Glinz, Johann Jakob - Der gekreuzigte Christus.
Passions-Predigt.
In St. Magni den 13. März 1853 von Pfarrer Glinz in St. Gallen.
Text: Wir aber predigen den gekreuzigten Christum; den Juden ein Ärgernis, und den Griechen eine Torheit. Denen aber, die berufen sind, beide Juden und Griechen, predigen wir Christum, göttliche Kraft und göttliche Weisheit. 1. Kor. 1. 23, 24.
Unser diesmaliges Texteswort ist ein Bekenntnis des Apostels Paulus in Ansehung seiner apostolischen Predigt. Dieser Apostel, welcher in den damaligen Welthauptstädten, an den Mittelpunkten der weltlichen Bildung und Wissenschaft das Evangelium verkündigt hat, bekennt, dass die Hauptsache seiner Verkündigung der gekreuzigte Christus sei. Aber nicht bloß ein Bekenntnis des großen Apostels ist in diesen Worten enthalten, sondern auch die allerwichtigste christliche Erfahrung seines Amtes; die Erfahrung: dass Christus der Gekreuzigte der wahre Mittelpunkt des Evangeliums sei, der Felsen, auf den die Einen sich retten, an dem die Andern ihren Kopf zerschellen. Aber war dieses nur in der alten Welt der Fall? Hat nur der jüdische Starrsinn und der griechische Stolz nichts wissen wollen von dem Gekreuzigten? Ist jetzt vielleicht nicht mehr das Kreuz Christi der Mittelpunkt aller christlichen Predigt? Ist etwa Christi Lehre oder sein Leben an dessen Stelle getreten? - Des Apostels Zeugnis und Erfahrung ist so tief aus dem Menschenherzen und dem Menschenleben geschöpft, dass es in jeder Zeit sich wiederholt, und der gekreuzigte Christus bleibt in Ewigkeit der Grund des Heils und der Gnade; weswegen er sich immerfort als göttliche Kraft und göttliche Weisheit erweist an Allen, die gläubig sind. Mögen wir hievon aufs Neue überzeugt werden durch den Geist Gottes, indem wir nun dieses Zeugnis des Apostels in seinem Inhalte und seiner Wahrheit erwägen.
Der gekreuzigte Christus: den Juden ein Ärgernis, den Griechen eine Torheit; denen aber, die berufen sind, göttliche Kraft und göttliche Weisheit!
Dies sind die Hauptgedanken die wir miteinander zu betrachten haben; Gedanken und Wahrheiten von einer Fülle und Tiefe, dass nur Andeutungen gegeben werden können.
Stellen wir uns unter Christo den Jesus von Nazareth vor, wie er in himmlischer Demut und göttlicher Milde überall umher zog, jeden seiner Schritte durch Wohltaten bezeichnend; denken wir uns unter dem Gekreuzigten nur den unschuldig leidenden Menschensohn, den selbst der heidnische Hauptmann unter dem Kreuze bewunderte; und verstehen wir unter der Predigt des Gekreuzigten nichts anders als die würdige Darstellung dieses furchtbaren Ereignisses: dann können wir gewiss nicht begreifen, warum dieser Christus den Juden, deren Propheten ebenfalls eines gewaltsamen Todes starben, ein Ärgernis war; warum die Griechen, die doch Sinn für Tugend und Aufopferung hatten, ihn verachteten! Aber der gekreuzigte Christus, den Paulus verkündet, war ein Anderer als dieser Jesus von Nazareth. Es war Christus der Herr, der Sohn Gottes, der von den Propheten Verheißene und vom Volk Israel erwartete Retter und Seligmacher, der für die Menschheit sich hingegeben hat zu ihrer Versöhnung mit Gott, der den Willen und Ratschluss des Vaters vollbracht hat, so dass nun Alle, die an ihn glauben, durch den Glauben gerecht werden vor Gott. Dieser Christus, der für die Sünder am Kreuze starb, um dieselben selig zu machen, das ist der Gegenstand der Predigt des Apostels; den hat er vorgehalten Allen, damit sie in Demut und Reue die in Christo ihnen dargebotene Gnade ergreifen und sich derselben getrösten. - Dieser Christus war aber den Juden ein Ärgernis, ein Anstoß! Denket euch die glänzenden Messiasbilder der Juden, und nun diese Erniedrigung, diese Schmach dessen, der da spricht: Ich bin dieser Christus! und die Forderung: Lasst euch durch ihn versöhnen mit Gott! Beherzigt, dass der Vater diesen Jesus in den Tod dahingab, dass Juden und Heiden ihn verurteilten, und nirgends nachher eine Spur von einem äußeren mächtig sich erhebenden weltlichen Reiche. Und dazu die Selbstgerechtigkeit der Juden, die nichts wissen wollten davon, dass sie, wie die Heiden, nur durch den Gekreuzigten selig werden; deren Sinn sich empörte dagegen, dass sie aus Gnaden eingehen können in das Himmelreich; dass nur der Tod Christi sie angenehm mache dem Vater. Es hat nun zwar das Wort vom Kreuz sich siegreich erwiesen über den Widerstand der Juden, und während der Tempel auf Moriah in Trümmer sank, ist das Kreuz das Panier geworden den Völkern, die sich um dasselbe sammelten. Aber ist etwa dieser jüdische Sinn damit ausgestorben? Oder wurzelt nicht dieser Widerwille, dieser Anstoß an dem Gekreuzigten in dem Menschenherzen selbst, und lebt daher immer wieder neu auf in jedem Geschlechte? So gewiss dem Menschen von Natur die Sünde in ihrem eigentlichen Wesen und Umfange verborgen ist; so gewiss Jeder von dem Stolze und der Selbstgerechtigkeit verblendet ist, so gewiss wir als irdische Wesen zunächst nur nach dem äußern Scheine und Eindrucke urteilen: so gewiss wird dieses Ärgernis des Kreuzes nie aufhören. Der Mensch erwartet Glück und Freude von dem Leben - das Kreuz Christi verkündet ihm Kampf und Leid; er träumt: der menschliche Verstand und seine Kraft könne nach und nach alle Übel hinwegschaffen von dieser Erde - und Golgatha predigt ihm von einem Fluche, der auf der Menschheit lastet, von der Schuld, die die Menschheit drückt, die nur durch Gott versöhnt werden kann. Wir dünken uns gut und rechtschaffen, und hoffen unsere etwaigen Fehler noch nach und nach ganz ablegen zu können; das Kreuz Christi aber fordert uns Alle auf, an unsere Brust zu schlagen, an uns selbst zu verzweifeln und die Gnade zu ergreifen. Vergebung aller unserer Sünden durch das Blut Jesu Christi, das Wohlgefallen und die Gnade Gottes um Christi willen und in Christo - das wird uns angeboten durch das Evangelium von dem Gekreuzigten, und zwar unter der einzigen Bedingung der demütigen, bußfertigen, gläubigen Annahme! Welch' ein Ärgernis für so Viele, die da meinen, diese Lehre mache sorglose und verruchte Leute, sie unterdrücke die natürliche Freiheit und Würde. Welch' ein Anstoß für Alle, die unbekannt mit dem eigentlichen Verderben in ihrer Brust, ihr Gewissen auf mannigfache Weise beschwichtigen, oder auf selbst gemachte Gerechtigkeit und eigene, selbst erwählte gute Werke ihr Vertrauen setzen! -
Anders erging es freilich mit der Predigt von dem Gekreuzigten bei den Heiden, insbesondere bei den Griechen. Diese wussten nichts von einem Messias und einem Gesetze; denn das Gesetz in ihrem Innern hatten sie sich nach ihrer Weise ausgelegt. Ihnen war die Predigt von Jesu dem Gekreuzigten, von dem Gottessohne, der den Tod eines Missetäters starb und nach dem Ratschlusse Gottes denselben sterben musste zur Versöhnung der Menschen - eine Torheit! So wenig das Bild des gekreuzigten Jesus in einen griechischen heitern Tempel zu den andern schönen und herrlichen Göttergestalten passte, so sehr war diese Predigt von dem gekreuzigten Christus in schnurgeradem Widerspruche mit allem ihrem Denken und Tun. Sie hatten sich in ihrer Weisheit, in den verschiedenen Systemen ihrer Denker Alles zurecht gelegt, und meinten alle Rätsel der Welt und des Lebens, der Vergangenheit und Gegenwart, gelöst zu haben; sie hatten alles Göttliche und Überweltliche hinein gezogen in das Gebiet des menschlichen Denkens, und so allem Glauben an eine göttliche Offenbarung entsagt; sie hatten auch die Sünde nur als eine den Menschen anhängende Schwäche aufgefasst. Auch die Religion war ihnen nur zum Spiel des Geistes geworden, weswegen sie auch von Paulus nur neue Gedanken, geistreiche Äußerungen, eine anziehende Darstellung erwarteten. Als nun aber derselbe ihnen ihre Sünden und ihr Verderben aufdeckte, als er ihnen Gottesoffenbarungen, Gottestaten und eine auf eine Vollendung hinstrebende Geschichte dieser Offenbarung verkündete; als er ihnen predigte die Versöhnung der Welt durch Christum; ihnen predigte das Evangelium: „Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn in den Tod dahin gab!“ da erschien ihnen das Alles als Torheit, als Unsinn und jüdischer Aberglaube. -
Aber ist dieses nur geschehen bei den damaligen Griechen, diesen Weltmenschen im höchsten Sinne des Wortes? Oder ruft nicht noch immer das Griechentum des Herzens, der Weltsinn und die Weltbildung, je wahrer und lebendiger der Gekreuzigte gepredigt wird: Torheit! Aberglaube! Unvernunft! Der Apostel unterscheidet eine göttliche Weisheit und eine menschliche Weisheit, ein Leben im Geiste und ein Leben im Fleische. Wo nun das Wissen des Fleisches und des natürlichen Menschen vorherrscht, wo der Mensch nur seinem eigenen Verstande folgt und nichts wissen will, und sich nicht beugt unter die göttliche Offenbarung, unter das Wort Gottes; da wird alles Wissen und alle Bildung nur dem Fleische, nur der Lust, nur dem Genusse, nur der Befriedigung des Geldgeizes oder Ehrgeizes untertan; da ist alles Wissen, alle Bildung nur dann gerne gesehen, wenn sie in diesen Dienst tritt, wenn sie den Menschen innerlich zu entbinden vermag von der inneren Furcht vor Gott und der Ewigkeit, vom Handeln nach Pflicht und Recht. Welche Torheit ist dann diesen Menschen in ihrer vermeinten Bildung oder in ihrem Weltdienste der gekreuzigte Christus, dieser gutmütige Schwärmer, dieser noch für Vorurteile sich opfernde Jesus! Welche Torheit scheint ihnen eine Versöhnung mit Gott und ein Glaube an dieselbe! Welcher Rückschritt von der Höhe der Aufklärung zu diesem Glauben an das versöhnende Verdienst eines Andern! Welcher Widerspruch mit der Hoheit der menschlichen Vernunft, mit der Reinheit der menschlichen Natur, mit der Würde und der Aufgabe der Menschheit! Ach wie oft stehen auch wir noch unter der Herrschaft dieses Unglaubens und Weltsinnes, und wenn wir auch den gekreuzigten Christus nicht geradezu verwerfen, so ist er uns doch nicht der Mittelpunkt unseres Glaubens, nicht göttliche Kraft und göttliche Weisheit; denn wir glauben nicht an den von allen Aposteln verkündeten Gottessohn, der für uns Sünder gestorben ist, sondern wir ehren ihn nur wegen seiner Seelengröße, mit welcher er stirbt, und achten ihn nur seiner Treue und seines Gehorsams wegen, den er im Tode bewährte.
Aber ist dieses etwa bei uns Allen der Fall? Oder gibt es Solche unter uns, die mit jenem christlichen Dichter bezeugen können: ich bin durch manche Zeiten, wohl gar durch Ewigkeiten gereist in meinem Geist nichts hat mirs Herz genommen, als bis ich angekommen auf Golgatha - Gott sei gepriesen! - Der Apostel bezeugt: denen aber, die berufen sind, beides Juden und Griechen, predigen wir Christum den Gekreuzigten und ihnen ist er göttliche Macht und göttliche Weisheit! Das ist ein Wort, wir fühlen es ihm an, aus der innersten, tiefsten, selbsteigenen Erfahrung. Wie hat Paulus in eigenem inneren Seelenkampfe und Seelennot gerungen nach der Gerechtigkeit, die vor Gott gilt und nach innerem Frieden; wie hat er sich selbst, wie er meinte auf den Grund der Offenbarung, ein Gebäude erbaut von dem Messias und seinem Reiche und dem Heil, das dadurch Israel zu Teil werde - und wie stürzte alles dieses zusammen, als ihn der Herr berief und er sich beugte unter diesen Ruf! Er achtet nun Alles für Schaden um Christi willen, was ihm bisher Gewinn war! Er hat kein Verlangen und kein größeres Gut als die Gerechtigkeit, die aus dem Glauben an Christus kommt - und eine selige Freude und Hoffnung durchdringt ihn, in der er aufjauchzt: sind wir Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben Christi! Darum kann auch Paulus mit solchem Nachdrucke ausrufen: den Berufenen predigen wir Christum den Gekreuzigten als göttliche Macht und Weisheit! Wir teilen dieses ihnen nicht bloß mit als biblische Wahrheit, wir lehren sie es nicht bloß, weil nur dieses aufgetragen ist, sondern wir bieten ihnen diesen gekreuzigten Christus an als den, der sich als göttliche Kraft und göttliche Macht an Jedem, der glaubt, bewährt. Christus offenbart am Kreuze insbesondere seine göttliche Kraft und seine göttliche Weisheit. Hat das nicht von jeher die ganze Christenheit gefühlt, und daher alle Gläubigen immer am tiefsten und innigsten angebetet das Lamm, das geopfert ward. Golgatha war der Sammelplatz aller zerstreuten Gotteskinder, und unter dem Kreuze haben sie erst gelernt verstehen die Verheißung des Herrn: wenn ich erhöht sein werde von der Erde, will ich Euch Alle zu mir ziehen. Welche göttliche Kraft, die mit durchbohrten Händen die alte Welt aus ihren Angeln hebt und eine neue Welt an deren Stelle ins Leben ruft; die still, schweigend, duldend, tragend das größte Gotteswerk vollbringt: die ewige Versöhnung des Menschen mit Gott! Welche Gotteskraft, die das erfüllt, auf das schon seit Jahrtausenden die Völker in ihrem Schmerze und ihrer Sehnsucht gewartet hatten. Aber auch welche göttliche Weisheit, die das erkennt und versteht, was schon bei Grundlegung der Welt des Vaters Ratschluss war; die es durchschaut, dass dieser Tod, welcher die vollkommene Offenbarung von der Welt, Sünde und Schuld ist, zugleich die Sünde des Geschlechtes sühnt; dass das Kreuz auf Golgatha das Zeichen der Verdammnis, aber auch das Zeichen der Erlösung ist! Aber der Apostel Paulus meint nicht sowohl: Christus offenbare als der Gekreuzigte seine göttliche Kraft und seine göttliche Weisheit, sondern die Berufenen, die Gläubigen erfahren den Gekreuzigten als göttliche Kraft und göttliche Weisheit. Und ist es nicht so? Mit welcher Kraft erobert sich der sterbende Heiland die Herzen! Mit welcher unwiderstehlichen Macht zieht er an sich diejenigen, die vorher ihr Haupt schüttelten vor dem, zu dem sie hinauf riefen: bist du Gottes Sohn, so hilf dir und uns! oder die vorher in stolzem Unglauben behaupteten: nur das dumme Volk glaubt noch solche Lehre! Die am Kreuze leidende Liebe, die bittend auch um unsere Herzen wirbt, die im Weh' und Schmerz über unsere Sünde sich verhüllende Majestät des Heiligen, dieser vollkommene Gehorsam bis zum Tode am Kreuze - mit welcher Macht dringt sie in die Herzen, erweckt zur Buße, deckt das innere Verderben auf, belebt zum Dank und zur Gegenliebe. Die evangelische Predigt von dem Gekreuzigten schenkt den Herzen die Gewissheit der Begnadigung und der Rechtfertigung, und damit den göttlichen Frieden der Versöhnung, den nur Christus den Seinigen zu geben im Stande ist.
So empfängt das Herz, was ihm kein Opfer, kein Selbstwerk, keine Kunst und keine Macht der Welt zu geben vermag: Entlastung von der Schuld und Strafe, Gnade Gottes und Friede und Freude im Heiligen Geiste; die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, und damit die Kindschaft bei dem Vater. Das Alte ist vergangen, siehe es ist Alles neu geworden! Das Herz ist entlastet und die Seele gereinigt; der alte Mensch ist ertötet, und ein neuer Mensch erwacht; das Leben erscheint in einer ganz andern Gestalt, und eine selige Hoffnung eröffnet uns eine himmlische Vollendung. Christus hat durch seinen Tod dem Tode seine Macht genommen und Leben und selige Unsterblichkeit an das Licht gebracht. Das ist die Kraft des Kreuzes Christi! - Und seine göttliche Weisheit! Welch' eine Tiefe des Reichtums, beides der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unbegreiflich sind seine Gerichte, wie unerforschlich seine Wege! Denn wer hat des Herrn Sinn erkannt!? Was in keines Menschenherz gekommen ist, was kein Verstand der Verständigen je gedacht hat, das ist auf Golgatha geschehen! Aber welche Gottesweisheit, die mit Einem Opfer vollendet hat Alle, die der Versöhnung bedürfen und sich dieselbe gläubig aneignen; die des eigenen Sohnes nicht verschont, sondern ihn für uns arme Sünder dahin gibt in den Tod, und so in dieser Dahingabe auf die vollkommenste Weise vereinigt die Gerechtigkeit und die Liebe. Welche göttliche Lösung des Widerspruches zwischen dem Gesetze und der Verheißung, zwischen der Heiligkeit Gottes und der Duldung der Sünde, zwischen dem Vollzuge der Gerechtigkeit und der Gnade! Welche Weisheit, die schon der kindliche einfältige Glaube zu erfassen vermag und sich aneignet als den einzigen Trost im Leben und im Sterben, und die der tiefe Denker immer mehr bewundert, je tiefer er in dieselbe sich versenkt; welche Weisheit, die das Rätsel der Weltgeschichte löst und auf eine herrliche göttliche Vollendung der Menschheit hinweist! So ist der gekreuzigte Christus der Schlussstein der alten Welt, das Ende des Gesetzes und seines Fluches, und zugleich der Anfang einer neuen Welt und einer neuen Gemeinschaft der Menschen mit Gott. Golgatha ist der Mittelpunkt der Geschichte, auf den das Gesetz und die Propheten hinweisen, und der wiederum hinweist auf die Durchführung dessen, was hier geschehen ist.
Wer begreift nun nicht den Apostel, wenn er ausruft: dass er hinfort von nichts mehr wisse als von dem Gekreuzigten! Wer versteht nun nicht so manche der Berufenen, die in der Freude ihres Herzens über das Heil, das ihnen auf Golgatha zu Teil geworden ist, von nichts Anderem mehr sprechen und zeugen, und immer zurückkehren zu den Wunden, in denen sie Heil gefunden; zu dem Kreuze, das auch ihnen zum Rettungsbalken geworden ist. Möchten doch wir Alle zu diesen Berufenen gehören, die den gekreuzigten Christus als göttliche Kraft und göttliche Weisheit erfahren! Müssen wir jetzt noch auch in dieser Beziehung gestehen: nicht dass ich es schon ganz ergriffen habe, oder schon vollkommen sei! wenn nur Er uns ergriffen hat und wir ihn nicht mehr lassen; wenn wir nur vergessen, was hinter uns ist - unsere Sünden, die nun getilgt sind, und unsere Tugenden, deren wir uns jetzt nicht mehr rühmen; wenn wir nur uns strecken nach dem himmlischen Kleinode, der Gnade Gottes in Christo ganz gewiss zu werden, in derselben zu leben und von derselben zu leben: dann werden auch wir immer mehr den gekreuzigten Christus als göttliche Kraft und göttliche Weisheit erfahren und erkennen; erfahren und erkennen: dass uns Christus von Gott geschenkt ist zur Weisheit und zur Gerechtigkeit, zur Heiligung und zur Erlösung! Amen.