, wolltet ihr dies aus den Augen setzen, dass der Heiland gekommen ist, uns zu einem Gott gehorsamen und zu jeglichem guten Werk eifrigen und fleißigen Volk zu machen, was nützte dann das Weihnachtsfest, ja, was nützte dann überhaupt die große Anstalt, Kirche genannt, die der Herr auf Erden gestiftet hat? Nur soweit wir Alle aus einem Alten ein ganz Neues werden, und jeder Einzelne sich von Christo gewinnen lässt, dass er von dem breiten Sündenwege abirrt, und den schmalen Weg der Tugend und Gottseligkeit betritt, der zum ewigen Leben führt, nur soweit wird der Zweck des Kommens Jesu an uns erfüllt, und nur soweit dürfen wir einstimmen in den Lobgesang der Engel: Ehre sei Gott in der Höhe! Nun, Christen, möge denn das heutige Fest dazu dienen, uns dies Ziel der Geburt Christi, nämlich unsere Erneuerung, recht klar vor die Augen zu stellen, und uns kräftig zu ermuntern, dass wir uns von dem Gottessohne für sein Reich gewinnen lassen, um darin unter ihm zu leben in ewiger Gerechtigkeit, Unschuld und Seligkeit. Das ist auch die Aufforderung, die uns in unserem heutigen Texte entgegen kommt.

Ephes. 4, V. 17 - 24: So sage ich nun und zeuge in dem Herrn, dass ihr nicht mehr wandelt, wie die andern Heiden wandeln, in der Eitelkeit ihres Sinnes, welcher Verstand verfinstert ist, und sind entfremdet von dem Leben, das aus Gott ist, durch die Unwissenheit, so in ihnen ist, durch die Blindheit ihres Herzens; welche ruchlos sind, und ergeben sich der Unzucht, und treiben allerlei Unreinigkeit samt dem Geiz. Ihr aber habt Christum nicht also gelernt, so ihr anders von ihm gehört habt, und in ihm gelehrt seid, wie in Jesu ein rechtschaffenes Wesen ist. So legt nun von euch ab, nach dem vorigen Wandel, den alten Menschen, der durch Lüste in Irrtum sich verdirbt; erneuert euch aber im Geist eures Gemüts, und zieht den neuen Menschen an, der nach Gott geschaffen ist in rechtschaffener Gerechtigkeit und Heiligkeit.

Wenn ihr anders Christum vernommen habt und in ihm gelehrt seid. Paulus ist persönlich und leibhaftig nicht euer Lehrer gewesen, aber er setzt voraus, dass ihr christliche Lehrer und Prediger gehabt habt, die euch die Wahrheit verkündigt haben, wie sie in dem menschgewordenen Gottessohne gefunden wird, und dass ihr so nicht nur von Christo gehört, sondern ihn selbst innerlich in eurem Herzen vernommen habt, wie ja denn alles Lehren und Predigen dazu dienen soll, den Herrn selbst uns nahe zu bringen, dass wir ihn empfangen. Nun, und wenn das der Fall ist, was habt ihr denn gelernt? und was ist euch in eurem inneren lebendigen Verkehr mit ihm gelehrt worden? Dass ihr, Jesu nachfolgend, in dem Alles was gut, göttlich und darum wahr heißen mag, beisammen ist, dass ihr ablegen sollt den alten Menschen, und anziehen den neuen Menschen, der nach Gott geschaffen ist in der Gerechtigkeit und Heiligkeit der Wahrheit. Seht, Christen, da wird uns die Bedeutung der Erscheinung Christi vor die Augen gestellt; da hört ihr, dass es ihm mit seinem Menschwerden, Leiden und Sterben um Nichts zu tun gewesen ist, als um unsere Erneuerung. An dieser unserer Erneuerung hängt für uns aller Friede, alles Heil für Zeit und Ewigkeit. Das ist es, was uns der Apostel heute zu sagen hat. Er nimmt die Ermahnung wieder auf, womit er das vierte Kapitel begonnen hat, und nun bezeugt er im Herrn, das heißt, er bittet und beschwört uns, nicht um äußerlicher, menschlicher Gründe willen, sondern nach seiner inneren Gemeinschaft, worin er mit dem Herrn steht, - was sagt er, was bittet er? Dieses, dass wir nicht mehr wandeln sollen wie zuvor, sondern heraustreten aus der alten Finsternis, und uns erneuen nach dem Geiste, nach dem tiefsten Grunde unserer Gesinnung. Sei denn unser Thema: die kräftige Aufforderung zur Erneuerung, die das Weihnachtsfest für uns enthält Denn es weist uns hin auf Den, der

1. an die Stelle der Finsternis das Licht,
2. an die Stelle der Ohnmacht die Kraft,
3. an die Stelle des Verderbens die Hoffnung gesetzt hat.

Und nun bitt' ich dich, mein Gott: heilige uns in deiner Wahrheit, dein Wort ist die Wahrheit!

1.

Mit Christo ist ein Licht gekommen in die Welt, womit sich die Finsternis der Sünde und ihrer Gräuel nicht verträgt. Wären wir noch ohne Christum, so könnte sich keiner wundern, wenn wir noch lebten, wie die Heiden leben; aber nun Gott uns das große Licht in Christo angezündet hat, müssten wir uns schämen, wenn wir am hellen Mittage wandeln wollten, als wandelten wir noch in der Mitternacht. Wisst, durch Christum ist offenbar geworden die Sünde und die Gerechtigkeit. Warum sandte Gott seinen Sohn in die Welt? Dass es anders und besser mit ihr würde. Sollte sie aber erneuert werden, so musste ihr vor Allem ihr Zustand klar werden, worin sie sich befand, es musste ihr ein Licht angezündet werden über das was Sünde ist. Haben die Heiden das nicht gewusst? Haben nicht auch sie Recht und Unrecht, Gutes und Böses, Werke der Finsternis und Werke des Lichts zu unterscheiden gewusst? Christen, ich leugne nicht, dass eine Kunde davon geblieben war unter den Heiden, und dass es Weise unter ihnen gab, die nicht nur das Böse erkannten, sondern auch ihre Zeitgenossen davor warnten. Aber wie klein und schwach war dies Licht, wenn man es stellt gegen das große Licht, das unser Heiland angezündet hat, und vollends, wenn man den Zustand der Heidenwelt im Großen und Ganzen betrachtet, was war er anders als schwarze Finsternis? Der Apostel, der ja in der Heidenwelt wie zu Hause war, macht uns in unserem Texte eine Beschreibung von dieser Finsternis. Sie sind, sagt er, verfinstert an Verstand wegen der Unwissenheit, die in ihnen ist. Also bis in die tiefsten Tiefen ihres Herzens hinein war es Nacht. Wer von Gott nichts weiß, sondern seine Knie vor stummen Götzen beugt; wer, wie die Heiden getan, sich Götter schafft nach dem Bilde des sündlichen Menschen, also Götter, die alle Schwächen und Untugenden mit den Menschen gemein haben: wie sollte der die Sünde erkannt haben? Kein Wunder, dass es bei den Heiden fast zu einer gänzlichen Unkenntnis des Bösen gekommen war, wo sie Böses für gut und Gutes für böse hielten! In diese Nacht trat Christus mit seinem Himmelslicht, das er leuchten ließ in seinem Wort, in seinem Werk. Und wie bald wurde es anders durch ihn! Wo sein Wort gehört und geglaubt wurde, da hörte sofort der Götzendienst auf, da erkannte man die Schändlichkeit der Sünde, schämte sich ihrer und wandte sich mit Abscheu von ihr ab; da ging in den Herzen der Gläubigen ein Licht auf, worin sie die ganze abschreckende Gestalt der Sünde erkannten. Christen, haben wir nicht auch dies Licht von dem Herrn empfangen? Wer, der Christum kennen gelernt hat, hat durch ihn nicht auch die Sünde kennen gelernt? und wer, der Christum liebt, verabscheut nicht in dieser Liebe Christi Alles was böse ist? Sein teures Work hält uns ja die Sünde in allen ihren Gestalten vor, und lehrt sie uns kennen, wie nach ihrem Ursprung, so nach ihrer Verbreitung in der Welt, wie nach ihrer Schändlichkeit, so nach dem Verderben, das sie über uns Menschen bringt. Darüber belehrt uns jede Blattseite der Heiligen Schrift, und noch mehr werden wir darüber belehrt durch den Geist unsers Herrn Jesu Christi, der in uns wohnt. Ja, in wessen Herzen Christi Geist wohnt, der wird von diesem Geiste gestraft um der Sünde willen, und alles was böse ist, sei es Gedanke, Wort oder Tat, wird ihm klar und offenbar in seiner ganzen Verwerflichkeit. Könnt ihr denn nun, nachdem euch dies helle, bis in die Tiefen eurer Seele hineinleuchtende Licht in eurem Erlöser aufgegangen ist, könnt ihr nun noch wandeln, sowie die Heiden wandeln in der Eitelkeit ihres Geistes? Soll nun noch das Höchste, was es in euch gibt, der von Gott in euch geschaffene Geist, gebunden sein, so dass ihr nur auf die eitlen, nichtigen Freuden und Genüsse der Welt euren Sinn, euer Verlangen, euer Streben richtet? Nein, ihr habt keinen Teil an Christo, wenn ihr jetzt nicht das Sündenkleid ausziehen wollt, das euch der Teufel angezogen hat. Werdet ihr heute auf Christum hingewiesen, das Licht der Welt, so ist das die kräftigste Aufforderung, nicht mehr zu wandeln auf den Wegen der Finsternis.

Vielmehr müsst ihr euch finden lassen auf dem Wege der christlichen Tugend und Gerechtigkeit Ist uns durch Christum nicht auch darüber ein Licht aufgegangen, wie wir sein, wie wir leben und handeln sollen? Ja, ein Licht, wie es nie zuvor in der Welt geleuchtet hat. Wie traurig stand es auch in diesem Betrachte um die Heiden! Wie verfinstert an Verstand, so waren sie entfremdet dem Leben Gottes wegen der Verstocktheit ihres Herzens. Also das Band der Liebe zwischen ihnen und Gott war gelöst; ihr Herz war öde und leer; was die Schrift Liebe, Kindschaft, Demut, Vertrauen, Gehorsam nennt, das alles war ihnen verborgen, weil sie von Gott geschieden waren. Mochten sie immerhin den Namen Tugend kennen und in ihrem Gewissen gestraft werden, wenn sie das Gute, soweit sie es kannten, nicht vollbrachten, so war ihnen doch verborgen die göttliche Quelle, woraus die wahre Gerechtigkeit fließt. Sie fürchteten ihre Götter, aber sie liebten nicht Gott; was aber ist eine Tugend ohne Gottesliebe? Sie taten Manches, das wenigstens den äußerlichen Schein des Guten hatte, aber es fehlte ihrem Herzen mit Gott auch das Leben, welches Gott durch seinen Heiligen Geist. im Menschen wirkt. Mochten sie zum Teil ihr Vaterland lieben und für dasselbe aufopfernde Werke tun, mochten sie ihre Eltern ehren, mochten ihnen ihre Kinder und Freunde teuer sein, so kannten sie doch nicht die Liebe, die ein brüderliches Band um aller Menschen Herzen schlingt, die weit hinausgeht über die Grenze der Familie, des Vaterlandes, der Verwandtschaft, der Freundschaft, die, statt bloß den Freund zu lieben, sogar das Leben für die Feinde lässt. Wer hat uns denn den rechten Weg gezeigt, den wir wandeln sollen? Das hat Der getan, der selber Eins war mit Gott, und dessen Leben, Leiden und Sterben hervorging aus der reinsten Liebe, die je die Welt gesehen hat. Wer von uns kennt nun nicht den Willen Gottes, wonach er in seinem Herzen, Sinn und Wandel sich halten soll? Das, sagt Paulus, ist der Wille Gottes, dass wir sollen erneuert werden nach dem Geiste unserer Gesinnung, dass ein ganz neues Leben in uns entstehe, wodurch das Herz verwandelt und angetan werde mit Lust und Eifer zu allem Guten. Von einem neuen Menschen redet er, der nach Gott geschaffen ist in der Gerechtigkeit und Heiligkeit der Wahrheit. Wie Gott zu Anfang den Menschen nach seinem Bilde schuf, so will er jetzt, nachdem dies Bild durch die Sünde entstellt worden ist, in Christo Jesu den Menschen wieder zurückführen zur Gottähnlichkeit. Wodurch sind wir Gott ähnlich? Durch die Wahrheit, die eben darin besteht, dass wir Gott zugewandt sind in der Liebe, dass unser Herz rein, unser Sinn göttlich ist und all unser Tun und Lassen zu dieser Reinheit des Herzens und Sinnes stimmt. Denn wo die Wahrheit, die Lauterkeit der Gesinnung ist, da fehlt auch nicht die Gerechtigkeit, die Übung aller und jeder Pflicht, da fehlt nicht die Heiligkeit, oder der reine Sinn, der nicht leidet, dass die Welt und die Sünde der Welt unser Herz und Leben beflecke. Zieht diesen neuen Menschen an, wie ihn Gott durch seine Gnade in euch wirkt, so lebt ihr in Gott und Gott in euch, so tut ihr Jegliches, das ihr tut, im Namen Gottes und eures Erlösers, so leitet die aufrichtigste Liebe zu dem Herrn alle eure Schritte, die ihr tut, so habt ihr die Brüder lieb und wandelt in allen Stücken nach dem Wohlgefallen Gottes. Das ist das durch Christum angezündete Licht, welches er gesetzt hat an die Stelle der alten heidnischen Finsternis. O Christen, ihr könnt das Geburtsfest eures Erlösers nicht besser feiern, als wenn ihr euch in dem Herrn entschließt, dass ihr dem Bösen entsagen und fort und fort wandeln wollet auf dem Wege der Gerechtigkeit, den der Herr euch zeigt.

2.

Aber ihr irrtet sehr, wenn ihr meintet, dass die Gnade Gottes in Christo bloß erschienen sei, um uns den Weg zu zeigen. Blos uns sagen, wie wir gesinnt sein, wie wir leben und wandeln sollen, das reicht nicht aus. Wir empfangen durch unsern Erlöser auch die Kraft, zu tun nach seinem Wort. Er nimmt von uns unsere natürliche Ohnmacht und setzt an ihre Stelle die Kraft. Wie wäre die in Sünden verlorene Welt im Stande gewesen, der Sünde zu entsagen und von Grund des Herzens sich zu erneuern, wenn ihr dazu nicht Kräfte von oben wären verliehen worden! Ihr Herz war verstockt. Wie ein vom Weinstock abgeschnittener Rebe verdorrt, und ein vom Baum getrennter Zweig, wenn er an der Erde liegt, zu einem dürren Stocke wird, so hatte die Welt, als die von Gott geschiedene, alle Kraft, Liebe und Lust zum Guten verloren. Denn sie war verhärtet, war fühllos geworden, die Stimme Gottes in ihr war verstummt, sie sündigte und fühlte keine Reue mehr, kein Leid, und so gab sie sich hin der Frechheit, der Zügellosigkeit, zur Ausübung jeglicher Unzucht in Völlerei. Paulus wusste es aus eigener Anschauung, und er redet näher davon Röm. 1, welchen natürlichen und unnatürlichen Lastern der Wollust sich die Heiden hingegeben hätten, und das taten sie bei Völlerei, indem sie zugleich im Genuss von Speise und Trank dem Bauche dienten als ihrem Gott. Schwelgerei und Wollust finden sich ja häufig genug beisammen. Wer sein Herz mit Fressen und Saufen beschwert, der liebt meistens auch die Kammern der Unzucht. Andere übersetzen das Wort im Grundtext durch „Habsucht“ sie übten jegliche Art der Unzucht bei Habsucht. Nun, auch diese ist mit der Wollust nahe verwandt; denn wer den Genuss liebt, der muss sich ja die Mittel zu verschaffen suchen, ohne die er seine Lust nicht stillen kann, er muss nach Geld und irdischen Gütern begierig sein, damit er sagen könne: Nun, liebe Seele, iss, trink' und gehe der Wollust nach. Stand es nun aber so um die Welt, was konnte es da helfen, dass ihr gesagt wurde, was gut und böse sei, und dass man sie aufforderte, den alten Menschen abzulegen und von Grund des Herzens sich zu erneuern, wenn ihr nicht zugleich die Kraft dazu von oben gegeben wurde? Dazu nun aber ist die rettende Gnade in Christo erschienen, nicht nur, dass sie an die Stelle der Finsternis das Licht, sondern auch an die Stelle der Ohnmacht die Kraft setzte? Was ist es denn bei unserem Erlöser, das uns mit Kraft, Liebe und Lust zum Guten erfüllt? Das ist seine Liebe, womit er sich für uns zum Opfer dargebracht, das ist das hohe Vorbild, welches wir bei ihm finden, das endlich ist der Heilige Geist, womit er uns erfüllt.

Was vermag uns von der Bahn des Lasters abzuziehen und uns auf die Bahn der Gerechtigkeit zu führen, wenn es nicht die Liebe vermag, womit uns unser Heiland entgegen gekommen ist? Liebe muss ja Gegenliebe und Dankbarkeit erzeugen. Schon die aufopfernde Liebe eines bloßen Menschen kann einen Sünder, dem sie erwiesen wird, erschüttern, kann ihn zur Reue, zur Scham, zur Umkehr bringen. Nun aber erwäge, welche Liebe dir dein Erlöser bewiesen hat. Was liest du Philipper 2? Ob er wohl in göttlicher Gestalt war, hielt er es nicht für einen Raub Gott gleich zu sein, sondern äußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward wie ein anderer Mensch und an Gebärden als ein Mensch erfunden; er ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuze. Diese dir und uns allen von unserem Erlöser bewiesene Liebe, dass er für uns, die wir doch dem Leben Gottes entfremdet, die wir verhärtet waren und einem zügellosen Leben hingegeben, dass er, sage ich, für uns seiner göttlichen Herrlichkeit sich entäußerte, arm, niedrig und bloß wurde, den Schmähungen und Verfolgungen seiner Feinde sich preisgab, ja, die ganze Last unserer Sünde, unserer Schuld auf sich nahm, und damit als ein Missetäter an das Kreuz sich schlagen ließ: muss diese Liebe, wenn du sie erkennst, dich nicht ergreifen, dich nicht erwerben und für deinen Erlöser gewinnen? Und das eben ist nun die kräftige Aufforderung, die am heil. Weinachttage an dich und jeden andern ergeht, dass du den wieder lieben sollst, der dich zuerst geliebt hat. Siehe, er zeigt dir deine Sünde und dein Elend, er zeigt dir klar und deutlich den Weg, der zum ewigen Leben führt, und was noch hundertmal mehr ist als das, er geht aus Liebe zu dir Verlorenen in den Kampf und die Leiden der Welt und bringt bis zum schmählichen Kreuzestode alle seine göttliche Freude und Herrlichkeit dir zum Opfer. So zeige denn, dass du nicht gänzlich verstockt und versteinert bist: schlage in dich, kehre um, verlass die Sündenbahn und gib dem dein Herz, der dir sein Herz zuerst gegeben hat. Gewinnt dich Christi Liebe nicht, so bist du ein verlorener Mensch.

Dazu kommt als ein zweites Treibendes das göttliche Vorbild, das er dir hinterlassen hat. In unserem Texte wird es die Wahrheit in Jesu genannt. Wir haben, sprachen seine Jünger, gesehen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingebornen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit. Ja, er, wie er als Mensch unter uns wandelte, war voller Wahrheit. Er sagte sie nicht bloß, er zeigte sie auch in seiner Gesinnung und in seinem Verhalten gegen uns. Wer kann ihn einer Sünde zeihen? wann ist je ein Betrug in seinem Munde erfunden worden? War sein Herz nicht voll Liebe und Gehorsam gegen Gott? Hat er nicht überall bewiesen, dass Niemand die Menschen mehr lieben kann als Er? Ging er nicht den Sündern nach, war er nicht barmherzig gegen die Unglücklichen, nahm er sich nicht der Verlassenen an? Hat Jemand, um den Menschen dienen zu können, williger als er auf alles Gut, Genuss und Freude dieser Welt verzichtet? ist Jemand treuer gewesen in seinen Kämpfen, sanftmütiger in seinem Verkehr mit der Welt, geduldiger und stiller in seinen Leiden? In Summa, kennt ihr einen Menschen, der reiner, schuldloser, besser war als der Herr es gewesen ist als Mensch auf Erden? Nun, mit diesem seinem Vorbild reizt er euch und locket euch, dass ihr nachfolgen sollt seinen Fußtapfen. Habt ihr ihn lieb, so tut wie Er getan, und wandelt wie ihr ihn habt zum Vorbilde. Hat doch das Beispiel eine große Macht über uns; ist es böse, so reizt es uns zur Sünde, und Tausende lassen sich verderben durch das Beispiel der Welt; ist es aber gut, so beschämt es uns, wenn wir böse sind, und ist ein lebendig Wort, das zehnmal mehr über uns vermag, als noch so schöne Worte, wenn sie ohne Werke sind. Bei unserem Erlöser aber redet nicht bloß die Zunge, sondern jedes Wort, das er sagt, ist bei ihm zugleich Tat und Wahrheit; was nur gut, was nur Tugend heißen mag, das findest du Alles in seinem Herzen, in seiner Gesinnung, in seinem Leben; so reize dich denn dies leuchtende Vorbild deines Seelenfreundes, dass du der Sünde den Rücken zukehrst und von Grund des Herzens dich zu ihm bekehrst.

Aber er tritt dir noch näher als durch die Macht der Liebe, die er dir beweist, und durch die Macht des Beispiels, das er dir gibt. Er, als der zur Rechten Gottes erhöhte Christus sendet dir auch, wenn du an ihn glaubest, seinen Heiligen Geist, womit er dich erfüllt. Nicht nur liebt er dich, wie Keiner sonst dich liebt, nicht nur leuchtet er dir mit seinem Beispiel vor, wie Keiner sonst; nein, er ist nach seiner göttlichen Natur nun auch bei dir alle Tage und macht Wohnung in deinem Herzen. Bist du ein Christ, so muss dein Herz davon Zeugnis geben, dass er nicht ferne von dir ist, sondern bei jedem Schritt und Tritt, den du tust, dich mit seiner göttlichen Kraft erfüllt. Rufest du ihn an, so hört er deine Stimme, bittest du ihn um Kraft, so stärkt er dich, bist du traurig, so erfüllt er dich mit Trost. Wie das Haupt verbunden ist mit dem Körper, und der Weinstock verbunden mit den Reben, so ist Christus verbunden mit uns, wie er auch selber sagt: Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben, wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht, denn ohne mich könnt ihr nichts tun. Nun, Christen, das alles zeugt ja davon, dass wir nirgends in der Welt mehr Aufforderung und Antrieb zur Erneuerung unsers Herzens, Sinns und Lebens finden, als bei unserem Erlöser. Lasst euch das gesagt sein am heiligen Weihnachtfeste.

3.

Aber nun wollen wir, drittens, noch einen Blick in die Zukunft tun. Ist die Erneuerung und Heiligung, die der Heiland bei uns wirkt, ein Gewächs, das heute steht und morgen wieder vergeht? Was haben wir zu erwarten, wenn wir uns mit unsern Gedanken vor unsern göttlichen Richter, vor die Zukunft, vor die Ewigkeit stellen? Ist's da noch, wie es vor Christo bei den Heiden war, dass wir ohne Hoffnung sind und nichts als das Verderben vor unsern Augen steht? Nein, auch in diesem Betrachte finden wir bei Christo die kräftigste Aufforderung zur Erneuerung, denn an die Stelle des Verderbens hat er die Hoffnung gesetzt.

Was hatten die Menschen nach der Herrschaft, die die Sünde über sie übte, zu erwarten? Nichts als das Verderben, sagt unser Text. Denn der alte Mensch richtet uns zu Grunde durch der Lüfte des Betrugs. Wo die Wahrheit, wo das lautere göttliche Wesen fehlt, wie wir es bei Jesu finden, da ist der Betrug der Sünde. Womit betrügt sie den Menschen? Mit den bösen Lüsten, womit sie ihn umgarnt. Denn sie zeigt ihm die Güter und Freuden der Welt, und spiegelt ihm ein großes Glück vor, das er haben werde, wenn er ihnen nachjage. Findet er auf diesem Wege das Glück? Nein, je älter er wird, desto mehr sieht er sich getäuscht. Die Kluft zwischen ihm und Gott wird immer größer; die Kraft, womit ihn die Sünde beherrscht, wird immer stärker; die Unlust, der Unfriede in ihm nimmt immer mehr zu; das Vertrauen, womit er dem Tode und der Ewigkeit entgegentritt, geht immer mehr in Furcht und Verzweiflung über, bis er denn zuletzt rufen muss: Ihr Berge, fallt über mich, ihr Hügel, bedeckt mich! Aber wie steht's um dich, wenn du dich von deinem Heilande erleuchten, dich von seinem Geiste erfüllen, dich von seinem Vorbild locken, dich von seiner Liebe auf den Weg der Wahrheit führen lässt? Dann geht's nicht mit dir bergab, sondern bergauf; dann wird's nicht schlechter mit dir, sondern besser; dann bist du ein Kind der Hoffnung, die dich nicht zu Schanden werden lässt. Denn siehe, was tut dein Heiland nun? Statt der Furcht gibt er dir eine große kindliche Freudigkeit zu Gott; statt der verschlossenen Tür zeigt er dir die offene Himmelstür, und statt der Pein der Verdammnis verheißt er dir eine Freude, die Niemand von dir nehmen soll.

Ist es nicht so, dass, wenn du sein eigen bist und in seinem Reiche unter ihm lebst, du durch ihn in Gott einen Vater gewinnst, zu dem du einen kindlichen Zugang und eine herzliche Zuversicht hast? Die Alten haben sich vor ihren Göttern gefürchtet, und um ihren Zorn zu versöhnen, sich mit Messern verwundet, sich mit Feuer gebrannt, und sogar ihre eigenen Kinder als Opfer geschlachtet. Es ist keine Qual denkbar, der sich die Menschen nicht unterworfen hätten, um nur ihre Götzen zu Freunden zu haben. Du aber? o, du weißt ja, dass dein Erlöser sich zum Opfer für dich dargebracht und dass in ihm, dem Gekreuzigten, Gott dich mit sich selbst versöhnt hat. Lässt du dich nun durch diese einzige Liebe für Christum gewinnen, so ist dir ja alle deine Schuld erlassen, wie schwer sie auch wiege, und alle deine Sünde vergeben, wie groß sie auch sei. Gott ist nicht mehr dein Feind, sondern dein Herzensfreund, nicht mehr ein Richter und Rächer, sondern ein lieber Vater, zu dem du die kindlichste Zuversicht und das herzlichste Vertrauen hast. Du fühlst dich in deinem Herzen mächtig zu ihm hingezogen; du faltest täglich deine Hände im Gebet zu ihm; du bist ihm ergeben in Freud und Leid, in guten und bösen Tagen, im Leben und Sterben, und er dagegen ist dir als ein Vater seinem Kinde zugetan; er hat immer sein Auge auf dich und seine Hand über dir; es darf ohne seinen Willen dir kein Finger gekrümmt werden und kein Haar von deinem Haupte fallen; er züchtigt dich wohl von Zeit zu Zeit, aber auch das tut er aus lauter Liebe zu dem Kinde, damit er es übe in der Tugend und Gottseligkeit. Sieh, einen solchen Frieden, eine solche Freundschaft stiftet der Heiland zwischen dir und deinem Gott: hält dir darin das Weihnachtfest nicht den kräftigsten Antrieb zur Erneuerung vor? Wolltest du nun noch der alte Mensch bleiben, um dich durch ihn durch der trügerischen Sünde verderben zu lassen, oder willst du lieber den neuen Menschen anziehen und so Christi eigen und Gottes Freund sein?

Aber wie wird's mit dir, wenn du einst hinübergehst? Findest du dann die Tür verschlossen? Ja, verschlossen ist sie denen, die Christum verachten und statt seiner Wahrheit die Lüge lieben, die sie um alle Hoffnung bringt. Wie sollte, wer im Unglauben, wer in der Sünde lebt, wer den alten Menschen mit sich durch die Welt und ins Grab schleppt, wie sollte der die Tür offen finden? Aber du Bekehrter, du Erneuerter, findest sie offen. Denn dich hat Gott innerlich umgeschaffen nach seinem Bilde, so dass du das in Christo wiedergefunden hast, was wir in Adam verloren hatten; du stehest jetzt in der Wahrheit und mittelst der Wahrheit in der Gerechtigkeit und Heiligkeit; du hast jetzt das Alte abgetan und alles in und an dir ist neu. So findest du die Tür offen, die dein Heiland dir aufgeschlossen, wie wir auch gesungen haben: So schloss er wieder auf die Tür zu-Gottes Paradeis, der Cherub flammt nicht mehr dafür, Gott sei Lob, Ehr und Preis. Lass dir das eine starke Aufforderung zur Erneuerung sein.

Und was findest du, wenn du durch die offene Tür gegangen bist? Wisse, mein Christ, Erneuerung zieht nach sich Freude, und diese Freude, wie sie die ewige und ewig zunehmende ist, nennt die Schrift Seligkeit. Außer der Liebe, der Wahrheit, der Gerechtigkeit, der Heiligkeit gibt es keine Seligkeit. Die Lüge zieht die Pein nach sich, die Gerechtigkeit aber die Freude. Kannst du schon hier glücklicher und zufriedener sein, als wenn du als Jünger Christi und als Kind Gottes den Weg der Tugend mit aller Treue wandelst bis an dein Ende? Diese innige, herzliche Freude aber soll kein Ende nehmen, und ist sie jetzt nur ein Tropfen, der am Eimer des Kampfes und der Trübsal hängt, so soll sie künftig, wenn der Herr alle Tränen aus deinen Augen trocknet, der Eimer selbst sein, angefüllt mit ewiger Herrlichkeit. Der Heiland ist dir vorangegangen und hat schon Alles für dich in Ordnung gebracht. „Ich gehe hin, euch die Stätte zu bereiten.“ Nichts mehr von äußerster Finsternis und höllischer Verdammnis! nein, so gewiss wir als die Erneuerten Christo angehören, so gewiss ist uns die Freude, die der Herr uns bereitet hat.

Ist es euch denn nun klar geworden, liebe Christen, was es mit der Geburt und Erscheinung Christi auf sich hat? Aus unserem Sünden-Elend will er uns retten, will uns zu einem Volk machen, das fleißig ist zu guten Werken, und will uns so zum ewigen Frieden führen. Darum zündet er sein göttlich Licht an, und zeigt uns den Unterschied zwischen Gut und Böse, zwischen Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit, zwischen Heil und Verdammnis. Darum geht er für uns mit aller möglichen Liebe in Kampf und Tod, und zieht uns dadurch an sich heran, und zeigt uns sein göttlich Vorbild, und erfüllt uns mit seinem Heiligen Geist. Darum hebt er den Vorhang vor der Ewigkeit hinweg, versöhnt uns auf immer mit dem Vater, schließt uns die Tür auf und bereitet uns eine unaussprechliche Freude. So lasst denn diese Weihnachtpredigt Wirkung auf euch tun. Lasst euch für Christum gewinnen, dass ihr abtut alles ungöttliche Wesen, euch von Grund des Herzens zu ihm wendet, und in Gerechtigkeit und Heiligkeit ihm anhanget bis an euren Tod.

Ach, verwerft doch, ihr Sünder,
Den nicht, der euch retten kann,
Kommt und werdet Gottes Kinder;
Zieht den neuen Menschen an!
Eilt zum Herrn und säumet nicht;
Macht euch auf und werdet Licht! 2)

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