Disselhoff, Julius - Die Geschichte König Davids, des Mannes nach dem Herzen Gottes - Zweite Predigt. Die Salbung des Erwählten.
1 Sam. 16, 13-23.
Wer ist der Mann nach dem Herzen Gottes? Wer ist zu der Ehre erwählt, Handlanger des Allerhöchsten zu sein? Die vorige Predigt gab uns die erste Antwort auf diese Fragen. Bist Du ein Mann nach dem Herzen Gottes, tauglich zu seinem Rüstzeuge? Mit dieser Frage im Gewissen verließen wir das Gotteshaus, um daheim im stillen Antwort auf dieselbe zu suchen. Haben wir gesucht? Haben wir gefunden? Ich weiß es nicht. Aber das weiß ich: wer nicht gesucht hat, der hat auch nicht gefunden, oder ich will lieber sagen, der hat nichts gefunden, als das Alte, was er mit seinen hohen Augen schon lange entdeckt hatte, nämlich, dass er ein vortrefflicher Mensch sei, und in manchen Stücken besser und brauchbarer als hundert Andere. Wer aber mit Ernst und bei dem Lichte des damals gehörten Wortes sein Wesen durchforscht hat, der ist ohne Zweifel inne geworden, dass er sehr viele Ursache hat, schamrot zu werden, und niedrig in seinen Augen. Wohlan! Jeder, der Angesichts jener ersten Geschichte aus dem Leben Davids seine Augen nicht wagt aufzuheben, der soll fröhlich sein Haupt aufrichten, denn Er ist es, den der Herr wählt, Streiter zu sein in seinem heiligen Kampfe. Und wen der Herr zum Streiter wählt, dem reicht er auch Wehr und Waffe, womit die Siegeskrone erfochten werden kann. Lasst uns der verlesenen Geschichte, die eben hiervon handelt, nähertreten. Ihr Inhalt ist:
Die Salbung des Erwählten1).
I. Wen der Herr zu seinem Knecht erwählt, den lässt er vor der Arbeit mit Kraft aus der Höhe salben.
II. Die Salbung gibt nicht sofort die Königskrone, sondern sie führt erst in die Niedrigkeit und Tiefe.
III. Die Salbung vernichtet nicht die natürlichen Gaben und Kräfte, sondern heiligt sie und macht sie tüchtig zum Dienst des Herrn.
I.
„Und der Herr sprach: Auf! und salbe ihn, denn Er ist es!“ Das ist ein Wort voll Lebenskraft, ein Spiegel der Gnade Gottes! Merkt! Der Herr spricht nicht zu David: „Du bist es, d. h. du sollst mein Knecht und Streiter sein; du sollst meine Last tragen; du sollst für mich arbeiten und leiden, unter dem Drucke der Arbeit bis zu Boden gebeugt und zu Staub zermalmt werden; dich um meinetwillen krümmen, wie ein Wurm!“ Er sagt vielmehr zu Samuel: „Auf und salbe ihn! Teile ihm durch die Salbung meine Kraft mit, die Kraft aus der Höhe, den Geist von meinem Geiste, der da stärker ist, denn Alles, der hebt und trägt, wie ein Adler seine Jungen, der ein Geist der Freuden ist, und das gewisse Unterpfand des Sieges.“ Und erst nach dieser Verheißung, die im Befehle der Salbung eingeschlossen liegt, sagt er: „Denn Er ist es, Er ist mein Erwählter, mein Knecht, der für mich arbeiten, streiten und dulden muss.“ Aber nein, das Letztere sagt er nicht einmal. Er verschweigt noch ganz und gar, wieviel er um seines Namens willen leiden müsste. Dem Worte Gottes gehorsam, nahm Samuel sein Ölhorn und salbte David mitten unter seinen Brüdern. Und der Geist des Herrn geriet über David von dem Tage an und fürder.“ Ehe also David noch einen Auftrag und Befehl erhielt, ehe er zur Arbeit und zum Leiden berufen ward, kommt der Geist des Herrn in reichem Maße über ihn, und mit ihm zugleich die Kraft, alles zu tun und zu leiden, was des Herrn ewiger Liebesratschluss ihm auferlegen musste. Das ist die Weise des Herrn: ehe er fordert, gibt er! Die tote Natur schon ist uns davon ein Zeugnis. Er fordert nicht, dass die Erde von ihr selbst Knospen, Blumen und Früchte bringe, sondern er macht das Erdreich fruchtbar, er tränkt es von oben her mit Frühregen und Spätregen, er lässt seine Sonne scheinen, er gibt dem Keime Lebenskraft. In höherem und herrlicherem Maße wiederholt sich dasselbe im Geistigen. Die Art des natürlichen Menschen freilich ist es, zu wähnen, dass er Alles durch sich selbst hervorbringen müsse, dass Gott in der Arbeit und in Leiden mehr verlangt, als von ihm verlangt werden darf. Moses wies in diesem Wahne die Berufung zum Knechte des Herrn mit den Worten von sich: „Ich bin je und je nicht wohl beredt gewesen. Sende, wen du senden willst!“ Jonas floh aus demselben Grunde vor dem Auftrage Gottes, der gewaltigen Stadt Ninive die Strafe zu verkündigen, aufs Meer. Elias jammerte: „Es ist genug, so nimm nun, Herr, meine Seele!“ Jeremias antwortete: „Ich bin zu jung zum Predigen!“ Der Herr selbst hat diese Furcht des natürlichen, hoffärtigen und darum eben auch mutlosen und murrenden Menschenherzens den Knecht im Gleichnis in den Worten aussprechen lassen: „Ich fürchte mich vor dir, denn du bist ein harter Mann; du nimmst, das du nicht gelegt hast, und erntest, das du nicht gesät hast!“ (Luk. 19, 21.) Wenn solche Reden und Gedanken in uns aufsteigen, so wolle der gnädige Gott sie mit seinem Worte niederdonnern: „Du Schalk! Wusstest du, dass ich ein harter Mann bin, nehme, dass ich nicht gelegt habe, und ernte, dass ich nicht gesät habe?“ Fürwahr, er ist kein harter Mann!
Seht nur in die Geschichte des Volkes Gottes! Ehe er von Moses verlangte, vor Pharao zu treten und sein Volk aus Ägypten zu führen, wie hat er da erst in immer neuen Strömen seine Verheißungen auf seinen Knecht herniederregnen lassen! Als Gideon die Midianiter schlagen sollte, wie einen einzelnen Mann, sandte der Herr vorher seinen Engel zu ihm mit dem lebenskräftigen Gruße: „Der Herr mit dir, du streitbarer Held!“ Dieses ist so sehr die Weise des Herrn, dass nicht allein David, dass auch der Davids- und Gottessohn, ehe er sein Werk und Amt der Erlösung der Welt antrat, mit dem Heiligen Geiste gesalbt wurde. Das Alles ist uns ungläubigen und zaghaften Menschen zum Troste geschrieben. Der Herr fordert auch heute nichts von seinen Jüngern, er habe ihnen denn vorher gegeben. Er drängt freilich seine Gaben Niemanden auf. Er zwingt keine Seele, sich seine Gnadenfülle in den Schoß schütten zu lassen. Es ist unsererseits möglich, dass wir das Angebotene nicht sehen, nicht achten, nicht wollen, in den Kot werfen und mit Füßen treten. Ein Beispiel davon haben wir in unserer Geschichte an Saul. Er war auch gesalbt. Er hatte die seligen Wirkungen der Salbung empfangen. Er wies sie aber später durch Widerstreben von sich. Da wich der Geist Gottes von ihm. Wer aber nicht widerstrebt, sondern seinem Herrn und Gott kindlich empfangend stille hält, dem bietet der reiche Gott in seiner zuvorkommenden Gnade Alles an, was zum Leben und göttlichen Wandel dient, was zur treuen Erfüllung der übertragenen Arbeit notwendig ist. Denn treu ist er, der euch ruft, welcher wird es auch tun. (1. Thess. 5, 24.) Gott legt uns eine Last auf, aber er hilft uns auch. (Ps. 68, 20.) Er will Werke von unserer Hand, und zwar gute Werke. Aber er fordert sie nicht von der alten Kreatur, sondern hat uns in der Taufe, der rechten Salbung, die Macht gegeben, eine neue Kreatur zu werden. „Wir sind sein Werk, geschaffen in Christo Jesu zu guten Werken, zu welchen Gott uns zuvor bereitet hat, dass wir darinnen wandeln sollen.“ (Eph. 2, 10.) Was Paulus von sich selbst bezeugt, wisst ihr. „Ich habe mehr gearbeitet, als sie Alle, doch aber nicht ich, sondern Gottes Gnade, die mit mir ist!“ Meine Lieben, ich habe euch dieses so weitläufig vorgehalten, damit ihr daraus eine Freudigkeit gewinnt, euer Recht kennen zu lernen. Ihr dürft oder sollt vielmehr in eurer Arbeit euch glaubenskühn vor den Herrn hinstellen oder vor ihm niederwerfen und mit ihm also reden: „Willst du, dass ich dein Knecht, deine Magd sei, so gib mir durch deine Salbung, deinen Geist, die Weisheit, die mir Licht gibt, deine Kraft, die mich Alles hin ausführen lehrt, die Liebe und Geduld, die mir stündlich nötig ist. Du hast mich zu diesem Werke berufen; so vollende du selbst denn das Werk in mir oder durch mich, denn ich vermag's nicht, wie du auch selber wohl weißt.“ Solch freudiges Pochen auf unsere Salbung, unser Kindesrecht, ist sehr angenehm vor seinen Ohren. Darum soll die Seele, die Braut, immerdar fröhlich mit Sulamith rufen: „Mein Freund komme in seinen Garten und esse seiner edlen Früchte.“ (Hohel. 4, 17.)
Ich will dir bringen, was ich kann,
Was du mir erst gegeben.
Willst du noch mehr, so gib es mir,
Ich will es wieder bringen dir!
„Denn Alles, was wir ausrichten, hast du, Herr, uns gegeben.“
II.
Wir können zum 2. Punkt übergehen. Als wir in der vorigen Predigt die Salbung Davids mit der Sauls verglichen, bemerkten wir, dass Saul in der Einsamkeit, David vor den Augen derer gesalbt wurde, die ihn verachtet hatten. Heute müssen wir auf einen zweiten noch bedeutsameren Unterschied achten. Dem Saul offenbarte Samuel sogleich den Zweck der Salbung. Dem Sohne Isais hingegen blieb die Bedeutung und das Ziel der Salbung vorerst ein heiliges Geheimnis. Aus Samuels Munde kam kein Wort, welches dasselbe enthüllt hätte. Denn, sobald der Prophet seinen Auftrag ausgeführt hatte, machte er sich wieder auf und ging gen Rama. (V. 16.) Da stand der Gesalbte wieder allein und verlassen da. Ihm war die Königskrone bestimmt, aber er wusste es nicht. Noch viel weniger wurde sie ihm sofort aufs Haupt gesetzt. Er musste wieder in die Niedrigkeit hinein. Obschon alle seine Brüder und sein Vater seine Salbung mit angesehen hatten und sich vor ihm dereinst beugen sollten, musste er doch erst wieder ihr Diener werden, musste die Schafe hüten, wie er vorher getan hatte. Da fragst du: „Wo ist da die Ehrenkrone? wo der Königsthron? Ist das das Los des von Gott Gesalbten? das seine Ehre, die Gott ihm vor seinen Verächtern gibt, dass er unter alle sich erniedrigen, aller Knecht sein und bleiben muss?“ Du siehst, es ist so!
Doch es währte ja nur kurze Zeit, dass der Gesalbte im Knechtsgewande hinter den Schafen einhergehen musste. Er wurde sehr bald, wir sehen es schon in unserer Geschichte, an den Königshof gezogen. Saul gewann ihn sehr lieb, machte ihn zu seinem Waffenträger und ließ Isai sagen: „Lass David vor mir bleiben, denn er hat Gnade gefunden vor meinen Augen!“ (V. 17, ff.) Was das nicht der Anfang zu seiner Ehre, zu seinem Steigen? Ob David das in seinem Herzen gedacht hat, als er an den Königshof kam und Saul ihn liebgewann? Es wird uns nicht erzählt. Aber hat er dergleichen hochfahrende Gedanken gehabt, so hat Gott ihn treulich gedemütigt, ihn gründlich in die Tiefe gestoßen. Der erste Schritt in das Königshaus Sauls, des vom bösen Geiste Getriebenen, war auch der erste Schritt aus dem stillen, friedlichen Leben, das er bei seines Vaters Herde gehabt hatte, in jenes rote und tiefe Meer der Leiden, in dem, wie wir wissen, Not, Ungemach, Elend, Jammer, Schmerz, Todesangst, sich rastlos folgten, wie in dem wilden Meere eine Welle die andere drängt. Und dennoch ist dieser Weg die rechte Straße für die von Gott zum heiligen Königtum Gesalbten, für die zur Krone Erwählten, wie auch David selbst im 18. Ps. bekennt: „Wenn du mich demütigst, machst du mich groß!“ Und wie wir singen:
Ich weiß, wen du willst herrlich zieren
Und über Sonn' und Sterne führen,
Den führest du zuerst hinab!
So ist David das weissagende Vorbild seines Sohnes und seines Herrn, unseres Heilandes, geworden. Wie David bis zu der Stunde, wo Gott ihn öffentlich hervorzog, in tiefer Verborgenheit bei den Schafen lebte, so musste der Herr dreißig Jahre im unberühmten Nazareth, im Hause des Zimmermanns weilen, still, niedrig, unbeachtet. Wie David nach seiner Salbung wieder in die Einsamkeit und Niedrigkeit zu rückgeführt wurde, so wurde der Herr, nachdem er gesalbt war, nachdem der Himmel über ihm sich aufgetan und die Stimme Gottes gerufen hatte: „Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe!“ vom Geist in die Wüste geführt, auf dass er von dem Teufel versucht würde. Wie David mit Gnade von Saul ausgenommen und hernach von ihm bis in den Tod gehasst und verfolgt wurde, so wurde auch Christus bei seinem ersten Hervortreten ob seiner gewaltigen und holdseligen Worte hoch gepriesen, aber hernachmals wurde ihm die Dornenkrone aufs Haupt gedrückt. Aber wir wissen, der Weg ans Kreuz war der Weg zum Weltenthrone, vor dem nun Aller Knie sich beugen müssen.
Tut's nun noch not, dass ich das Gesagte in das einzelne Gewissen zu drücken suche? Wer dem Herrn dienen und seine Salbung empfangen will oder empfangen hat, der lasse sich hin fort nicht mehr von seiner Hoffart betrügen, nach hohen Dingen, nach Ehrenkronen, nach Ansehen, Lob und Geltung zu trachten.
Wen Gott öffentlich vor seinen Feinden und Verächtern durch die Salbung beruft, der muss, wie David und der Davids-Sohn, gerade vor dessen Hassern und Verächtern niedrig, muss ihrer aller Knecht und Magd werden. Darin besteht die Ehre, deren Gott den Gesalbten teilhaftig machen will, und der Ruhm, dessen er ihn würdigt, nicht allein als der Allergeringste dargestellt zu werden, sondern auch, als ein Schauspiel der Welt und der Engel und der Menschen, als ein Fluch der Welt und ein Fegopfer aller Leute (1. Kor. 4, 9.13) Sobald über einen Menschen der Himmel sich öffnet, die Salbung des Geistes auf ihn herabkommt, und der Vater vor seinem Erstgebornen und vor allen Engeln bezeugt: „Diesen habe ich erwählt! Er ist mein lieber Sohn! an ihm habe ich Wohlgefallen!“ dann wird er auch sofort von demselben Geist, mit dem er gesalbt ward, in die Wüste geführt, wo seine Seele oft länger als 40 Tage hungern und dursten muss, und auch sein Gebein zerschlagen wird. Je mehr uns der Wahn eingeboren ist, dass die Geliebten Gottes auf gebahnten Straßen und zu Ehrenämtern geführt werden, desto ernster und aufrichtiger muss unser Herz jenem verderblichen Wahne die freimachende Wahrheit entgegenstellen: dass der erste Segen der Salbung das Knechtsgewand, das Wüstenleben, das Fasten ist. Wir harren nicht gern in solchem Leben, im Dienerstand aus. Das nach hohen Dingen schielende Auge sucht einen Ausweg. Sobald Gottes Hand uns auf eine kleine Höhe und ein wenig in die Weite führt, sobald wähnen wir, jetzt komme der Stand der Erhöhung und die Zeit des Steigens, der Anerkennung, der schönen Erfolge. Meine arme, leidensscheue, hochmütige Seele, gedenke doch an David! Wenn des Herrn Hand dich aus der Niedrigkeit heraus und an den Königshof führt, ich meine, dich etwas sein lässt vor den Leuten, dann wird er ganz sicherlich nach der ersten, kurzen Freudenfrist die Leiden und Nöten in Haufen hinterhersenden.
III.
Die Salbung, - wir sehen es, drückt tief in den Staub, nimmt alle hochfliegende Pläne, zerstört gründlich alle Phantasieschlösser einer goldenen Zukunft, die ein Christ sich gebaut hat. Aber sie zermalmt nur die alte, hoffärtiger Natur; nicht die natürlichen Gaben und Kräfte. David hatte viele und herrliche Naturanlagen, die bescheiden in ihm blühten, wie eine Blume im Grase. Er war nicht, - das haben wir deutlich genug erkannt, - dieser Naturgaben wegen berufen. Nun aber, da er berufen und gesalbt war, wurden dieselben durch den Geist der Salbung gereinigt und verklärt. Vornehmlich hatte er die Gabe, es wohl zu können auf Saitenspiel. Diese Gabe des Liedes und der edlen Musica brach gerade nach seiner Salbung sich so mächtig Bahn, dass sie bis zu Sauls Ohren drang und ihn an den Königshof zog, wo Gott seinen geheimen, wunderbaren Ratschluss mit seinem Erwählten auszuführen begann. War auch Saul verworfen, dass er über das Haus des Herrn nicht König wäre, so hatte der Herr doch immer noch Gedanken des Friedens mit ihm und wollte seine Seele retten. Er brachte David zu ihm, in dessen Seele der Freuden- und Friedensgeist herrschte, während Saul wegen seines Abfalls vom Geist der Unruhe, des Unfriedens, der inneren Zerrissenheit geängstet wurde. „Wenn nun der Geist Gottes (d. i. der böse, von Gott zur Strafe gesandte Geist) über Saul kam, so nahm David die Harfe und spielte mit seiner Hand, so erquickte sich Saul und es ward besser mit ihm, und der böse Geist wich von ihm.“ (V. 23.)
Da siehst du, wie Gott einer armen Seele durch die natürlichen Gaben seiner Knechte so wohl tun kann! wie er durch sie selbst den finstern Geist bannt und dem Friedensgeist Wege bereitet! Und nachdem David vom Herrn erst in die Kelter genommen und in den Ofen der Trübsal geworfen war, wurden sein Harfenspiel und seine Liederkunst ganz in den Dienst des Allerhöchsten gestellt. Nirgends tönt das Lob des Herrn, des Heiligen in Israel, so lieblich und wieder so gewaltig, als in den Lobliedern Davids. Er schuf durch die Chöre der Sänger mit ihren Harfen, Zimbeln, Psaltern und Pauken jene schönen Gottesdienste des Herrn, welche das Herz der Frommen des alten Bundes mit heiliger Freude füllten, und die ein Vorbild des ewigen Gottesdienstes im Tempel des neuen Jerusalem sind. Er führt uns durch seine Psalmlieder in die tiefsten Tiefen der Buße und auf die Felsenhöhen des Glaubens. Was die Herzen der Knechte Gottes jemals bewegt, es klingt Alles in seinem Saitenspiel wieder. Wer will die betrübten und angefochtenen Seelen zählen, in die er Ruhe und Frieden gesungen hat, die hungrigen Herzen, die in seinen Liedern Wonne, die umnachteten Augen, die in ihnen Licht gefunden haben!
Ähnliche Wundertaten hat Gott durch die von ihm verliehenen, von seinem Geiste verklärten Naturgaben aller seiner Knechte gewirkt! Paulus hatte die natürliche Gabe einer klaren Erkenntnis. Darum konnte er uns die christliche Lehre in solcher Klarheit und Bestimmtheit, in so innigem, festem Zusammenhange vor Augen legen, wie kein anderer Apostel. Er hatte einen umfassenden Blick, ein weites Herz, ein Auge, was die Bedürfnisse der Menschen erkannte, eine Natur, die sich allen Lagen und Bedürfnissen anzuschmiegen verstand. Dadurch wurde er den Juden ein Jude, den Griechen ein Grieche, den Schwachen ein Schwacher, Allen Alles, um ja allenthalben Etliche selig zu machen. Er war bewandert in den Schriften der Heiden und ihrer Poeten. Auf dem Richtplatze in Athen mussten diese weltlichen Kenntnisse ihm dienen, die Athener mit ihren eigenen Waffen zu überwinden. Petrus hatte ein rasches, ungestümes, feuriges, fest wollendes, gewaltig mit sich fortreißendes Temperament. Als dieses vom Feuer des Heiligen Geistes geklärt war, benutzte es der Herr, seine heilige Kirche dadurch zu gründen. - Johannes war einer jener nachdenksamen, in sich gekehrten Naturen, die in das Innere der Dinge zu dringen streben. Sein Evangelium, das Luther das Herz Christi nennt, enthüllt uns darum die tiefsten Geheimnisse der göttlichen Natur Jesu, und in seinen Briefen ist uns das innerste Wesen dankbarer Gegenliebe der Erlösten geoffenbart. Meine Freunde, lasst uns dem Herrn danken, der solche Macht dem Menschen und seinen natürlichen Anlagen gegeben hat! Vergesst niemals, was uns die vorige Predigt gelehrt hat! dass Niemand wegen besonderer Anlagen zum Dienste Gottes geschickt ist. Aber vergesst auch nicht, dass die natürlichen Gaben nicht verachtet, nicht im Schweißtuche vergraben, sondern geheiligt und in den Dienst des Herrn gestellt werden sollen. Ihr wisst, wie es jenem Schalk, dem faulen Knechte, erging, der da meinte, dass er mit dem einen Pfunde nichts wirken könnte.
Geliebte, wem Gott zehn, wenn fünf, wem ein Pfund, wem er große, wem er geringere Gaben anvertrauen will, das hat er seiner Weisheit vorbehalten. Aber ein Pfund hat jeder seiner Knechte empfangen. Wenn dasselbe bloße Naturgabe bleibt, vergeht es mit der Natur. Wenn es aber verklärt und zur Ehre des Herren und zum Heile der Brüder gebraucht wird, hat es Wert und Bedeutung für die Ewigkeit. Singe denn, wem natürliche Sangeslust gegeben ist, unsere geistlichen, lieblichen Lieder und Weisen, dass die Herzen davon in Sprüngen gehen, und auch miteinstimme, wer in der Rede den heiligen Namen Jesu schon lange nicht mehr über die Lippen kommen ließ! Hat Einer Marthas Gabe, eine angeborene Liebe zu rastloser Tätigkeit, den bewahre die Salbung vor der Vieltuerei und vor Zerstreuung; dann wird der Herr, in dessen Weinberge viele und große Arbeit ist, seine raschen Hände und Füße zu Vieler Heil und Freude zu gebrauchen wissen. Hat aber Einer Marias Gabe, einen in sich gekehrten sinnenden Geist, den wird die Salbung vor gefährlicher Träumerei, Gefühligkeit und Verschwommenheit schützen, und ihn aus der Tiefe des Heilands-Herzens die, unserer oberflächlichen Zeit so heilsame Tiefe des Gemütes schöpfen lehren. Natürliche Heiterkeit und Lebendigkeit, die ohne den Geist des Herrn in weltliches, kindisches, leichtfertiges Wesen und Treiben verlockt, wird durch ihn zu jenem Freudengeiste, jener himmlischen Heiterkeit, die Gesunden und Kranken, Alten und Jungen ein Seelenlabsal und ein Wegweiser zu dem Holdseligsten unter allen Menschenkindern ist. Natürlicher Ernst hingegen und natürliche Weltscheu, ohne das Licht von oben in Schwermut und Welthass sich verirrend, wird, in den Dienst des Herrn gezogen, zur festen, eisernen Säule im Tempel des Herrn, an die viele Schwache und Unstete zu ewigem Heile sich anlehnen. Lernen und Wissen blähet auf, verdirbt das eigne Herz und fremde Herzen. Erfleht aber, ihr Lernenden und Wissenden, die Salbung von der Hand des Herrn. Dann werdet ihr zwar mit dem Apostel Paulo, dem Manne des reichen Wissens, auch dafürhalten, dass ihr nichts wisst, als das Kreuz Christi, aber ihr werdet doch, wie er, durch euer Wissen Etliche zu Christo hinlocken. Was soll ich weiter reden von Ordnungsliebe, Sanftmut, Sparsamkeit, von Umsicht und Einsicht, von dem weiten und tiefen Blicke und von allen andern natürlichen Gaben und Kräften? Dies ist die kurze Summa: Wenn hervorragende, natürliche Anlagen ohne die Salbung das arme Menschenherz mit leidiger Hoffart aufblähen, es in tausend Irrgänge führen, es endlich zu Grunde richten und andre mit verderben, so sind dieselben Gaben, wenn das Feuer des Heiligen Geistes sie geläutert hat, in der Hand Gottes das Mittel, seinen Rat auszuführen, sein Reich zu bauen, Menschenseelen zu retten, Elende zu erquicken und alle guten Werke zu wirken.
Und diese Werke werden uns nachfolgen, und der Herr wird sie zu der Krone der Ehren denen ums Haupt winden, die da recht kämpfen und beharren bis ans Ende.
Wer ist der Mann nach dem Herzen Gottes? Wir haben nun eine weitere Antwort zu der in voriger Predigt gefunden. Wer der Salbung stille hält und den von Gott angebotenen Kräften der Gnade nicht widerstrebt, wer sich durch die Salbung in die Niedrigkeit, in den dienenden Stand, in die Leiden, die Trübsalshitze, unter die Dornenkrone, ans Kreuz führen lässt, wer durch dieselbe Salbung gelehrt wird, die natürlichen Gaben zu läutern, von der Eitelkeit sie frei zu machen, sie treu und gewissenhaft zu gebrauchen und in den Dienst des Herrn zu stellen: der ist der Mann nach dem Herzen Gottes. Und nun nimm auch diesen Spiegel mit heim, beschaue dich darin und frage dich ernstlich: „Bin ich ein Mann nach dem Herzen Gottes?“ Amen.
Gebet der Streiter Gottes.
Hast Du, Heiland, wich berufen,
Mitzukämpfen Deinen Streit,
Halt an Deines Thrones Stufen
Auch das Salböl mir bereit.
Sieh, ich beuge meinen Scheitel!
Auf! Herr, salbe mich mit Geist,
Der, was in mir noch ist eitel,
Siegreich aus dem Herzen reißt,
Der mir reicht die heilgen Waffen:
Panzer, Helm und Schwert und Schild;
Der vermag, mich umzuschaffen,
Großer Sieger, in Dein Bild,
Dass ich Dir in meinem Laufe,
Willig folg ins dunkle Tal,
Bis ich nach der Leidenstaufe
Kronen trag im Himmelssaal.