Huhn, August Ferdinand - Predigten über die Heiligen Zehn Gebote - Erste Predigt über das vierte Gebot.

Huhn, August Ferdinand - Predigten über die Heiligen Zehn Gebote - Erste Predigt über das vierte Gebot.

Gnade sei mit uns, und Friede von Gott dem Vater und dem Herrn Jesu Christo, der uns geliebt und sich selbst für uns dahingegeben hat. Ihm sei Ehre nun und in alle Ewigkeit. Amen.

Wir kommen heute, versammelte Christen, in unseren Katechismus-Betrachtungen zur zweiten Tafel der Gebote Gottes. War die Summe der Gebote der ersten Tafel diese: Du sollst Gott, Deinen Herrn, lieben von ganzem Herzen, von ganzem Gemüte und von allen Kräften, so ist der Hauptinhalt der zweiten Tafel dieser: Du sollst Deinen Nächsten lieben, als Dich selbst. Es beginnt aber die zweite Tafel, wie Ihr wisst, mit dem vierten Gebote. Hört es:

2 Mos. 20, 12. „Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren, auf dass dir's wohl gehe und du lange lebst auf Erden.

Luthers Erklärung: Wir sollen Gott fürchten und lieben, dass wir unsere Eltern und Herren nicht verachten, noch erzürnen, sondern sie in Ehren halten, ihnen dienen, gehorchen, sie lieb und wert haben.

Nach dem eben verlesenen vierten Gebote soll heute, unter Gottes Beistande, der Gegenstand unserer Betrachtung und Erbauung sein: Die Ehre der Eltern.

Lasst uns sehen: I. worauf diese Ehre beruht;
II. warum Gott der Herr sie angeordnet und geboten; und
III. wie sie den Eltern von den Kindern er wiesen werden soll, und wie wir zu der Erfüllung dieses Gebotes stehen.

I.

Die Ehre, welche die Eltern von ihren Kindern haben sollen, beruht nicht auf etwas, das in den Eltern selbst wäre. Nicht die etwaigen persönlichen Vorzüge der Eltern, nicht ihre Mühe und Arbeit, ihr Sorgen und Wachen um die Kinder, ihre Liebe und Treue gegen sie, nicht das ist es, warum den Eltern die Ehre von den Kindern gebührt, und was die Eltern Achtung und Ehrung von den Kindern zu fordern berechtigt. Die Eltern sollen und dürfen nicht zu ihren Kindern sagen: darum, weil wir so und so sind, darum müsst ihr uns ehren und lieben. Denn dagegen könnten ihnen ihre eigenen Kinder (und wie viele gottlose Kinder haben es schon getan!) die eigenen Kinder, sage ich, könnten den Eltern hundert Dinge vorhalten, warum sie sie nicht zu ehren brauchten. Oder gibt es nicht noch heute gar manche Kinder, die, statt den Eltern zu danken, ihnen nur Vorwürfe machen, die ihnen ins Gesicht sagen: warum habt Ihr mich nicht so erzogen, warum habt Ihr das und das nicht an mir getan, warum habt Ihr das versäumt?

Gibt es nicht noch heute Kinder, welche die Sünden, die Schwächen und Fehler der Eltern sehr scharf und genau beobachten und diese ihre Beobachtung den Eltern sehr fühlbar merken lassen? Kinder, die nicht allein in den Sünden ihrer Eltern ein Sündenpolster für sich suchen und sagen, Vater und Mutter machen es auch so, sondern die auch in Worten und Betragen geradezu eine Verachtung ihrer Eltern an den Tag legen? Wer von uns diese traurige Erfahrung gemacht hat, der sehe zu, woran es liege: ob die Schuld mehr an den Kindern, oder ob sie mehr an den Eltern selbst sei?

Darum, meine Freunde, lasst es uns merken: wir haben den Grund der Ehre, die den Eltern von den Kindern gebührt, nicht in dem und dem, was den Eltern eigen ist, zu suchen. Denn angenommen, es gebe auch im christlichen Sinne vollkommene Eltern, ist diese christliche Vollkommenheit das Eigentum der Eltern? haben sie es etwa aus sich selbst? Oder ist nicht Alles, was sie ihren Kindern sein und geben können, eine Gnadengabe Gottes? Sind sie nicht dieselben armen Sünder, wie ihre Kinder? Versündigen sie sich nicht täglich (ach! und noch weit mehr, als die eigenen Kinder gegen sie) gegen den Vater im Himmel? Wem gebührt also eigentlich allein die Ehre? Doch nur dem einen, lebendigen Gott.

Hinge die Ehre, welche Kinder ihren Eltern schuldig sind, nur von dem Verdienste und der Würdigkeit der Eltern ab, mit welchem Rechte könnten wahrhaft christliche Eltern, die ja doch täglich bekennen, dass sie aus sich selbst gar kein Verdienst und keine Würdigkeit haben, mit welchem Rechte könnten sie auf Ehrung und Achtung bei ihren Kindern Anspruch machen? Oder wie stände es dann mit der Ehrung derjenigen Eltern, die wirklich nicht das sind, was sie durch Gottes Gnade ihren Kindern doch sein sollten und könnten, wie stände es mit der Ehrung schlechter Eltern? Glaubt Ihr, Gott hätte im vierten Gebote befohlen, wir sollten bloß den guten Vater und die gute Mutter ehren? Oder hat unser Heiland seine Mutter bloß um ihrer etwaigen persönlichen Vorzüge und Muttertreue willen geehrt? Das wäre grundfalsch. Denn Jesus war ohne Sünde und Maria war eine Sünderin. Und doch ehrte Er sie und war seinen Eltern untertan. Nein, es heißt im vierten Gebote: du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren, gleichviel, wer und wie dein Vater und deine Mutter auch seien: du sollst sie ehren. Wenn dein Vater ein Verbrecher in Ketten wäre und du schämtest dich seiner, du verachtetest ihn, du erwiest ihm nicht die Ehrerbietung, die das Kind dem Vater nach Gottes Willen schuldig ist, so wärest du ein schändliches und verfluchtes Kind. Und wenn deine Mutter tief vor Gott und vor den Menschen gefallen wäre und du verachtetest sie deswegen und wendetest dein Herz von ihr weg und schämtest dich, sie Mutter zu nennen und als Mutter zu ehren: so bist du nicht minder ein schändliches und verfluchtes Kind.

Das ist der Sinn des vierten Gebotes, meine Freunde Daraus begreifen wir erst, warum der Haltung desselben solch' großer Segen schon hier auf Erden verheißen ist. Wir sollen Vater und Mutter ehren ohne Ansehen der Person. Verstehen wir nun den Grund der Elternehre? Merken wir nun, worauf dieselbe ruht und was die Kinder immer und in jedem Falle dazu verpflichtet? Es ist Gottes Wille, Gottes Ordnung, Gottes Gebot. Gott gebietet: wir sollen Vater und Mutter ehren. Und da hat kein Kind zu fragen: wer ist mein Vater und wie ist meine Mutter, und haben sie die Ehre auch verdient? Es wäre dasselbe, als wenn sie fragen wollten: soll man denn auch Gottes Gebote befolgen?

Auf solchem Fundamente ruht die Ehre der Eltern; nicht auf dem Sandboden etwaiger Vorzüge und eigener Würdigkeiten, nicht auf dem Sandboden der natürlichen Liebe und der natürlichen Ehrfurcht, nicht auf der bloßen Blutsverwandtschaft, sondern auf dem Felsen des göttlichen Gebotes, der nie wanket, der fest und unbeweglich bleibt. Dankt dem Herrn, Ihr Eltern, dass Er Eure Ehre so begründet, so gesichert, so festgestellt hat. Was Ihr nun von Euren Kindern fordert, worauf Ihr nun bei Euren Kindern dringt, Ihr fordert es nicht für Euch als für sündige Menschen, Ihr fordert es für Ihn, den heiligen Gott. Lasst es Euch nun, Ihr Eltern, die Ihr den Herrn fürchtet, lasst es Euch nun nicht beikommen, mit Zucht und Ermahnung bei Euren Kindern anzustehen, werdet nicht matt und mutlos, weil Ihr Euch selbst nur als arme Sünder, weil Ihr Euch selbst nur als ungehorsame Kinder gegen den höchsten Vater fühlt. Nicht Eurem Verdienste und Eurer Würdigkeit gebührt die Ehre, sondern Gott fordert sie. Gottes Gebot sollen Eure Kinder halten; in Gottes Ordnung sollen sie sich fügen; Gott dem Herrn sollen sie gehorchen. Dankt nun aber auch, ihr Kinder, dem Herrn, Eurem Gott, dass ihr Vater und Mutter ehren sollet um Gottes willen. Eure Verpflichtung gründet sich nicht auf Menschenlaune und Menschenwillkür; sie gründet sich auf Gottes Wort und Gottes Willen. Wie darum auch die Eltern seien, ein sanftes Joch und eine leichte Last wird euch in allen Fällen ihre Ehrung sein, wenn ihr es stets vor Augen und im Herzen habt: Gott der Herr gebietet es mir; seinen Willen tue ich, wenn ich den Eltern untertan bin; Ihn, den Allerhöchsten, ehre ich, wenn ich die Eltern ehre. Was ich den Eltern tue, das tue ich Ihm, dem lebendigen Gott, selbst. Gnade und Segen verheißt Er jedem. gehorsamen Kinde.

II.

Jetzt, meine Freunde, wird es uns leicht sein, über unsere zweite Frage uns Rechenschaft zu geben, nämlich: warum hat Gott die Ehrung der Eltern angeordnet, warum gebietet Er dieselbe so unbedingt, warum hat Er die Ehre der Eltern so hoch und fest gestellt? Warum fordert Er mehr als bloße Liebe von den Kindern? Nichts Geringeres ist der Grund, als dieser: in den Eltern will Gott der Herr selbst von den Kindern geehrt sein; in den Eltern sollen die Kinder Ihm, dem Herrn, dienen, Ihm gehorchen; in den Eltern sollen sie Ihn lieb und wert halten. Von dem ersten Hauche ihres Lebens an will Gott den Kindern nahe sein, Er will ihr Gott sein. Sichtbar und fühlbar will er sie umgeben, schützen, nähren, pflegen. Da, wo sie seinen Namen noch nicht lallen können, da will Er sie mit Namen nennen; da, wo sie noch nichts von seinem ewigen, unsichtbaren Wesen fassen, da will Er ihnen erscheinen. Seht, und das will der barmherzige und freundliche Gott in Vater und Mutter, das will Er durch die Eltern, das will Er durch Alle tun, die Vater oder Mutterstelle an den Kindern vertreten. Was die Kinder an guten Gaben aus den Händen der Eltern empfangen, was diese mit ihrem Munde und aus ihrem Herzen den Kindern zukommen lassen: Gottes Gabe, Gottes Gebote, Gottes Segnungen sind es.

Spricht ein ernst warnender Vater, so spricht Gott durch ihn. Straft er die Sünde und den Ungehorsam des Kindes, so straft Gott durch ihn. Wachet er über das Seelenheil der Seinen, so sorgt und wacht der Herr durch ihn. Und opfert sich eine Mutter für ihr Kind wahrhaft auf, will eine Mutter nichts von Weltlust und Bequemlichkeit wissen, gibt sie willig Tage und Nächte für das leibliche Wohl ihrer Kinder hin, und scheuet sie keine Mühe, das geistig Verlorene und Verirrte wieder zu suchen, zu ermahnen, zu bitten: so will in Allem diesen die Liebe des Sohnes Gottes an den Kindern sich offenbaren. Durch den Vater will die ernste Jesus-Liebe, (welche sich selbst verleugnete, welche das Leben am Kreuze hingab, welche einem Petrus strafend zurief: Hebe dich, Satan, von mir, du bist mir ärgerlich, denn du meinst nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist; aber auch die Liebe, welche demselben Jünger mit unendlicher Huld und Freundlichkeit die Frage vorlegte: Simon Johanna, hast du mich lieb? und durch die Mutter die erbarmungsvolle, langmütige, geduldige, nachgebende, suchende und rettende Liebe des guten Hirten schon an der jungen Kindes Seele sich offenbaren, die Liebe, welche da spricht: Kann auch die Mutter vergessen des Säuglings, dass sie sich nicht über den Sohn ihres Leibes erbarme; vergäße sie sein, ich will doch dein nicht vergessen; die Liebe, von der es heißt: Er wird seine Herde weiden, wie ein Hirte, Er wird die Lämmer in seine Arme sammeln und in seinem Busen tragen. Ja die Gnade unseres Herrn Jesu Christi, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes, die will in den Eltern den Kindern erscheinen, die will sich ihnen eindrücken vom ersten Hauche ihres Lebens an. Stellvertreter Gottes, das sollen Vater und Mutter den Kindern sein, bis diese dahin kommen, selbst zu suchen und zu erkennen den, welcher der rechte Vater ist über Alles, was da Kinder heißt im Himmel und auf Erden. Wie die Kinder einst, wenn sie erwachsen, den lebendigen Gott in Ehren halten, wie sie ihm gehorchen und dienen, ihn lieb und wert halten sollen, das sollen sie mit dem ersten Denken und Hören und Reden schon in dem Ehren und Gehorchen der Eltern lernen. Wie sie sich einst in alle göttliche Ordnungen freudig fügen, der Obrigkeit und den Herrschaften, den Lehrern und Seelenhirten gehorchen und untertan sein sollen, das sollen sie frühe schon im Gehorchen und Untertansein gegen Vater und Mutter lernen. Das ist der Wille Gottes. Darum hat Gott die Ehrung der Eltern angeordnet, darum hat Er sie so unbedingt geboten, so hoch gestellt und fest begründet.

Nun, Ihr Väter und Mütter, habt Ihr sie auch schon recht ernstlich bedacht die Ehre und Würde, die Euch der Herr im vierten Gebote gibt? Habt Ihr es bedacht, warum der Herr sie Euch gibt? Wahrlich, es ist nichts Geringes, es ist nichts Gleichgültiges, warum Eure Kinder Euch ehren sollen. Stellvertreter Gottes sollet Ihr ihnen sein. Haben wir das alle Tage vor Augen und im Herzen? Wir fordern, dass unsere Kinder uns ehren sollen, ach! und wie erscheinen wir ihnen oft? Ist es der Ernst und die Liebe Gottes, die aus uns zu unseren Kindern redet? ist es das heilige Wesen Gottes, das ihnen aus uns entgegenkommt? ist es die Sanftmut und Demut Christi, die sie an uns sehen? Ach wie viel Tage und Stunden gibt es, wo wir uns vor den jungen Seelen gehen lassen in Laune und Willkür und Selbstsucht, wo wir es vergessen, was wir ihnen nach dem Willen Gottes sein und wie wir ihnen erscheinen sollen! In diesem Augenblicke ärgert einen das Geringste an den Kindern; da kann man in Zorn, in Wut und Leidenschaft geraten, kann strafen ohne Liebe, nur aus Ärger, nur mit Rachegefühl, so dass das Ebenbild Gottes, dass die Kinder an einem nur sehen sollten, sich in Satans Bild verzerrt. In jenem Augenblicke wiederum haben Vater oder Mutter weder Auge noch Ohr für die abscheulichsten Versündigungen der Ihrigen. Aus Liebe zur Bequemlichkeit, aus Trägheit, aus weichlicher, falscher Liebe, ja wohl gar aus Feigheit, und Furcht, man möchte es mit den Kindern verderben, sie möchten einem eine böse Miene machen, da waget man es nicht, ein ernstes Wort zu reden, man unterlässt Strafe und Zucht. So ist in so manchem Hause nur Seufzen statt Freudigkeit, nur ein Rückwärtskommen statt Vorwärtsgehen. Hier liegen nur auf einem Teile alle Sorgen, indes der andere Teil gar nichts tut.

Dort sind beide Teile matt und schwach. Die Eltern sind nicht zusammen das, was sie ihren Kindern sein sollen: Gottes Diener, Gottes Gesandte.

O, m. L., die Ihr Väter und Mütter seid und bisher den Sünder-Heiland noch so wenig suchtet, lernt ihn hier doch suchen! Denn wahrlich der Sünden, die wir als Eltern gegen unsere Kinder begehen, sind viele, sind groß, und sie müssen uns bange machen, denn es kommt ein Tag, wo wir werden Rechenschaft ablegen müssen. Nur Jesus kann uns helfen. Er nur kann uns arme Sünder tüchtig machen zu dem schweren Eltern-Berufe; Er nur kann uns Mut und Freudigkeit geben, täglich von Neuem die Probe zu bestehen. Ach ja, täglich müssen wir mit unserer Untreue und mit unserem Elende zu Ihm kommen. Anders geht es nicht; anders werden wir keine christlichen Eltern, keine Eltern nach dem Herzen Gottes sein. Mit Jesu aber sei uns die Ehre und Würde unseres Berufes täglich ein neuer Trieb, an den Unsrigen zu tun nach Gottes Willen.

III.

Auf welche Weise sollen die Kinder nun Vater und Mutter ehren? - Bedenken wir es, was Gott der Herr beim Stande der Eltern im Sinne hat, welch' ein wichtiger, heiliger, schwerer Beruf der Eltern-Beruf ist, wahrlich! dann werden wir wohl sagen: Kinder können ihre Eltern nie genug ehren. Wir werden es nicht zu viel finden, wenn es in unserem Katechismus heißt: Wir sollen unsere Eltern nicht verachten, noch erzürnen, sondern sie in Ehren halten, ihnen dienen, gehorchen, sie lieb und wert halten.

Wir sollen unsere Eltern nicht verachten. - Gibt es kein Kind unter uns, das sich zur Zeit seiner Eltern geschämt? Sie sind vielleicht geringen Standes; sie haben nicht die Bildung, die vor der Welt gilt; sie sind vielleicht schwach im Glauben, schwach in der Erkenntnis; sie fehlen hier und da: haben wir sie trotz dessen immer geehrt und geachtet? Oder hat sich das Herz nicht oft über sie erhoben, über sie gestellt, sie gemeistert, ja wohl gar über sie gelächelt? Hat bei ihrem Warnen und Bitten und Ermahnen nicht oft das Herz sich von ihnen abgewandt und gewünscht: ach, wenn sie doch nur aufhörten zu reden, wenn sie doch lieber gar nicht da, wenn sie doch lieber schon tot wären?! Hat nicht das Herz sich einem Teile der Eltern nur deswegen zugewandt, um den anderen Teil desto weniger zu ehren, um ihn desto frecher zu verachten? - Ach! über solche Kinder ruft die Schrift den furchtbaren Fluch: Ein Auge, das den Vater verspottet, und verachtet, der Mutter zu gehorchen, das müssen die Raben am Bache aushacken und die jungen Adler fressen.

Wir sollen unsere Eltern aber auch nicht erzürnen, sondern sollen ihnen gehorchen. Die Hand aufs Herz, m. L.: haben wir unsere Eltern nie mutwillig geärgert? haben wir ihnen nie Tränen und Seufzer ausgepresst? haben wir sie nicht oft dahin gebracht, dass sie im Zorne über uns sich versündigen? Wo sind die Kinder, die stets nachgaben, die stets schwiegen, die gegen Vater und Mutter nicht Recht haben wollten? Oder was sehen wir in dem frechen Widerspruchsgeiste der heutigen Jugend anderes, als unsere eigenen Jugendsünden? Was sehen wir in dem Unglauben und Ungehorsame gegen Gottes Wort, in dem Verachten des Evangeliums, in dem Murren gegen Gott, in dem frechen Aburteilen über göttliche Dinge und Ordnungen, in dem Auflehnen gegen Gesetz und Obrigkeit, in dem selbst Gottseinwollen, in der ganzen Gottlosigkeit unserer Zeit, was sehen wir da anders, als die Frucht der Sünden gegen das vierte Gebot!? O lasst uns das doch bedenken, damit wir einmal verstehen, woran es liegt und wo wir anzufangen haben, wenn es besser werden soll!

Wir sollen unseren Eltern aber auch dienen, so heißt es im vierten Gebote weiter. Da gibt es denn doch wohl noch gar manche Söhne und Töchter, die sich von den Eltern lieber bedienen lassen; Söhne und Töchter, welche die Dienstboten des Hauses tyrannisieren, statt das sie selbst Hand anlegen und auf den Wink der Eltern zu Allem bereit sein sollten. Wie mancher Sohn, der doch schon längst den Vater dienen könnte, schämt sich nicht, diesem das Letzte, schwer Erworbene, aus der Tasche zu ziehen. Und wie manche Tochter, die der Mutter schon längst beistehen könnte, kann ruhig zusehen, wie die Mutter sich zersorgt, und zerquält, indes ihr Sinn nur auf Putz und Tand und Romanlesen gerichtet ist. Doch, meine Freunde, lassen wir es hier nicht bei dem Allergröbsten bewenden. Denken wir doch daran: waren wir nie unwillig, wenn unsere Eltern sagten, tue dies und das, oder wenn sie es auch nur wünschten?

Und wie steht es mit dem ausdrücklichen Begehren Gottes: wir sollen unsere Eltern lieb und wert halten! Die Herzen der Eltern standen uns vielleicht täglich offen, aber wir wollten ihre Freundschaft und Liebe nicht; wir suchten uns andere Freunde, die es nicht so genau mit uns nahmen, die alle Sünde an uns gut hießen.

Es wurde einem im Eltern-Hause zu enge; die Gegenwart von Vater und Mutter war einem drückend; die Lust der Welt war einem mehr wert, als Vater- und Mutterliebe; täglich empfingen wir Liebesgaben aus den Händen der Eltern, aber Tage, Wochen, Jahre vergingen, wo es einem auch nicht einmal einfiel, zu danken. Man konnte sich zurzeit so gebärden, als ob man sein Leben lang von den Eltern nur Böses empfangen.

Ach, Christen, die Sünden gegen das vierte Gebot, die auf unser aller Herzen lasten, sind groß, sind unzählbar! Und leider, leider fühlen wir sie dann erst recht schmerzlich, wenn sie gegen uns selbst begangen werden, wenn wir selbst Vater oder Mutter sind, oder dann erst, wenn wir keine Eltern mehr haben; wenn sie schon im Grabe sind. Dann möchte man sie aus dem Grabe holen; dann möchte man ihnen alle Ehre und Liebe erweisen.

Wer ist unter uns, der in der Tat und in der Wahrheit sagen könnte: mir kommt die Verheißung zu gut, die der Herr dem vierten Gebote beigegeben? Ach wir und unsere Kinder, wir wären verloren in Ewigkeit, wenn der Herr gedenken wollte der Sünden unserer Jugend, wenn Er uns vergelten wollte nach unseren Missetaten. Wahrlich! Fluch, lauter Fluch träfe uns und unsere Kinder, wenn Gott nicht seinen Sohn gegeben hätte, uns von diesem Fluche zu erlösen. Ja, Jesus Christus, der wahrhaftige Gott, wurde ein Kind; Jesus war untertan und gehorchte seinen Eltern; Jesus ehrte Vater und Mutter während seines ganzen Jugendlebens; er hielt sie lieb und wert an seinem Kreuze noch - nur, um unsere Jugend-Übertretungen zu versöhnen, um unsere sündenvolle Jugend zu einer unschuldigen und heiligen vor Gott zu machen, damit uns auch in diesem Stücke an der Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, nichts fehle. An seinem Kreuze, da hat Er (indem er sterbend noch das vierte Gebot erfüllte) unsere Übertretungen gebüßt; da hat Er den Fluch, der uns und unsere Kinder traf, von uns abgewendet und uns den Segen erworben, den Gott verheißt.

Ihr, die Ihr einst Kinder wart und nun Väter und Mütter seid, bedenkt dies doch in Eurem Herzen und lasst durch die Liebe des Sohnes Gottes Euch ermahnen, Euren Kindern wahrhaftig Vater und Mutter zu sein! Ihr Kinder, die Ihr noch Eltern habt, will es Euch schwerfallen, ihnen zu dienen, zu gehorchen, sie in Ehren zu halten (ach! und es kann zurzeit wohl schwer sein), seht auf Euren gekreuzigten Heiland; Er erwirbt Euch ja ewigen Segen. Sein heiliges, teures Blut hat es Ihm gekostet, Euer Jugendleben zu versöhnen, Euch Gott angenehm zu machen. O seht auf Ihn, den Herrn der Herrlichkeit, wie Er sich selbst verleugnete und ein sanftmütiges, demütiges Kind im Hause seiner Eltern war. Nehmet sein Joch auf Euch, es ist nicht schwer. Lernt von ihm, kommt zu Ihm, wenn Ihr gegen Eure Eltern gefehlt und Euch versündiget. Bittet Ihn um Vergebung, ruft Ihn an, dass Er Euch reinige von Eurer Übertretung. Bittet Ihn, dass Er selbst Euch lehre, Vater und Mutter recht zu ehren, damit Gottes Segen auf Euch komme. Er kann es Euch lehren; denn Er ist selbst ein gehorsames Kind gewesen. Amen.

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