Clemen, Adolf - Andachten über das Lukas-Evangelium

Clemen, Adolf - Andachten über das Lukas-Evangelium

Lukas 1,38.

Siehe, ich bin des Herrn Magd, mir geschehe, wie du gesagt hast.

In dieser gläubigen Hingabe an Gott und sein Wort ist Maria uns Vorbild. Sie grübelt nicht nach über Gottes unbegreifliche Wege und Worte, sie zweifelt und fragt nicht und sträubt sich nicht gegen seine wunderlichen Gedanken, sondern wie ein Kind schließt sie die Augen und legt sich in des Vaters Hände und lässt ihn tun, wie er will. Ich verstehe es nicht, was du tust, aber Eins nur weiß ich, deine unendliche Liebe, o mein Gott; darum, was du willst, das will ich auch. In deine Hände! Das ist die ganze Einfalt, die von sich selbst nichts weiß noch wissen will, die sich selbst und die ganze Welt vergisst und allein auf Gottes Angesicht den Blick richtet. Das ist die demütige Hingebung an Gott, die zu jedem Opfer und jedem Kampf stark macht. Da hat der Mensch keinen eigenen Willen mehr, weil er nur will, was Gott will. Da verzichtet er auf sich selbst und lässt sich von Oben allein leiten. Woher all die viele Sorge und Unruhe bei uns? Woher die Ohnmacht und Schwäche, da wir so bald erlahmen, da wir so wenig fertig bringen? Woher das friedlose, zerrissene Wesen, woher die innern Kämpfe, die uns unglücklich machen, woher die Schwäche unsres Christentums, da wir bei allem Glauben doch in der Heiligung nicht recht vorwärts kommen? Es fehlt uns die volle, wahre Demut, die sich selbst ganz vergisst und allein auf Gott gerichtet ist. Bei allem Schein der Demut ist doch noch immer die Eigenliebe und der Stolz ungebrochen in uns, der sich selber regieren und führen will. Wie still und frei und glücklich würden wir werden, welch' andere Kraft würden wir gewinnen, Gottes Willen zu tun, wenn wir für uns selbst nichts mehr wissen und tun wollten, als allein in seine Hände uns legen, dass er sein Werk in uns treibe! Herr, unser Gott, gib uns ein demütiges Herz, dass wir in Einfalt nur nach Einem fragen allewege, nach deinem Wort und Willen. Lass uns auch heute also vor dir wandeln, dass wir in Gehorsam gegen dein Gebot treuer jede Pflicht erfüllen, besser jede Versuchung bestehen, und Frieden behalten in aller Unruhe der Welt. Amen.

Lukas 2,10.

Siehe ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird, denn euch ist heute der Heiland geboren.

Die Weihnachtsfreude ist die größte Freude, die es gibt, denn sie hat den seligsten Inhalt. „Euch ist heute der Heiland geboren.“ Weißt du, was die Sünde ist? Und weißt du, was der Tod ist? Dann verstehst du die selige Freude: Euch ist heute der Heiland geboren. Du hast nun Gnade bei Gott gefunden. Du brauchst dich nun nicht mehr zu fürchten vor dem Gericht: Wer will verdammen? Christus ist hier, der gerecht macht! Brauchst dich nicht mehr zu fürchten vor dem Tod: Christus ist unser Leben, und der Tod ist verschlungen in den Sieg. - Dir ist der Heiland geboren. Selig, wer diese Freude in sein Herz fasst, er wird dadurch nicht bloß reicher, fröhlicher, sondern auch besser und reiner. Die Weihnachtsfreude hat eine wunderbare Macht der Heiligung, und auch darum nennt der Engel sie die große Freude. Wenn ich Einen wüsste, der lieblos und hart neben dem Herzen hergeht, mit dem er von Gott verbunden ist, und hat kein Auge dafür, wie es sich härmt und grämt; wenn ich Einen wüsste, der sein Hab und Gut, seine Kraft und sein Geld nur für sich genießt, ohne Aug' und Ohr für die Not um ihn her; wenn ich ein Haus wüsste, wo kein Friede wohnt, weil sie einander wie Fremde gegenüberstehen o ich wollte ihnen heute keine Buße predigen, ich wollte ihnen heute nicht vorrücken ihre große Schuld, ich wollte ihnen heute nicht drohen mit Gottes Gerichten, ich wollte ihnen nur die große Freude verkündigen, dass auch ihnen heute ist der Heiland geboren, auf dass vor den Jubeltönen dieser Freude, mächtiger als vor den Posaunentönen des göttlichen Gerichts, umstürzten die Mauern ihres Herzens, die Mauern ihrer Selbstsucht und Härte und Sünden. So nehmt die große Freude ins Herz! O Herr Jesu, wie du für uns geboren bist, so werde auch in uns geboren, und hilf uns täglich, dass wir dich in uns lassen eine Gestalt gewinnen, dass nicht mehr wir leben, sondern du in uns. In Niedrigkeit bist du geboren, so lass auch uns dir nachfolgen in Verleugnung und Armut des Geistes, in Gehorsam und Treue der Wahrheit, in kindlich lauterem Sinn nach deinem Bilde. Amen.

Lukas 2,14.

Ehre sei Gott in der Höhe, Friede auf Erden, und den Menschen ein Wohlgefallen.

Dies ist der Tag, den uns der Herr macht; lasst uns freuen und fröhlich darinnen sein! Uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben. Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen Sohn gab. Halleluja. Also loben und preisen wir heute mit den Engeln im Himmel und mit allen Kindern Gottes auf Erden. Denn wieder ist es uns erschienen, das liebe, heilige Weihnachtsfest, mit all seiner Freude und Herrlichkeit. Und wieder hören wir das Weihnachtsevangelium, uns lieb und teuer von Kindheit an; wieder geht die alte, ewig neue Botschaft durch Stadt und Land: „Siehe ich verkündige euch große Freude, denn euch ist heute der Heiland geboren.“ Und alle Kinder Gottes, soweit sie wohnen, beugen anbetend die Kniee vor der Krippe zu Bethlehem, und dem Wunder der Wunder, das sie birgt; und das Herz geht ihnen weit auf über der reichen, großen Gottesbescherung, und sie rufen zum Himmel: Gelobt seist du Jesu Christ, dass du Mensch geboren bist. Ehre sei Gott in der Höhe! - Barmherziger Gott, du Vater unseres Herrn Jesu Christi, und in ihm auch unser Vater, du bist ein Gott, der Wunder tut; du hast Großes an uns getan, des sind wir fröhlich, denn uns ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus der Herr. O Herr und Heiland, ziehe nun ein in unsre Herzen, die nach dir verlangen. Regiere uns, du König der Herrlichkeit, mit deinem Geist und heile uns durch deine Gnade von allem Elende der Sünden. Verleihe uns, treuer Herr und Erlöser, Trost in allem Leid, Hilfe in jeder Not, Kraft in den Versuchungen dieser argen Welt, und selige Hoffnung im letzten Kampf. Erbarme dich über uns, und gib uns deinen Frieden, o Jesu. Amen.

Lukas 2,49.

Wisst ihr nicht, dass ich sein muss in dem, was meines Vaters ist?

Ihr Kinder, ihr jungen Herzen, vergesst nicht, dass ihr sein sollt in dem, was eures himmlischen Vaters ist. Vergesst nicht Gotteswort, Gottesgebot; vergesst nicht das Gebet. Was ihr auch sonst wäret und hättet, ihr wäret dann arme Kinder, und eurer Jugend fehlte das Beste. Aber auch ihr Eltern, seid von früh auf mit euren Kindern in dem, was Gottes ist, dann mögt ihr sie mit getrostem Mut in die Welt ziehen lassen, mögt mit getrostem Sinn eure Augen schließen: ihr wisst, sie haben eine Schutzwehr, die nimmer bricht. Was auch das Leben ihnen bringe, ihr Haus ist auf den Felsen gebaut. Und dann ruht auch ihre Liebe zu euch auf festem Grunde. Fürchtet nicht, sie würden euch dadurch entfremdet, dass ihr sie zuerst sein lasst in dem, was ihres Gottes ist. Seht es an Jesu! Weil er sein durfte in dem, was seines himmlischen Vaters ist, darum ging er mit seinen Eltern hinab gen Nazareth und ward ihnen untertan. Hört es, ihr Eltern, die ihr Gehorsam von euren Kindern wollt; hört es, ihr Kinder, die ihr Gottes Segen erfahren wollt: Er ward ihnen untertan. Aber damit auch ihr untertan seid, müsst ihr zuerst sein in dem, was eures himmlischen Vaters ist. O Herr, unser Heiland, du hast uns eine Heimat gegeben, ein Vaterhaus, aus dem uns Niemand ausstoßen kann. Gib uns Allen, den Großen und Kleinen, das rechte Kindesherz, dass wir immer treuer bleiben in dem, was unsers Vaters. ist. Segne uns dazu auch diesen heiligen, stillen Tag, dass wir unser Vaterhaus suchen, das himmlische Jerusalem. Amen.

Lukas 16,2.

Und er forderte ihn und sprach zu ihm: Wie höre ich das von dir? Tue Rechnung von deinem Haushalten; denn du kannst hinfort nicht mehr Haushalter sein.

Um ein Jahr bin ich der Ewigkeit näher gekommen, und ich höre im Geist die Stimme des heiligen, gerechten Gottes, wie er mich vor sich fordert gleich dem Haushalter. An Gelegenheiten zum Guten, an inneren und äußeren Anfassungen hat er es mir nicht fehlen lassen; viel leibliche Wohltaten hat er mir geschenkt; auch manche Leiden und Prüfungen hat er zu meinem Heil über mich verhängt, bin ich nun durch das Alles vorwärts gekommen auf dem Wege zum Himmel? Ich bin älter geworden; bin ich auch besser, frommer, heiliger, weiser zur Seligkeit geworden? Bin ich ein wahrer Christ, ein wiedergebornes Gotteskind? Wenn ich heute sterben müsste, würde ich selig sterben? Wie treu hat Gott in diesem Jahre wieder an meiner Seele gearbeitet, wo ist nun heute die Frucht? Wie viel hat Gott mir anvertraut, wie habe ich nun seine Güter verwaltet? Der ewige Gott und Herr, der mir alle Jahre meines Lebens gegeben, er kommt heute und spricht: Lass die Jahre reden! was antworten sie? was spricht insonderheit dieses letzte Jahr von mir

Der Gärtner kommt heute Früchte. Er stellt sich vor findet er die Früchte, die er sucht? Und wenn er nun spricht: So viele Jahre komme ich schon und suche Frucht an diesem Baume und finde keine, haue ihn ab! was wollen wir tun? Wir wollen zu Jesu flüchten, dass er uns vertritt und für uns betet beim Vater: Herr, lass ihn noch dieses Jahr, bis dass ich um ihn grabe, ob er wollte Frucht bringen. Wo nicht, so haue ihn danach ab. Wir wollen am Jahresende zum Herrn beten: Was ich gelebt hab', bedecke du. Was ich noch leben soll, regiere du! Werde nicht müde für mich zu bitten. Werde nicht müde, an mir zu arbeiten, auf dass ich die rechte Frucht endlich bringen möge. Amen.

Lukas 21,27.28.

Alsdann werden sie sehen des Menschensohn kommen in den Wolken mit großer Kraft und Herrlichkeit. Wenn aber dieses anfängt zu geschehen, so seht auf, und hebt eure Häupter auf, darum dass sich eure Erlösung naht.

Der Herr ist gekommen als Friedensfürst unter dem Jubel seines Volkes, so predigt der erste Advent. Der Herr wird kommen, wieder kommen in großer Kraft und Herrlichkeit, als Richter aller Welt, so predigt der heutige zweite Advent. Darum so seid nun wacker allezeit und betet, dass ihr würdig werden mögt, zu entfliehen dem Allen, und zu stehen vor des Menschensohn. Lasst euch versöhnen mit Gott, so lang die Gnadenzeit währt. Heiligt dem Herrn eure Seele und euer ganzes Leben. Zum Himmel die Herzen, zumal in dieser Zeit, in der heiligen Adventszeit. So spricht der Herr: Siehe, ich komme bald und mein Lohn mit mir, zu geben einem Jeglichen, wie seine Werke sein werden. Darum wacht, denn ihr wisst weder Zeit noch Stunde, in welcher des Menschensohn kommen wird. Dann könnt ihr aus allem Kampf und aus aller Not immer wieder eure Häupter aufheben in Trost und Freude, darum dass sich eure Erlösung naht. Dann wisst ihr: es kommt ein Tag, - wie lang er auch verziehen mag, einmal kommt er gewiss, wo der Herr die Gefangenen Zions erlösen wird, erlösen von allem Übel. O Herr Gott, barmherziger Gott, rüste du uns aus mit rechtem Glauben und behalte uns fest in deiner Gnade, dass wir nicht versinken in den ewigen Tod, sondern das Reich ererben, das du uns bereitet hast in Jesu Christo. Stelle uns alle Tage den großen Ernst deines Gerichtes vor die Seele, damit wir wachen und nüchtern sind als Kinder des Lichts. Bewahre uns in deiner Gnade, damit, wenn dein Tag kommt, wir unsre Häupter aufheben können mit Freuden. Dazu segne dein Wort auch an diesem Sonntag, dazu segne unsre Hausandachten in dieser heiligen Adventszeit und durchs ganze Jahr, um deiner Liebe willen. Amen.

Mel.: Nun sich der Tag geendet.

Der Herr bricht ein um Mitternacht;
Jetzt ist noch Alles still,
Wohl dem, der nun sich fertig macht,
Und ihm begegnen will!

So wache denn, mein Herz und Sinn,
Und schlummre ja nicht mehr!
Blick' täglich auf sein Kommen hin,
Als ob es heute wär'!

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