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Härter, Franz-Heinrich - Das Ende

Härter, Franz-Heinrich - Das Ende

Das Ende.

Text: 1 Petri 4,7.
Es ist aber nahe gekommen das Ende aller Dinge.

Schon Mancher, der dies Wort gelesen, dachte dabei: Unser guter Apostel Petrus hat hier offenbar geirrt! Das Ende war nicht so nahe, als er meinte; denn seitdem Petrus seinen ersten Brief geschrieben, sind wohl achtzehnhundert Jahre verflossen. -

Ei mein Freund, wer bist du, dass du den Geist Gottes zu meistern dich erkühnst? Überlege die Sache doch reiflicher, und frage dich: Von welchem Standpunkt aus betrachtet wohl der heilige Geist den Wechsel der Zeiten? Von dem menschlichen oder von dem göttlichen? Ich denke doch von dem letzten? Nun, was sagt das Wort Gottes von beiden? (Ps. 9,40) Tausend Jahre sind vor Gott wie der Tag, der gestern vergangen ist, und wie eine Nachtwache. Dass dies der Sinn Petri gewesen, sehen wir aus seinem zweiten Brief (2 Petri 3,8-9): Eines sei euch unverhalten, dass ein Tag vor dem Herrn ist wie tausend Jahre, und tausend Jahre wie ein Tag. Der Herr verzieht nicht die Verheißung, wie es etliche für einen Verzug achten, sondern er hat Geduld mit uns und will nicht, dass Jemand verloren werde, sondern dass sich Jedermann zur Buße bekehre. Von uns hingegen zeugt die heilige Schrift, (Psalm 90,3-10): Die Menschen sind wie ein Gras, das doch bald welk wird und des Abends abgehauen wird und verdorrt. Denn unser Leben währt siebzig Jahre, und wenn es hoch kommt, so sind es achtzig Jahre, und wenn es köstlich gewesen, so ist es Mühe und Arbeit gewesen. Denn es fährt schnell dahin, als flögen wir davon.

Wenn aber für uns Sterbliche das Ende unserer Gnadenzeit kommt, ist das uns nicht das Ende aller Dinge? Da müssen wir von hinnen, und Alles zurücklassen, was zu den Dingen dieser Welt gehört.

Darum haben die ersten Christen nie geirrt, wenn sie das Ende aller Dinge nahe glaubten; sie hatten im göttlichen und menschlichen Sinne vollkommen Recht. Aber fürchterlich irrten die ungläubigen Juden, da sie meinten, ihr Reich, ihre Stadt, würden ewig bestehen; denn als Petrus unsere Textesworte schrieb, waren nur noch sieben Jahre, bis zur Zerstörung Jerusalems.

Fürchterlich irren auch jetzt noch alle, die dem göttlichen Wort nicht glauben wollen; denn das Ende wird sie unvorbereitet übereilen, und weil sie am Irdischen hangen, und angewurzelt sind, ist ihr Scheiden ein entsetzlicher Riss, dessen Schmerz in die Ewigkeit fortdauert. Wer weise ist, bedenkt das nahe Ende; darum ergeht an uns stets eine mächtige Aufforderung, und zu bereiten auf:

Das Ende.

Wir wollen zunächst den Sinn erwägen, welcher in diesem Wort liegt, und dann sehen, welches die rechte Vorbereitung ist auf das nahende Ende aller Dinge.

Das kurze Wort Ende hat einen vielumfassenden Sinn, in welchem das Aufhören alles Irdischen, das Ziel unserer Wallfahrt und die Entscheidung über unser Los besonders merkbar hervortreten.

Am Ende hört das Irdische auf. Fühlst du, mein Herz, die Bedeutung dieses Gesetzes, unter welchem du mit der ganzen Erdenkreatur stehst? - Es ist das Gesetz des Todes, unter welchem sich unsere Mitgeschöpfe immerdar ängsten, ohne den Gedanken recht fassen zu können. Habe du den Mut, und blicke in dieses nahe Grab deines Besitzes aller vergänglichen Güter; du weißt aus Erfahrung, dass schon Manches, welches du zu haben meintest, dir aus der Hand entschwunden ist; aber wenn auch deine Erdengüter blieben und dich überlebten, so darfst du nicht bleiben, sondern musst davon; darum kann kein vergängliches Gut das Herz befriedigen, und wer sonst nichts besitzt, ist arm bei großem Gut.

Siehe wie die Blumen des verflossenen Jahres dahin gewelkt, die Bäume entlaubt sind. Sie werden wohl wieder blühen und grünen, aber vielleicht nicht für dich; und gewiss, am Ende bezeichnet ein sterbender Kranz den Hügel, in den dein Leichnam gesunken, und dann ist alle Erdenlust verblüht.

Aber du bemerkest, dass du, außer den Gütern und Freuden dieser Erde, auch so manches Schwere zu tragen hast; mühsam arbeitest du in deinem irdischen Beruf, und Leiden aller Art haben dich schon niedergebeugt. O denke nicht, dass du dafür einen Lohn in der Ewigkeit zu erwarten hast, wenn dich das Ende unvorbereitet übereilt.

Die zeitlichen Sorgen betäuben den Menschengeist, und stumpfen den inneren Sinn ab für den höheren Zweck unseres Lebens. Die Leiden der Zeit, wenn sie nicht mit gläubigem Sinn durchgerungen werden, entmutigen das arme Herz, und erbittern nicht selten die Seele wider Gott und die Menschheit; darum redet Christus nicht bloß von dem Betrug des Reichtums, sondern auch von der Sorge dieser Welt, als von den Dornen, welche die gute Saat ersticken, dass sie keine Frucht bringen kann (Matth. 13,22).

Doch hört am Ende nicht bloß das Irdische außer uns auf; wir gelangen selbst dabei ans Ziel unserer zeitlichen Wallfahrt; denn die Zeit reißt uns voran wie ein mächtiger Strom; unserm Erdendasein ist nach des Allmächtigen Rat eine Grenze gesetzt, über welche wir nicht hinaus kommen können; die Frage ist nur, ob wir den Gedanken daran stets gegenwärtig haben, oder ob wir denselben ferne zu halten wussten durch gefährlichen Selbstbetrug. Manche gleichen einem sicheren Schläfer, der sich vom Strom treiben lässt! wenn sie dann der Stelle sich nähern, wo die Zeit in den Abgrund der Ewigkeit stürzt, erwachen sie, aber zu spät, unter dem Donnerton des Falls, der sie ins Verderben reißt. Andere mühen sich ab in vielgeschäftigem Nichtstun; sie laufen gleich Schlafwandlern, von unruhigen Träumen getrieben, auf dem breiten Weg umher, sammeln und wissen nicht wozu, und wenn dann am Ziel ihre Torheit ihnen offenbar wird, so sehen sie beim Erwachen hinter sich ein verlorenes Leben, und vor sich eine öde Ewigkeit.

O, wie ganz anders wäre es, wenn wir das Gebet, das der Geist Gottes uns in den Mund legt, täglich und oft wiederholten (Psalm 39,5.6): Herr, lehre mich doch, dass es ein Ende mit mir haben muss, und mein Leben ein Ziel hat, und ich davon muss! Siehe, meine Tage sind einer Hand breit bei dir, und mein Leben ist wie Nichts vor dir; wie gar Nichts sind alle Menschen, die doch so sicher leben. Der Gedanke an das nahe Ende würde wie ein Schutzengel über uns schweben, und uns stets hinweisen auf den schmalen Pfad, der zum Ziel der Seligkeit führt. - Unsere Seligkeit ist ja das Eine, was not tut; haben wir dies erlangt, so ist Alles gewonnen. Das ist das erfreuliche Ende, wo der Glaube zum Schauen geht.

Gewiss ist unter uns keine Seele, die nicht schon oft durch ihr Gewissen ermahnt wurde, das Ende zu bedenken; denn Gott ist treu, er lässt Keinen ungewarnt in das Verderben gehen. Wären nur auch wir treu, so würden gewiss Gottes Friedensgedanken an uns erfüllet; denn wir würden seinen guten Rat zu unserm Heile benutzen; aber ein unbegreiflicher Leichtsinn betäubt die Meisten, dass sie alle nachdrücklichen Warnungen wieder vergessen, und nicht darauf achten, wie mit dem Ende die Entscheidung kommt über unser künftiges Los.

Dass ein Richter sein muss, sagt uns die gesunde Vernunft; denn wir stehen in einer gesetzlichen Ordnung, die alle, auch die versunkensten Geister, anerkennen müssen. Wer aber dieser Richter ist, sagt uns Gott selber durch die heilige Schrift: Der Vater richtet Niemand, sondern alles Gericht hat er dem Sohn übergeben (Joh. 5,22.). Wir müssen Alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi (2 Kor. 5,10.). Offenbar wird einst unser ganzes verflossenes Leben, und der verborgenste Zustand unseres Herzens kommt an das helle Licht, vor seinem Angesicht. Dann hat alle Heuchelei und Selbsttäuschung ein Ende; unsere Taten, unsere Sünden, liegen vor uns, wie ein aufgeschlagenes Buch, und ein Jeder muss, nach dem Gesetz, das er innerlich anerkennt, sich selbst sein Urteil mit Amen versiegeln.

Fluch oder Segen, Tod oder Leben, so heißt dann die Entscheidung; jetzt liegt sie noch in unserer Hand; was wählen wir? - Den Segen, das Leben! so ruft ihr wohl Alle; aber hast du es auch bedacht, dass der gerechte Richter Segen und Leben an gewisse Bedingungen geknüpft hat? Nicht nur die groben Lasterhaften sind unter dem Fluche, sondern auch Alle, die mit des Gesetzes Werken umgehen, das heißt, die mit dem äußerlichen Schein einer gewissen Rechtschaffenheit, im Sinne der Welt, sich und Andere betrogen haben. Gesegnet ist in der entscheidenden Stunde nur die Seele, welche im Glauben an Jesum Christum erfunden wird; nur einer solchen kann der Richter zurufen: Gehe ein zu deines Herrn Freude; dein Glaube hat dir geholfen! Denn wer glaubt wird nicht gerichtet, wer aber nicht glaubt, der ist schon gerichtet; und Alle die als Unbegnadigte an ihrem Ende offenbar werden, fallen in das letzte Gericht.

Nahe dem Scheidepunkt blicken wir in eine Vergangenheit, wo so vieles wider uns zeugt. Wir beugen uns vor Dem, dessen Flammenauge in unser Innerstes schaut, und seufzen: Herr, lehre mich das Ende bedenken, auf dass ich klug werde und mich darauf vorbereite, jetzt wo noch die Gnade mir angeboten ist, zur Rettung meiner Seele!

Wie bereiten wir uns auf das nahe Ende aller Dinge?

Aus dem bisher Gesagten lässt sich die Antwort auf diese Frage leicht ableiten. Drei Regeln bilden den Inbegriff der göttlichen Klugheit, oder der wahren Lebensweisheit, die der heilige Geist selber uns lehrt.

Erste Regel: Mache dich frei von den eitlen Dingen dieser Erde. Der unfreie Mensch liegt in einer innern Gebundenheit, unter einem Seelenbann. Gefesselt von geheimnisvollen feindlichen Mächten, ist sein Herz abwärts gezogen im irdischen Sinn; denn dieser Sinn ist ein Sklavendienst der Sünde, und eine geheime Feindschaft wider Gott. Kein Mensch kann davon sich selbst befreien; darum ist der Erretter erschienen, der den Gebundenen eine Erledigung bringt; und wo eine Seele auf diese Predigt vom großen Gnadenjahr merkt, lernt sie auch das Wort verstehen: So euch der Sohn frei macht, so seid ihr recht frei. (Joh. 8,36).

Voller Gnade und Wahrheit neigt sich zu Allen, die sich nach der Freiheit der Kinder Gottes sehnen, die erlösende Liebe Jesu Christi, und lehrt die willigen Hörer, wer die wahre Weisheit besitzt: Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln, da sie die Motten und der Rost fressen, und da die Diebe nachgraben und stehlen; sammelt euch aber Schätze im Himmel! (Matth. 6,19.20.) Durch dieses Wort erwacht in dem gläubigen Herzen der Himmelssinn, das ist, die Sehnsucht nach dem, was droben ist. Aus dem Reich dieser Welt, worin der Tod waltet, rettet sich der Berufene ins Gnadenreich Gottes, in welchem das ewige Leben durch den Glauben beginnt. Als ein Fremdling hienieden, löst er sich ab von dem, was ihn beschweren könnte, und wandert der seligen Ewigkeit zu, wo ihm im Vaterhause sein Erbteil zugesichert ist. Glückselige Seelen, die geistlich arm geworden in dieser Zeit! sie sind reich in Gott und sammeln ewige Schätze durch ein gottgeweihtes Leben in Werken des Glaubens, der durch die Liebe tätig ist.

Und mit diesem Himmelssinn erwacht dann auch der Kreuzessinn. Vorher, so lange das Herz der Welt angehörte, war es kreuzflüchtig und bebte vor dem Leiden zurück; aber jetzt ist es ihm möglich geworden es zu glauben, dass in dem Kreuz ein ewiger Segen liegt. Das Kreuz ist dennoch gut, obgleich es weh tut; denn es befreit uns von dem Bann des irdischen Sinnes, und schließt unser Innerstes stets gründlicher für die heilsame Gnade auf. Vertraut mit dem großen Kreuzträger hat der Begnadigte nur noch Einen Wunsch, nämlich sich Dem ganz zu weihen, der sich für uns zum Opfer gab. Aber die Ausführung dieses Wunsches ist die große Lebensaufgabe und erfordert eine

Zweite Regel: Prüfe fleißig deinen Wandel nach Gottes Wort. Diese Prüfung erzeugt den Wandel im Licht, von welchem geschrieben stehet: So wir im Licht wandeln, so haben wir Gemeinschaft unter einander, und das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, macht uns rein von aller Sünde (1 Joh. 1,7). Im Gnadenlicht ist der einzige Weg uns geoffenbart, der zum Ziel führt; er heißt: die Nachfolge Christi. Wer mir dienen will, ruft der Herr uns zu, der folge mir nach, und wo ich bin, da soll mein Diener auch sein; und wer mir dienen wird, den wird mein Vater ehren! (Joh. 12,26.) In diesen Worten ist und der entschiedene christliche Wandel anbefohlen, der sich in unserm ganzen Erdenleben offenbaren muss als ein Wandel vor Gott. Die Frage: Was hätte Christus an meiner Stelle getan? ist die Prüfungsfrage, welche in jedem Augenblick dem Nachfolger Christi vorschweben muss. Bei jedem Schritt, den wir tun, können und sollen wir die Fußstapfen des Heilandes vor Augen haben; und so werden wir dann immer mehr mit der Herrlichkeit seines Vorbildes vertraut; aber wir tun auch immer tiefere Blicke in unsere fortwährende Sündigkeit und Erbärmlichkeit. O wie viel fehlt mir noch, bis ich nur von ferne meinem großen Meister ähnlich werde! so seufzt die willige Seele und demütigt sich im Gefühl ihrer Unwürdigkeit, ihres Nichts.

Doch siehe, während der wahre Christ sich redlich bemüht den Weg zu wandeln, der ihm vorgezeichnet ist, als der schmale Lebenspfad, erfährt er an sich, wie der Glaube aus der Fülle des Sohnes Gottes, Gnade um Gnade schöpft, und eine gründliche Erneuerung bahnt sich in ihm an. Diese Umwandlung unseres ganzen Wesens ist das Hauptstück in der Vorbereitung auf unser nahendes Ende; es soll und muss in uns Alles neu werden. Dazu aber ist eine

Dritte Regel nötig: Richte täglich dich selber vor dem Angesicht Christi. Eine große Gefahr droht denen, welche die erneuernde Kraft der evangelischen Wahrheit anfangen an sich selbst zu erfahren. Sie sehen nun erst den schroffen Gegensatz, zwischen dem Wesen des alten Todes, der in der Welt herrscht, und des neuen Lebens, das im Gnadenreich Gottes sich vor ihnen entfaltet. Da lassen sich Manche hinreißen zum scharfen Urteil über alle Diejenigen, welche noch unter der Macht des Todes liegen; sie werden zu strengen Richtern über Andere und geraten in geistlichen Stolz, der noch gefährlicher ist, als der weltliche Hochmut, weil er den Glauben unfruchtbar macht, gleich jenem Feigenbaum, der nur Holz und Blätter trug, und dem Fluch anheimfiel.

Von dieser Gefahr, in welcher schon manche Anfänger im Christentum wieder verloren gingen, bewahrt uns am besten das tägliche Selbstgericht.

Was war ich einst, da ich noch, mir überlassen, in Sicherheit den Weg der Welt wandelte, und im Sündenschlaf lag? Was bin ich jetzt, da mich das göttliche Erbarmen auf den Weg des Friedens geführt hat? Aus Gnaden bin ich was ich bin, und wenn auch diese Gnade an mir nicht vergeblich gewesen ist, so ist doch meine große Schuld nicht durch mein Verdienst, sondern durch meines Heilands Erbarmen gedeckt und getilgt worden! - darum will ich wohl mich hüten die zu verdammen, welche selbst noch in der Verblendung dahin geben; mit schonender Geduld will ich sie tragen, will sie liebend warnen und auf Den hinweisen, der mich gerettet hat und auch sie retten möchte; und wenn sie mich nicht hören, und meine Bitte verschmähen, will ich sie nicht zurückstoßen, sondern für sie beten, wie mich die gekreuzigte Liebe selbst gelehrt hat.

Aber während ich so sanft und milde mich bestrebe zu segnen die mir fluchen, will ich desto strenger gegen mich selber sein. Die heilsame Gnade, die allen Menschen erschienen, züchtigt uns, und wer sich vom Geist Gottes willig strafen lässt, wird klug werden; wer aber ungestraft sein will, bleibt ein Narr! (Sprüche 12,1.) Der Geist Gottes nimmt es mit den Begnadigten immer genauer, und wer als Christ das Ende stets vor Augen hat, ist dankbar dafür, und bittet um die schärfste innere Gnadenzucht, damit die kurzen Tage, die uns gegeben sind, nicht ungenützt entschwinden.

So eilt ein Gotteskind dem nahenden Ende zu, und wenn die Entscheidung kommt, kann die Seele sagen: Ich bin bereit!

Wie steht es mit uns, geliebte Mitwanderer? - Wer weiß wie nahe mir mein Ende!- Das nächste Jahr, der nächste Tag kann diese Entscheidung herbeiführen. Die wahre Lebensweisheit hat nur die Seele, welche jedes Heute als ihr letztes betrachtet und doch mit Freuden an das nahende Ende aller Dinge denkt; sie ist ihrer Seligkeit gewiss durch Christi Blut, und ruft, wie Johannes, mit der Sehnsucht der heiligen Liebe:

Ja, komm Herr Jesu! Amen.

Zugabe.

Die Zeichen der Zeit, über das nahende Ende aller Dinge.

Der Herr sagt zwar deutlich, dass es uns nicht gebührt, Zeit oder Stunde zu wissen, welche der Vater seiner Macht vorbehalten hat. (Apg. 1,7.) Aber er fordert uns zugleich gar ernstlich auf, die Zeichen der Zeit zu prüfen. Matth. 16,2-3 sagt er zu den Schriftgelehrten, den Pharisäern und Sadduzäern: „Des Abends sprecht ihr: Es wird ein schöner Tag werden, denn der Himmel ist rot; und des Morgens sprecht ihr: Es wird heute Ungewitter sein, denn der Himmel ist rot und trübe. Ihr Heuchler, des Himmels Gestalt könnet ihr urteilen; könnt ihr denn nicht auch die Zeichen dieser Zeit urteilen?“ Und Lukas 12,54-56 sagt er zu dem Volk: „Wenn ihr eine Wolke seht aufgehen vom Abend, so sprecht ihr bald: Es kommt ein Regen; und es geschieht also. Und wenn ihr seht den Südwind wehen, so sprecht ihr: Es wird heiß werden; und es geschieht also. Ihr Heuchler, die Gestalt oder Erde und des Himmels könnt ihr prüfen: wie prüft ihr aber diese Zeit nicht?“ - Die Gelehrten im Volk, und der gemeine Mann, können aus einfacher Beobachtung der Erscheinungen in der Erdatmosphäre gewisse Regeln ableiten, durch welche sie in den Stand gesetzt werden, die Witterungswechsel voraus zu sagen; sie glauben den Gesetzen des Naturreichs, und nehmen danach die Maßregeln ihrer irdischen Klugheit. - Die Gesetze einer höheren Ordnung im Reich der Geister sind aber nicht weniger bestimmt; und wenn ein Mensch Glauben genug hat, um das Wort Gottes in seiner Anwendung auf die Zeitbegebenheiten zu erkennen, so kann er auch daraus deutliche Schlüsse ableiten auf die bevorstehenden Umwälzungen, und auf das nahende Ende aller Dinge.

Drei Kennzeichen sind vorzüglich in der heiligen Schrift uns angegeben, welche wir zu erwägen haben als

Zeichen der Zeit.

Erstes Zeichen. Matth. 24,14 sagt Jesus Christus selber: „Es wird gepredigt werden das Evangelium vom Reich in der ganzen Welt, zu einem Zeugnis über alle Völker; und dann wird das Ende kommen.

Die frohe Botschaft von dem Gottesreich, welches der Welterlöser auf Golgatha mit seinem Blut gegründet hat, soll in aller Welt gepredigt werden, zum Zeugnis über alle Völker. Es ist nicht gesagt, dass alle Völker sie annehmen müssen. Das Zeugnis ist für Die, welche demselben glauben und durch die Gotteskraft des Evangeliums sich erneuern lassen, dass sie den Auserwählten zugezählt werden mögen; Solche entfliehen dem Allen, was geschehen soll, und können einst mit Freuden stehen vor des Menschen Sohn, wenn er zum letzten Gericht erscheint (Luk. 21,36). Dasselbe Zeugnis hingegen ist über Die, welche demselben nicht glauben, noch gehorchen wollen; Solche schließen sich selbst von dem Gnadenreich aus, und fallen dem Gericht anheim. Doch sollen sie wissen, dass ihnen das Reich Gottes nahe gewesen ist (Luk. 10,10-12).

Dieses erste Zeichen geht nun in Erfüllung. Alle früherhin unbekannten Weltteile und Inseln sind seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts entdeckt worden, und an manchen Orten, wo vorhin das Heidentum herrschte, blühen jetzt christliche Gemeinden auf.

Auch manche unzugängliche Regionen werden in unsern Tagen auf eine merkwürdige Weise aufgeschlossen; zum Beispiel das finstere Afrika, dessen innere Länderstrecken von Völkern wimmeln, wird nun von vier Weltgegenden her durch die evangelischen Sendboten bezogen, und eingeborene Missionare in großer Zahl geben von Liberia aus tief in das Innerste dieses finstern Weltteiles. - Das große Ostindien, in welchem mehr denn hundert Millionen Menschen wohnen, ist von dem Licht des Evangeliums bereits so überstrahlt, dass die Brahminen anfangen zu zittern für ihr Ansehen, welches auf den heidnischen Aberglauben der dortigen Völker gegründet war. - Das ungeheure China, in welchem der dritte Teil der ganzen Menschheit wohnt, ist gegenwärtig in einer so unerwarteten Bewegung, dass wahrscheinlich in wenigen Jahren alle seine Gegenden dem Christentum sich wie von selber aufschließen werden. Man sieht deutlich aus allen Weltbegebenheiten, dass der Herr jetzt Großes vor hat, und die Weissagungen dem Ende zueilen.

Zweites Zeichen. 2 Thess. 2,3. In dieser prophetischen Stelle sagt der gotterleuchtete Apostel Paulus: „Lasst euch Niemand verführen in keinerlei Weise; denn der Tag Christi kommt nicht, es sei denn, dass zuvor der Abfall komme.

Dieser vorausverkündigte Abfall von dem wahren Christentum wird nur möglich durch die allgemeine Predigt des Evangeliums; denn allgemein soll auch der Abfall sein. Er beginnt in den Christenländern, und wird sich dann überall hin verbreiten; es geht demselben eine merkwürdige Erweckungszeit voraus, wie wir sie gegenwärtig an vielen Orten bemerken können; aber während so die himmlischen Kräfte sich hin und wieder offenbaren, regen sich auch schon mächtig die feindlichen Kräfte, die einen allgemeinen Sturm gegen das Christentum vorbereiten und einen Abfall von demselben anbahnen, wie man ihn gar nicht für möglich halten würde, wenn nicht schon einzelne Erfahrungen, zum Beispiel die Schreckenszeit in Frankreich, es bewiesen hätten, wie weit die Feindschaft wider die christliche Religion zu gehen vermag in den sogenannten christlichen Ländern.

Auf der einen Seite sehen wir, dass die Gesinnung der Vielen sich mehr als je auf das materielle Glück hinwendet. Das zeitliche Gut besitzen und genießen scheint bei den Meisten das höchste Ziel ihres Strebens; der irdische, fleischliche Sinn, der eine Feindschaft wider Gott in sich verbirgt, wird überall rege, und gärt als ein giftiger Sauerteig in der Masse.

Auf der anderen Seite verbreitet die Weisheit, die nicht von oben her kommt, sondern irdisch, menschlich und teuflisch ist, ihre Grundsätze in allen Schichten der Gesellschaft. Eine japanische Philosophie, welche die ganze Kreatur zur Gottheit erhebt, wird theoretisch und praktisch getrieben; es ist das Heidentum in seiner furchtbarsten Gestalt; man pflegt es Pantheismus zu nennen, oder die Allgötterei. Das Gefährlichste dabei ist die Treulosigkeit und Lügenkunst, womit diese falsche Weisheit gewisse christliche Ausdrücke anwendet, und ihnen einen heidnischen Sinn unterschiebt. Gott ist in uns, so heißt es, und der Mensch wird auf diesem Weg zur Selbstvergötterung berechtigt; sein Wille ist Gottes Wille, also Gesetz, und von der Sünde, die einer Versöhnung bedarf, ist keine Rede mehr. Da ist das Christentum nun abgeschafft, und das Antichristentum bereits eingeführt in allen Denen, welche in diesen Grundsätzen die höchste Weisheit meinen gefunden zu haben. Ihre Ansichten zur Weltreligion zu erheben, warten sie nur auf Einen Mann, der sich den neuen Christus nennen und versprechen wird, Das auszuführen, was der alte Christus auf Golgatha (wie sie sagen) verfehlt hat. Dieser Antichristus wird sich auch durch lügenhafte Kräfte, Zeichen und Wunder zu beglaubigen wissen, welche in das Gebiet der Zauberei gehören, die jetzt schon mächtig verwüstend an vielen Orten getrieben wird.

Mit innerem Schauer sehen wir auf dieses Zeichen, welches das nahende Ende verkündigt, besonders wenn wir bedenken, dass dem Menschen der Sünde und Kind des Verderbens der als ein Widerwärtiger sich über Alles erhebt, was Gott und Gottesdienst heißt, aus den sogenannten Christenvölkern haufenweise alle Diejenigen zufallen werden, die nicht im lebendigen Buch des Lammes geschrieben sind (Off. 13,8), das heißt, die nicht an Christo dem Gekreuzigten halten; und Derer ist leider Legion!

Drittes Zeichen. Lukas 21, 24. Der Herr sagt: „Jerusalem wird zertreten werden von den Heiden, bis der Heiden Zeit erfüllt wird.

Alle Völker, außer Israel, dem alten Bundesvolk, gehören zu den Heiden (Gentils, Gojim). Durch ein göttliches Strafgericht ist der größere Teil der Juden mit Blindheit geschlagen worden, so lange, bis die Fülle der Heiden (das ist ihre Vollzahl, die nur der Allwissende kennt) eingegangen sei, und also das ganze Israel selig werde (Römer 11,25.26).

Das unglückliche Volk Israel, welches seinen Heiland ausgestoßen hat, ist an das Ende geworfen worden; doch wird für dasselbe noch eine große Gnadenstunde schlagen; die Annäherung dieser Stunde ist auf eine tiefsinnige Weise bildlich dargestellt worden.

In der Gleichnisrede vom Feigenbaum (Luk. 13,6 u.ff.) gibt der Herr dem Volk, das so bejammernswert die Zeit nicht erkannte, da es in Gnaden heimgesucht ward, eine ernste Warnung. - Der zur Strafe seiner Unfruchtbarkeit verdorrte Feigenbaum ist selber das traurige Bild des jüdischen Volkes in den langen Jahrhunderten, während welchen schon der Fluch auf ihm lastet (Matth. 21,19). Nun aber wird gerade der Feigenbaum durch dass Wort Gottes unter die Zeichen der Zeit gestellt, um daran die Nähe des Sommers zu erkennen. Matth. 24,31-33; Des Menschen Sohn wird seine Engel (Boten) senden, mit hellen Posaunen (der evangelischen Predigt), und sie werden sammeln seine Auserwählten von den vier Winden, von meinem Ende des Himmels zu dem andern. An dem Feigenbaum lernt ein Gleichnis. Wenn sein Zweig jetzt saftig wird, und Blätter gewinnt, so wisst ihr, dass der Sommer nahe ist. Also auch, wenn ihr dies Alles seht, so wisst, dass es (Das Ende) nahe vor der Tür ist. Wir sehen, wie auch dieses letzte Zeichen anfängt, an dem auf der ganzen Erde zerstreuten alten Bundesvolk in Erfüllung zu gehen. Eine mächtige innere Bewegung gestaltet sich in demselben; neue Lebenskräfte durchströmen Israel. Zwar verstehen die Wenigsten unter den Gliedern dieses Volkes bis jetzt, was daraus werden soll, und gar Viele sind noch in heftiger Erbitterung gegen den Friedefürsten, der als wahrer Salomo seine Sulamith aufwecken möchte; aber dies kann sich schnell ändern.

Unterdessen wendet sich die Aufmerksamkeit allgemeiner auf das Morgenland, und auf die Stadt Jerusalem. In einer Kirche auf Zion vernimmt man nun die Predigt des Evangeliums und christliche Gesänge und Gebete, in der heiligen Sprache der Bücher des alten Bundes, und liebend arbeiten und beten viele gläubige Seelen in der Christenheit für das arme Israel. Die tyrannische Macht der Türken, welche so lange schon die heilige Stadt zertraten, fängt zu wanken, und scheint ihrem Ende entgegen zu eilen; auch da kann eine plötzliche Änderung eintreffen. Doch wird die Blindheit von den Augen Israels nicht auf einmal weichen; die gründliche und allgemeine Erweckung dieses Wundervolkes wird erst dann kommen, wann die Christenheit großenteils vom Antichristus verführt, zum heidnischen Weltsinn zurückgefallen sein wird; dann wird das so lange verachtete Israel auf der ganzen Erde als Missionsvolk auftreten; der Geist der Gnade und des Gebets wird über sie ausgegossen werden, denn sie werden Den ansehen, welchen ihre Väter zerstochen haben, und werden ihn klagen, wie man klagt ein einziges Kind (Sach. 12 10) und -

Dann ist das Ende da! Bis dahin währt die Gnadenzeit der Menschenwelt, wo der Herr uns noch zum großen Abendmahl ruft: Kommt, es ist Alles bereit; es ist immer noch Raum da!

Aber ärger als je tobt nun auch der Feind, und mit ausgelernter Kunst sucht er uns in die eiteln Dinge dieser Welt zu verflochten, dass wir unser Heil verträumen und versäumen sollen.

Was allein uns retten kann, ist angedeutet in dem Brief des Herrn an die Gemeinde zu Philadelphia (Offenb. 3,10): Dieweil du hast behalten das Wort meiner Geduld, will mich auch dich behalten vor der Stunde der Versuchung, die kommen wird über den ganzen Weltkreis, zu versuchen, die da wohnen auf Erden.

Das Wort der Geduld des Herrn ist das Wort vom Kreuz, oder das Evangelium von Christo, dem blutenden und sterbenden Gotteslamm.

Wer seine Seele retten will, bleibe als ein wahrer Philadelphier in heiliger Bruderliebe, und rufe stets, wie der Apostel Paulus (Gal. 6,14): Es sei ferne von mir rühmen, denn allein von dem Kreuz unsers Herrn Jesu Christi, durch welchen mir die Welt gekreuzigt ist, und wich der Welt!

Was kannst du arme Welt mir geben?! Du vergehst mit deiner Lust und deinem Jammer. Das Ende kommt, es kommt das Ende; es ist erwacht über dich. Siehe es kommt! (Hes. 7,6.) Ich aber will an Dem halten, der mein A und O ist, mein Anfang und Ende!

Christus ist mein Leben, und Sterben mein Gewinn.

So komm mein End' heut' oder morgen:
Ich weiß, dass mir's mit Ihm gelingt.
Was soll ich um die Stunde sorgen,
Die mich hinauf zu Jesu bringt?
Mein Gott, ich bitt' durch Christi Blut,
Mach's nur mit meinem Ende gut!
Ich leb' indes in Dir vergnüget,
Und sterb' ohn' alle Kümmernis!
Es gebe, wie mein Gott es füget;
Ich glaub' und bin es ganz gewiss:
Durch deine Gnad' und Christi Blut
Machst du's mit meinem Ende gut!

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