Gerok, Karl - Die Apostelgeschichte in Bibelstunden – Vorwort
Die Bibelstunden über die Apostelgeschichte, welche ich seit einigen Jahren an Winterabenden in der Stiftskirche dahier halte, sind nicht nur mir selber zum Segen geworden, sondern haben auch in der Gemeinde Anklang gefunden. Manche Zuhörer, welche trotz dem Wechsel der Jahre und der vielfachen Unbill der Witterung diesen Betrachtungen treulich gefolgt sind, wünschten das im Gotteshaus Vernommene auch daheim sich zu vergegenwärtigen und etwa einem Hausgenossen, der nicht zur Kirche kam, mitzuteilen, oder das durch die Versäumnis einer Stunde ihnen Entgangene für sich nachzuholen, oder das während einer Reihe von Jahren mit manchen Unterbrechungen allmählig Empfangene nun gedrängter beisammen zu haben und in rascherer Folge hintereinanderweg lesen zu können. Auch von Amtsbrüdern kam je und je eine Anfrage nach Veröffentlichung des Gesprochenen.
Indem ich diesen Wünschen hiermit nachkomme, hätte ich freilich gern meine Vorträge noch einmal durchgearbeitet, um sie in mancher Beziehung vertiefen und bereichern und anderen gediegenen Auslegungen der Apostelgeschichte ebenbürtiger an die Seite stellen zu können. Mein geschäftsvolles Amt ließ mir dazu keine Zeit, und so muss ich im Wesentlichen geben, was und wie es für den unmittelbaren Gebrauch entstanden ist, in der Hoffnung auch so vielleicht doch einen nicht ganz unbrauchbaren Beitrag zur praktischen Schrifterklärung teils geistlichen Amtsbrüdern, teils Liebhabern des göttlichen Worts aus der Gemeinde zu bieten. Von Vorgängern habe ich die Arbeiten eines Starke, K. H. Rieger, Brandt, (Apostolisches Pastorale), Williger, Besser, Leonhardi und Spiegelhauer, Lechler (in Langes Bibelwerk) u. A. hin und wieder dankbar benützt, soweit ich sie einerseits mir, andrerseits meinem Zuhörerkreis anzueignen vermochte. Eben sowohl alle gelehrten Fragen wissenschaftlicher Forschung wie alle besonderen über die Grenzen einer einfachen praktisch erbaulichen Auslegung und Anwendung des Textes hinausliegenden Gedanken einzelner wenn auch noch so gläubiger und geistvoller Erklärer blieben bei Seite; auf das Bestreben, Neues und Überraschendes zu bringen, ist durchweg verzichtet.
Mit der hergebrachten Form von Bibelstunden wird man es vielleicht nicht im Einklang finden, dass ich jeden Abschnitt unter eine Überschrift gestellt und die Ausführung des Inhalts gegliedert habe, nach Art einer Predigtdisposition mit Thema und Teilen. Es ist eine Schwachheit, wenn man will, meines Denkvermögens, dass sich mir jeder Stoff der Betrachtung unwillkürlich um einen Mittelpunkt gruppiert und von da aus in seine Unterabteilungen sondert, und vollends bei geschichtlichen Darstellungen, wie sie die Apostelgeschichte vorzugsweise bietet, ergibt sich eine solche Gruppierung meist von selbst. Ich hoffe mit meiner Art und Weise wenigstens dem Texte keine Gewalt und der fortlaufenden Textauslegung von Vers zu Vers, wie sie der Bibelstunde zukommt, keinen Abbruch getan zu haben.
Zum dritten Mal durchschreite ich mit diesen Vorträgen die lieblichen und fruchtbaren Gefilde der Apostelgeschichte. Früher als Mitarbeiter an Langes Bibelwerk und homiletischer Handlanger meines Freunde Lechler in Leipzig war ich mehr der Garbenbinder, der in die Arbeit älterer Ausleger eintretend das von ihnen Hinterlassene sichtete und sammelte. Später habe ich lustwandelnd auf denselben Fluren poetische Blumen gebrochen und sie in meinen Pfingstrosen“ zum Strauße gebunden. Nun aber in diesen Bibelstunden führe ich die Früchte heim, die ich als Schnitter auf diesem reichen Ährenfeld selber schneiden durfte, um sie wie das früher Gesammelte dem Herrn der Ernte dankbar zu Füßen zu legen. Dass ich für Andere, die nach mir kommen, noch eine reiche Nachlese übrig gelassen, weiß ich wohl; möchte auch meine geringe Arbeit der Ehre Dessen dienen, von dem der Apostel bezeugt: „Es ist in keinem Andern Heil, ist auch kein andrer Name den Menschen gegeben, darinnen wir sollen selig werden.“
Stuttgart, im Februar 1868.
K. Gerok