Fresenius, Johann Philipp - Beicht- und Communionbuch - Das 2. Capitel.

Fresenius, Johann Philipp - Beicht- und Communionbuch - Das 2. Capitel.

Von der Beichte, Absolution und dem Beichtstuhl.

§ 1.

Weil es unter den Christen eine heilsame Gewohnheit ist, daß sie vorher beichten und sich die Absolution ertheilen lassen, ehe sie zum heiligen Abendmahl gehen: so ist es billig, daß auch von dieser höchst wichtigen Sache der nöthige Unterricht ertheilt werde.

Man hat aber zuvörderst einen Unterschied zu machen zwischen dem, was sich hierbei auf den klaren Ausspruch der heiligen Schrift gründet, und zwischen dem, was die Menschen aus guten Absichten verordnet haben. Zu dem Ersten gehört sowohl die Beichte, als die Absolution, wenn man sie an sich selbst betrachtet; zum Andern aber gehört die Verordnung, daß man vor dem Gebrauch des heiligen Abendmahls beichtet und die Absolution begehrt.

§ 2.

Das Wort beichten heißt so viel als bekennen. Die Sünden beichten, bedeutet also, die Sünden bekennen.

Wir haben hierbei zu sehen theils auf die Beschaffenheit derjenigen, die da beichten, theils auf die Personen, welchen man beichtet.

§ 3.

Diejenigen, die da beichten, müssen ein solches Herz mitbringen, das der Vergebung der Sünden fähig ist.

Dazu gehört die Erkenntniß, Bereuung, Bekenntniß und Abbitte der Sünden, das zuversichtliche Vertrauen auf Christum, und ein redlicher Vorsatz, sein Leben zu bessern.

§ 4.

Die Erkenntniß der Sünden entsteht daher, wenn man seinen Zustand nach der Regel des göttlichen Gesetzes prüft. Alles, was vom Gesetz abweicht, das ist Sünde, da man entweder etwas Gutes unterläßt, oder etwas Böses thut. Die allertiefste Abweichung liegt in der Erbsünde, das ist, in dem angebornen Verderben, welches unsere Natur ganz untüchtig zum Guten und geneigt zum Bösen macht. Daher entstehen unzählig viele Abweichungen in Gedanken, Worten und Werken, in welchen das Gute unterlassen und das Böse ausgeübt wird. Will man nun seine Sünden erkennen, so ist es nicht genug, daß man nur die groben Ausbrüche der Sünden aufsucht; sondern man muß auch zurückgehen auf die erste Quelle, und sich vornehmlich in der gefallenen menschlichen Natur, und in dem angeborenen großen Verderben ansehen, welches so entsetzlich ist, daß man ohne innigste Wehmuth nicht daran denken kann. Man muß hiernächst auf Hie Neigungen der Seele, auf die Unordnung der Affecte, auf die Abweichungen in den Gedanken, in den Worten, in dem Gebrauch der äußerlichen Sinne und Glieder des Leides und in dem ganzen Wandel genau merken, da man denn eine so große Menge von Sünden in sich antreffen wird, die nicht zu zählen sind.

Mit dieser Erkenntniß der Sünden muß verknüpft werden die Erkenntniß der Strafe, welche man mit denselben verdient hat, und da eine jede Uebertretung des Gesetzes keine geringere Strafe als den Fluch nach sich zieht, und derjenige, der nur an Einem sündigt, des ganzen Gesetzes schuldig ist, 5 Mos. 27, 26. Jac. 2, 10: so kann sich der Mensch, wenn er auch noch so ehrbar und unsträflich vor der Welt gelebt, in seinen Abweichungen nicht anders ansehen, denn als einen verfluchten und vermaledeiten Sünder, welcher von Rechtswegen ewig verdammt und verloren werden sollte, wenn Gott so mit ihm handeln wollte, wie er es verdient.

Bei dieser Erkenntniß der Sünden hat man sich sonderlich vorzusehen, daß das schlüpfrige Herz sich nicht selbst betrüge, verblende und einschläfre mit Entschuldigung und Verkleinerung derselben; und damit dieses nicht geschehe, auch überhaupt diese Erkenntniß recht lebendig werden möge, so ist es nöthig, daß man um diese Gnade von Herzen bitte, und zu Gott schreie, daß er uns die Augen öffne, unser großes Verderben recht einzusehen.

Im Uebrigen ist hierbei noch zu merken, daß zwar die Erkenntniß der Sünden dadurch befördert wird, wenn man die zehn Gebote nach ihren weitläufigen inneren und äußeren Forderungen genau ansieht; wenn man Eines nach dem Andern sorgfältig durchgeht und seinen Zustand dagegen hält und prüft; wenn man ferner den Mangel ansieht, der sich an den Früchten des Glaubens, den das Evangelium erfordert, bei uns hervorthut, und auch hier ein Examen nach der Länge anstellt, wie viele Fehler und Gebrechen sich bei uns finden; aber dabei muß man nothwendig zweierlei beobachten:

1) Daß es zum würdigen Gebrauch des heiligen Abendmahls nicht schlechterdings nöthig sei, solche umständliche Gewissensprüfungen Stück für Stück nach der Länge Umzustellen, indem es bei einem gläubigen Communicanten schon genug ist, wenn er überhaupt wegen seines sündlichen Verderbens und seiner anklebenden vielen Schwachheiten elend ist, Leide trägt und Gnade sucht.

2) Daß diejenigen, welche im Stand der Gnade stehen, wenn sie ja solche weitläufige Gewissensprüfungen anstellen wollen, sich vor gesetzlichen Aengstlichkeiten, wodurch der Glaube gehindert, und ihre Freudigkeit niedergeschlagen werden könnte, sorgfältig hüten müssen. Darin versehen es Viele und verfehlen den Endzweck, welchen dergleichen Prüfungen haben sollen. Denn da solche bei den Gläubigen eigentlich deßwegen sollen angestellt werden, damit der Glaube desto hungriger und durstiger nach der Gerechtigkeit Christi werden, und sich desto herzlicher an sein blutiges Versöhnopfer halten möge: so lassen sie durch dieselben im Gegentheil mancherlei Zweifel gegen ihren Gnadenstand in sich erregen, und ringen wohl darnach, daß sie ängstlich werden, weil sie dieses zur Vorbereitung für nöthig halten, und wenn solche Aengstlichkeiten nicht in dem Grad, wie sie es wünschen, kommen wollen, so entsteht eine große Bekümmerniß in ihnen, sie möchten um deßwillen nicht würdig sein, das heilige Abendmahl zu genießen; wodurch sie sich denn selbst im Wege stehen, daß sie dieses Sacrament weder auf eine evangelische Weise genießen, noch auch der evangelischen Wirkungen desselben in dem gehörigen Maße recht fähig sein können.

§ 5.

Mit der Erkenntniß der Sünde muß die Bereuung derselben verknüpft sein. Paulus macht einen Unterschied zwischen der Reue, welche aus einer göttlichen Traurigkeit, und zwischen der, welche aus einer Traurigkeit der Welt entsteht; denn er spricht 2 Corinth. 7, 10: Die göttliche Traurigkeit wirket zur Seligkeit eine Reue, die Niemand gereuet, die Traurigkeit aber der Welt wirket den Tod.

Diejenige Reue, die aus der Traurigkeit der Welt entsteht, wird durch die bloß natürlichen Vorstellungen des Menschen gewirkt, und vom Satan vermehrt; ihre Ursachen aber betreffen lauter weltliche Dinge, da sich nämlich der Sünder vorstellt, was er sich durch seine Sünden für Schaden und Schande in der Welt zugezogen, welches sein Gemüth so einnimmt und niederdrückt, daß das Verlangen nach der Gnade Gottes in dem Herzen nicht aufkommen kann; woraus denn nichts Anders folgt, als eine weitere Entfernung von Gott, größere Finsterniß, Verzweiflung und Tod.

Die göttliche Traurigkeit hingegen ist eine Wirkung des Heiligen Geistes, welche das Herz schmelzet und beugt, nicht um deßwillen, daß sich der Sünder Schaden und Schande vor der Welt zugezogen, sondern um deßwillen, daß er Gott, als das höchste Gut, beleidigt, von seinem gnädigen und liebreichen Willen abgewichen, gegen seine unermeßlichen Wohlthaten undankbar gewesen, in das tiefste Verderben nach Leib und Seele gesunken, und dadurch den ewigen Tod verdienet. Hiebet behält das Verlangen nach Gnade und Errettung Raum, der Glaube an Christum wächst darin hervor, und folglich schlägt diese Reue endlich zur Seligkeit aus.

Gleichwie nun diese göttliche Reue von Gott muß erbeten werden, weil sie eine Wirkung des Heiligen Geistes ist: also hat sie auch ihre gewissen Stufen, welche sich der Mensch so wenig geben kann, als die Reue selbst, sondern der Heilige Geist richtet dieselbige ein nach den Regeln seiner ewigen Weisheit, und wie es unsere Umstände erfordern. Auf der geringsten Stufe fühlt man zwar keine große Angst und empfindliche Schmerzen; aber man ist doch arm im Geist, fühlt seine Ohnmacht und Erstorbenheit zu allem Guten, trägt Leid, und hat ein wehmüthiges, gebeugtes Herz vor Gott, das alle Sünden redlich hasset. Die höchste Stufe treffen wir in etlichen Bußpsalmen an, und wer auf derselben steht, der kann mit David sagen aus Ps. 38: Deine Pfeile stecken in mir, und deine Hand drücket mich. Es ist nichts Gesundes an meinem Leibe vor deinem Dräuen, und ist kein Friede in meinen Gebeinen vor meiner Sünde. Denn meine Sünden gehen über mein Haupt, wie eine schwere Last sind sie mir zu schwer worden. Meine Wunden stinken und eitern vor meiner Thorheit. Ich gehe krumm und sehr gebückt, den ganzen Tag gehe ich traurig; denn meine Lenden verdorren ganz, und ist nichts Gesundes an meinem Leibe. Es ist mit mir gar anders, und bin sehr zerstoßen. Ich heule vor Unruhe meines Herzens. Herr, vor dir ist alle meine Begierde, und mein Seufzen ist dir nicht verborgen. Mein Herz bebet, meine Kraft hat mich verlassen, und das Licht meiner Augen ist nicht bei mir.

Die Ursachen, warum der Heilige Geist nicht Einem Menschen eine so hohe Traurigkeit schenkt, wie dem Andern, können wir zwar nicht völlig errathen, doch ist es uns erlaubt, denselben so weit nachzudenken, als wir kommen können.

Soll ich meine Gedanken in der Kürze davon eröffnen, so mache ich hierbei zuvörderst einen Unterschied zwischen der Rechtfertigung, welche bei erwachsenen Menschen auf die große Buße folgt, da sie sich bekehren von der Finsterniß zum Licht, und von der Gewalt des Satans zu Gott, zu empfahen Vergebung der Sünden, Apost. Gesch. 26, 18; und zwischen der Heiligung, welche fortgesetzt wird in der täglichen Buße, da sie den alten Menschen immer besser ablegen, und den neuen Menschen besser anziehen, Eph. 4, 22-24.

Dieses vorausgesetzt, muß man ferner wissen, daß der Heilige Geist, wenn er die Reue über die Sünde in uns wirkt, eine doppelte Arbeit dadurch verrichte, folglich auch einen doppelten Endzweck habe; denn erstlich soll der Mensch zu Christo gebracht, zum andern aber auch sein Herz geändert werden. Das Erste könnte nicht geschehen, wenn es dem Menschen bei seinen Sünden wohl bliebe; denn da würde er so wenig nach Christo verlangen, als ein Kranker, der seine Krankheit nicht fühlt, nach dem Arzt. Das Andere kann nicht geschehen ohne Zerknirschung des Herzens, wodurch seine Härtigkeit gebrochen, und darin ein redlicher Haß gegen alle Sünden gewirkt werden muß. Zu beiden Absichten gebraucht der Geist Gottes die Traurigkeit über die Sünde, doch bei Einem Menschen mehr vor der Rechtfertigung, und bei dem Andern mehr in der täglichen Heiligung, auch bei dem Einen in einem höheren, und bei dem Andern in einem geringeren Grade, je nachdem es nöthig ist, diesen doppelten Zweck zu erreichen.

Da hat zum Beispiel ein Sünder sein Herz mehr verhärtet, darum muß er härtere Schläge haben, wenn es zermalmet werden soll. Ein Anderer läßt sich leichter beugen, und braucht deßwegen keine so große Schärfe.

Mancher steht in größerer Gefahr, von der Sünde überwunden zu werden; darum muß sie ihm in der Traurigkeit desto bitterer gemacht werden. Ein Anderer hat diese Gefahr nicht so stark vor sich; darum hat er auch nicht nöthig, diese Bitterkeit in so reichem Maß zu schmecken.

Mancher läßt sich gleich durch die ersten Gnadenzüge zur wahren Bekehrung bringen; daher wird er nicht so hart mit dem Gesetz angegriffen. Ein Anderer hat die Gnade oft von sich gestoßen, und wird deßwegen in eine empfindlichere Zucht genommen, damit er sich eine so muthwillige Verachtung gereuen und vergehen lasse.

Sieht der Geist Gottes, daß bei einem Menschen ein geringes Maaß der Traurigkeit hinlänglich ist, ihn recht zu Christo zu bringen, so läßt er es vor der Rechtfertigung dabei bewenden, und was zur tieferen Veränderung des Herzens, und zu einem dauerhaften Haß gegen die Sünde von der göttlichen Traurigkeit noch nöthig ist, das wird in der täglichen Heiligung nachgeholt. Daher kommt es, daß solche Menschen nach der Rechtfertigung zuweilen noch eine größere Traurigkeit empfinden, als vor derselben; aber sie können auch nun ein größeres Maaß besser ertragen, weil sie mehr Kräfte empfangen haben, da sie hingegen vor der Rechtfertigung vielleicht abgesprungen und zurückgegangen wären, wenn sie so viele Schmerzen hätten empfinden müssen.

Sieht aber der Geist Gottes, daß der Sünder sich nicht würde zu Christo bringen lassen, es sei denn, daß er die Schrecken des Todes mit den größten Schmerzen erfahre, oder daß er, wenn dieses nicht geschieht, bald nach der Rechtfertigung wieder leichtsinnig und untreu werden würde: so läßt er ihn vor der Vergebung der Sünden ins äußerste Gedränge kommen; wobei der Mensch aber auch oft den Vortheil hat, daß in solcher großen Traurigkeit in seinem Herzen desto tiefer gegraben, und zu dessen gründlicher Veränderung desto besser vorgearbeitet wird, so daß ihm in der darauf folgenden Heiligung die Traurigkeit über die Sünden nicht so stark und nicht so oft mehr nöthig ist, wie den Andern, die solches vor der Rechtfertigung nicht erfahren haben.

Diese Anmerkung kann einen doppelten, sehr großen Nutzen schaffen; denn

Erstlich wird man auch dadurch überzeugt, daß die Traurigkeit über die Sünde nicht verdienstlich ist, oder daß uns Gott um derselben willen keine einzige Sünde vergebe, wenn sie gleich noch größer wäre, als die Traurigkeit, welche Psalm 38 beschrieben wird. Man kann dieses ohnedem auch aus andern Gründen erkennen. Der Mensch kann überhaupt seine Sünden nicht abbüßen oder die Gnade Gottes verdienen; folglich kann er solches auch nicht durch die Traurigkeit. Christi Versöhnopfer ist die einzige Ursache der Vergebung unserer Sünden, folglich kann es nicht unsere Traurigkeit sein. Wenn man aber überdieß auf die Weisheit Gottes merkt, wie er das Maaß der Traurigkeit nur allein zu dem Zweck einrichtet, daß der Mensch in der Rechtfertigung zu Christo kommen, und in der Heiligung bei ihm bleiben soll: so sieht man gar deutlich, daß sie nicht um ihrer selbst willen da sein müsse, sondern um Christi willen, oder daß sie bloß deßwegen erfordert werde, damit der Mensch zu Christo kommen und bei ihm bleiben möge. Es ist demnach ein sehr bezüglicher Hang des Herzens, da uns armen Menschen oft unvermerkt, die Meinung einschleicht, als wenn wir durch die Traurigkeit etwas abbüßen müßten, und da wir uns so ungern zufrieden geben, wenn die Traurigkeit nicht so groß ist, als wir wünschen, und dem himmlischen Vater nicht recht zutrauen, daß er uns alle unsere Sünden vergeben habe, wenn wir nicht so viel Schläge bekommen, als wir verdient haben.

Zum Andern kann die Anmerkung von dem verschiedenen Maaß der Traurigkeit in Absicht auf die Rechtfertigung und Heiligung manchen Schwachgläubigen zu großer Beruhigung dienen. O wie viele sind, die an einem doppelten Vorurtheil krank liegen! Sie sind wahrhaftig zu Gott bekehrt, hassen die Sünden redlich, wachen über sich sorgfältig,, und die Gnade Jesu ist die einzige Nahrung ihres Geistes; weil sie aber vor ihrer Rechtfertigung den hohen Grad der Traurigkeit nicht empfunden, welchen David, und Andere erfahren haben: so plagt sie immer der heimliche Zweifel, ob auch ihre Bekehrung rechter Art sei? Dies ist das erste Vorurtheil. Das andere besteht darin: wenn sie nach der Rechtfertigung den Hammer des Gesetzes noch manchmal fühlen, und in den Schmelzofen der göttlichen Traurigkeit und der geistlichen Anfechtungen tiefer hinein geführt werden: so wissen sie nicht, was dieses bedeutet, werden stutzig, und denken bei sich selbst: Ich muß noch nicht bekehrt sein, und was ich bisher von der Gnade Gottes und Vergebung meiner Sünden geglaubt habe, das sind wohl lauter Einbildungen gewesen; denn wäre ich wahrhaftig bekehrt, so würde es nicht nöthig sein, so oft und so stark traurig zu werden; vielleicht soll jetzt erst die rechte Bekehrung bei mir anfangen, u.s.w. Diese betrübten, zweifelhaftigen und wankenden Gedanken thun dem Glauben großen Schaden, wofür man aber ganz sicher steht, wenn man auf die Wege des Herrn merket, und die Wirkungen der göttlichen Traurigkeit so ansieht und beurtheilt, wie in der obigen Anmerkung geschehen ist.

§ 6.

Zur rechten Beschaffenheit derjenigen, die da beichten, gehört ferner das Bekenntniß der Sünden; denn beichten heißt bekennen.

Es besteht aber dieses Bekenntniß seinem wahren Grunde nach darin, daß der Sünder sich vor Gott für nichts Anderes ansieht, auch für nichts Anderes ausgibt, als was er wirklich ist. Soll aber dieses geschehen, so muß das versteckte, argwöhnische, feindselige, stolze und heuchlerische Wesen des Herzens schon gebrochen sein; denn so lang diese Unarten nicht zerstört sind, so lang wird der Mensch, auch vor Gottes allwissenden Augen selbst, mit dem Bekenntniß der Sünden nicht recht heraus gehen, sondern er wird sich zurückziehen und verstecken, wie Adam nach seinem Sündenfall; oder er wird leugnen, allerlei Entschuldigungen suchen, die Sünden verkleinern, die Schuld auf Andere werfen, und aufs Letzte wenigstens stillschweigen, und also das redliche Bekenntnis der Sünden zurückhalten, welche Unarten sich ebenfalls schon bei den ersten Sündern im Paradies hervorthaten. In diesem Zustand befand sich einmal der König David, wovon er selbst schreibt Psalm 32, 3. 4. 5: Da ichs wollte verschweigen, verschmachteten meine Gebeine durch mein täglich Heulen, denn deine Hand war Tag und Nacht schwer auf mir, daß mein Saft vertrocknete, wie es im Sommer dürre wird, Sela. Darum bekenne ich dir meine Sünde, und verhehle meine Missethat nicht. Ich sprach! Ich will dem Herrn meine Uebertretung bekennen; da vergabst du mir die Missethat meiner Sünde, Sela. Diese Stelle ist überaus merkwürdig, und gibt uns zu erkennen, theils den versteckten Zustand des Sünders im Anfang seiner Bekehrung, theils wie Gott mit ihm umgeht, bis er ihn zum aufrichtigen Bekenntniß bringt, theils dieses Bekenntniß selbst, und theils den Nutzen, welcher darauf erfolgt.

Der versteckte Zustand, der sich gemeiniglich im Anfang der Bekehrung äußert, besteht darin, daß man es gern verschweigen will, was man gethan hat. Wenn das Gesetz an das Herz kommt, und das Gewissen rege wird, und anfängt seine Klagen nach einander vorzubringen: so ist dem Sünder zwar nicht wohl dabei; aber er sucht doch der Anklagen los zu kommen, und wenn sie nicht weichen wollen, sich hinter allerlei Vorurtheile und Entschuldigungen zu verstecken, will doch auch noch etwas gelten, und so häßlich nicht aussehen, wie ihn das Gesetz und Gewissen abmalet. Da muß denn Gott anfangen, den Sünder härter zu behandeln, und ihn gleichsam auf die Folter zu legen, wie einen Uebelthäter, der nicht bekennen will. Seine Hand ist Tag und Nacht schwer auf ihm, und drückt ihn so lang, bis er endlich mit der Sprache herausgeht, und sich frei hingibt, als einen verfluchten Menschen, in dem gar nichts Gutes wohnt von Natur, der von Gott völlig abgewichen und ganz untüchtig geworden, und von Rechtswegen verstoßen werden sollte in den Pfuhl, der mit Feuer und Schwefel brennt. Da geht denn die arme Sünder-Sprache an: An dir allein hab' ich gesündiget, und übel vor dir gethan, auf daß du Recht behaltest in deinen Worten, und rein bleibest, wenn du gerichtet wirst, Ps. 51, 6. Ach mein Gott! Ich, Ich wollte noch Recht haben, und nicht so unrein sein, wie mich dein Gesetz beschreibt, und damit habe ich dich gerichtet, als wenn du mir Unrecht thun und ein falsches Urtheil über mich fällen wolltest; aber nun sehe ich es besser ein: Du bist gerecht, dein Gericht ist rein, und dein Urtheil ist billig; ich aber bin ein solcher Sünder, ja eben ein solcher verfluchter Sünder bin ich, wie du, mein Gott, mir vorgestellt hast. -

O wie mancher Sünder spricht in seiner gewöhnlichen Beichtformel: Ich gebe mich aller Sünden schuldig; und sein Herz weiß nichts davon; und was für einen schweren Proceß würde er noch auszustehen haben, wenn er dieses Bekenntniß von ganzem Herzen sollte sagen lernen! Sobald aber der Mensch so weit gebracht ist, daß er sich so völlig schuldig gibt, und seine Missethat ohne weiteres Zurückziehen bekennt: sobald wird er fähig zum Glauben, zur Gnade und Vergebung der Sünden, welches der Nutzen ist, den David anzeigt: Da vergabst du mir die Missethat meiner Sünden.

§ 7.

Die Abbitte der Sünden ist bei denen, die sich von Herzen bekehren, nach der Erkenntniß, Bereuung und Bekenntniß derselben eingerichtet. Denn weil sie ihre Sünden recht tief und lebendig erkennen, in göttlicher Traurigkeit darüber geschmolzen sind, und sich vor Gott darstellen als Leute, die gar nichts taugen, und nichts Anderes verdient haben, als Fluch und Verdammniß: so wissen sie keinen andern Ausweg, als daß sie sich aufs Betteln legen, und sich in Scham und Wehmuth, in tiefster Beugung des Herzens unter die gewaltige Hand Gottes demüthigen und mit David ausrufen: Ach gehe nicht ins Gericht mit deinem Knecht, denn vor dir ist kein Lebendiger gerecht! Ps. 143, 2. Diese Abbitte besteht gewiß nicht in einem bloßen Lippengebet, davon das Herz nichts weiß; nicht in dem bloßen Hersagen einer Beichtformel, welches nur aus Gewohnheit geschieht; nicht in einem trägen Seufzer, der bald vorübergeht, und der fleischlichen Sicherheit bald wieder Platz macht; sondern sie ist so ernstlich, so herzlich, so innig, wie das Bitten eines Uebelthäters, der um sein Leben bittet, wenn er schon zum Tode verurtheilt, und der Stab über ihn gebrochen ist.

§ 8.

Das zuversichtliche Vertrauen auf Christum macht das Hauptwerk aus in der ganzen Bekehrung. Ohne dieses würde weder die Erkenntniß, noch die Bereuung, noch das Bekenntniß, noch die Abbitte der Sünden, noch der beste Vorsatz etwas helfen. Niemand kommt zum Vater, denn durch mich, spricht Christus selbst Joh. 14, 6. Es ist in keinem Andern Heil, ist auch kein andrer Name den Menschen gegeben, darin wir sollen selig werden, Apost. Gesch. 4, 12. In diesem Hauptgrund ist die Buße der Christen von der Buße der Ungläubigen unterschieden. Juden, Türken und Heiden lehren auch, daß man seine Sünden erkennen, bereuen, bekennen, Gott abbitten, und sein Leben bessern müsse. Dabei verfahren sie oft sehr streng gegen sich selbst durch Fasten und andere schmerzliche Casteiungen, berufen sich auch auf die Barmherzigkeit Gottes und halten dieselbe Gott vor als einen Beweggrund, daß er ihnen ihre Sünden vergeben solle. Weil sie aber durch alle ihre Bußübungen nicht zu Christo kommen und seine Genugthuung nicht in wahrem Glauben ergreifen: so thun sie eine Fehlbitte nach der andern, und müssen leider in ihren Sünden sterben. Die Christen hingegen suchen die Barmherzigkeit Gottes nirgend anders, als in Christo, und sein ewig gültiges Versöhnopfer ist allein der Grund, worauf sie ihre Abbitte bauen, und den sie Gott in ihrem Flehen und Schreien vorhalten, daß er ihnen um desselben willen alle ihre Sünden vergeben wolle.

Wie nun dieses Versöhnopfer Christi der einzige Grund unserer Begnadigung ist: also ist es auch das einzige Ziel, worauf der Glaube eines bußfertigen Sünders sieht, und die einzige Sache, wonach das beklemmte Herz verlangt. Die Natur dieses Verlangens stellt Christus vor als einen Hunger und Durst Matth. 5, 6: Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit. Wie nun ein Hungriger nach Nichts in der ganzen Welt so sehnlich verlangt, als nach der Speise und ein Durstiger nach dem Trank: so verlangt ein bußfertiger Sünder nach Nichts so sehnlich, als nach der Gerechtigkeit, die Christus erworben hat. Wollte man einem Hungrigen und Durstigen zumuthen, daß er sich nur von Speise und Trank enthalten sollte, mit dem Versprechen, man wolle ihm dagegen eine Menge von Geld und Gütern dieser Welt geben: so würde man die Innigkeit seines Verlangens erkennen. Er würde ein Stück Brod und einen Trunk Wasser der ganzen Welt vorziehen, weil er ohne dieselben nicht leben kann. Und wollte man einem bußfertigen und gnadenhungrigen Sünder zumuthen, daß er aufhören sollte, sich nach Christo zu sehnen, und seine Gnade mit den Eitelkeiten dieser Welt und mit dem Genuß der vergänglichen Güter vertauschen: so würde man sehen, wie stark, wie innig, wie unbeweglich sein Hunger und Durst nach der wahren Gerechtigkeit sei. Was hilfts mir, würde er antworten, wenn ich die ganze Welt gewinne, und nehme doch Schaden an meiner Seele? Weg mit allen Schätzen, du bist mein Ergötzen, Jesu, meine Lust! Weg mit eiteln Ehren! ich mag euch nicht hören, bleibt mir unbewußt. Elend, Noth, Kreuz, Schmach oder Tod, soll mich, ob ich viel muß leiden, nicht von Jesu scheiden.

Wenn es mit einem Sünder durch die Gnade Gottes so weit gekommen ist, daß seine Erkenntniß, Bereuung, Bekenntniß und Abbitte der Sünden, wie auch sein Vertrauen auf Christum eine solche Beschaffenheit hat, wie bisher ist vorgestellt worden, so darf er festiglich glauben, daß er wahrhaftig Gnade und Vergebung erlange, und wenn er auch der größte Sünder in der Welt gewesen wäre. In der großen Buße, welche vor der Rechtfertigung hergeht, da sich der Mensch bekehrt von der Finsterniß zum Licht und von der Gewalt des Satans zu Gott, Apost. Gesch. 26, 18., ist dieser Proceß unumgänglich nöthig, und alle diese Uebungen sind mit vielen Empfindungen des Geistes verknüpft. Man empfindet einen innigen Schauer, wenn man seine Sünden tief einsehen, und sein greuliches Verderben lebendig erkennen lernt; man empfindet eine wahrhaftige göttliche Traurigkeit in größerem oder geringerem Maaß, wie auch einen innigen Ekel, Abscheu und Haß gegen alle Sünden, wenn man sie bereuet; man fühlt die Hand Gottes, die das Herz so lange drückt, bis es mit dem freien Bekenntniß völlig herausgeht; es ist Einem bei der Abbitte nicht anders zu Muth, als einem Uebelthäter, der auf das Innigste um sein Leben bittet; und das Verlangen nach Christo ist so empfindlich, als ein heimlicher Hunger und Durst bei einem gesunden Menschen, der lange nichts gegessen und getrunken hat. Doch muß man hiebey noch zweierlei merken:

1) Daß alle diese Bußübungen an sich selbst nicht so weit voneinander zerstreut liegen, wie es scheint, wenn man sie nach einander betrachtet. Denn weil unser Verstand nicht Alles auf einmal einsehen, und unsere Worte viele Sachen nicht auf einmal aussprechen können: so sind wir genöthigt, auch diejenigen Wahrheiten, die in sich selbst aufs genaueste mit einander verknüpft sind und ein Ganzes ausmachen, aus einander zu setzen, und Eine nach der Andern zu erklären; deßwegen sind sie aber in sich nicht von einander entfernt, sondern stehen beisammen. Es wäre also ein irriger Begriff, wenn man sich das Geschäft der Buße so vorstellen wollte, daß man eine Zeit lang mit der Erkenntniß der Sünde, darnach eine Zeit lang mit Bereuung derselben, darauf eine Zeit lang mit dem Bekenntniß, ferner eine Zeit lang mit der Abbitte, und endlich eine Zeit lang mit dem Vertrauen auf Christi Verdienst zubringen müßte. Nein, so geht es nicht in der Ausübung; sondern sobald der Geist Gottes eine lebendige Erkenntniß des sündlichen Verderbens wirkt, sobald empfindet auch das Herz einen heilsamen Gnadenschlag zur wahren Zerknirschung und göttlichen Traurigkeit, sobald wird es gelockt, oder getrieben, oder gedrängt zum freien Bekenntniß, und kommt zu demselben je nachdem es mehr oder weniger Schwierigkeiten macht. Sobald aber der Mensch so herausgeht, und sich vor Gott als ein verfluchter Sünder darstellt: so tritt er zugleich hervor als ein Uebelthäter, der um Gnade und Leben bittet, und zu gleicher Zeit weiß er seine Bitte auf nichts Anderes zu gründen, als auf Christi Versöhnopfer.

Ob nun schon die ganze Bekehrung nicht auf einen Schlag geschieht, und es auf der andern Seite ein neuer Irrthum ist, wenn man vorgibt, ein Sünder könne in etlichen Minuten fertig sein, daß er aus einem Kind des Teufels ein Kind Gottes werde: so ist es doch nicht weniger ein sehr schädliches Vorurtheil, wenn Manche dafür halten, es werde zu einer solchen Bekehrung eine sehr lange Zeit erfordert. Es ist freilich nicht zu leugnen, daß sich dieses höchstwichtige Werk bei vielen Menschen lang verzögert, bis sie zur Rechtfertigung kommen; aber sie sind selbst Schuld daran. Sie gehen mit der vorlaufenden Gnade nicht treulich um, entziehen sich öfters der Zucht des Heiligen Geistes, und lassen sich durch allerlei Hindernisse von dem völligen Uebergang zur Gnade zurückhalten. Würden sie mit der bekehrenden Gnade recht umgehen, so wäre eine so lange Verzögerung nicht nöthig. Die mächtige Gnade Gottes ist nicht nur reich genug an Erbarmung, auch dem größten Sünder alle seine Sünden bald zu vergeben; sondern sie hat auch Kraft genug, sein böses Herz bald zu verändern. Der schnaubende Christenmörder Saulus hatte nicht Jahr und Tag nöthig, ein bekehrter Paulus zu werden; sondern die große Veränderung kam bei ihm in etlichen Tagen zu Stande, Apost. Gesch. 9. Nachdem ihn die vorlaufende Gnade auf dem Wege aus seinem tiefen Sündenschlaf erweckt, so war er drei Tage blind, aß nicht und trank nicht, V. 9, und ließ unterdessen sein hartes Herz durch die bittern Wirkungen der Gnade recht durchmalmen. Darauf kam Ananias zu ihm, verkündigte ihm das Evangelium, und taufte ihn, V. 17. 18. 19; darnach blieb er noch etliche Tage bei den Jüngern, und alsbald predigte er Christum, V. 19. 20. Sehet, wie wenige Tage dazu erfordert worden, aus einem Sclaven des Teufels ein gerechtfertigtes Kind Gottes, und aus einem so grausamen Verfolger einen Apostel und Prediger des Evangelii zu machen. Es ist freilich nicht zu leugnen, daß bei diesem Exempel eine außerordentliche Führung gewesen; aber man kann doch daraus beweisen, daß die Gnade Gottes mächtig genug sei, einen großen Sünder bald zu bekehren; und wenn alle Sünder mit derselben so treu umgingen, wie Paulus: so würde gewißlich keiner nöthig haben, nur einen Monat, zu geschweigen viele Jahre zu warten, bis er Vergebung der Sünden erlangte, und ein verändertes Herz bekäme. Man hat

2) zu merken, daß in der täglichen Buße nach erlangter Rechtfertigung die bisher erklärten Bußübungen und Eigenschaften insgemein nicht so empfindlich sind, als in der großen Buße vor der Rechtfertigung. Denn weil die Gläubigen in dem Lauf der Heiligung keine so große Empfindungen ordentlicher Weise nöthig haben, so werden solche auch durch die Natur der Sache nicht erfordert; Gott handelt aber mit uns in seinem Gnadenreich, wie auch im Reich der Natur, nach dem Zweck seiner vollkommensten Weisheit, das ist, wie es die Natur der Sache mit sich bringt.

Durch diese Anmerkung wird einem großen Vorurtheil vorgebeugt, welches manche Schwachgläubige noch mehr entkräftet, und ihnen den Genuß des heiligen Abendmahls zu einer gesetzlichen und ängstlichen Handlung macht. Denn sie meinen, sie müßten allemal, ehe sie zur Beichte und zum Tisch des Herrn gehen, so große Empfindungen von einem heiligen Schauer in der Erkenntniß der Sünden und Gewissensprüfung, und von Angst und Traurigkeit haben, und es müßte ihnen allemal so zu Muth sein, wie einem Uebelthäter, der vor Gericht steht. Daher suchen sie zwar solche Empfindungen durch Anstrengung ihrer Gemüthskräfte zu erzwingen; wenn ihnen aber der Geist Gottes den Willen nicht thut, und sie nicht so behandeln will, wie er die Sclaven des Satans behandelt, die zum ersten Mal errettet werden sollen: so kommen sie auf die zweifelhaften Gedanken, ihre Buße sei nicht rechter Art, und sie könnten nicht würdig zum heiligen Abendmahl gehen. Dahingegen sollte man bedenken, daß ein gerechtfertigtes Kind Gottes, so lang es in dem Stande der Gnaden bleibt, nicht nöthig habe, auch nur ein einziges Mal, zu geschweigen so vielmal, als es zum heiligen Abendmahl geht, die große Buße zu wiederholen; folglich hat es auch die großen Empfindungen nicht nöthig, welche die Natur der Sache in, derselben erfordert. Es ist also genug, wenn es zur Beichte und zur Tafel des Herrn ein gebeugtes, armes, elendes, gnadenhungriges Herz bringt, das den Herrn Jesum lieb hat und begierig ist, sich an seiner Tafel zu erquicken und eine neue Nahrung des Geistes zu holen. Dabei bleibt das Gemüth evangelisch, die Kraft des Glaubens wächst, und die Liebe gegen den Herrn Jesum wird munter, freudig und herzlich.

§ 9.

Was endlich den redlichen Vorsatz, sein Leben zu bessern, anlangt, so ist derselbe als eine Frucht der wahren Bekehrung anzusehen. Bei einem Kind Gottes, das in der Heiligung wandelt, ist es nicht nöthig, diese Frucht in eine scharfe Prüfung zu ziehen; denn es geht ohnedies täglich mit dem Gedanken um, wie es sich Gott immer besser ergeben, völlig aufopfern, und ein ganzes Eigenthum des Herrn Jesu werden wolle. Da nun eben dieses seine redliche Entschließung ist, so oft es zum heiligen Abendmahl geht: so hat es mit seinem guten Vorsatz seine Richtigkeit.

Wenn aber die Rede ist von solchen Menschen, welche zum ersten Mal zur Gnade übergehen: so hat man auf diese Frucht der Bekehrung sorgfältiger zu merken. Denn weil das Herz gar betrüglich ist und viele tausend Menschen mit der süßen Einbildung einschläfert, als ob sie sich wirklich bekehrt hätten: so muß man Kennzeichen haben, woraus man die Beschaffenheit der Bekehrung beurteilen, und Früchte, von welchen man auf die Natur des Baumes mutmaßen kann. Da nun diese Früchte alle in dem guten Vorsatz zusammenfließen, so muß man sich vor allen Dingen von demselben einen richtigen Begriff machen.

Der gute Vorsatz kann nicht statt haben, wo die Sünde noch herrscht; die Sünde aber herrscht, wo noch eine Liebe, Belustigung und vorsätzliche Einwilligung zu einer einzigen Sünde übrig ist Vor dem guten Vorsatz muß demnach ein wahrer Haß gegen die Sünde vorhergehen, und dann beschließt der Mensch bei sich festiglich, diesen Haß immer fortzusetzen, gegen die Sünden zu streiten, und die anklebenden Schwachheiten immer mehr abzulegen und zu entkräften. Es ist seine redliche Entschließung, dem Teufel und den sündlichen Eitelkeiten der Welt den Dienst auf ewig aufzukündigen, und sollte dieses auch mit dem Verlust der zeitlichen Ehre, der irdischen Güter, ja des natürlichen Lebens selbst verknüpft sein. Es ist bei ihm eine ausgemachte Sache, von nun an und immerdar seine Lust an Gott und seinem Wort zu haben, sein ganzes Leben nach demselben einzurichten, Leib und Seele dem Herrn Jesu zu einem beständigen Eigenthum hinzugeben, und dem Heiligen Geist das Herz zu einer bleibenden Wohnung und Werkstatt einzuräumen, in welcher er seine Gnadenwirkungen immer besser, lebendiger und herrlicher ausführen könne.

Wie aber dieses Alles in diesem redlichen Vorsatz ganz fest und unbeweglich beschlossen worden ist: so wagt doch ein solcher Mensch nicht das Geringste davon auf seine eigenen Kräfte; denn er hat seine geistliche Armuth und Ohnmacht in der Buße tief eingesehen. Daher ist ein solcher Vorsatz nicht sowohl ein Gelübde, das man Gott verspricht, als ein Hangen an seiner Gnade, ein Aussehen auf seine beständige Hülfe, und eine demüthige Bitte um seinen Beistand: Herr stärke mich! Herr hilf mir! Herr laß mich nicht wieder sinken! Ich lasse dich nicht, bis du mich mit genügsamer Kraft segnest, das Alles zu thun, was ich mir in deinem Namen vorgesetzt habe.

O wie viele tausend Menschen stehen in dem Gedanken, sie seien bekehret, und haben Vergebung der Sünden erlangt, da sie doch keinen Schatten von diesem Vorsatz haben, und sich also auf die elendeste Weise selbst betrügen!

Es betrügen sich Alle, welche bei ihrer vermeinten Buße sogar den bösen Vorsatz haben, an der Sünde fernerhin mit Liebe hangen zu bleiben, und dieselbe mit Willen zu begehen.

Es betrügen sich Alle, die zwar einigen Sünden absagen, einige aber zurückbehalten, und gleichsam mit Gott capitulieren wollen, daß er ihnen doch nicht alle liebe Sünden und Werke des Teufels wegnehmen und zerstören solle.

Es betrügen sich Alle, die ihrem guten Vorsatz so enge Grenzen setzen, daß sie nur auf einige Tage vor und nach dem heiligen Abendmahl fromm werden, nachgehende aber desto mehr wieder sündigen wollen.

Diese Leute hassen die Sünde nicht, sondern nur die Strafe, und diese treibt sie an, daß sie Vergebung suchen. Der Teufel soll das Herz besitzen, so lang sie leben; aber wenn sie todt sind, so soll es ihm Gott aus den Klauen reißen, damit ers nicht mit in die Hölle schleppe. Sie begehren Christum nur als einen Hohenpriester, der ihre Sünden gut mache; aber nicht als einen Propheten, der sie lehre; nicht als einen König, der sie beherrsche; nicht als ein Exempel, dem sie nachfolgen. Sie wollen Feinde Gottes bleiben, und sein Gesetz immer muthwillig übertreten; aber er soll sie deßwegen nur nicht vor Gericht fordern. Was würde man von einem Uebelthäter denken, welcher zwar um sein Leben bitten, aber dem Richter zugleich die Erklärung thun wollte, daß er sich künftighin nicht bessern, sondern seinen Mord, Straßenraub, Diebstahl und andre Bosheiten fortsetzen würde, so lang ihm die Augen aufstünden aber er bäte nur, daß ihn der Richter deßwegen weder jetzo noch künftig zur Strafe ziehen möchte? Würde man nicht einen solchen Menschen für unsinnig halten, daß er bei dieser Erklärung auf die Gedanken gekommen, der Richter werde ihm dennoch bloß um seines Bittens willen die Strafe nachlassen? Aber kommen nicht viele tausend Menschen in eben der Unsinnigkeit zum Beichtstuhl, bei denen es eine ausgemachte Sache bleibt, immerfort zu sündigen, und sich darin nicht stören zu lassen, und welche dennoch in dem Wahn stehen, weil sie dem höchsten Richter aus bloßer Gewohnheit ein paar gute Worte geben, er werde sie in Zeit und Ewigkeit nicht strafen? Ach Gott! öffne ihnen doch die Augen, daß sie ihre Blindheit erkennen lernen.

§ 10.

Nachdem wir bisher von der Beschaffenheit derjenigen, die da beichten wollen, geredet haben: so müssen wir nun auch zeigen, nach der 2. gemachten Eintheilung, wem man beichten solle.

Da nun die heilige Schrift die Beichte oder das Bekenntniß der Sünden theils gegen Gott, theils gegen seine Diener, denen er das Amt der Versöhnung aufgetragen, theils gegen den Nächsten, den man beleidigt hat, erfordert: so wollen wir von einer jeden Art desselben kürzlich handeln.

§ 11.

Das Bekenntniß der Sünden gegen Gott ist das wichtigste und nothwendigste, ohne welches es uns nichts helfen würde, wenn wir gleich unsere Sünden der ganzen Welt beichten und bekennen wollten.

Wie ungern der Sünder zu diesem Bekenntniß komme, und worin dasselbe eigentlich bestehe, das ist oben 6. schon angezeigt worden, daher es nicht nöthig ist, die Sache noch einmal zu wiederholen; sondern ich füge nur noch hinzu, daß wir uns vor Gott aller Sünden schuldig geben müssen, auch die wir nicht erkennen. Das Verderben, so uns angeboren wird, ist so tief und so groß, daß es den Samen zu allen Sünden in sich trägt, welcher sich auch wirklich in uns regt, wenn sich nur eine Gelegenheit hervorthut, da er sich regen kann; und wenn nicht Gott über uns wachte, so wäre ein jeder Mensch, seinem natürlichen Verderben nach, im Stande in die allergreulichsten Laster zu verfallen. Weil aber der Same zu allen Sünden so tief in uns liegt: so sieht das Auge des Herrn unzählig mehr Sünden in uns, als wir selbst erkennen, und die meisten bleiben uns verborgen; daher hat ein Jeder Ursach, mit der innigsten Beugung seines Herzens mit David zu sagen: Wer kann merken, wie oft er fehlet? verzeihe mir auch die verborgenen Fehle, Ps. 119, 112.

§ 12.

Was die Diener Gottes anlangt, denen er das Amt der Versöhnung in seinem Gnadenreich anvertrauet hat: so ist es nicht nöthig, daß man denselben alle Sünden erzähle, indem solches weder die Natur der Sache noch die heilige Schrift von uns fordert; sondern es ist genug, wenn man nur zweierlei hiebe! bemerkt.

  1. Wenn man in Ansehung seiner begangenen Sünden keinen besonderen Unterricht nöthig hat, so gibt man ihnen nur überhaupt zu verstehen, daß man sich für einen armen Sünder erkenne, seine Uebertretungen herzlich bereue, in Christo Vergebung suche, von dem Amt der Versöhnung an Christi statt die Absolution begehre, und den redlichen Vorsatz hege, sein Leben zu bessern. Auf diese Art der Beichte sind alle gewöhnlichen Beichtformeln gerichtet.
  2. Wenn man sich aber in besondern Umständen befindet, und mit den begangenen Sünden solche Dinge verknüpft sind, daß man für sich keinen Rath zu finden weiß, wie man sich in Ansehung derselben verhalten solle; oder wenn man zu keiner Gewißheit kommen kann, ob die Bekehrung rechter Art sei, und ob man sich der Vergebung der Sünden getrösten könne: so ist es nöthig, daß man einem erfahrenen Knecht Gottes den Zustand seines Herzens näher entdecke, und sich seines Raths und Unterrichts bediene. Wie heilsam und nützlich dieses sei, erfahren diejenigen, welche diese Regel beobachten, und es wäre zu wünschen, daß auch alle Andere, denen es an geistlicher Weisheit mangelt, sich selbst zu rathen, solche beobachten möchten; denn da würden sie oft in kurzer Zeit von allen den Zweifeln- befreit werden, die sie wohl sonst die Tage ihres Lebens tragen müssen. Ist dabei ein Prediger ein Mann nach dem Herzen Gottes, ist er ein treuer Hirt und sorgfältiger Wächter über die Seelen, hat er die Wege des Herrn in der Bekehrung und täglichen Heiligung aus eigener Erfahrung kennen lernen, und von Gott die nöthige Weisheit und Tüchtigkeit zu den mancherlei Führungen der Seelen empfangen, ist bei ihm herzliches Erbarmen und Mitleiden gegen arme Sünder, gegen angefochtene und bedrängte Gewissen: so darf eine Seele nicht besorgt sein, wenn sie ihm ihren Zustand offenherzig entdeckt, daß sie ihren Credit bei ihm verlieren, oder durch ihn bei Andern ausgetragen werden möchte, oder daß er sich vielleicht nicht im Stande befinde, einen heilsamen Rath zu ertheilen, und was dergleichen Einwendungen mehr sind, wodurch sich Manche von der so nöthigen Entdeckung ihres Seelenzustandes abhalten lassen. Gleichwie es aber in solchen Fällen nöthig ist, daß man um Rath frage: also ist es auch nöthig, daß man einem weisen Rath treulich folge. Manche vergessen das Letzte, und wieder-, holen immer nur das Erste, und haben es daher Niemand anders als sich selbst zuzuschreiben, wenn ein guter Rath bei ihnen nicht anschlägt, und sie immer in ihrem alten Elend stecken bleiben.

§ 13.

Endlich ist noch eine Art der Beichte oder des Bekenntnisses der Sünden übrig, welches gegen den Nächsten geschehen muß, den man beleidigt hat.

Weil an dieser Pflicht einestheils sehr viel gelegen, anderntheils aber das verderbte Herz die Menschen gar sehr zurückzieht, daß sie dieselbe nicht ausüben sollen: so will ich davon folgenden Unterricht ertheilen:

  1. Diese Pflicht wird uns in der heiligen Schrift nachdrücklich eingeschärft. So heißt es Jac. 5, 16.: Bekenne Einer dem Andern seine Sünden; und Christus spricht Matth. 5, 23. 24.: Wann du deine Gabe auf dem Altar opferst, und wirst allda eingedenk, daß dein Bruder etwas wider dich habe: so laß allda vor dem Altar deine Gabe, und gehe zuvor hin, und versöhne dich mit deinem Bruder, und alsdann komm und opfere deine Gabe. Bei diesen Worten machen wir billig den Schluß: Wenn nicht einmal die Opfer des alten Testaments, welche in Unversöhnlichkeit gebracht worden, Gott dem Herrn angenehm sein konnten: so kann es ihm vielweniger angenehm sein, wenn ein Mensch bei den gottesdienstlichen Handlungen des neuen Testaments, sonderlich bei dem großen Liebesmahl des Heilandes, ein unversöhnliches Herz hat. Denn wie die Natur der Liebe sich überhaupt im neuen Testament, sonderlich aber im heiligen Abendmahl, in einem weit höheren Grad offenbart, als in dem vorbildlichen Opferdienst des alten Testaments: also sollen auch unsere Herzen mit einer stärkern und reinern Liebe gegen einander durchdrungen sein, wenn wir vor unsern versöhnten himmlischen Vater treten, und wenn wir den Leib und das Blut des liebreichen Heilandes genießen wollen, der sich aus Liebe für uns in den Tod gegeben hat.
  1. Dieses Bekenntniß, welches dem beleidigten Nächsten geschieht, muß aufrichtig und herzlich sein. Der Beleidigte mag größer oder geringer, besser oder schlimmer sein, als wir sind, so sind wir ihm diese Pflicht schuldig. Alle Einwendungen des betrüglichen Herzens müssen da bei Seite gethan werden. Geht es uns selbst nahe, thut es uns wehe, daß wir ihn beleidigt haben, sehen wir es an für eine große Sünde, und das Herz ist darüber geschmolzen: so werden wir von selbst, freiwillig, aufrichtig und herzlich unser Bekenntniß und unsere Abbitte thun. Es wird nicht nöthig sein, daß man uns zu dieser Pflicht erst durch viele Gründe bewege, oder durch harte Mittel zwinge; wir werden unversteckt, ohne Heuchelei, und ohne Rückbehalt einiger Falschheit zu Werke gehen, als welches Alles die Natur solcher Abbitte von uns erfordert.
  1. Der Beleidigte ist eben so schuldig zu vergeben, als der Beleidiger schuldig ist, ihm Abbitte zu thun. Hier gelten wieder keine Einwendungen und Entschuldigungen, und wenn der Beleidigte ein Herz hat, das mit der Liebe Christi durchdrungen ist: so wird seine Vergebung eben die Eigenschaften haben, welche in der Vergebung liegen, die wir von Christo erlangen. Er wird seinem Nächsten freiwillig, ans wahrer Liebe und inniger Erbarmung, aufrichtig und herzlich, seine Beleidigungen verzeihen, ohne Rückbehalt einiges Hasses und Rachbegierde.

Weil das menschliche Herz bei dieser Vergebung die meisten Schwierigkeiten macht: so wird dieselbe auch in der heiligen Schrift am meisten eingeschärft. Man erwäge nur folgende Stellen, so wird man von der Nothwendigkeit dieser Pflicht hinlänglich überzeugt werden. Matth. 5, 25. 26 spricht Christus zu dem Beleidigten: Sei willfertig deinem Widersacher bald, dieweil du noch bei ihm auf dem Wege bist, auf daß dich der Widersacher nicht dermaleinst überantworte dem Richter, und der Richter überantworte dich dem Diener, und werdest in den Kerker geworfen. Ich sage dir: Wahrlich, du wirst von dannen nicht heraus kommen, bis du auch den letzten Heller bezahlest. Matth. 6, 14. 15: So ihr den Menschen ihre Fehler vergebet, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben. Wo ihr aber den Menschen ihre Fehler nicht vergebet, so wird euch euer Vater eure Fehler auch nicht vergeben. Hieher gehört das Gleichniß von dem Knecht, dem sein Herr zehn tausend Pfund Schulden nachließ, der aber seinen Mitknecht um hundert Groschen würgte, und um dieser Unbarmherzigkeit willen zu allen seinen vorigen Schulden wieder verdammt wurde; welches Gleichniß Christus mit diesen Worten beschließt: Also wird euch mein himmlischer Vater auch thun, so ihr nicht vergebet von euren Herzen, ein Jeglicher seinem Bruder seine Fehle. Matth. 18, 33 - 35. Ja diese Pflicht der Vergebung ist so nothwendig, daß sie Christus sogar bei der fünften Bitte des Vater-Unser als eine Bedingung bei der Vergebung, die wir von Gott begehren, beigefügt, und diese Bitte so eingerichtet hat, daß wir allemal wider uns selbst beten müssen, wenn wir entweder gar nicht oder doch nicht recht vergeben wollen. Und in dieser Absicht spricht er auch Marc. 11, 25. 26: Wenn ihr stehet und betet, so vergebet, wo ihr etwas wider Jemand habt; auf daß auch euer Vater im Himmel euch vergebe eure Fehler. Wenn ihr aber nicht vergeben werdet: so wird euch euer Vater, der im Himmel ist, eure Fehler nicht vergeben.

Was diese Vergebung für Eigenschaften haben, auf welchen Tugenden und Geisteskräften sie gegründet sein, und mit welchen sie begleitet werden soll, das zeigt Paulus an Col. 3, 12- 15: So ziehet nun an, als die Auserwählten Gottes, Heiligen und Geliebten, herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demuth, Sanftmuth und Geduld, und vertrage Einer den Andern, und vergebet euch unter einander, so Jemand Klage hat wider den Andern; gleichwie Christus euch vergeben hat, also auch ihr. Ueber Alles aber ziehet an die Liebe, die da ist das Band der Vollkommenheit, und der Friede Gottes regiere in euren Herzen, zu welchem ihr auch berufen seid in Einem Leibe, und seid dankbar.

Weil übrigens die Pflicht der Versöhnung zwei Personen erfordert, welche sich rechtmäßig dabei verhalten sollen, nämlich eine, welche beleidigt hat, und die andere, welche beleidigt worden: so wäre zwar zu wünschen, daß sie allemal beiderseits in derjenigen Gemüthsbeschaffenheit stehen möchten, welche zu der Versöhnung nöthig ist. Allein da die Erfahrung lehrt, daß dieses nöthige Werk der Liebe bald von der einen, bald von der andern Seite verhindert wird, so entsteht die Frage: Wie derjenige seinem Gewissen in solchem Fall rathen könne, der sich gern versöhnen wollte, aber wegen seines Gegentheils nicht dazu gelangen kann?

Diese Frage macht manchen schwachen Gemüthern so viel zu schaffen, daß sie dabei in die größte Unruhe und Verlegenheit gesetzt werden, ja oft an der Möglichkeit der Vergebung ihrer Sünden so lange zweifeln, und von dem heiligen Abendmahl so lang zurückbleiben, bis ihr Gegentheil sich entschließt, auch von seiner Seite in die Versöhnung einzuwilligen, da man sich also ohne Noth durch die Unart eines andern Menschen fesseln, an der Freudigkeit des Glaubens stören, und um das Kleinod des heiligen Abendmahls bringen läßt.

Hiebey ist nun wohl zu merken, daß Gott mit uns zufrieden ist, wenn wir von unserer Seite das Unsrige thun, und daß uns in diesem Fall die Unarten eines Andern nicht zugerechnet werden. Wenn wir nur für uns wahrhaftig zur Versöhnung geneigt sind, und den Gegentheil entweder mit Worten oder mit Werken davon überzeugen, auch für ihn beten, und also in der Liebe gegen unsere Feinde vor Gott offenbar sind, im Uebrigen. aber in wahrer Buße und Glauben vor ihm stehen: so dürfen wir uns von der Vergebung unserer Sünden versichert halten, und ohne Furcht und Zweifel zum heiligen Abendmahl gehen.

Die Entscheidung der obgedachten Frage gründet sich auf den klaren Ausspruch Christi Luc. 17, 3. 4: So dein Bruder an dir sündiget, so strafe ihn, das ist, überzeuge ihn in Liebe und Ernst, daß er dir Unrecht thue, und sich selbst dadurch schade; und so er sich bessert, vergib ihm. Und wenn er siebenmal des Tages an dir sündigen würde, und siebenmal des Tages wiederkäme zu dir, und spräche, es reuet mich: so sollst du ihm vergeben. Hier erfordert zwar Christus von dem Beleidigten ein liebreiches Herz, das beständig geneigt sei zur Vergebung; denn wer solches nicht hat, der wird gewiß nicht den Muth haben, an einem Tage siebenmal zu vergeben; aber die Vergebung und Aussöhnung selbst gründet er auf die Bedingung, wenn sich der Beleidiger bessert und Abbitte thut; so er sich bessert, so vergib ihm; wenn er wiederkommt zu dir, und spricht: Es reuet mich; so sollst du ihm vergeben. Die Natur der Sache bringt es auch nicht anders mit sich; denn wenn der Beleidiger die Vergebung nicht haben will, so kann sie ihm von dem Beleidigten auch nicht wirklich mitgetheilt werden. Ja Gott selbst kann mit seilen Feinden nicht anders umgehen. Er ist zwar allezeit geneigt, ihnen ihre Sünden zu vergeben; aber er vergibt sie nicht eher wirklich, bis es ihnen um diese Wohlthat redlich zu thun ist, und bis dahin läßt er nicht ab, seine Feinde auf allerlei Weise zu überzeugen, daß er ihnen gern ihre Beleidigungen vergeben und seinen Frieden schenken wollte. Sucht man nun mit seinen Feinden so umzugehen, wie Gott mit den Sündern umgeht, so kann man sich beruhigen, und er fordert von uns nicht mehr, als was er selbst thut.

Was ich hier sage von denen, die beleidigt werden, das gilt auch sogar von den Beleidigern selbst. Hat Jemand seinen Nächsten beleidigt, und bittet denselben aufrichtig um Vergebung, der Beleidigte ist aber so hart und unversöhnlich, daß er nicht vergeben will: so wird dieser aus einem Beleidigten zu einem Beleidiger, indem er seinem Bruder die Pflicht der Versöhnung abschlägt, die er ihm doch nach Gottes Befehl schuldig ist. Und wenn dabei derjenige, so ihn zuerst beleidigt, aber solches abbittet, in wahrer Buße und Glauben zu Gott steht: so kann er sich dennoch der Vergebung der Sünden versichert halten, und getrost zum heiligen Abendmahl gehen.

4) Mit dem Bekenntniß gegen den Nächsten ist auch verknüpft die Wiedererstattung dessen, was man ihm entwendet hat. Diese Entwendung besteht überhaupt in allen Arten des Schadens, den man dem Nächsten zufügt, es sei in geistlichen oder leiblichen Dingen, an seiner Gesundheit, oder Ehre, oder zeitlichen Gütern. Die Wiedererstattung hat also einen größern Umfang, als sich viele Menschen einbilden, indem sie meinen, sie gehe nur die zeitlichen Güter an, die man einem Andern gestohlen habe.

Ueberhaupt ist aber bei dieser Pflicht zu merken, daß Gott dieselbe nur so weit von uns fordere, als es uns durch seine Gnade möglich ist, sie zu erfüllen, welche Regel auch sonst bei allen Pflichten des Christenthums mit zum Grunde liegt. Kann nun der Schade, den wir dem Nächsten zugefügt haben, durch unsere Wiedererstattung entweder gar nicht, oder nicht ganz gehoben werden: so ist Gott mit uns zufrieden, wenn wir ihm, welches ohnedies geschehen muß, unsere Sünden desto herzlicher abbitten, und ihn zugleich demüthig anflehen, daß er unsern Mangel an unserm Nächsten selbst ersetzen wolle. Hat man z. E. Jemand Schaden zugefügt im Geistlichen, daß man ihn zu Irrthümern oder andern Sünden verführt: so ist man schuldig, nach allem Vermögen dahin zu trachten, daß er wieder auf den rechten Weg geführt und zu Gott bekehrt werde; will er sich aber nicht erretten lassen, so bleibt nichts übrig, als daß man seine wehmüthige Fürbitte bei Gott für seine Seele fortsetze. Hat man Jemand an der Gesundheit des Leibes beschädigt, so ist man schuldig, für deren Herstellung nach aller Möglichkeit zu sorgen. Hat man Jemand an seiner Ehre gekränkt, und durch Lügen und Verleumdungen seinen guten Namen angeschwärzt, so ist man verbunden, so viel als möglich zu widerrufen, was man in Unwahrheit geredet oder geschrieben. Hat man dem Nächsten etwas von zeitlichen Gütern entwendet, und man ist im Stande, ihm Alles, oder doch Etwas wieder zu geben, so ist man verpflichtet, solches ihm selbst, oder wenn er todt ist, seinen Erben, oder wenn auch diese nicht vorhanden, den Universalerben Gottes, nämlich den Armen zu erstatten.

Ist diese Erstattung möglich, und man thut sie nicht, so bleibt es bei der alten Regel: Die Sünde wird nicht vergeben, wenn das entwendete Gut nicht ersetzt wird. Welche Regel sich aus die Natur der Sache gründet; denn ein solcher Mensch verharrt noch immer in Diebstahl und Ungerechtigkeit, hat die Sünde lieb, und will sie nicht von sich thun, folglich läßt er sich durch die Herrschaft der Sünde noch fesseln, und kann also der Gnade Gottes nicht fähig sein.

Die Nothwendigkeit der Wiedererstattung erkannte Zachäus wohl; daher faßte er die Entschließung, sobald er anfing sich zu bekehren und Christum kennen zu lernen und sprach: Siehe, Herr, die Hälfte meiner Güter gebe ich den Armen, und so ich Jemand betrogen habe, das gebe ich vielfältig wieder, Luc. 19, 8. Er gründet diesen seinen Vorsatz auf das göttliche Gesetz, 2 Mos. 22, woselbst die Wiedererstattung in mancherlei Fällen geboten wird. Siehe auch 2 Sam. 12, 6. Sprüchw 6, 31. Esaj. 58, 6. 8. 14.

§ 14.

Bisher haben wir die Materie von der Beichte erläutert, und nun müssen wir nach der schon oben 1. gemachten Eintheilung, auch von der Absolution den nöthigen Unterricht ertheilen.

Das Wort Absolution bedeutet eigentlich eine Erlassung oder Loslassung, und ist bei einem bußfertigen Sünder nichts anders, als die Rechtfertigung oder Vergebung der Sünden, die ihm von Gott um Christi willen geschenkt wird.

Diese Absolution haben wir zu betrachten theils an sich selbst, theils in Absicht auf das Amt der Versöhnung, welches Gott seinen Dienern anvertraut, und durch dasselbe den Bußfertigen die Vergebung der Sünden mittheilt.

§ 15.

Was die Absolution an sich selbst anlangt, so kann Niemand derselben theilhaftig werden, als wer wahrhaftig zu Gott bekehrt ist, oder sich noch bekehrt. Ist Jemand in seiner Taufgnade von Jugend auf stehen geblieben, so ist er in diesem seligen Zustand der Vergebung der Sünden stets fähig, und hat nicht nöthig, sich von der Finsterniß zum Licht, und von der Gewalt des Satans zu Gott zu bekehren. Wer aber durch muthwillige, herrschende Sünden aus dieser Gnade gefallen ist, der muß diejenige große Buße erfahren, welche oben 3 bis 9 beschrieben worden, wenn er der Vergebung seiner Sünden will theilhaftig werden. Dieses ist die Bedingung, welche Gott in seinem Wort ausdrücklich festgesetzt hat, wie man unter andern sehen kann Ezech. 18, 21. 22. 23. 32. Cap. 33, 11. Marc. 1, 15. 2 Petr. 3, 9.

Wer sich nun zu Gott bekehrt, bei dem geht in Gottes Gericht zweierlei vor; denn etwas wird ihm nicht zugerechnet, und etwas wird ihm zugerechnet. Jenes ist die Sünde, und dieses das Verdienst Christi. Siehe Röm. 4, 1-8.

Sobald nämlich ein armer Sünder elend und Leid tragend seine Zuflucht zu dem Versöhnopfer Jesu Christi nimmt, und in aufrichtiger Bekehrung Gnade sucht, sobald geschieht der gerichtliche Ausspruch von dem Thron der göttlichen Gerechtigkeit und Barmherzigkeit: Dieser Mensch soll leben, und nicht sterben. Alles Böse, so er gethan, wird ihm nicht zugerechnet, weil sich Christus dasselbe hat zurechnen lassen; alle Schulden werden ihm nachgelassen, weil sie Christus bezahlet; alle Strafen, die er in Zeit und Ewigkeit hätte leiden sollen, werden von ihm weggenommen, weil sie Christus getragen hat.

Wie ihm nun seine Sünden nicht zugerechnet werden, also wird ihm hingegen zugerechnet die vollkommene Gerechtigkeit und Genugthuung Jesu Christi. Es wird ihm zugerechnet sein Gehorsam, den er dem Gesetz geleistet, als ob ihn der Sünder geleistet hätte. Es wird ihm zugerechnet sein ganzes Leiden und sein Versöhnungstod, als ob der Sünder alles dieses gelitten und damit seine Sünden selbst bezahlt hätte. Und daraus erhellt, wie hoch, vollkommen und herrlich diese Absolution, Rechtfertigung oder Vergebung der Sünden sei. O unendliche Gnade! O unerforschlicher Reichthum der ewigem Barmherzigkeit! welche alle Sünden auf einmal tilgt und den armen Sünder mit Christi Blut und Gerechtigkeit so schön bekleidet, daß er vor Gott bestehen kann.

Es muß aber hiebei Niemand auf die Gedanken kommen, als wenn diese Rechtfertigung auf eine solche Weise allein vor Gottes Gericht außer dem Menschen vorgehe, daß er in sich selbst nichts davon erfahre. Nein; sondern die Seele eines Gerechtfertigten wird es auf eine doppelte Weise inne, daß sie im Gericht Gottes Vergebung erlangt habe; denn sie bekommt Frieden und Stärke. Sie erlangt

1) Frieden mit Gott; denn so spricht Paulus Röm. 5, i: Nun wir denn sind gerecht worden durch den Glauben, so haben wir Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesum Christum. Sie merkt es gar deutlich, daß das Wort auch sie angehe: Sei getrost, mein Kind, deine Sünden sind dir vergeben! Sie genießt die Erquickung des Herrn Jesu, und findet Ruhe in seinen Wunden, nachdem sie mühselig und beladen zu ihm gekommen ist. Die Verdammung des Gewissens hört auf, die Schrecken des Todes weichen, die Stürme der vorigen Unruhe legen sich und werden stille, und sie lernt Jesum in seiner Freundlichkeit kennen, und merkt, daß er das verlorene Schäflein nunmehr mit Freuden auf seine Achseln legt und zur Heerde trägt. Dabei geschieht es öfters, daß der liebe Heiland einer solchen gerechtfertigten Seele einen Vorschmack des ewigen Lebens schenkt und sie trunken macht mit den reichen Gütern seines Hauses, worüber sie alle vorige Angst vergißt, und so in seine zarte Liebe versenkt wird, daß sie sich auf immer und ewig zu seinem Eigenthum verschreibt.

Doch ist hiebei wohl zu bemerken, daß sich dieser Friede Gottes nicht allemal, auch nicht beständig in einer so hohen empfindlichen Beruhigung und Freudigkeit äußert. Gottes Weisheit findet es öfters für gut, daß sie uns ein geringes Maaß davon mittheilt und das größere auf eine gelegenere Zeit verspart; ja sie sieht es manchmal für gut an, daß sie die Gerechtfertigten in Traurigkeit und Anfechtungen dahin gehen läßt, damit ihr Glaube in diesem Schmelzofen desto mehr geläutert, das Herz desto gründlicher verändert und zur wahren Treue besser zubereitet werde. Und wenn dieses kommt, so müssen wir bedenken, daß wir nicht auf freudige Empfindungen, sondern auf das Wort Gottes gewiesen sind. Sind wir zu der Zeit uns nur bewußt, daß wir die Kennzeichen der Buße und des Glaubens an uns haben, so gibt uns das Wort Gottes die Versicherung, daß wir in der Gnade stehen, und dieses Wort ist alsdann allein der Stab, woran sich der Glaube hält, und in aller Dunkelheit der traurigsten Empfindungen auf dem schmalen Wege zum Leben fortgeht.

2) Es erlangt aber auch die Seele in der Rechtfertigung eine geistliche Stärke; denn so spricht der Heiland von Allen, die bei ihm Gnade erlangen, Esaj. 45, 23. 24: Mir sollen sich alle Knie beugen, und alle Zungen schwören und sagen: Im Herrn habe ich Gerechtigkeit und Stärke. Die Stärke ist demnach so genau mit der Gerechtigkeit oder mit der Rechtfertigung verbunden, daß keine ohne die andere sein kann. Wer gerecht ist, der ist auch stark, und wer stark ist in dem Herrn, der ist auch vor Gott gerecht. Diese Stärke aber beweist sich darin, daß man das Böse überwinden und dem Guten nachjagen kann.

Doch ist sie auch den Stufen nach unterschieden, und findet sich nicht bei Allen in gleichem Grad. Manche sind nur so stark, wie schwache Kinder, bei welchen die zarte Natur zwar stark und mächtig genug ist, daß sie leben, sich bewegen, Nahrung annehmen und verdauen, und dadurch wachsen, auch ihre Noth durch Schreien offenbaren und ein lallendes Abba rufen können; aber sie können noch keine große Thaten thun; und dieser erste Grad äußert sich gleich nach der Rechtfertigung; er ist aber auch oft noch bei denen zu finden, die schon lange in der Gnade stehen, aber aus mancherlei Ursachen eine kleine Kraft haben. Manche sind so stark wie muntere Jünglinge, die in einer frischen Kraft stehen, und so voller Leben sind, daß sie sich vor Nichts fürchten. Diesen Grad erlangt man im Fortgang auf dem schmalen Wege, wenn man treu ist. Manche haben eine gesetzte Stärke, wie erfahrene und wohlgeübte Männer; aber diese Stufe will Zeit haben, und wird in großer Treue und vielen Uebungen erlangt. Einige stellen sich mit Paulo hin auf den Kampfplatz, wie große Helden, schauen sich munter um, und rufen muthig aus: Wer will uns scheiden von der Liebe Gottes? Trübsal? oder Angst? oder Verfolgung? oder Hunger? oder Blöße? oder Fährlichkeit? oder Schwert? Röm. 8, 25. Andere aber rufen kläglich aus: Herr, hilf uns, wir verderben! Matth. 8, 25. Wer aber diese geistliche Stärke auch nur im geringsten Grad besitzt, der kann so große Dinge thun, die unbekehrte Menschen nimmermehr thun können. Er kann die Liebe zur Sünde überwinden, die Eitelkeit der Welt hassen, gegen die Versuchungen des Satans streiten, das Wort Gottes lieben, nach dem Herrn Jesu und seiner Gnade hungern und dürsten, seufzen und um Gnade schreien, welches lauter Wirkungen sind von der Kraft Gottes, die in ihm wohnt, und welche, wenn der Mensch nur treu damit umgeht, nicht immer so klein bleibt, sondern wächst, und die Seele nach und nach zu einem höhern Grad der geistlichen Stärke führt.

Wer in seiner Bekehrung den göttlichen Frieden und die geistliche Stärke auch nur im geringsten Grad erfährt, und sich dabei bewußt ist, daß er, wenn er vorher durch vorsätzliche Sünden die Taufgnade verloren hatte, durch den Weg einer ernstlichen Buße und eines innigen Hungers und Durstes nach der Gerechtigkeit Christi geführt worden, ehe er sich von der Vergebung seiner Sünden versichert gehalten: der kann mit Recht glauben, daß er diese Vergebung wirklich habe, sollte er auch dabei mit vielerlei Anfechtungen umgeben sein. Wer aber von der ernstlichen Buße, wie sie oben 3 bis 9 beschrieben worden, nichts erfahren, ob er schon in muthwilligen Sünden gelebt, und nicht einmal so viel geistliche Stärke hat, daß er sich von den Fesseln der herrschenden Sünden losreißen, noch von Herzen sich bestreben kann, in den Wegen des Herrn zu wandeln, sondern vielmehr in der Liebe zur Sünde, in. herrschender Einwilligung in dieselbe, und in völliger Ohnmacht und Erstorbenheit zum Guten dahingeht: der betrügt sich selbst, wenn er meint, er habe den rechten Glauben, Vergebung der Sünden, und Frieden mit Gott.

§ 16.

Wir haben aber auch die Absolution, nach der 14. geschehenen Abtheilung, zu betrachten in Absicht auf das Amt der Versöhnung, welches Gott seinen Dienern anvertraut, und durch dasselbe den Bußfertigen Vergebung der Sünden mittheilt.

Das Lehramt wird nicht nur deßwegen ein Amt der Versöhnung genannt, weil es die Versöhnung predigt, 2 Cor. 5,18.19.20., sondern auch, weil Gott durch dasselbe die Vergebung der Sünden wirklich mittheilt. Denn so spricht Christus Joh. 20,23: Welchen ihr die Sünden erlasset, denen sind sie erlassen, und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten. Siehe auch Matth. 16,19. Cap. 18,18.

Ob aber schon diese Verordnung Christi an sich ganz deutlich ist, so entstehen doch unter den Menschen gegen dieselbe manche Vorurtheile und Zweifel, wodurch sie verhindert werden, das Amt der Versöhnung recht zu gebrauchen; daher wollen wir diese wichtige Materie, so viel die Kürze zuläßt, sorgfältig auseinandersetzen, und um besserer Deutlichkeit willen in folgenden Fragen abhandeln.

Die erste Frage: Ob nicht Gott auch ohne das Amt der Versöhnung Sünden vergebe?

Antwort:

Das Amt der Versöhnung wird angesehen, entweder in der wirklichen Aussprechung der Absolution, oder in der fortwährenden Kraft der Verheißungen, welche es verkündigt. Erwägt man es nach der ersten Absicht, so hat ein Christ nicht nöthig, allemal, wenn er Vergebung der Sünden haben will, die wirkliche Aussprechung der Absolution bei dem Versöhnungsamte zu suchen; sonst müßte er solches alle Tage, ja alle Stunden und Minuten thun, weil er beständig Vergebung der Sünden haben muß. Erwägt man es aber nach der andern Absicht, so kann man mit Grund behaupten, daß Gott ordentlicher Weise durch dieses Amt die Vergebung beständig ertheile, weil die Kraft der Verheißungen, die dasselbe verkündigt, bei den Gläubigen immer fortwahrt, gleichwie auch die Kraft der heiligen Taufe, die doch dem Menschen nur einmal mitgetheilt wird. Es fällt also der Gedanke hinweg, welchen eine unrichtige Vorstellung von dieser Sache in manchen Menschen wirkt, da sie denken: „Kann ich einmal Vergebung der Sünden haben ohne das Amt der Versöhnung, so kann ich sie auch allezeit ohne dasselbe haben. Nun erlange ich ja täglich Vergebung, wenn ich gleich nicht täglich zum Prediger gehe und mich absolvieren lasse; folglich brauche ich die Absolution niemals vom Predigtamt. Wäre aber dieses zu einigen Zeiten nöthig, so wäre es allezeit nöthig, und so müßte ich mich täglich von demselben absolvieren lassen.“ Die so denken, machen keinen Unterschied zwischen der wirklichen Aussprechung der Absolution, und zwischen ihrer fortwährenden Kraft. Jene braucht man nicht täglich; diese aber währt fort bei denen, die der Vergebung der Sünden fähig sind.

Ob aber schon ein Christ die wirkliche Aussprechung der Absolution nicht allezeit nöthig hat: so darf er dieselbe doch nicht unter diesem Vorwand verachten; denn weil sie Gott selbst verordnet hat, so wäre die Verachtung derselben eine Sünde, die uns den Verlust seiner Gnade zuziehen könnte.

Die zweite Frage: Warum Gott der Herr die Vergebung der Sünden gerade durch das Predigtamt mittheile, da er solches doch selbst unmittelbar thun könne?

Antwort:

Daß Gott dem Lehramt auch das Amt der Versöhnung anvertraut habe, das sehen wir aus 2 Corinth. 5,18.19.20., und daß er durch dasselbe die Sünden vergebe, das bezeugt Christus mit deutlichen Worten Joh. 20,2ff. Matth. 16,19. Cap. 18,18. Wenn wir nun schon die Ursachen dieser seiner Verordnung nicht errathen könnten, so dürften wir ihn doch nicht darüber zu Rede setzen, sondern müßten glauben, daß er dieselbe aus Liebe gemacht, und nach den Regeln seiner höchsten Weisheit eingerichtet habe. Ueberhaupt aber wissen wir, daß Gott in allen Dingen, sowohl im Reich der Natur, als im Reich der Gnade, ordentlicher Weise durch gewisse Mittel mit uns handele, und nur in außerordentlichen Fällen die unmittelbaren Wirkungen erwähle. Sonderlich aber pflegt er sich zur Stärkung unsers schwachen Glaubens so gnädig herabzulassen, daß er uns durch gewisse sinnliche Mittel unterstützt, wie oben im ersten Capitel ausführlicher ist angezeigt worden. Dieses vorausgesetzt, so haben wir es auch hier als eine sehr weise und gnädige Herablassung Gottes anzusehen, daß er uns durch Menschen, die wir sehen, und mit welchen wir von dem Zustand unserer Seelen reden können, und durch ihr Wort, das wir hören, die Sünden vergibt. Wer sich dieses Mittels ohne Tadel der göttlichen Weisheit, in einfältigem, kindlichem Gehorsam recht bedient, der weiß aus der Erfahrung, wie viel es seiner Seele nütze, und wie sehr der Glaube gestärkt werde, wenn Gott das Wort: Dir sind deine Sünden vergeben, durch eine lebendige Stimme aussprechen läßt, zumal wenn ein rechtschaffener Knecht Christi den Zustand eines solchen Menschen vorher hat kennen lernen und also dieses Wort mit göttlicher Ueberzeugung über uns aussprechen kann. Wiewohl auch in den Fällen der Trost sehr groß bleibt, da wir zwar dem Knecht Christi unbekannt, uns aber wohl bewußt sind, daß wir in der Ordnung der wahren Buße und des Glaubens stehen.

Die dritte Frage: Ob ein unbekehrter Mensch auch die Absolution erlange, wenn er sie in der Beichte begehrt und darauf aussprechen hört?

Antwort:

Keinesweges. So wenig ein Mensch zu gleicher Zeit ein Kind des Teufels, und doch auch ein Kind Gottes sein kann, so wenig kann er zu gleicher Zeit in herrschenden Sünden leben, und doch auch Vergebung der Sünden haben. Ein rechtschaffener Knecht Christi hat weder den Willen noch die Macht, Jemand die Sünden zu vergeben, dem sie Gott nicht vergibt. Nun hat es aber Gott bei seinem Leben beschworen, daß Niemand ohne Bekehrung das Leben haben soll, Ezech. 33,11.; wie sollte denn ein Mensch sich diesem göttlichen Schwur widersetzen, oder etwas thun können, das wider denselben streitet?

Ist ein Lehrer rechtschaffen, so geht er aus eben der Ursache mit dem Amt der Versöhnung überaus behutsam um. Er sagt es denjenigen, die er als Unbekehrte kennt, ganz freimüthig, daß sie keine Vergebung der Sünden haben können. Weil er aber, zumal in volkreichen Gemeinen, unmöglich im Stande ist, einen jeden Menschen insonderheit genau kennen zu lernen, so thut er bei aller Gelegenheit, auf der Kanzel, in dem Beichtstuhl, und in dem Umgang mit Andern, die nachdrücklichsten Vorstellungen, wie diejenigen beschaffen sein müssen, welche der Absolution wollen theilhaftig werden, und wie er weder gesinnet sei, noch auch Macht und Befehl von Christo empfangen habe, unbußfertige Sünder zu absolvieren; ja wie er ihnen hiermit deutlich solches abschlage, und sie vor einem falschen Trost warne. Weiter kann er's nicht bringen, und dieses ist auch vor Gott hinlänglich, sein Gewissen sicher zu stellen, und seine Seele zu erretten. Wenn aber dennoch ein unbekehrter Mensch aus der Absolution einen falschen Trost zieht, so thut er's auf seine Gefahr, und der Lehrer ist frei von seinem Blut, Ezech. 3,17-19.

Wie ich es in diesem Stück in meinen Beichtreden zu halten pflege, das ist meinen lieben Beichtkindern, die schon mehrmals in dem Beichtstuhl erschienen sind, hoffentlich zur Genüge bekannt. Doch ergreife ich auch diese gegenwärtige Gelegenheit, alle diejenigen, die auch bei mir, ohne mein Wissen, mit unbußfertigen Herzen die Absolution begehren, nachdrücklich zu warnen, daß sie sich ja nicht selbst betrügen, und einen Trost für sich hinnehmen wollen, der ihnen nicht gebührt. Ich versage ihnen hiermit öffentlich vor Gott und der christlichen Kirche die Absolution im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, so lange sie sich nicht bekehren; und es soll auch diese Schrift an dem allgemeinen Gerichtstage ein Zeugniß sein wider sie, daß sie keine Entschuldigung haben, als wenn ich es ihnen nicht gesagt, oder sie mit einem falschen Trost eingeschläfert hätte; aber auch ein Zeugniß für mich, daß ich rein sei von ihrem Blut, Apost. Gesch. 20,26.

Die vierte Frage: Ob auch gläubige Christen, die wirklich im Stande der Gnade stehen, noch nöthig haben, die Absolution von dem Amte der Versöhnung zu begehren?

Antwort:

Weil sie noch täglich die Erbsünde und mancherlei Schwachheitssünden in und an sich haben, so haben sie auch täglich die Vergebung der Sünden nöthig; daher ihnen auch Christus befiehlt, in dem Gebet des Herrn beständig um Vergebung der Sünden zu bitten. Und weil Gott überhaupt das Amt der Versöhnung zu einem ordentlichen Mittel gesetzt hat, wodurch er die Absolution mittheilt: so sind sie eben so schuldig, dieses Mittel zu gebrauchen, als die übrigen Gnadenmittel, sonderlich das Wort Gottes und das heilige Abendmahl. An sich ist auch Niemand williger, sich allen Ordnungen Gottes zu unterwerfen, als wahre Kinder Gottes, die eine tiefe Ehrerbietigkeit haben für ein jedes Wort, das ihr himmlischer Vater geredet hat. Insonderheit ist hier zu merken, was Johannes von den Gläubigen schreibt, 1 Joh. 1,8.9: So wir sagen, wir haben keine Sünde, so verführen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns, so wir aber unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, daß er uns die Sünden vergibt, und reiniget uns von aller Untugend. Er redet hier von Leuten, die schon durch das Blut Jesu Christi von ihren Sünden rein geworden, V. 7; dennoch spricht er, sie hätten noch Sünden an sich, V. 8, und versichert sie, daß der treue und gerechte Gott ihnen auch diese vergeben, und sie davon reinigen werde; aber mit dieser Bedingung, wenn sie ihre Sünden bekennen; womit er sie überhaupt in derjenigen Ordnung hält, welche Gott in seinem Gnadenreich zur Vergebung der Sünden festgesetzt hat.

Die fünfte Frage: Ob der Bindeschlüssel auch noch heutiges Tages in der Kirche Gottes im Gang sei?

Antwort:

Es ist eine ausgemachte Sache, daß Christus seinen Knechten nicht nur den Löseschlüssel, sondern auch den Bindeschlüssel anvertraut habe; denn er sagt ausdrücklich Matth. 18, 18: Was ihr auf Erden binden werdet, soll auch im Himmel gebunden sein. Und das erklärt er Joh. 20, 23. also: Welchen ihr die Sünden behaltet, denen sind sie behalten.

Diese Macht, Sünden zu behalten, oder die Unbußfertigen in denselben zu binden, haben die Apostel sehr weislich und in großer Lauterkeit ausgeübt.

Einige Zeit nach ihrem Tode fanden sich sehr gesetzliche Lehrer, welche dieselbe fast auf die äußerste Schärfe trieben, und dadurch vielfältigen Schaden anrichteten.

Nachdem aber in den folgenden Zeiten auch der nöthige Ernst gefallen, und die Christenheit in allen Ständen mit einer großen Kaltsinnigkeit und fleischlichen Sicherheit überschwemmt worden, so haben freilich die in den strengen Zeiten gemachten öffentlichen Verordnungen des Bindeschlüssels auch Noth dabei gelitten, so daß nur hier und da kaum wenige Spuren davon übrig geblieben.

Wer nun jene scharfen Verordnungen in Allem für recht, ja zum Bindeschlüssel höchst nothwendig hält, und dabei den heutigen Verfall der Kirchenzucht ansieht, der muß nothwendig auf die Gedanken kommen, der Bindeschlüssel sei ganz verloren gegangen; und dabei entsteht gern auch der Zweifel, es möchte mit dem Löseschlüssel auch nicht besser ergangen sein, weil sie doch beide zusammengehören.

Allein wenn man erwägt, daß der wesentliche Gebrauch des Bindeschlüssels nach seiner innersten Natur eigentlich darin bestehe, daß man 1) einem unbußfertigen Sünder die Absolution verweigert, und ihm die Erklärung thut, ihn auch zu überzeugen sucht, daß er in diesem Zustande der Gnade Gottes nicht theilhaftig sein könne, sondern vielmehr unter seinem Zorn stehe; 2) daß wahre Kinder Gottes ihn in seiner Unbußfertigkeit nicht für einen geistlichen Bruder halten, noch mit ihm, als mit einem Kind Gottes umgehen, sondern ihn bei aller Gelegenheit zu überzeugen suchen, daß ihm in der Gemeinschaft der Gläubigen kein Platz gebühre; 3) daß die Kirchenzucht in den scharfen Zeiten keineswegs in allen Stücken zu billigen sei, sondern vielmehr, aus menschlicher Uebertreibung der Sache, ein vielfältiges Verderben angerichtet habe, folglich nicht als ein Muster zur Ausübung des Bindeschlüssels angeführt werden könne; 4) daß heutiges Tages mitten unter dem Unkraut fleischlich gesinnter Lehrer und Zuhörer auch noch manche treue Lehrer und Kinder Gottes gefunden werden, welche in Ansehung des Bindeschlüssels und der Ausschließung der Gottlosen so weit gehen, als es ihnen in göttlicher Weisheit möglich ist, da sie immer den Zweck der Besserung, und nicht des Verderbens, vor Augen haben, so muß die obige Frage folgendermaßen beantwortet werden:

  1. Daß es zwar höchlich zu beklagen, daß überhaupt, und an den meisten Orten der Christenheit,. die öffentliche Kirchenzucht fast gänzlich verfallen, und nicht in den Schranken steht, in welchen sie sich, auch nach dem Evangelio, befinden könnte und sollte.
  2. Daß dieser Verfall nicht dem Waizen, sondern dem Unkraut zuzuschreiben, und folglich diejenigen, welche eigentlich die wahre Kirche Gottes ausmachen, keinen Antheil daran haben, indem sie weder den Verfall verursachen, noch befördern, noch still dazu schweigen, sondern ihn beseufzen, beklagen, und bei Gelegenheit bestrafen.
  3. Daß auch mitten in diesem Verfall ein rechtschaffener Knecht Christi das Amt des Bindeschlüssels noch ausüben könne, ja wirklich ausübe, so oft er denjenigen, die er als unbußfertig kennt, die Absolution ausdrücklich versagt; den Andern aber, die er nicht kennt, überhaupt den nöthigen Unterricht ertheilt, sie in der Kraft des Geistes überzeugt, daß sie noch unter dem Zorn Gottes stehen, und ihnen öffentlich und besonders die Erklärung thut, daß sie in diesem Stande weder von Gott noch von dem Amte der Versöhnung die Absolution zu erwarten haben.
  4. Daß mitten in dem großen Verfall alle wahre Kinder Gottes noch geneigt, vermögend und im Stande sind, mit unbußfertigen Sündern nicht als wie mit geistlichen Brüdern und Kindern umzugehen, ja dieses ihr Recht auch allezeit wirklich gebrauchen, so oft sie sich dieser Art des Umgangs mit ihnen entziehen, und so oft sie dieselben wegen ihrer herrschenden Unbußfertigkeit bestrafen.

Und hieraus erhellt, Gott Lob! zur Genüge, daß sowohl der Bindeschlüssel als der Löseschlüssel in der Kirche Gottes noch übrig sei.

Die sechste Frage: Ob auch ein unbekehrter Lehrer den Bußfertigen und Gläubigen die Absolution mittheilen könne?

Antwort:

Es wäre freilich zu wünschen, daß in der ganzen Welt kein einziger unbekehrter Mensch sich unterstehen oder berufen werden möchte, das Amt der Versöhnung zu übernehmen. Da aber solches gleichwohl, zum größten Schaden der Kirche, vielfältig geschieht, so entstehen bei schwachen Gemüthern mancherlei Zweifel, und sie denken bei sich selbst: Was Einer nicht hat, das kann er Andern nicht geben; weil nun ein unbekehrter Lehrer für sich selbst keine Absolution hat, wie kann er mir denn dieselbe mittheilen?

Allein es ist hier wohl zu merken, daß ein guter Unterschied zu machen zwischen dem Amt und zwischen der Person eines Lehrers. Das Amt bleibt an sich gut, und in seiner Kraft und Würde, obschon die Person, die es trägt, verwerflich ist, auch dasselbe nicht so verwaltet, wie sie sollte. Man sieht dieses auch an weltlichen Aemtern. Wenn ein Fürst unter allen seinen Bedienten Einen hat, der untüchtig und unwürdig ist, so ist doch dessen Amt eben sowohl von fürstlicher Würde, und muß eben so respektiert werden, wie die Aemter der rechtschaffenen, und was der böse Beamte in seinem Amt nach den ihm vorgeschriebenen Regeln thut und ordnet, das hat seine Kraft und Gültigkeit eben sowohl, als wenn er rechtschaffen wäre.

Was nun die Regel anlangt, daß Einer nicht geben könne, was er nicht hat, so muß dieselbe nach diesem Unterschied erklärt werden. Ein unbekehrter Lehrer hat keine Vergebung der Sünden für seine Person; aber das Amt, das er verwaltet, hat die Vollmacht zu solcher Vergebung von Gott empfangen. Es bleibt also wahr, daß er von seiner eigenen Personal-Vergebung keinem Andern etwas mittheilen könne, aber das kann auch kein bekehrter Lehrer thun; denn ein Jeder braucht seine eigene Vergebung für sich selbst höchstnöthig, und kann davon nichts weggeben. Gleichwie aber das Amt der Versöhnung an sich betrachtet, einerlei, oder noch eigentlicher zu reden, nur Ein Amt in der ganzen Welt ausmacht, es mögen solches bekehrte oder unbekehrte Lehrer führen; wie es denn auch Paulus nicht als viele Aemter, sondern als Ein Amt beschreibt, 2 Cor. 5, 18., also gibt es sowohl unter der Verwaltung der Unbekehrten, als der Bekehrten, was es hat, nämlich Vergebung der Sünden. Das vorige Gleichniß kann auch hier die Sache erläutern. Wenn ein Fürst dem bösen Bedienten seine Gnade entzogen und beschlossen hat, ihn aus gewissen Ursachen zwar noch eine Zeit lang in dem fürstlichen Amte zu lassen, aber nachher, wenn er sich nicht bessert, desto ernstlicher zu strafen, er ertheilte ihm aber unterdessen den Befehl, einem Missethäter, der zum Gericht geführt wird, nachzueilen, und im Namen des Fürsten Gnade, Gnade! zuzurufen, so könnte zwar dieser Bediente diese Gnade nicht einmal wenn er rechtschaffen wäre, zu geschweigen, da er selbst für seine Person in Ungnade steht, von dem Seinigen verkündigen und mittheilen. Weil es aber des Fürsten Gnade ist, und der Bediente dieselbe auf Befehl seines Herrn verkündigt, so behält sie ihre Richtigkeit, und der Missethäter wird gewiß nicht so thöricht sein, seinem Tode noch weiter entgegen zu gehen, unter der Einwendung: Wie kann mir dieser Gnade verkündigen, da er selbst keine hat?

§. 17.

Wir haben oben §. 1. überhaupt einen Unterschied gemacht zwischen dem, was sich bei der Beichte auf den klaren Ausspruch der heiligen Schrift gründet, und zwischen dem, was die Menschen aus guten Absichten verordnet haben. Zu dem Ersten gehört sowohl die Beichte selbst, als die Absolution, und von beiden Stücken ist bisher der nöthige Unterricht ertheilt worden. Zum Andern aber gehört die Verordnung, daß man vor dem Gebrauch des heiligen Abendmahls beichte und die Absolution begehre; denn zu dieser Verordnung finden wir keinen ausdrücklichen Befehl in der heiligen Schrift, sondern sie ist von Menschen ans guten Absichten aufgerichtet worden.

§. 18.

Es kommt hiebei auf dreierlei an, wenn man die nöthige Erläuterung von dieser Ordnung geben will, nämlich 1) auf den rechten Gebrauch derselben; 2) auf die Ursachen, warum sie ist aufgerichtet worden; und 3) auf die Gründe, welche einen jeden Communicanten verpflichten, sich dieser Ordnung zu unterwerfen.

§. 19.

Was das Erste anlangt, so ist von dem rechten Gebrauch und Mißbrauch des Beichtstuhls in der Christenheit schon Vieles geredet, geschrieben, auch oft sehr heftig gestritten worden. Ich will die Sache kurz fassen. Wenn Lehrer und Zuhörer sich in dem Beichtstuhl so verhalten, wie bisher in der Erklärung der Beichte und des Amtes der Schlüssel ist gezeigt worden; wenn die Lehrer nur denen die Vergebung der Sünden verkündigen, die sich wahrhaftig zu Gott bekehren; wenn sie mit einem göttlichen Licht der Ueberzeugung in die Seelen zu dringen suchen, damit eine jede erkennen möge, ob sie der Löseschlüssel oder der Bindeschlüssel angehe; wenn sie nicht nur im Beichtstuhl, sondern auch überhaupt in ihrem ganzen Amte auf diesen Zweck arbeiten, und zwar aus der Absicht zu bessern, und nicht zu verderben, in göttlicher Weisheit, Kraft und Liebe, nach einem größern oder geringem Maaß, wie es ihnen der Herr gibt, mit redlicher Treue und Sorge für die Seelen; wenn die Zuhörer nicht unter der Herrschaft der Sünde stehen, sondern in der Ordnung der Buße und des Glaubens kommen, in welcher sie allein der Absolution fähig sind, so gebrauchen sie den Beichtstuhl recht; und wenn sie sich nicht so verhalten, so mißbrauchen sie denselben, und werden den schweren Strafgerichten, welche Gott auf die Heuchelei und den Mißbrauch seines Namens gesetzt hat, nicht entgehen, es sei denn, daß sie sich bekehren und bessern.

§ 20.

Die Ursachen, welche diese Verordnung veranlaßt haben, sind so beschaffen, daß man die Ordnung selbst für löblich, heilsam und nützlich halten muß.

  1. Man suchte dadurch überhaupt dem einreißenden Mißbrauch des heiligen Abendmahls vorzubeugen. Wie stark dieser Mißbrauch schon zu der Apostel Zeiten in der Corinthischen Gemeine eingerissen, das kann man 1 Cor. 11. nicht ohne innige Betrübniß lesen. Es waren daher die christlichen Lehrer bei Zeiten darauf bedacht, solche Anstalten zu machen, damit sie Gelegenheit hätten, die Communicanten vor dem Gebrauch des heiligen Abendmahls ernstlich an ihre Pflicht zu erinnern und von fernerem Mißbrauch abzuhalten. Ob nun schon nicht zu leugnen, daß auch bei dieser Ordnung dennoch sehr Viele das heilige Sacrament nicht auf die gehörige Weise gebrauchen, so bin ich doch gänzlich versichert, daß der Mißbrauch noch viel größer sein würde, wenn diese Ordnung nicht wäre, und haben wir also Ursach, Gott zu danken, daß dadurch einem noch größern Uebel vorgebeugt worden.
  2. Man wollte den Predigern Gelegenheit machen, an ihren Zuhörern mit großem Segen zu arbeiten. Es sind viele Leute, deren Herzen zu keiner Zeit so offen stehen, als wenn sie zum heiligen Abendmahl gehen wollen; daher kann das Wort zu der Zeit am besten bei ihnen eindringen, und ausrichten, wozu es gesendet wird. Rechtschaffene Lehrer wissen es aus der Erfahrung, wie manche Seelen in dem Beichtstuhl durch die Gnade Gottes erweckt werden, die sonst fast alle Predigten und Ermahnungen lang nicht so viel bei sich fruchten lassen.
  3. Man wollte insonderheit Gelegenheit geben, den Communicanten die nöthige Selbstprüfung zu erleichtern. Die Selbstprüfung vor dem heiligen Abendmahl ist eine Pflicht, welche uns der Geist Gottes anbefiehlt; denn so heißt es 1 Cor. 11, 28: Der Mensch prüfe sich selbst, und also esse er von diesem Brod und trinke von diesem Kelch. Aber wie Viele sind unter den Christen, die entweder zu dieser Prüfung träge sind, oder dieselbe aus Unwissenheit nicht recht anstellen können! Und wie heilsam ist es ihnen, wenn sie vor dem heiligen Abendmahl dazu ernstlich erweckt werden, und einen deutlichen Unterricht empfangen von den Kennzeichen, nach welchen sie die Prüfung anzustellen haben! Manche werden da überzeugt, daß sie zu dem heiligen Sacrament nicht, würdig sind; folglich ergeht eine ernstliche Warnung an sie, dasselbe nicht zu ihrem Gerichte zu empfangen, welcher Warnung sie billig folgen sollten; und wenn sie es nicht thun, so hat die vorhergehende Beicht-Ermahnung wenigstens so weit ihren Zweck erreicht, daß sie dadurch außer Entschuldigung gesetzt werden. Manche werden überzeugt, daß sie zur Gnadentafel Jesu Christi würdig gehen können, wodurch ihr Glaube gar sehr gestärkt und in den Stand gesetzt wird, daß solche Communicanten den Leib und das Blut des Herrn Jesu in evangelischer Freudigkeit genießen können.
  4. Aus eben dieser Absicht, den Glauben zu stärken, wird den Bußfertigen vor dem heiligen Abendmahl die Absolution ertheilt. Es wäre zwar ein irriger Gedanke, wenn man meinen wollte, die Absolution wäre nur an die Ordnung der Beichte vor dem heiligen Abendmahl gebunden; denn gleichwie die Knechte Gottes das Amt der Versöhnung allezeit tragen, also ist es auch kräftig, so oft sie außer der gedachten Beichtordnung den Bußfertigen und Gläubigen die Absolution ertheilen, so oft sie solche in dem öffentlichen Gottesdienst ganzen Versammlungen vorlesen, und so oft sie in dem besondern Umgang die Bußfertigen versichern, daß sie Gnade und Vergebung der Sünden haben. Aber es ist doch ein besonderer Trost, wenn man zu der Zeit der Vergebung seiner Sünden versichert wird, da man sich vorgenommen, zur Gnadentafel Jesu Christi zu gehen, seinen Leib und Blut zu genießen, und sich aufs innigste mit ihm zu vereinigen.

§. 21.

Die Gründe, welche einen jeden Communicanten verpflichten, sich dieser Ordnung zu unterwerfen, sind folgende.

  1. Weil diese Ordnung an sich selbst sehr löblich, heilsam und nützlich ist. Gleichwie nun ein jeder Mensch verbunden ist, dasjenige zu beobachten, was ihm zum Heil seiner Seele gereichen kann, also ist auch ein jeder Communicant verbunden, sich aller der geistlichen Vortheile zu bedienen, welche diese löbliche Verordnung ihrer Natur nach mit sich führt.
  2. Weil der Geist Gottes überhaupt den Befehl gibt: Seid unterthan aller menschlichen Ordnung um des Herrn willen, 1 Petr. 2, 13. Die Rede ist zwar an diesem Ort eigentlich von weltlichen Ordnungen, welche Obrigkeiten zum Besten ihrer Unterthanen stiften; aber wir machen hier billig einen Schluß von dem Geringern auf das Größere. Sollen wir uns unterwerfen denjenigen Ordnungen, die zur leiblichen Wohlfahrt bestimmt sind, so sollen wir noch vielmehr diejenigen Ordnungen beobachten, welche die geistliche und ewige Wohlfahrt zur Absicht haben.
  3. Weil Gott insonderheit den Befehl gibt, daß man in den öffentlichen gottesdienstlichen Handlungen Alles ehrlich und ordentlich soll zugehen lassen, 1 Cor. 14, 40., so muß solches ebenfalls bei der höchst wichtigen Handlung des heiligen Abendmahls geschehen. Da aber, um diesen Endzweck zu erhalten, nach dem schon eingerissenen Mißbrauch, die vorhergehende Beichte für das bequemste Mittel angesehen worden, demselben vorzubeugen, wie wir schon oben bei den Ursachen der Verordnung gesehen haben, so ist es nicht nur billig, sondern in dieser Absicht auch nothwendig, daß dieselbe beibehalten werde.
  4. Weil ein Communicant, der sich dieser Ordnung entziehen wollte, unfehlbar ein großes Aergerniß geben, und sich dadurch an Gott und seinem Nächsten schwer versündigen würde. Manche würden sich über seinen Eigensinn und sein unordentliches Gemüth betrüben und darüber seufzen; Manche aber würden ihm nachfolgen, woraus denn endlich nichts als Zerrüttung entstehen, und das heilige Abendmahl einem entsetzlichen Mißbrauch unterworfen würde.
Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/f/fresenius/fresenius-beicht-_und_communionbuch/fresenius-beicht-_und_communionbuch_capitel_2.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain