Gerok, Karl - Die Apostelgeschichte in Bibelstunden – V. Die Pfingstpredigt.
Kap. 2, V. 14-36. „Da trat Petrus auf. mit den Hilfen, hub auf seine Stimme, und redete zu ihnen: Ihr Juden, liebe Männer, und alle, die ihr zu Jerusalem wohnt, das sei euch kund getan, und lasst meine Worte zu euren Ohren eingehen. Denn diese sind nicht trunken, wie ihr wähnt; sintemal es ist die dritte Stunde am Tage. Sondern das ist es, das durch den Propheten Joel zuvor gesagt ist: Und es soll geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott, ich will ausgießen von meinem Geist auf alles Fleisch; und eure Söhne und eure Töchter sollen weissagen, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen, und eure Ältesten sollen Träume haben; und auf meine Knechte, und auf meine Mägde will ich in denselben Tagen von meinem Geist ausgießen, und sie sollen weissagen; und ich will Wunder tun oben im Himmel, und Zeichen unten auf Erden, Blut, und Feuer, und Rauchdampf; die Sonne soll sich verkehren in Finsternis, und der Mond in Blut, ehe denn der große und offenbarliche Tag des Herrn kommt; und soll geschehen, wer den Namen des Herrn anrufen wird, soll selig werden. Ihr Männer von Israel, hört diese Worte: Jesum von Nazareth, den Mann von Gott, unter euch mit Taten und Wundern und Zeichen bewiesen, welche Gott durch ihn tat unter euch (wie denn auch ihr selbst wisst); denselbigen (nachdem er aus bedachtem Rat und Vorsehung Gottes ergeben war) habt ihr genommen durch die Hände der Ungerechten, und ihn angeheftet und erwürgt. Den hat Gott auferweckt, und aufgelöst die Schmerzen des Todes, nachdem es unmöglich war, dass er sollte von ihm gehalten werden. Denn David spricht von ihm: Ich habe den Herrn allezeit vorgesetzt vor mein Angesicht; denn er ist an meiner Rechten, auf dass ich nicht bewegt werde. Darum ist mein Herz fröhlich, und meine Zunge freut sich; denn auch mein Fleisch wird ruhen in der Hoffnung; denn du wirst meine Seele nicht in der Hölle lassen, auch nicht zugeben, dass dein Heiliger die Verwesung sehe. Du hast mir kund getan die Wege des Lebens, du wirst mich erfüllen mit Freuden vor deinem Angesichte. Ihr Männer, liebe Brüder, lasst mich frei reden zu euch von dem Erzvater David: Er ist gestorben und begraben, und sein Grab ist bei uns bis auf diesen Tag. Als er nun ein Prophet war, und wusste, dass ihm Gott verheißen hatte mir einem Eide, dass die Frucht seiner Lenden sollte auf seinem Stuhl sitzen; hat ers zuvor gesehen, und geredet von der Auferstehung Christi, dass seine Seele nicht in der Hölle gelassen ist, und sein Fleisch die Verwesung nicht gesehen hat. Diesen Jesum hat Gott auferweckt, des sind wir alle Zeugen. Nun er durch die Rechte Gottes, erhöht ist, und empfangen hat die Verheißung des Heiligen Geistes vom Vater; hat er ausgegossen dies, das ihr seht und hört. Denn David ist nicht gen Himmel gefahren. Er spricht aber: Der Herr hat gesagt zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten, bis dass ich deine Feinde lege zum Schemel deiner Füße. So wisse nun das ganze Haus Israel gewiss, dass Gott diesen Jesum, den ihr gekreuzigt habt, zu einem Herrn und Christ gemacht hat.“
Das vorige Mal war es das Pfingstwunder, das vor unsern Augen vorging; heute ist es die Pfingstpredigt, die in unsre Ohren schallt. „Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über“, sagt der Herr; und „Sorgt nicht, wie oder was ihr reden sollt“, verheißt er den Seinen (Matth. 10, 19); „denn es soll euch zu der Stunde gegeben werden, was ihr reden sollt, denn ihr seid es nicht, die da reden, sondern eures Vaters Geist ist es, der durch euch redet.“ Das ging nun zum ersten Mal in Erfüllung am Pfingstfest, und die erste Frucht dieser Verheißung, das erste Zeugnis dieses Heiligen Geistes ist die soeben verlesene herrliche, gewaltige Pfingstpredigt; diese erste christliche Festpredigt, eingeläutet und eingeorgelt durch Sturm und Windesbrausen; unstudiert aus dem Herzen gehalten von dem hohen Apostel Petrus; angehört und vernommen von einer großen und bewegten Versammlung aus allen damals bekannten Weltteilen; einschlagend in die Herzen wie ein himmlisches Gewitter mit leuchtenden Blitzen, rollenden Donnern, fruchtbaren Regengüssen und einem lieblichen Regenbogen zum Schluss. Möchte sie auch an uns nach so langer Zeit im schwachen Widerhall wenigstens noch nachwirken mit ihren Gerichtsdonnern und Geistesblitzen, mit ihrem Gnadenregen und ihrem Friedensbogen, diese Pfingstpredigt, die wir nun andächtig beherzigen wollen, und zwar ohne diesmal eine Einteilung der Gedanken vorauszuschicken, damit es nicht scheine, als wollten wir dem Apostel sein Predigtkonzept eigenmächtig verrücken oder den freien Erguss des Heiligen Geistes in die Regeln heutiger Predigtweise künstlich einzwängen. Eine schöne Ordnung der Rede, ein lebendiger Fortschritt der Gedanken wird uns im Vortrag des Apostels einleuchten, wenn wir ihm auch nur einfach Satz für Satz folgen.
Zuerst seht den Prediger an.
V. 14. Da trat Petrus auf mit den Elf, hob auf seine Stimme und redete zu ihnen: Ihr Juden, liebe Männer, und alle, die ihr zu Jerusalem wohnt, das sei euch kund getan, und lasst meine Worte zu euren Ohren eingehen.“ Petrus wieder ist der Mund der Apostel. Wie wir ihn im ersten Kapitel auftreten sahen im brüderlichen Kreise der Gemeinde selber bei der Wahl des Matthias, so tritt er auch nun auf im Namen der Gemeinde vor allem Volk, und stellt sich kühn mit der Kreuzesfahne an die Spitze des kleinen Häufleins gegenüber der feindseligen Welt; derselbe Petrus, der vor ein paar Knechten und Mägden furchtsam seinen Herrn verleugnet hatte. „Siehe da,“ sagt ein alter Ausleger, „einen herrlichen Beweis der wunderbaren Kraft des Heiligen Geistes. Sie macht aus Flüchtlingen standhafte Männer, aus Verleugnern herzhafte Bekenner, aus Furchtsamen solche Helden, die viel Tausenden mit dem Schwerte des Geistes entgegentreten, aus ungelehrten Fischern hochgelehrte Redner und Reformatoren der ganzen Welt.“
Sie macht aus Lämmern Löwen. Und zugleich aus Löwen Lämmer. Der Pfingstgeist, der Geist des Neuen Testaments offenbart sich gleich in den ersten Worten Petri als ein Geist der Sanftmut, der Liebe, des milden Erbarmens. „Ihr Juden, liebe Männer“, so redet Petrus seine Zuhörer an, und die namentlich, welche noch eben gespottet hatten: Sie sind voll süßen Weines. Nicht mit einer gewaltigen Strafpredigt will er die Gotteslästerer niederschmettern, nein, das Eine will er als ein rechter Evangelist: sie erretten aus ihrer traurigen Verblendung und gewinnen für die ewige Wahrheit. Derselbe Petrus, der noch kürzlich in fleischlichem Eifer das Schwert für seinen Herrn gezogen, ist jetzt voll evangelischer Milde und Liebe auch gegen Lästerer und Feinde. Denn es redet aus ihm nicht mehr Fleisch und Blut, sondern jedes Wort seiner Rede vom Eingang bis zum Schluss ist gesalbt mit dem Geiste Dessen, der sanftmütig war und von Herzen demütig.
In solchem Geist redet er seine Zuhörer an und in solchem Sinn führt er nun auch den ersten Teil seiner Rede durch: die Verteidigung.
V. 15. „Denn diese sind nicht trunken, wie ihr wähnt; sintemal es ist die dritte Stunde am Tage.“ Kurz und gut; nur ein paar Worte; aber eine wirklich meisterhafte Verteidigung. Petrus rechtfertigt sich und seine Mitapostel. Er schweigt nicht ganz zu der niederträchtigen Verleumdung. Denn nicht nur seine Person war geschmäht, sondern auch die seiner Brüder. Nicht um eine persönliche Beleidigung handelte es sich, sondern um eine Lästerung der Gemeinde, der Sache Gottes, des Heiligen Geistes. Wo Gottes Geist und Gottes Wort geschmäht wird, wo christlicher Glaube und christliche Sitte verhöhnt wird, wo die christliche Kirche mit ihren ehrwürdigen Ordnungen und Einrichtungen verspottet wird, da darf auch der sanftmütigste Christ sich wehren für das, was ihm heilig ist. Da sollen insonderheit die Vertreter der Gemeinde ein Zeugnis ablegen fürs Heiligtum. Das lernen wir hier von Petrus. Aber wir lernen auch, wie so etwas geschehen soll. Wie musterhaft ist diese Schutzrede des Apostels! Musterhaft in ihrer Kürze: mit ein paar Worten fertigt er die Gegner ab, während durch mehr als zwanzig Verse sein Zeugnis von Christo sich hindurchzieht. - Mehr verdienen die Gegner nicht. Mehr nimmt Petrus auch nicht in Anspruch für sich und seine Mitapostel. Viel wichtiger ist ihm sein Heiland, für den er zeugen muss. -
Meisterhaft ist diese Verteidigung ferner in ihrer Ruhe. Petrus ereifert sich nicht, kommt nicht ins Schelten und Verdammen hinein, stellt nicht das Boshafte ins Licht an der Anklage der Feinde, sondern nur das Törichte und Ungereimte. Aber eben darum ist seine Verteidigung musterhaft auch in ihrer schlagenden Schärfe: „Diese sind nicht trunken, wie ihr wähnt, sintemal es ist die dritte Stunde am Tage,“ Morgens neune nach unsrer Uhr; eine Frühstunde, in der selbst ein unordentlicher Mensch noch am ehesten nüchtern ist, geschweige denn dass hundert und zwanzig ehrbare, fromme, stille Leute mit einander sollten trunken erfunden werden; die erste Gebetsstunde ferner, vor welcher ein rechter Israelit weder Speise noch Trank zu nehmen pflegt, geschweige dass er trunken komme vors Angesicht des Herrn. Damit hat Petrus für jeden, der noch Wahrheit annehmen mag, das Unsinnige des Vorwurfes erwiesen und sich und die Seinen oder vielmehr den Heiligen Geist verteidigt gegen den Vorwurf der Trunkenheit. „Nicht wie ihr wähnt sind diese trunken“, heißt's nach dem griechischen Grundtext; darin kann man noch den tieferen Sinn finden: trunken sind wir allerdings, aber nicht, wie ihr wähnt, vom Saft irdischer Reben, sondern von den reichen Gütern des Hauses Gottes, von dem süßen Freudenwein der beginnenden Hochzeit des Lammes. Denn für die Jünger war die Ausgießung des Heiligen Geistes wirklich ein süßer, göttlicher Wein, den ihnen der Herr eingeschenkt hatte, dass sie ihn mit ihm trinken sollten in seinem Reich. Was das für ein Wein sei, von dem sie trunken seien, das sucht Petrus nun seinen Zuhörern deutlich zu machen, indem er nachweist: Das was ihr hier seht und hört, ist nichts andres als der Heilige Geist, durch die Propheten einst verheißen, durch Christum, den von euch Gekreuzigten, von Gott Erhöhten, nun ausgegossen. Und so geht er denn von der Verteidigung zum Angriff über, nicht zu einem feindlichen und gehässigen, wohl aber zu einem ebenso ernsten und feurigen, als liebreichen und wohlgemeinten Angriff auf ihre Herzen, dass sie selbst diesem von ihnen verspottetem Geiste sich öffnen, selbst diesem von ihnen verworfenen Christus sich unterwerfen möchten.
Also das was ihr hier hört und seht, ist nichts andres als der von Gott euren Vätern schon durch die Propheten verheißene Heilige Geist. Diesen Gedanken führt unser Pfingstprediger aus
V. 16-21, indem er hinweist auf die Verheißung bei Joel (Kap. 3, V. 1-4). In der Zeit des alten Bundes waren es nur einzelne Strahlen des Heiligen Geistes, die da und dort in eine besonders auserwählte Seele fielen, nur einzelne Tropfen der himmlischen Salbung, die je und je auf ein von Gott erkorenes Haupt sich herniedersenkten. Wohl kam der Geist Gottes auf einen Richter und Helden wie Gideon, auf einen König wie David, auf einen Propheten wie Moses, Elias, Jesajas. Aber die reiche Ausgießung des Heiligen Geistes über alles Fleisch, über eine große Gemeinde aus allen Völkern, aus allen Geschlechtern, aus allen Ständen, aus allen Lebensaltern, die blieb erst der Zukunft vorbehalten, die war erst für die letzten Zeiten, für die Zeiten des Messiasreichs verheißen. Söhne und Töchter sollen da weissagen, Jünglinge und Älteste sollen da Gesichte sehen, Knechte und Mägde sollen den Geist empfangen, d. h. Alle, ohne Ansehen der Person, die nur ihr Herz ihm öffnen wollen. Und in Wahrheit, meine Lieben, das ist die liebliche Art des Pfingstgeistes, das ist das große Vorrecht der neutestamentlichen Gemeinde, dass nicht nur wenig Auserkorene sich seiner rühmen dürfen, sondern jede gläubige Seele seine Gaben empfangen, seines Segens teilhaftig werden kann. Das zarte Herz der Frau so gut als die starke Seele des Mannes will er mit seinem himmlischen Licht erleuchten, mit seinem göttlichen Feuer erwärmen. Ein frommes Kindlein schon so gut wie ein altersmüder, silberhaariger Greis noch kann die leisen Gnadenzüge des himmlischen Lehrers und Trösters vernehmen. Ein redlicher Knecht und eine getreue Magd so gut als ein hochgestellter Herr und eine hochgebildete Frau können den Heiligen Geist empfahen und bei ihrem Tagewerk durch ihn erleuchtet, gestärkt und beseligt werden. Seht, will Petrus zu seinem Volke sagen, diese schöne und selige Zeit ist nun angebrochen, wo alles Fleisch teilhaftig werden soll des Heiligen Geistes.
Freilich nicht nur eine Zeit des Segens ist sie für das Volk des Herrn, sondern auch eine Zeit des Gerichts. Wunder am Himmel und Zeichen auf Erden, Blut, Feuer und Rauchdampf werden vorangehen dem großen und offenbarlichen Tag des Herrn. Damit deutet Petrus zunächst wohl hin auf die Gerichte, die dem Volk der Juden, die der Stadt Gottes drohten, weil sie den Messias verwarfen und den Heiligen Geist verschmähten. Bei der Belagerung und Eroberung Jerusalems, bei der Verbrennung und Zerstörung des Tempels, bei der Vertreibung und Zerstreuung des Volkes - da fehlte es fürwahr nicht an Zeichen auf Erden. Da gab's Blut, Feuer und Rauchdampf genug. Da verkehrte sich die Sonne in Finsternis und der Mond in Blut. Das war ein grausiges Vorspiel des letzten Weltgerichts, des großen und offenbarlichen Tages des Herrn. Aber auch auf das letzte Endgericht zugleich deutet Joel und deutet Petrus hier hin. Dem begeisterten, prophetischen Blick verknüpft sich das Ferne mit dem Nahen und erscheint die späteste Zukunft schon wie Gegenwart; die ganze messianische oder neutestamentliche Zeit von der Erscheinung Christi im Fleisch bis zu seiner Wiederkunft zum Gericht erscheint unsrem Apostel gegenüber der vorangegangenen viertausendjährigen Wartezeit wie Ein Tag des Herrn, ein Tag der Gnade und des Segens für Alle, die das Heil annehmen, ein Tag des Fluchs und Gerichts für Alle, die das Heil verwerfen. Also dieser große Tag, sagt Petrus, von Joel schon verheißen, der ist heute für euch angebrochen. Was ihr seht und hört, ist nichts andres, als der von Gott durch den Propheten schon verheißene Heilige Geist. Wer also ein rechter Israelit ist, wer an die Propheten glaubt, der muss hierin die Hand Gottes erkennen.
Aber nun geht Petrus einen großen Schritt weiter in seiner Predigt, nun beginnt er erst den Hauptsturm auf Herz und Gewissen seiner Zuhörer, indem er den zweiten Hauptgedanken ins Feld führt: Durch Jesum Christum, den von euch Gekreuzigten, von Gott aber Auferweckten und Erhöhten, ist jene uralte Weissagung erfüllt, ist der verheißene Geist ausgegossen, ist dieses gegenwärtige Wunder geschehen. V. 22-36. Merkt ganz besonders: V. 22, 23, 24-32, 33, 36. Da haben wir den Kern und Stern der ganzen apostolischen Predigt, wie sie Petrus und Paulus, wie sie alle Apostel zusammen verkündigt haben von Jerusalem bis Rom, vor Fürsten und Völkern, und wie sie heute noch erschallt und erschallen soll bis an der Welt Ende. Vier Grundwahrheiten sind's in dieser Predigt von Christo, vier gewaltige Hammerschläge gleichsam, die Petrus auf die Herzen und Gewissen seiner Zuhörer führt.
Zum ersten stellt er ihnen Christum vor als den Gekreuzigten, als den von ihnen trotz seiner Taten und Wunder undankbar, ungerecht und gewissenlos Getöteten. V. 22, 23: „Ihr Männer von Israel, hört diese Worte: Jesum von Nazareth, den Mann von Gott, unter euch mit Taten und Wundern und Zeichen bewiesen, welche Gott durch ihn tat unter euch (wie denn auch ihr selbst wisset); denselbigen (nachdem er aus bedachtem Rat und Vorsehung Gottes ergeben war) habt ihr genommen durch die Hände der Ungerechten, und ihn angeheftet und erwürgt.“ Wie ruhig, wie ernst, wie feierlich und majestätisch sagt das Petrus seinem Volk ins Gesicht, wie furchtlos und unerschrocken führt er ihnen ihre schwere Blutschuld zu Gemüt und schlägt ihnen allen gleichsam einen Nagel ins Herz mit den Worten: „Ihr habt ihn angeheftet und erwürgt.“ - So musste die Predigt von Christo beginnen mit einer Mahnung an sein Kreuz und an die Schuld seines Volkes, und so muss sie noch immer beginnen damit, dass man der Welt Christum vorstellt als den Gekreuzigten und eben damit das Gefühl der Verschuldung in ihr erweckt, damit es im sündigen Menschenherzen zu dem Bekenntnis komme: Mein Heil, was du erduldet, war alles meine Last! -
Darauf folgt der zweite Grundgedanke: „Diesen Jesum hat Gott auferweckt, des sind wir alle Zeugen.“ V. 32. Als den Auferstandenen führt Petrus Christum seinem Volke vor, von dessen Auferstehung schon David im Psalme gesungen hat. Zeugen der Auferstehung Christi nennen die Apostel sich am liebsten, denn die Auferstehung des Herrn das war ja das laute Zeugnis Gottes für seinen lieben Sohn, das war das feste Siegel seiner Beglaubigung in den Herzen der Seinen, das war seine glänzende Ehrenrettung vor aller Welt. Christus ist erstanden, er lebt als der Lebensfürst und Todesüberwinder, - das ist heute noch der Kern unsres Glaubens, der Grundstein unsrer Hoffnung. Daran schließt sich der dritte Grundgedanke: V. 33. „Nun er durch die Rechte Gottes erhöht ist, hat er ausgegossen dies.“ Christus der Erhöhte ist den Seinen nahe durch die Gnadengabe des Heiligen Geistes. Wie er jenes ausgegossen hat, was dort am Pfingstfest herniederrauschte als ein befruchtendes Gewitter, so gießt er noch immer seinen himmlischen Segen hernieder auf die Gemeinde. Die Sonnenstrahlen seiner Liebe, die auf unsern Lebensweg fallen, die Regengüsse seines Wortes, welche die Erde befruchten, die Tautropfen seiner Gnade, die unser Herz erquicken, die Gewitterwinde seiner Gerichte, die unser Gewissen erschüttern, die Himmelslüfte seines Friedens, die uns in Trübsal umwehen, das Alles hat er ausgegossen und gießt es aus, das Alles sind Zeugnisse, dass er noch lebt, dass er auch droben noch auf dem Thron der Herrlichkeit der Seinen gedenkt, Erfüllungen der Verheißung: Siehe ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende. Und daraus geht unwiderleglich hervor der vierte Grundgedanke: „Jesus der Gekreuzigte, ein Herr und Christ, ein von Gott erkorener König, ein vom Herrn gesalbter Messias fürs ganze Volk, für alle Welt.“ V. 36: „So wisse nun das ganze Haus Israel gewiss, dass Gott diesen Jesum, den ihr gekreuzigt habt, zu einem Herrn und Christ gemacht hat.“ Ein kühnes Wort damals, einem ungläubigen Volk, einer feindseligen Welt entgegengeschleudert von einem unbekannten galiläischen Fischersmann. Und doch, meine Lieben, dieses kühne Wort wie wunderbar hat sich's bestätigt, wie sichtlich hat sich's erfüllt in bald zwei Tausend Jahren. Jetzt ist's keine Prophezeiung mehr, sondern eine weltgeschichtliche Tatsache. Diesen Jesum, den sie gekreuzigt haben, hat Gott zu einem Herrn und Christ gemacht für alle Welt. Sein Kreuzpanier weht in allen Weltteilen. Sein Evangelium wird gepredigt unter allen Völkern. Seine Religion ist die Weltreligion. In seinem Namen müssen sich beugen alle derer Kniee, die im Himmel und auf Erden und unter der Erden sind und alle Zungen bekennen, dass Christus der Herr sei zur Ehre Gottes des Vaters. „So wisse nun das ganze Haus Israel gewiss, dass Gott diesen Jesum, den Gekreuzigten, zu einem Herrn und Christ gemacht hat.“ O selige Gemeinde, die das weiß: wir haben einen Herrn und Christ, an dem wir hängen als an unserem Haupt, dem wir dienen als unserm König, auf den wir hoffen als auf unser Heil in Zeit und Ewigkeit. O selige Seele, die das weiß, die da sagen kann: ich weiß, an wen ich glaube, ich kenne meinen Herrn, dem ich mich beuge in Demut und Gehorsam, ich kenne meinen Christ, an den ich glaube, auf den ich hoffe, an den ich mich halte in Leid und Freud, im Leben und Sterben, in Zeit und Ewigkeit. Der treue Gott lasse es auch uns immer gründlicher wissen, immer herzhafter glauben, immer seliger erfahren, immer mutiger bekennen: Jesus ist mein Herr und Christ. Er besiegle und verkläre Jesum je mehr und mehr in unsren Herzen durch seinen Heiligen Geist, der von ihm zeugt heute noch wie am ersten Pfingstfest. Er lasse uns auch heute heimgehen mit der seligen Gewissheit im Herzen: Wir haben geglaubt und erkannt, dass du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes. Nun, Heiliger Geist, himmlischer Lehrer, lass auch an uns deine Pfingstpredigt gesegnet sein von Jesu Christo, dem Gekreuzigten, den Gott uns zu einem Herrn und Christ gemacht hat, damit sein Wort an uns erfüllt werde: (Joh. 16, 14) Derselbige wird mich verklären, denn von dem Meinen wird er's nehmen und euch verkündigen.
Ihn, den armen Nazarener,
Der gering auf Erden ging,
Ihn, den Mittler und Versöhner,
Der am Kreuz die Welt umfing,
Allen Herzen zu verklären,
Ihn, den großen Gott der Ehren,
Dessen Herz von Liebe flammt,
Groß zu machen, ist Dein Amt.1)
Amen.