Harms, Claus - Das Vater Unser in 11 Predigten - Die erste Predigt.

Harms, Claus - Das Vater Unser in 11 Predigten - Die erste Predigt.

Vater unser-Betreffnisse.

Gesang 701. Herr, der du unser Vater bist.

Nun, Gott, sprich auch zu meinem Vorhaben dein Amen. Es ist vor dir überlegt und du, in meiner Einsamkeit bei mir, hast mein früheres Beten in dieser Sache gehört. Hier steh' ich vor der Gemeinde, um derentwillen ich gebetet habe, und jetzt unterstützt sie mich. Hilf reden, was unsern Seelen heilsam ist. Wir gehen heute in Betrachtungen ein über eine teure Gabe, die der ganzen Christenheit gegeben ist durch deinen Sohn und sie hat ein Gefäß daran, in welches, dir vorgehalten und vor dir aufgetan, du allezeit neue Gaben zu legen verheißen hast, unsere Betrachtungen über das werte Vaterunser wollest du leiten, fördern, wollest Herz und Verstand uns auftun und mir den Mund, wie lange wir uns damit an dieser Stätte beschäftigen. Hilf, Herr, hilf! lass' wohl gelingen! Amen.

Nicht, meine lieben Brüder, als stände der Prediger ratlos da und im Mangel, was er nun noch zu predigen hätte, wenn Pfingsten vorbei ist nebst dem Sonntage nach Pfingsten. An diesem Sonntag pflegen wir den Stand der Kirche, der durch Herabkunft des Heiligen Geistes gebauten Kirche Christi, zu betrachten. Es töne das Wort Mission noch lange nach! Was an den folgenden Sonntagen, was den Sommer über, in welchem es keine Feste gibt, zu predigen ist, das legen die altüblichen Sonntagsevangelien und Episteln vor, aber, freuen wir dieser glücklichen Kirchenverfassung uns, die wir haben seit längerer Zeit! wir sind nicht gebunden an die Episteln und Evangelien, noch an irgendeine andere Textsammlung also, dass kein Abgehen davon gestattet wäre. So dürfen wir denn, und viele Prediger tun es in unserem Lande, was auch von den Predigern in dieser Stadt manchmal getan worden ist, freie Wege gehen und Betrachtungen mit der Gemeinde anstellen, wie es für nützlich gehalten wird oder nötig, dass auch einmal solche Betrachtungen angestellt werden. Bisher ist der Glaube gepredigt, mit Pfingsten ist alle Glaubenslehre geschlossen; wenn Gott sich geoffenbart als Vater, Sohn und heiligen Geist, so hat er sich ganz geoffenbart, ausgeschüttet und nichts Geheimes zurückbehalten. Diesem nach müssten unsere Andachten jetzt stille stehen. Das dürfen sie nicht, das wollen wir auch nicht, nein, können es auch nicht. Denn der Natur uns zuwenden, was etwa zu schöpfen wäre aus dieser Quelle, wenn anders die Natur eine ist? Wir sind gestanden an dieser Quelle während einer Sommerzeit, erinnert ihr wohl. Oder auf das Gebiet der Pflichten treten, der Übungen des Christentums im bürgerlichen und häuslichen Leben? Auch das haben wir getan. Und was hätten wir nicht, liebe Zuhörer, in dem Laufe unseres mehrjährigen Beisammenseins getan! Doch Eins noch nicht getan.

Mit den Kindern freilich dies Eine, das ich meine, und mit ihnen, irr' ich nicht, zweimal in dem lieben Amtsteil, das ich von Amtswegen habe abgeben müssen, jedoch über kurz oder lang wieder zu bekommen hoffe, die Kinderlehre; allein gepredigt habe ich über das Vaterunser noch nicht. Denken wir an den Katechismus, was folgt auf das zweite Hauptstück von den drei Hauptartikeln des christlichen Glaubens? Das Hauptstück, dessen rechte Stelle auch ja ist hinter dem Glauben her, das dritte Hauptstück vom Gebet des Herrn oder vom heiligen Vaterunser. Sei das es, was wir in zehn, elf Sonntagen, in mehreren oder wenigeren, den Inhalt unserer Predigten sein lassen, wie es euch, zweifle ich nicht, genehm ist, Allen, die das Vaterunser beten und selbst denen, falls ihrer sind, die es nicht beten, aber es in Wirkung angehörter Predigten zu beten anfangen, und wir Alle das Vaterunser fleißiger, verständiger, andächtiger beten.

Hört es verlesen, wie es vollständig im Ev. Matthäi 6, V. 9 bis 13 geschrieben steht.

Aber doch nicht also fort lasst uns in dieses Gebet eingehen, meine Brüder, sondern heute nur noch um dasselbe als herumgehen, als von außen es an und besehen. Wir predigen allezeit aus der Bibel, es möchte sehr dienlich sein, wenn auch einmal über die Bibel Vorträge gehalten würden, - welcher Gedanke, seit er in meiner Seele aufgekommen, fast zu einem Vorsatz aufwächst, es einmal zu tun, Gott behüte Leben und Gesundheit! In Absicht des Vaterunsers wollen wir so in dieser Stunde verfahren: Es sind diese vier Vaterunser Betreffnisse, vier Punkte, die wir heute in Betreff des Vaterunsers uns vor Augen bringen: den Namen, die Herkunft, die Einrichtung, den Brauch des Vaterunsers.

I.

Das ist sprachüblich, meine Brüder, auch auf anderem Redegebiet, dass ein längerer Redesatz, dass ein Gesetz, dass selbst ein ganzes Buch, wenn es verbunden mit andern Büchern ein großes Ganze ausmacht, Namen bekommt von dem ersten oder von den zwei drei ersten Worten, womit solches anfängt. Von den üblichen Gebeten weiß jedermann es, dass sie nach ihrem Anfangswort benannt werden: Aller Augen, z. B. Hilf Gott, Dankt dem Herrn; bei den Gesängen geschieht es ja immer so. Aber hiernach müsste das Gebet ja, wie ihr habt verlesen hören, wie auch Luca 11 geschrieben steht, nicht: Vater unser, sondern: Unser Vater benannt werden. So tut die reformirte Kirche auch und betet: Unser Vater. Doch hat es von jeher auch lutherische Prediger gegeben, die ebenso getan. Andere Sprachen geben uns dieses Gebet nach seinem Anfange verschieden, die mehrsten wohl das unser voraus. Wenn das Gebet nicht ein so wichtiges, kirchliches, allgemeines wäre, so möchte es unerheblich scheinen, wenn wir fragen, was hat es für eine Bewandtnis mit diesem verschiedenen Sprechen? Nun aber, mein' ich, ist's fragens- und antwortenswert. Das ist denn die Ursache. In der Grundsprache steht das Wort unser nach Vater, allein es fand das Gebet sich deutsch vor Luthers Bibelverdeutschung im Munde der Christen und zu Anfang so, wie wir es noch anfangen. Möchte es jemand sprachunrichtig dünken, so ist Unser Vater sprachrichtig, genau genommen, auch nicht zu sagen. Denn in der Anrede an jemanden ist's wider die Sprache, sich so auszudrücken. Indes spreche man so oder so, meine Christen, wenn das „unser“ im betenden Herzen nur seine rechte Stelle hat, nach seinem Vollbegriff: mein, dein, euer, uns, unser, dass wegen beider Worte Vortrefflichkeit nicht ein Unterschied gemacht werde, ob vor oder nach! Der Mund muss nacheinander aussprechen, im Herzen ist Vater unser, ist Unser Vater ein einziges Wort und hat das Gebet nicht einen zusammengesetzten sondern einen einfachen Namen. Dies von dem Namen gesagt und hiermit, achte ich, Grund angegeben, dass wir bleiben bei dem in der lutherischen Kirche üblichen. Wie ein Zwang im Gemüt würd' es mich bedünken, ähnlich wie wenn Freundesname verändert werden muss, so wenn wir anders als wir von Kindheit an getan, als auch unsere Väter getan, nicht Vater unser, sondern Unser Vater sagen und sagen hören sollten.

II.

Wir gedachten aber noch eines Namens mehr, wie das Vaterunser auch genannt werde das Gebet des Herrn. Dieser Name führt uns zu einem andern Betreffnis, welches die zweite sein sollte, auf die Herkunft desselbigen. Es ist, weil aus dem Munde Christi gegangen, vom Himmel zu uns herabgekommen. Seid erinnert daran, meine Brüder, wie es nach dem nähern Berichte, den uns der Evangelist Lukas in dieser Sache gibt, sich mit der Gabe dieses Gebetes verhalten hat. Johannes der Täufer hatte Jünger, Jesus hatte Jünger, jener hatte die seinigen beten gelehrt, veranlasst dadurch sprach von Jesu Jüngern einer zu ihm: Herr, lehre uns beten, wie Johannes seine Jünger beten lehrte. Darauf sprach Jesus zu ihnen: Wenn ihr betet, so sprecht. Nun folgt unser Gebet. Dieserwegen heißen wir es mit Recht das Gebet des Herrn, denn er hat es gegeben, gelehrt. Dürfen wir nicht hinzufügen: geheißen auch? Wohl, auch geheißen. Freilich, der Ausdruck eines Gebotes ist nicht vorhanden, es steht nicht geschrieben: Ihr sollt, sondern: Wenn ihr betet, dann betet so. Sind damit allerdings andere Gebete nicht ausgeschlossen und für unzulässig erklärt, so ist das Vaterunser wahrlich auch nicht ausgeschlossen, geschweige für unzulässig erklärt. Vielmehr, gegeben doch von ihm, der beide kannte, den Vater und uns Menschen, wissend also, was der Vater im Himmel gerne hört, wissend gleichfalls, was uns Menschen zu beten heilsam ist, wie in dem Maße, als in welchem Christus, kein anderer dies beides wusste, - da sprechen wir: Wie könnten wir dies Gebet ungebraucht lassen, das eine solche Herkunft hat! Und angenommen auch, was angenommen wird von einigen Gelehrten, es seien die Anfänge genannt von schon damals vorhandenen und auch den Jüngern bekannt gewesenen Gebeten, also dass der Herr nur habe die bessern von diesen hiermit ihnen namhaft gemacht, angenommen auch dies mitnichten noch unter den Gelehrten Ausgemachte, wir sagen dazu: Das ändert ja die Sache wenig oder gar nicht. Nein, gar nicht. Denn in diesem Falle sind diese Worte, die wir bei zwei Evangelisten lesen, doch ausgesprochen von dem Herrn, sind diese Worte von ihm geweiht, geheiligt, gesegnet, es steht sein Wink darüber, es zieht sein Odem dadurch, es weht sein Geist darin, und von welchem Betwort möcht' ich sagen können mit so vieler Sicherheit, dass es zum Himmel steige, als von diesem, das selbst ist vom Himmel herabgekommen? Wollt ihr dem Prediger folgen, Geliebte, dann sag' ich weiter: Stellt das Vaterunser in Ähnlichkeit mit den Sakramenten. Darin sind auch ja die Elemente wieder, in der heiligen Taufe das Wasser, im heiligen Abendmahl Brot und Wein, jenes aber als in Gottes Gebot verfasset und mit Gottes Wort verbunden ist des Geistes Träger, und mit dem Brot und Wein im heiligen Abendmahl nehmen wir Christi Leib und Blut. Hat der Herr denn, was erwiesen jedoch keineswegs ist, an vorhandene Gebete erinnert und die zu beten empfohlen, wir haben diese Gebete nicht, aber was er ausgesprochen hat, das haben wir, halten daran uns, haben ihn darin, ihn, Maß, Rat, Befehl, Wohlgefallen, zugesagte Erhörung. Denn, Johannis 5, 19: Der Sohn kann nichts von ihm selbst tun, denn was er sieht den Vater tun, und Kap. 10, 30 spricht er: Ich und der Vater sind eins. Seht, Geliebte, wie es denn auch mit der Entstehung des Vaterunser steht, so ist es jedenfalls himmlischer Herkunft und ist von uns zu nehmen als ein verkündigtes Evangelium, selber des vom Himmel gebrachten Evangeliums Teil.

Treten wir dem Vaterunser einen Schritt näher oder, wie unsere Rede über dasselbige geht, stellen wir uns auf einen andern Betrachtungspunkt, welcher der dritte sein sollte. Was hat es für eine Einrichtung? Oder würden damit allbekannte Sachen gesagt? Teure Zuhörer, was ist denn bekannt und was ist unbekannt? Die Athener waren auf nichts Anderes gerichtet, Apostelgesch. 17, denn etwas Neues zu sagen oder zu hören, ihr auch so? Aber ich denke anders von euch, besser, ich spreche die Erfahrung euch zu, dass ihr, wenn eine Religionslehre euch vorgetragen wird unter zuverlässigen Zeichen, dass ein solches Wort wirklich gegangen sei durch des Vortragenden Herz, dass ihr alsdann den Vortrag neu findet, dies, oder dass ihr nicht denkt dabei, ob es alt oder neu sei, schon bekannt oder noch unbekannt. Vieles, lasst dies Wort noch mitgehen, vieles, was ehedem allbekannt war, das wissen in unserer Zeit weit Wenigere.

Das heilige Vaterunser hat seinen Eingang und hat seinen Ausgang, einen wie lieblichen Eingang: Vater unser, der du bist im Himmel, einen wie herrlichen Ausgang: Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit, Amen. Dazwischen stehen die sieben Bitten, sieben an der Zahl, zu vergleichen den sieben goldenen Leuchtern, die Johannes sah, Offenbarung 1, soviel Lichtstrahlen die sieben Bitten auch; weiter, Johannes sah zwischen den Leuchtern des Menschensohn, dem Vaterunser betenden Christen wird Jesus Christus sichtbar in mancher Bitte, die zweite nenn' ich: Dein Reich komme, die fünfte nenn' ich: Vergib uns unsre Schuld, das zeigt auf Christum, der sein Leben zum Schuldopfer gegeben hat. Jesajas 53. Sieben Bitten an der Zahl, wie wenn er hätte für jeden Tag in der Woche den Betern eine geben wollen, die eine an dem Tage zur tieferen Beherzigung. So verteilt auch, dass drei von ihnen, die ersten drei auf die Verherrlichung Gottes gehen und die letzten drei auf die Erhebung des Menschen, die stufenweise: Vergebung, Bewahrung, und endlich völlige Erlösung. Dazwischen die Eine, die vierte. Ist leibliches Brot gemeint oder geistliches? Davon zu seiner Zeit, hier nur: Wenn leibliches Brot, so wird, wie der Mensch selbst in den folgenden Bitten, in dieser vierten Bitte auch das gehoben, was der Mensch isst, zu einer Gabe Gottes erhoben, dass er im Brot, welches er schmeckt, Gott und Gottes Freundlichkeit entdeckt. Oder wär' es, dass der Mensch anfangen solle mit seinen Bitten für sich eben bei dem, wie der Mensch seine erste Unterscheidung von der vernunftlosen Kreatur darlegen soll? Sie schaut im Essen und Trinken nicht zu Gott hinauf. Diese Einrichtung hat unser Gebet. Doch, Brüder, ungeschwiegen bleib' es nicht und in der heutigen Predigt über das Vaterunser will es gesagt sein: In der Abfassung finden sich bei Matthäus und bei Lukas Verschiedenheiten. Lukas gibt in der fünften Bitte ein anderes Wort, das eigentlich Sünde heißt. Matthäus hat daselbst ein Wort, das richtig durch „Schuld“ übersetzt ist. Und, was erheblicher als dies und noch einiges Andre erscheinen möchte: Lukas hat den Schluss gar nicht, der sich beim Matthäus allein findet. Was sagen wir zu diesen Verschiedenheiten? Ich weiß nichts Besseres zu sagen als: Gut so! Denn daraus sehen wir, dass Lukas nicht vom Matthäus abgeschrieben, sondern dass ein jeder geschrieben, Matthäus, wie er gehört und, ein Jünger des Herrn, von dem Herrn selber gehört, der andre Evangelist hat dagegen, wie ihm dies Gebet zugegangen ist durch andere Jünger und Jüngerfreunde. Was namentlich den Schluss anbetrifft, ob diese Worte, wie von Einigen dafür gehalten wird, nicht aus dem Munde des Herrn gegangen, so hat doch der Herr durch seinen Geist sie in den Mund der Kirche gegeben, die mit diesem Schlusse das Vaterunser gebetet hat seit vielen Jahrhunderten, wiederum aber auch nicht so gebetet. Zeugnis von Letzterem, dass es hin und wieder noch gebräuchlich ist, wenn beim Abendmahl das Vaterunser gesungen wird, aufzuhören mit der letzten Bitte, gleichwie auch in Luthers beiden Katechismen die Erklärung des Schlusses fehlt. Wen das Eine oder das Andere befremdet hat, der weiß nun, wie es zugeht. Unsere Kirche hält mit nichts hinterm Berge, sondern tritt mit Allem auf den Berg, will keine Geheimnisse vor ihren Genossen haben, hält auf ihren Bergen das Wort empor 1. Kor. 4, 20: Das Reich Gottes besteht nicht in Worten, sondern in Kraft und, Kap. 2, in Beweisung des Geistes und der Kraft. Wir fragen denn, ob im Schluss des Vaterunsers wohl der Geist und die Kraft mangele?

IV.

Wenn es denn also mit dem Vaterunser steht, wenn diese Herkunft es hat und diese Beschaffenheit, Einrichtung, wahrlich, so ist's zum Verwundern nicht, dass dieses Gebet so in Brauch gekommen ist. Viertes noch vom Brauch des Vaterunsers.

In ihrem ersten Lebensalter, ein paar Jahrhunderte, hat die Kirche gemeint guten Grund zu haben, wenn sie dies Gebet zurückbehielt, bis ihre Lehrschüler die heilige Taufe empfingen. Nun, der Herr selbst hat seinen Jüngern, während er unter ihnen wandelte, alles nicht gesagt, sondern in kommende Tage verwiesen: Wenn aber der Heilige Geist kommen wird, der wird euch Alles sagen, noch könnt ihr's nicht vertragen. Aber bald ging zugleich mit dem Christentum das Vaterunser aus und ward ein öffentliches Gebet in den Versammlungen der Christen. Ja, kein Gottesdienst ohne Vaterunser, keine Predigt, keine Taufe, kein Abendmahl, keine Trauung, kein Begräbnis, dabei es nicht gesprochen wurde, „wie Salz und Würze zu allem geistlichen Werk hinzugetan“, hat jemand davon gesagt, ein auf die Handlung gesetztes Siegel nennt es ein anderer. Keine Predigt; noch ist's üblich in Gemeinden, dass zu jeder Predigt das Vaterunser zweimal gebetet wird, inmitten ihrer, vor oder nach Verlesung des Textes, vor oder nach Absingung eines Liedes, und dann wieder nach Ablesung des so heißenden Kirchengebets. Noch finden sich Gemeinden, in welchen. das Vaterunser bei der Predigt das erste Mal still gebetet wird, - sehr feierlich ist von mir dieses stille Vaterunser gefunden, und das andere Mal laut. Wo nun ein solcher öffentlicher Brauch sich fand, ausbleiben konnte es da kaum, dass nicht das Vaterunser in den Hausgottesdienst gebracht wurde, ein Teil der Morgen- und Abendandacht ward, bei Tisch gebetet wurde vor und nach dem Essen. Desgleichen auch, dass es das Gebet auch der einsamen Andacht ward und sehr oft kein anderes Gebet daneben noch.

Ein Vaterunser vor jedem schweren Werk, ein Vaterunser bei Geburt und Sterben, ein Vaterunser beim Ausgehen und Wiederkommen, ein Vaterunser bei aller Anwandlung von Furcht und Schrecken, ein Vaterunser in schweren Versuchungen und Anfechtungen. Zuflucht war's, Waffe war's, Himmelsleiter war's, Flügel waren diese Worte, mittelst derer die Seel' zu Gott sich erhob, Worte zur Hand noch, wenn aller geistliche Schah abhanden war, und in dürren Zeiten, da der Geist auch nichts hervorbringen konnte, sein einziger Halt und seine einzige Erquickung.

Dies, soviel vom Vaterunser heute, als von dem Rahmen des Spiegels. Lasst, Lieben, diese erste Predigt euch gelten als Ladung zu mehreren und als Einleitung in folgende. Zusammen aber wollen wir, wie ich zu Anfang getan, jetzt am Schluss unsre Sache Gott befehlen, dem Vaterunser, dass er seinen Geist und seine Kraft uns jedes Mal geben, uns kein Mal unbegabt sein lassen möge. Bitten wir, daheim wie hier, alle Sonntag wie heute: Erhalte die Lust! mehre das Vermögen! begleit' uns mit Segen! Amen.

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autoren/h/harms_c/harms_claus_vaterunser_1.txt · Zuletzt geändert: von aj
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