Gassner, Thomas - Predigt zu Bern „Von den christlichen Werken.“
1) Es wären wohl andere Leute hier, als ich Unverständiger, die Euch predigen sollten, dieweil es aber Euren Dienern des Wortes also gefällt, so schäme ich mich auch nicht vor Euch, meinen Glauben zu bekennen, wie ich ihn in der Kirche zu Lindau verkündige. Ich habe mir vorgenommen, Eure Liebe zu ernstlichem Gebete zu ermahnen, dass Euch Gott seinen heiligen Geist verleihen, der in Euch das Wort, welches bei Euch jetzt ernstlich gemeldet wird, lebendig und tätig mache. Zuvor will ich schlicht und einfältig in Kurzem den Hauptinhalt des christlichen Glaubens angeben, auf dass Ihr seht, wie die Lehre aller derer, die mehr dem Worte Gottes und der Heiligen Schrift anhängen, als den Menschensatzungen, übereinstimmend sei.
Der allmächtige Gott und Schöpfer des Himmels und der Erde hat den Menschen zu seinem Lob und Preis in allen seinen Werken, mit besonderen Vorzügen, vor allen andern Geschöpfen begabet, damit er die Güte des Schöpfers verkündige und seinen Willen tue. Gar herrlich ward er von Gott erschaffen und reichlich begabt. Nachdem aber der Mensch, vom Teufel verführt, gesündigt hatte, kam er in so tiefes Elend, dass er des ewigen Todes schuldig wurde, ich schweige von der äußern Dürftigkeit, die er in Mühsal, Frost, Hunger und andern menschlichen Gebrechen, wie wir es täglich sehen, erleiden musste; denn dieses rührt Alles von der Sünde her. Das inwendige Elend ist viel größer, indem es in geistiger Blindheit, in Verzweiflung und Unkenntnis Gottes, in Schrecken vor dem Tode und dergleichen besteht. Der gütige und barmherzige Gott wollte nach seiner unaussprechlichen Güte und Barmherzigkeit den von ihm erschaffenen Menschen nicht in Dürftigkeit verderben lassen. So tat er bald ihm eine gnadenreiche Zusage kund, dass er dem verdorbenen Menschen wiederum helfen wolle, und so sprach er, indem er die Schlange. verfluchte: „Ich will Feindschaft setzen zwischen dir und dem Weibe, und zwischen deinem und ihrem Samen, und derselbe soll dir den Kopf zertreten.“ Und bald erneuerte er diese Verheißung dem Abraham: „Durch deinen Samen sollen alle Völker auf Erden gesegnet werden.“ Der Same ist aber Christus, spricht Paulus, denn auf ihn beziehen sich diese Verheißungen, und allen, die damals an diese Verheißungen geglaubt, ist geholfen worden und ihr Glaube hat sie erhalten. Solches sage ich aber, liebe Freunde, auf dass Ihr bedenket, woher wir stammen, und wie sich Gott ohne unser Verdienst, ja ohne unser Versehen aus lauter Gnade über uns erbarmt; denn was hatten wir ihm gegeben, dass er diese Verheißung verlieh? Und wie der Anfang, so ist das ganze Werk der Erlösung aus Gnade und nicht aus Verdienst zu Stande gekommen. So sagt auch der Apostel: „Wir werden ohne Verdienst gerechtfertigt, aus lauter Gnade, die durch Christum offenbart worden.“
Hierauf erwählte er sich aus allen Völkern der Erde ein besonderes Volk, das von gläubigen Vätern herstammte: nämlich das Haus Jakobs, die Israeliten, die ein Vorbild waren des zukünftigen Reiches Christi und der Gemeinde der Gläubigen. Das menschliche Elend aber mehrte sich, so dass der Mensch seine Krankheit und seinen Mangel, die Bosheit seines Herzens und den Widerwillen gegen Gott nicht erkannte, und nicht einsah, wie sündig er doch wäre und wie untüchtig zu allem Guten. Da gab Gott diesem auserwählten Volke ein Gesetz, dass er es darin erkennen lerne. Denn dass das Gesetz dazu verliehen sei, bekennt Paulus: „Ich erkannte die Sünde nicht, ohne das Gesetz: denn ich wusste nichts von den Gelüsten, wo das Gesetz nicht gesagt hätte: Lass dich nicht gelüsten.“ Ferner: „die Kraft der Sünde ist das Gesetz.“ So wollte uns Gott durstig und begierig machen nach der verheißenen Gnade. Aber auch diesen Rat Gottes erkannten nur wenige Menschen, und missbrauchten so Gottes Gesetz, fuhren fort und wollten das Gesetz durch auswendige Werke erfüllen, ohne auf des Herzens Widerwillen zu achten, und so wurden sie zu Heuchlern darob und setzten auf falsche Gerechtigkeit ihre Hoffnung und sahen nicht ein, dass das Gesetz ein williges Herz und einen geneigten Willen fordere. Sie wurden nun hart durch die Propheten getadelt, dass sie das Gesetz nicht halten, weil sie die Werke des Gesetzes nur äußerlich taten, inwendig aber ohne Glauben und Liebe wären. Da aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, der von einem Weibe geboren, und unter das Gesetz getan ward, auf dass er die, so unter dem Gesetze waren, erlöse. In diesem hat uns Gott das reichlich wieder erstattet, was wir durch die Sünde verloren hatten, und alles Übel abgewendet, das von der Sünde herstammte, so dass es uns weiter nicht zu schaden vermöge. Ja Gott hat uns in ihm Alles wiedergebracht, was zur Seligkeit Not tut. „Denn in ihm liegen alle Schätze der Weisheit verborgen.“ „Und der Vater hat Alles in seine Hand gegeben.“ Ein strafbarer sündlicher Frevel ist es, anderswoher Etwas zu suchen, was zur Seligkeit dient. In ihm hat uns Gott unsere Sünden verziehen, da er für uns am Kreuze zum Sühnopfer ward, und sein Blut für uns vergoss. Er erfüllte in Allem den Willen des Vaters und ward das angenehme Opfer der Versöhnung. Durch ihn verlieh uns Gott den heiligen Geist, der unsere Herzen zu Lust und Liebe entzündet gegen Gott und sein Gesetz. Kurz, er ist geworden unsere Gerechtigkeit, Erlösung und Heiligung: durch ihn haben wir einen sicheren Zugang zum Vater. Er ist der Weg, die Wahrheit und das Leben. Diesen, liebe Freunde, sollt Ihr für Euren einigen Mittler, Erlöser und Heiland erkennen und annehmen, und ihm mit großer Dankbarkeit nachfolgen. Suchet nicht auf anderen Wegen zu Gott zu kommen; denn dieser leitet Euch nicht irre. Nun gibt es Menschen, die solches wohl zum Teil glauben, Gott habe so viel Gutes durch Christum verliehen; aber sie wähnen, es gehöre nicht ihnen, und so fragen sie, wie man dieser Wohltaten teilhaftig werde, und wollen so erst das mit Werken erkaufen, was Gott uns in Christo so reichlich geschenkt hat. So Einige durch Messehalten oder Hören, wie wir es neulich vernommen.
Nein aber, liebe Freunde, nicht also, sondern durch den Glauben allein wird man dieses Gutes teilhaftig, Gott verlangt zu dieser Sache nur den gehorsamen Glauben.
Wenn du Alles fest und ohne Zweifel glaubst, was das Evangelium von Jesu Christo sagt, so wirst du es wahrlich schon haben. Dahin beziehen sich jene trostreichen Sprüche: „Wer an den Sohn glaubt, der hat ewiges Leben.“ „Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden,“ und ähnliche trostreiche Stellen mehr. Da wenden denn Viele aus fleischlichem Unverstande ein: „Wenn der Glaube Alles vermag, so brauchen wir nichts Gutes mehr zu tun.“ Die solches sagen, haben aber nicht erkannt, dass der Glaube eine Kraft Gottes sei in den Herzen der Auserwählten zu allem Guten, so dass er nicht ohne gute Werke sein kann, die der liebe Gott von denen, die da glauben, fordert. Die wahrhaft Gläubigen erfüllen in Allem den Willen Gottes. Und ob sie schon auch aus menschlicher Schwachheit fallen, verharren sie doch nicht in der Sünde, und lassen ihr nicht ihren Willen, sondern kehren sich täglich durch bußfertiges Leben zu Gott. Es gibt aber dreierlei Werke der Christgläubigen, nämlich die sie gegen Gott, gegen sich selbst und gegen den Nächsten üben. Gott geben sie allezeit Ehre und Preis, danken Ihm für alle Wohltaten, die sie als Gnadengaben erkennen, und die sie von Ihm durch Christum empfangen haben. Solches fordert auch Gott überall in seinem Worte, so im Psalm 50, 23: „Wer Dank opfert, der preist mich, und das ist der Weg, dass ich ihm zeige das Heil Gottes.“ Dazu ermahnt uns auch der Apostel im Sendschreiben an die Hebräer und spricht also: „Lasst uns opfern durch ihn das Lobopfer Gott allezeit; das ist die Frucht der Lippen, die seinen Namen bekennen.“ Denn sonst, liebe Freunde, können wir Gott nicht seine Wohltaten erwidern. Das Werk, das der Gläubige an sich selbst zu verrichten hat, ist die Züglung des sündlichen Fleisches und seiner Lüste durch Entbehrung und Arbeit und andere Übungen. Auch dass er in Kreuz und Leid, so ihm Gott zusendet, geduldig und langmütig sei. Das sind gar gute und köstliche Werke, denn sie erkennen in aller Trübsal die gute Absicht des Vaters, der uns züchtigt, damit wir die Sünde bekämpfen und so den Glauben bewahren. So schreibt der Apostel nach den Sprüchen Salomonis an die Hebräer: „Mein Sohn, achte nicht gering die Züchtigung des Herrn und verzage nicht, wenn du von ihm gestraft wirst. Denn, welchen der Herr lieb hat, den züchtigt er, er stäupt aber einen jeglichen Sohn, den er aufnimmt.“ Gegen den Nächsten übt der Gläubige allerlei Werke der brüderlichen Liebe, wo er seiner Hilfe bedarf, in geistlichen und leiblichen Dingen. Christus bedarf keiner Dienstleistung, nachdem er gen Himmel gefahren, die Armen aber bedürfen es; wie hat er dir diese so ernstlich anbefohlen, indem er, was wir an ihnen tun, ansieht, als hätten wir es ihm getan, wie er solches sagt Matth. XXV: „Wahrlich ich sage euch, was ihr getan habt Einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“ Dies Wort hören wir oft, aber Wenige fassen es mit gläubigem Herzen; denn wenn Christus da wäre, meinen wir, wollte ihm Jedermann dienen, und doch versäumen wir die Armen so sehr. Seht, das sind die Werke der Rechtgläubigen, darinnen sie sich ohne Unterlass üben, nicht aber in menschlichen Erfindungen und Satzungen, wie es heut zu Tage unsere falschen Geistlichen tun und uns zu tun lehren, Tag und Nacht mit Zeremonien spielen. Darum er mahne ich Euch in dem Herrn, wenn Ihr Gott gefallen wollt, so tut Werke aus gläubigem Herzen, die Gott in seinem Worte von uns fordert, und dann seid Ihr sicher, dass sie Gott gefallen, denn im Worte Gottes nur lernen wir den Willen Gottes kennen. Tut Eure Werke frei zum Lob und Preise Gottes, der Euch durch Christum so viel Gutes erwiesen hat; sucht darin allein die Ehre Gottes und nicht die Eurige: Verdienst und Gerechtigkeit habt Ihr allein durch den Glauben zuvor erlangt. Und damit ich zuletzt Etwas von den Sakramenten sage, so hat Gott dieselben aus zwiefachem Grunde uns verliehen. Erstens damit wir durch dieselben auch äußerlich vereinigt, und von andern Völkern abgesondert würden, wie wir auch durch den Glauben Ein äußerlicher Leib geworden sind, dessen Haupt Christus ist. Umso mehr sollen wir unter einander brüderliche Liebe üben. Dieweil wir einander als Brüder erkennen, Einem Gott dienen, des Sakrament und Pflichtzeichen wir an uns tragen. Dazu dient vorzüglich die Taufe, durch welche wir in die Gemeinde Christi aufgenommen und eingetragen werden. Wie solches uns ans der Apostelgeschichte St. Lucä klar wird Act II. „Die nun das Wort gern annahmen, ließen sich taufen, und wurden hinzugetan an dem selbigen Tage bei dreitausend Seelen.“ Und so kann es wohl angehen, dass wir durch die christliche Taufe unsere Kinder bezeichnen, wie vormals solches durch die Beschneidung geschah, dieweil wir Gott zugeschrieben zu sein begehren. Daneben ist die Taufe eine Mahnung und ein Zeichen des Absterbens dem sündlichen Fleische, wie Paulus im Brief an die Römer anzeigt, Kap. XVII. Zum Zweiten danken wir durch das Sakrament einträchtig Gott, der großmächtige Werke an uns getan, besonders geschieht dieses beim Brot der Danksagung, dass wir des Herrn Abendmahl empfangen. Dabei soll man den Tod des Herrn verkündigen und herzlich danksagen für sein Blutvergießen, auf dass auch andere zum Glauben bewogen werden. Durch große Irrtümer hat man daraus ein Götzendienst und Messopfer gemacht. Und zwar ist dieses ohne Gottes Gebot geschehen, und so sind die Sakramente der Christen missverstanden und missbraucht worden und zur Abgötterei ausgeartet. Darum, liebe Freunde, sollt Ihr keinen Abscheu davor haben, wenn man die Messe abtut, als wollte man Gott und dem Sakramente seine Ehre rauben. Solches täte kein Frommer, wenn Gott also gelobt sein wollte. Ach, liebe Menschen, wäre man bei dem einfachen Brauche der Sakramente geblieben, wie sie uns Gott verliehen hat, so wären auch heutzutage nicht so viel Spaltungen, Rotten und Zank, dieweil aber unsere Vernunft immerdar ihren Vorwitz in göttlichen Dingen zeigen will, so lässt uns Gott so auseinander gehen. Das ist der kurze Inhalt des christlichen Glaubens, wie ich ihn meiner Gemeinde verkündige; die Zeit erlaubt mir nicht, ausführlicher davon zu reden. Und so komme ich zum Schlusse wieder zu der Ermahnung, mit der ich angefangen, dass ihr inbrünstig um den heiligen Geist bitten sollt, der in Euren Herzen Zeugnis gebe vom Worte, und es lebendig und tätig mache, und es reichlich unter Euch wohnen lasse. Es würde uns auch Niemand glauben, wenn er noch mehr hörte, wo nicht der Heilige Geist bei einem Jeden besonders Zeugnis gäbe. Denn wir müssen alle von Gott gelehrt werden, spricht der Herr. Und Paulus nennt denselben heiligen Geist die Versicherung und Besieglung, indem er spricht 2. Kor. I: „Gott ist es, der uns befestigt samt euch in Christum und uns gesalbt und versiegelt in unsern Herzen das Pfand den Geist gegeben hat.“ Es muss ja ein Jeder unter Euch gewiss sein im Glauben, denn der Gerechte wird aus seinem eigenen Glauben leben, sagt der Prophet. So soll man nicht mit anderen Leuten ins Ungewisse nur wähnen wollen und sagen, die Berner halten es also zu Stadt und Land, ich will es auch also halten. Ein solcher Glaube, der auf Menschenwahn sich gründet, würde zur Zeit der Not keinen Bestand haben. Liebe Freunde, wir werden darum nicht vergebens bitten; denn wir haben davon viele Verheißungen von Gott; dass er uns diesen Geist verleihen wolle, der solches in uns wirke. Wie mannigfach tut solches Christum im Evangelium Johannes nach Einsetzung des Abendmahls, indem er spricht: „Wenn aber der Tröster kommen wird, den ich euch vom Vater senden werde, der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht, der wird von mir Zeugnis geben.“ - Und an einem andern Orte Luc. II: „So ihr, die ihr arg seid, könnt euren Kindern gute Gaben geben, wie vielmehr wird der Vater im Himmel den heiligen Geist denen verleihen, die ihn darum bitten.“ Also haben auch die Väter getan, und es ist uns in den Psalmen vorgeschrieben, auf dass Niemand sich für zu fromm oder gelehrt halte, dass er mit David spreche: „Lehre mich deine Rechte, dein Gesetz, deine Wege, und dein guter Geist leite mich auf ebener Bahn.“ Ferner: „Schaff in mir, Gott, ein reines Herz, und erneuere in mir einen willigen Geist, verwirf mich nicht vor deinem Angesicht, und nimm deinen heiligen Geist nicht von mir.“
Wenn in uns eine solche Begierde nach Wahrheit wäre, wie diese Psalmen beweisen, dass sie in David gewesen, so würden wir auch so ernstlich bitten, und es auch erlangen. Solches verleihe uns Gott. Amen.