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Gerok. Karl von - In Jesu Namen.

Gerok. Karl von - In Jesu Namen.

Predigt am Neujahrstage über Luk. 2, 21

von Dr. th. Karl von Gerok, weil. Oberhofprediger in Stuttgart.

Text: Luk. 2, 21:

Und da acht Tage um waren, dass das Kind beschnitten würde, da ward sein Name genannt Jesus, welcher genannt war von dem Engel, ehe denn er im Mutterleibe empfangen ward.

Gnade sei mit uns und Friede von dem, der da ist, und der da war, und der da kommt. Amen.

Es ist eine der köstlichsten und tröstlichsten Verheißungen, die der ewig treue Gott seinem Volke zusagt durch den Mund des Propheten Jesaias (54, 10): „Es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der Herr, dein Erbarmer.“ Und sie ist wahr geblieben im Volke Gottes, diese Verheißung, bis auf den heutigen Tag. Berge sind gewichen und Hügel sind hingefallen; was fest stand wie Felsen, ist zusammengestürzt; was hoch stand wie Berge, ist in den Staub gesunken; die Gestalt der Welt hat sich verwandelt im Laufe der Zeiten; aber die Gnade Gottes ist noch nicht gewichen von seinem Volke, der Bund seines Friedens ist noch nicht hingefallen für die, so ihm vertrauen. Und ob auch das Meer oft wütete und wallte, dass von seinem Ungestüm die Berge einfielen, ob auch das Schifflein seiner Kirche oft sturmgejagt auf den Wogen schwebte, immer wieder hat es festen Ankergrund gefunden, und wie Noah auf dem Berge Ararat sein Dankopfer brachte nach der Sündflut, so haben die Gläubigen lobsingen dürfen nach dem Sturm: Gott ist getreu! - und wie der Regenbogen aus den Wolken, so ist der Friedensbund Gottes wieder hoch und hell hervorgetreten aus den Wetterwolken der Zeit.

Es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der Herr, dein Erbarmer. wie gnädig hat der treue Gott das auch an uns wieder erfüllt im verflossenen Jahr, diesem ernsten und schweren, denkwürdigen und unvergesslichen Jahr [1866]. Berge sind gewichen und Hügel hingefallen; vieles, was bergehoch und felsenfest zu stehen schien beim Beginn dieses Jahres es ist tief in den Staub gesunken, aber seine Gnade ist nicht von uns gewichen. Menschliche Bündnisse, worauf wir unsere Hoffnung setzten, haben sich machtlos erwiesen und sind zusammengebrochen wie ein wurmstichiger Stab, aber der Bund seines Friedens ist nicht hingefallen, und nach allen Stürmen, nach allen Gerichten, nach allen Heimsuchungen, nach allen Demütigungen, nach allen Opfern und Verlusten dieses Jahres dürfen wir's dankbar rühmen: Gott ist getreu!

Es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der Herr, dein Erbarmer. Das soll denn auch unser Trost und unsere Zuversicht bleiben beim Eintritt ins neue Jahr. Was dieses neue Jahr uns für neue Erschütterungen bringen, was in diesem Jahr noch weiter weichen und hinfallen soll, nachdem einmal ein Riß ins Alte gemacht ist, das wissen wir nicht; schon lang nicht mehr ist unsrem Land und Volk ein neues Jahr unter so dunklen Aussichten angebrochen wie heute; aber eines wissen wir, das nicht hinfallen wird: das ist der Friedensbund Gottes. Eines kennen wir, das nicht von uns weichen wird: das ist die Gnade dessen, von dem es heißt: Mich decket seiner Allmacht Flügel, stürzt ein, ihr Berge, fallt, ihr Hügel: Gott ist getreu!

Lasst uns in solcher Zuversicht ihm zur Ehre, uns zum Troste jetzt anstimmen das Lied:

Gott ist getreu; sein Herz, sein Vaterherz
Verlässt die Seinen nie;
Gott ist getreu, im Wohlsein und im Schmerz
Erfreut und trägt er sie;
Mich decket seiner Allmacht Flügel,
Stürzt ein, ihr Berge, fallt, ihr Hügel,
Gott ist getreu! 1)

Gebet. Text: Luk. 2, 21.

Ein kurzer Text und doch reich an Gehalt! Denn ein Name kommt uns daraus entgegen, der über alle Namen ist, ein Name, außer welchem keiner den Menschen gegeben ist, darinnen sie sollen selig werden; ein Name, in welchem aber auch ein bleibender Trost, ein ewiges Heil beschlossen liegt unter allen Wechseln der Zeit, ein Name, welcher das leuchtende Siegel ist auf den Friedensbund zwischen Gott und seinem Volk, ein Name, in welchem uns die köstliche Verheißung verbürgt bleibt für ewige Zeiten: Es sollen wohl Berge weichen usw.: der Name Jesu!

Im Namen Jesu lasst uns unseren Friedensbund mit Gott heut' erneuern, indem wir bei diesem Namen

1. der Bundesverheißungen Gottes,
2. der Bundespflichten seines Volkes

uns aufs neue erinnern.

Jesu, geh voran
Auf der Lebensbahn,
Und wir wollen nicht verweilen
Dir getreulich nachzueilen,
Führ uns an der Hand
Bis ins Vaterland! 2)

Amen.

In Jesu Namen lasst uns heut' unseren Friedensbund mit Gott erneuern, indem wir dabei

1.

der Bundesverheißungen Gottes uns aufs neue erinnern, nämlich dass wir einen treuen Bundesgott und dass wir einen gnadenreichen Erlöser haben.

„Und da acht Tage - empfangen ward.“ Wie kurz und schlicht lautet diese Erzählung. Und doch welche Fülle von Gottestaten ist darin beschlossen; welche leuchtende Reihe göttlicher Verheißungen fand ihre Erfüllung, welche denkwürdige Kette göttlicher Führungen fand ihren Abschluss, als der Sohn Marias durch die Beschneidung dem Volke Israel einverleibt wurde und den Namen erhielt, der ihm von Engelsmund beigelegt ward schon vor seiner Geburt: den Namen Jesus, das ist: „Heil vom Herrn.“

Was der Engel verkündigt hatte, als er sprach: Du sollst seinen Namen Jesus heißen, denn er wird sein Volk selig machen von ihren Sünden; was Jesaias geweissagt hatte: Uns ist ein Kind geboren und ein Sohn ist uns gegeben und er heißet: Wunderbar, Rat, Kraft, Held, Ewig-Vater, Friedefürst! was der Herr selber dem Abraham verheißen hatte: In dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter der Erde; ja, was im Paradiese schon die ewige Liebe dem gefallenen Menschengeschlechte tröstend zugesagt hatte von dem dereinstigen Erlöser, welcher der Schlange den Kopf zertreten sollte das alles fand nun seine herrliche Bestätigung, seine selige Erfüllung, seinen zusammenfassenden Ausdruck zu der Stunde, da das Kindlein zu Bethlehem durch die Beschneidung dem alten Bundesvolke zugezählt und durch seinen Jesusnamen für seinen Beruf bezeichnet wurde, Jehovas Heil, die Hilfe vom Herrn der Menschheit zu bringen.

Jahrhunderte und Jahrtausende waren vorübergegangen mit ihren Welterschütterungen und Weltumwälzungen, aber durch das verworrene Gewebe der Weltgeschichte zog sich unverwüstlich der goldene Faden des göttlichen Heilsratschlusses hindurch; die Welt hatte ihren Schöpfer vergessen, und das auserwählte Volk Gottes hatte seinen Bund gebrochen unzählige Mal, aber - meine Gnade soll nicht von dir weichen und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, sprach der Herr, sein Erbarmer; und unter seiner gnadenreichen Leitung kam die Stunde, da es hieß: Euch ist heute der Heiland geboren, und kam acht Tage darauf die Stunde, da im engen Freundes- und Familienkreis über dem neugeborenen Kindlein zuerst der Name ausgesprochen ward, bei dem nun Millionen im Himmel und auf Erden anbetend ihn nennen und den Vater preisen, der ihn gesandt hat, der holde, süße Jesusname.

Und nun dieser Name, wenn er heut beim Eintritt in ein neues Jahr uns freundlich entgegenklingt, darf er nicht auch uns mahnen an die Bundestreue des großen Gottes, die heute noch über seinen Menschenkindern waltet, an die Hilfe vom Herrn, deren die Seinen allezeit sich getrösten dürfen? Und was der große Gott mit dem Namen Jesu der ganzen Menschheit besiegelt hat, will er das nicht mit diesem holden Namen auch dir und mir und jedem einzelnen unter uns heut aufs neue zusichern: Es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der Herr, dein Erbarmer.

O, wie wohl tut solch eine Versicherung am ersten Morgen eines neuen Jahres! Wie trüb und umwölkt liegt da die Zukunft vor unseren Augen! Wie viel Sorgen legen sich da auf unser Herz, wie viel Fragen drängen sich uns auf die Lippen beim Blick in die Nähe und in die Ferne, aufs Große und aufs Kleine, auf den Weltlauf im Ganzen und auf unseren eigenen Lebensgang! Wie sorgenvoll müsste heute der Vaterlandsfreund auf die Wirren im Staatsleben, und der Freund des Reiches Gottes auf die Schäden in der Kirche, und der Landmann auf seine Felder und Weinberge, und der Hausvater auf sein Kinderhäuflein blicken bei der allgemeinen Ungewissheit irdischer Dinge und bei der jetzigen drohenden Weltlage, wenn wir nicht über den Wolken und Stürmen dieser Erde dürften emporblicken zu einem ewigen Gott, zu dem der Gläubige spricht: Gott, du bist unsere Zuflucht für und für, ehe denn die Berge worden und die Erde und die Welt geschaffen worden, bist du Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit; wenn wir nicht in der Geburt des Heilands eine Bürgschaft hätten: Gott ist getreu, sein Herz, sein Vaterherz verlässt die Seinen nie! und im Namen Jesu ein Pfand hätten: der Herr hilft, Gott ist mit uns; es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der Herr, dein Erbarmer.

Und was willst du zu ihm sprechen, lieber Erdenpilger? O, ergreife du im Namen Jesu heut aufs Neue die Vaterhand deines treuen Gottes; erneuere den Bund eines kindlichen Gottvertrauens mit ihm und sprich: Herr, ich bin zu gering aller Barmherzigkeit und aller Treue, die du an deinem Knechte getan hast bis heute; nimm mich und die Meinen auch im neuen Jahr aufs Neue in deine gnädige Obhut und Leitung. Was auch das neue Jahr uns bringen mag: wenn nur du bei uns bist mit deinem Schutz und Segen; was auch die Zukunft uns nehmen mag: wenn nur du uns bleibst mit deiner Gnade; was auch hinfallen mag im Lauf der Zeit: wenn nur der Bund deines Friedens nicht hinfällt, Herr, unser Erbarmer!

Willst du aber so der Treue deines Gottes, der Hilfe vom Herrn dich getrösten, dann musst du auch das andere dir zueignen, was der Name Jesu dir verheißt: den Segen seiner gnadenreichen Erlösung. Du sollst seinen Namen Jesus heißen, denn er wird sein Volk selig machen von ihren Sünden, so hatte der Engel vor der Geburt des Heilands schon den Jesusnamen gedeutet und das Heil vom Herrn durch ihn näher bezeichnet. Nicht ein kriegerischer Heerführer wie Josua, nicht ein irdischer König wie David ward mit diesem Namen dem Volke Gottes verheißen, oder ein Befreier vom weltlichen Joch wie Judas Makkabäus, wenn auch ein solcher Messias von Tausenden und Abertausenden im Volk ersehnt und erwartet ward; nein, er wird sein Volk selig machen von ihren Sünden; ein Erlöser vom geistlichen Elend, ein Bringer eines himmlischen Heiles, ein Stifter eines überirdischen Reichs hier auf dem Boden dieser Erde war dem Volk mit diesem Namen verheißen und mit diesem Kinde geschenkt. Nicht weltliche Größe, nicht irdische Freuden, aber was von Seelenfrieden, was von geistlichem Segen, was von himmlischen Gütern, was von ewigem Heil ein armes sündiges Menschenherz fassen und empfangen kann auf Erden, das sollte an diesen Jesusnamen sich knüpfen.

Und das knüpft sich heute noch daran, geht heute noch davon aus, wird heute noch in ihm aufs Neue verheißen.

Freilich, meine Lieben, das ist's nicht, was die Welt am Neujahrsmorgen zumeist sich wünscht. Wenn man die Neujahrswünsche hört, die man heute einander darbringt, oder wenn man in den Herzen lesen könnte, mit was für Wünschen Tausende hinausblicken ins neue Jahr: von einem geistlichen Heil wäre wohl selten etwas dabei zu lesen, den Namen Jesu würde man nicht oft dabei hören. Und wenn's auch nicht geradezu eitle, törichte, sündliche, unmögliche Wünsche sind, womit man sich und andere täuscht: ein Wandeln auf lauter Rosen in diesem irdischen Jammertal, ein großes Los aus dem Glückstopf dieser betrügerischen Welt, - wenn's bescheidenere, genügsamere Wünsche sind, mit denen du heut vor Gottes Gnadenthron trittst: sage, sind's nicht doch am Ende nur Wünsche um irdisches Glück? Der Landmann wünscht sich ein gutes Wein-, Frucht- und Obstjahr, womöglich noch besser, als das vorige; der Geschäftsmann wünscht sich ein gutes Geschäftsjahr, auch ergiebiger als das vergangene; der Beamte wünscht sich vielleicht eine längst ersehnte Beförderung oder Erleichterung; der Hausvater Wohlergehen und Gesundheit für sich und die Seinigen; der Kränkliche Genesung von seinen Leiden; der Betagte noch ein Jährchen erträglichen Wohlseins, und was diese Neujahrswünsche des natürlichen Menschen weiter sind. Ich schelte sie nicht, ich wünsche ähnliches, wenn es Gottes Wille ist, auch für mich und die Meinen; ich wünsche einem jeden unter euch in diesem neuen Jahr so wenig vom irdischen Leid und so viel von zeitlichem Glück, als Gottes Weisheit und Güte nur immer für jedes gut finden mag.

Aber, meine Lieben, ich wünsche euch und den Eurigen, ich wünsche mir und den Meinigen auch noch etwas Besseres fürs neue Jahr, als das alles; ich wünsche euch und mir auch einen neuen geistlichen Segen in himmlischen Gütern durch Christum, einen neuen Anteil an dem Heil, das beschlossen liegt im Namen Jesu, d. h. Heiland, Erlöser, Seligmacher seines Volks.

Ohne diesen Segen gehen wir ja doch friedlos durch unsere Erdenjahre hin. Wenn dir in diesem neuen Jahr alles zu teil würde, was von zeitlichen Gütern und irdischen Freuden dein Herz nur wünschen mag: ein Jahr des Heils wird dir dieses Jahr darum noch nicht, am Ende desselben stehst du doch wieder da wie heute, mit neuen Wünschen, mit neuen Sorgen, mit neuen Schmerzen, und das Lied behält recht: Was sind dieser Erde Güter? Eine Hand voller Sand, Kummer der Gemüter! Schau nur so manchen an, der das in Fülle hat, was du dir wünschest von irdischen Gütern, und ist doch nicht glücklich! Aber wer Jesum mitnimmt ins neue Jahr und das, was Jesus den Seinigen bringt: Erlösung von Sünden, Friede mit Gott, einen versöhnten Vater im Himmel, ein begnadigtes Herz und im begnadigten Herzen den Geist der Kindschaft, der da spricht: Abba, lieber Vater! und unter allen Wechseln des Lebens die Zuversicht: ich bin Gottes, Gott ist mein, niemand kann uns scheiden, und hinter allen Leiden dieser Zeit die selige Aussicht auf ein ewiges Leben, auf ein himmlisches Erbe, dem unsere irdische Wallfahrt mit jedem Pilgerjahr und jedem Lebenstage uns näher führt, wer das mitnimmt ins neue Jahr, der kann im Frieden durch dieses Jahr und seine Mühen und Arbeiten gehen; was dieses Jahr ihm bringen oder nehmen mag: er ist getrost und spricht: Wer will mir den Himmel rauben, den mir schon Gottes Sohn beigelegt im Glauben? und unter allen Nöten und Sorgen der Zukunft darf er sich der Verheißung getrösten: Es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der Herr, dein Erbarmer.

Kannst du das, lieber Christ? Hast du das alte Jahr im Namen Jesu beschlossen mit dem Trost im Herzen: Meine Sünden sind mir vergeben? Hast du das neue Jahr im Namen Jesu begonnen mit der Bitte des Glaubens: Jesu, geh voran auf der Lebensbahn? Ach, ich fürchte, es sind viele hier, die ohne Jesum bisher durch ihre Pilgerjahre gegangen sind, die ohne Jesum auch das vergangene Jahr beschlossen, die auch das neue Jahr heute angetreten haben, vielleicht wohl mit dem Namen Jesu auf den Lippen, weil sie ja auch mitsangen: „Jesus soll die Losung sein, da ein neues Jahr erschienen;“ aber im tiefsten Herzensgrund doch ohne einen Gedanken an ihn, ohne eine Erfahrung von seiner Gnade, ohne ein Verlangen nach seinem Heil.

O, möchte dieser Jesusname heute wenigstens, da ohne Zweifel mehr als einem von uns sein letztes Erdenjahr angebrochen ist, möchte er uns wieder nahe treten mit all dem Heil und Segen, den er in sich schließt! Möchte uns dieser holde Name an der Pforte des neuen Jahres wieder erinnern an den, der sein Volk, der auch uns und jedes unter uns selig machen will von seinen Sünden! Wer bisher ohne Jesum, d. h. ohne seinen Heiland und Erlöser, ohne Vergebung seiner Sünden, ohne den Frieden Gottes im Herzen, ohne eine Hoffnung des ewigen Lebens durch seine Erdenjahre hingegangen ist, - o möchte er heute den ergreifen, möchte er im Laufe dieses Jahres den kennen lernen, der uns von Gott gemacht ist zur Weisheit und zur Gerechtigkeit und zur Heiligung und zur Erlösung, damit er im Rückblick auf dieses Jahr einst sagen könnte: Dieses Jahr ist mir ein Jahr des Heils geworden, da hab' ich meinen Heiland gefunden, da hab' ich angefangen wahrhaft zu leben. Und wer Jesum und sein Heil schon kennt, wer ihn durch Gottes Gnade auf seinem bisherigen Lebensweg erkannt hat als seinen Erlöser von Sünden, als seinen Lehrer in göttlichen Dingen, als seinen Führer auf dem Wege des Lebens, als seinen Tröster in Nöten, als seinen Helfer beim Tagewerk, als seinen Seligmacher schon hier auf Erden, o was kann man ihm heut Erfreulicheres verheißen am Jahresmorgen als das: Auch im neuen Jahre beut Jesu Name Seligkeit; auch in diesem Jahr beut er dir seine Hand zur Leitung, sein Blut zur Versöhnung, seinen Geist zur Erneuerung, sein Wort zur Erleuchtung, seinen Tisch zur Erquickung, sein Haus zur Freistatt, seinen Himmel zur Heimat an; was kann man einem Jünger und einer Jüngerin Jesu Besseres wünschen zum neuen Jahr, als dass sie durch die Leiden und Freuden, durch die Heimsuchungen und Segnungen dieses Jahres mit Jesu noch vertrauter, mit ihrem Heiland bekannter, in seinem Heil fester gegründet werden möchten.

Das, meine Lieben, sind die Verheißungen, welche der treue Gott im Namen Jesu zum neuen Jahr uns wieder erneuert, das ist der Friedensbund, den der himmlische Vater in Jesu Christo mit der Menschheit geschlossen hat, und den er heute wieder mit dem Namen Jesu uns allen bestätigt; wollen wir nicht dankbar in seine dargebotene Vaterhand die unsrige legen und mit Freunden sprechen:

Unsere Wege wollen wir
Nun in Jesu Namen gehen;
Geht uns dieser Leitstern für,
So wird alles wohl bestehen
Und durch seinen Gnadenschein
Alles voller Segen sein. 3)

Aber damit wir dieser Verheißungen unsers Gottes uns freuen können, müssen wir auch im Namen Jesu an

2.

die Bundespflichten seines Volkes uns aufs neue erinnern, nämlich die gründliche Reinigung unsers Herzens und das lebendige Bekenntnis des Namens Jesu.

Die Reinigung des Herzens von seinen angeborenen Sünden, die Erneuerung des Sinnes von der Befleckung der Natur, meine Lieben, sollte sinnbildlich angezeigt werden durch die Beschneidung im Alten Testament. Darum war diese Beschneidung das Bundeszeichen, wodurch das israelitische Kindlein aufgenommen wurde in den Gnadenbund Gottes, ausgesondert von der unreinen Heidenwelt, dem Herrn geheiligt mit Leib und Seele. Darum ward auch das Jesuskind dieser uralten Ordnung unterworfen, damit es, obwohl ohne Sünde, dem Gesetz Gottes sich untertan zeige und seinem Volke die Mahnung nahe lege: Reinigt eure Herzen, tut von euch eure Sünden, erneuert euren Sinn und heiligt euch mit Leib und Seele Gott, eurem Schöpfer und Erlöser!

Eine solche Reinigung des Herzens, eine solche Erneuerung des Sinnes - o meine Lieben, wie wird sie uns so nahe gelegt beim Anbruch eines neuen Jahres und zumal dieses neuen Jahres! Was könnten wir unserem ganzen Volk und was könnten wir jedem einzelnen unter uns Nötigeres anempfehlen zum neuen Jahr als solche Reinigung des Herzens, solche Erneuerung des Sinnes, solche geistliche Beschneidung!

Dass Gott der Herr ein Neues schaffen will in den äußeren Zuständen unsres deutschen Vaterlands, das sind wir nicht ohne Schmerzen inne geworden im verflossenen Jahr. Er hat das Schwert dazu gebraucht, es hat Blut dabei gekostet. Auch das zu unserer Demütigung gezogene Schwert sollte unter Gottes Zulassung dazu dienen, üppige Triebe, geile Schösslinge, faule und erstorbene Ranken abzuschneiden am Stamm unsres Volkslebens; auch das schuldlos geflossene Blut, dessen wir am Schlusse des Jahres schmerzlich noch einmal gedenken, kann unter Gottes Segen zum Heil der Zukunft geflossen sein.

Aber diese äußerliche Beschneidung, sie kann nichts helfen, diese politischen Veränderungen und Erneuerungen, sie bringen kein Heil, wenn nicht eine Reinigung des Herzens, eine Erneuerung des Sinnes dazu kommt bei Hohen und Niederen, im Norden und im Süden. Wenn bei den Siegern nur Stolz und Hoffart und schonungslose Härte gegen die Schwachen, wenn bei den Besiegten nur ohnmächtiger Trotz, blinde Erbitterung und ein Eigensinn, der nichts lernen will und nichts vergessen will, die Erbschaft wäre, die man aus dem alten Jahr hinübernimmt ins neue: dann fürwahr, würde weder das vergangene noch das neue Jahr unserem Volke Heil und Segen bringen, dann hätten wir von der Zukunft nichts zu erwarten, als neue Stürme, neue Gerichte, und hat uns das vorige Jahr Ruten gebracht, so könnte uns ein kommendes vielleicht mit Skorpionen züchtigen. Jenem verblendeten Volk der Juden ist sein Jesus, sein Erretter und Erlöser umsonst erschienen, weil es nicht bedenken wollte, was zu seinem Frieden diente. Auch dir, mein Volk, wird der seligmachende Name Jesu vergebens an der Pforte des neuen Jahres stehen, ja er wird nur zu einem Zeugnis wider dich, zu einem Gericht über dich werden, wenn du nicht Buße tust, deine Sünden erkennst und umkehrst von deinem Unglauben zur Gottesfurcht, von deiner Hoffart zur Demut vor Gott, von deiner Selbstsucht zur ungefärbten Bruderliebe, von deiner Üppigkeit zur Nüchternheit und Mäßigkeit, von deiner Sittenlosigkeit zur Zucht und Ehrbarkeit, von deinem Schein der Gottseligkeit zu einem ungeheuchelten, lebendigen Christentum!

Das, meine Lieben, wäre die Beschneidung des Herzens, die Erneuerung des Sinnes, die unsrem ganzen Volke nottäte zum neuen Jahr, damit es den Friedensbund mit Gott erneuere und seiner Gnade sich getröste. Jeder einzelnen Seele im Volk, jeder einzelnen Seele auch in dieser Versammlung ruft der heutige Neujahrstag zu: „So leget nun von euch ab nach dem vorigen Wandel den alten Menschen, der durch Lüste im Irrtum sich verdorben; erneuert euch aber im Geist eures Gemüts, und ziehet den neuen Menschen an, der nach Gott geschaffen ist in rechtschaffener Gerechtigkeit und Heiligkeit“ (Eph. 4, 22-24). Das wäre die rechte geistliche Beschneidung für uns alle, das hieße ein rechtes neues Jahr anfangen nicht nur im Kalender, sondern dadrinnen im Buch unseres Herzens und Lebens.

Und aus solcher gründlichen Reinigung unsres Herzens würde dann von selber hervorgehen auch ein lebendiges Bekenntnis unsres Herrn und seines heiligen Namens. M. L., wozu wird uns der hochgelobte Name Jesu vorgehalten beim Eintritt ins neue Jahr, und wozu wird er uns gepredigt Sonntag für Sonntag? Wozu haben ihn die Engel angesagt, wozu haben ihn die Apostel verkündigt, wozu erschallt er nach 1867 Jahren heute noch in allen Gotteshäusern? Ist's dazu nur, dass er verhalle in den Mauern unserer Kirchen, oder dass er begraben bleibe in den Blättern unserer Bibel? Nein, sondern dazu, dass ein dankbares Volk ihn nun auch bekenne mit Wort und Tat, dass nun der hochgelobte Name Jesu als unsres Erlösers von Sünden, als unsres Seligmachers auch gepriesen werde durch das lebendige Bekenntnis unsres Mundes und unsres Wandels, wie wir's von den Hirten gehört haben im Evangelium des vorigen Sonntags; dass wir nun als ein Volk des Eigentums durch die Tat und Wahrheit verkündigen die Tugenden dessen, der uns berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht; dass wir als ein Volk Jesu nun in seinem Namen, in seinem Sinn und Geist auch christlich leben, fröhlich wirken, geduldig leiden und selig sterben. Das wäre die schönste Frucht von der Verkündigung des Namens Jesu, das wären die besten Neujahrsvorsäge für uns alle. Dazu segne uns der Herr selber dieses neue Gnadenjahr mit all seinen Gnadentagen und Gnadenstunden, dass also im Namen Jesu sein Friedensbund unter uns neu werde und es in Wahrheit heiße: Ihr sollt mein Volk sein, und ich will euer Gott sein!

Ich bin dein, sprich du darauf dein Amen,
Treuster Jesu, du bist mein,
Drücke deinen süßen Jesusnamen
Brennend in mein Herz hinein,
Mit dir alles tun und alles lassen,
In dir leben und in dir erblassen,
Das sei bis zur letzten Stund
Unser Wandel, unser Bund! 4)

Amen.

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