Bartholomäi, August Friedrich Wilhelm Rudolf - Predigt am Sonntag Oculi
von
Stadtpfarrer R. Bartholomäi in Wildbad.
Ev. Luk. 11, 14-28. (I. Jahrgang.)
Und Jesus trieb einen Teufel aus, der war stumm. Und es geschah, da der Teufel ausfuhr, da redete der Stumme. Und das Volk verwunderte sich. Etliche aber unter ihnen sprachen: Er treibt die Teufel aus durch Beelzebub, den obersten der Teufel. Die andern aber versuchten ihn und begehrten ein Zeichen von ihm vom Himmel. Er aber vernahm ihre Gedanken und sprach zu ihnen: Ein jegliches Reich, so es mit ihm selbst uneins wird, das wird wüste, und ein Haus fällt über das andere. Ist denn der Satanas auch mit ihm selbst uneins, wie will sein Reich bestehen, dieweil ihr sagt, ich treibe die Teufel aus durch Beelzebub? So aber ich die Teufel durch Beelzebub austreibe, durch wen treiben sie eure Kinder aus? Darum werden sie eure Richter sein. So ich aber durch Gottes Finger die Teufel austreibe, so kommt je das Reich Gottes zu euch. Wenn ein starker Gewappneter seinen Palast bewahrt, so bleibt das Seine mit Frieden; wenn aber ein Stärkerer über ihn kommt und überwindet ihn, so nimmt er ihm seinen Harnisch, darauf er sich verließ, und teilt den Raub aus. Wer nicht mit mir ist, der ist wider mich, und wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut. Wenn der unsaubere Geist von dem Menschen ausfährt, so durchwandelt er dürre Stätten, sucht Ruhe und findet sie nicht; so spricht er: ich will wieder umkehren in mein Haus, daraus ich gegangen bin. Und wenn er kommt, so findet er's mit Besen gekehrt und geschmückt. Dann geht er hin und nimmt sieben Geister zu sich, die ärger sind denn er selbst; und wenn sie hinein kommen, wohnen sie da, und wird hernach mit demselben Menschen ärger denn vorhin. Und es begab sich, da er solches redete, erhob ein Weib im Volk die Stimme und sprach zu ihm: Selig ist der Leib, der dich getragen hat, und die Brüste, die du gesogen hast! Er aber sprach: Ja selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren!
Dieses eigentümliche Evangelium von Christo erinnert an das Wort des Johannes in seinem ersten Briefe: „Dazu ist erschienen der Sohn Gottes, dass er die Werke des Teufels zerstöre“ (3, 8). Wir vernehmen daraus, dass Jesus einen Teufel austrieb, der war stumm; und es geschah, da der Teufel ausfuhr, da redete der Stumme. Diese wunderbare Tat machte eine große Bewegung im Volk und rief auch bitteren Neid und arge Lästerung hervor neben einem ungeschickten Lob. Auf Beides hat der Herr diesmal geantwortet, auf die Lästerung und auf das ungeschickte Lob. So tat er nicht immer; viele Schmach und Bosheit seiner Widersacher hat er still dem heimgestellt, der da recht richtet. Jedoch diesmal gab es eine besondere Gelegenheit, Manchem, in dem noch ein Sinn für die Wahrheit sich regte, auf den richtigen Weg zu helfen und ihn vor Versündigung zu bewahren. Nicht die eigene Ehre hat er gesucht, wenn er antwortete, aber den Gutwilligen hätte er gerne zu ihrem eigenen Besten geholfen, zum Reich Gottes, das ihnen nahe war. Darum hat er auch das Lob, welches ein zuhörendes Weib ihm spendete, nicht für sich angenommen, sondern hat sie hingewiesen auf das, was ihm lieber und ihr nützlicher sei, wenn sie nämlich, statt ihn mit Menschenlob zu erheben, Gottes Wort höre und bewahre.
Was nun der Herr nach der Austreibung des stummen Teufels aus einem Menschen sprach, das geht in die unsichtbare Welt hinein, und redet er da als einer, der in der unsichtbaren Welt so bekannt ist wie in der sichtbaren. In all diesen Dingen herrscht noch viel Unverstand; die Einen gehen über den hellen Glauben hinaus in den düsteren Aberglauben hinein, und die Andern, die spüren, dass das übertrieben ist, fallen in den leeren Unglauben und werfen alles weg. Es ist einem oft herb, das seichte Geschwätz des Unglaubens hören zu müssen, aber ebenso widerwärtig ist das schriftwidrige Gerede des Aberglaubens. Wen der Sohn Gottes, der die Wahrheit ist, frei macht, der ist recht frei, vom Unglauben wie vom Aberglauben, und lernt das Rechte glauben und sich in Tat und Leben danach halten. Es lässt sich in einer Predigt nicht alles sagen, auch hat der Herr in unserem heutigen Evangelium nicht alles gesagt, aber einiges, was sehr wichtig ist, weil unser ganzes Verhältnis zum Heiland und seiner Sache damit zusammenhängt. Wir wollen ein solches Hauptwort, das für unser persönliches Christentum so wichtig ist, jetzt in die Mitte stellen,
das Wort des Herrn: „Wer nicht mit mir ist, der ist wider mich; und wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut.“
I. Was tut denn der Herr, wobei wir mit ihm sein sollen?
II. Wie muss man denn mit ihm sammeln?
Herr Jesu! lass dein Wort uns Herz und Sinn so durchdringen, dass es uns scheide von allem, was wider dich und dein Reich ist, und dass wir mit dir wandeln, wirken und sammeln, damit wir auch gesammelt werden zu den Kindern deines Reiches! Amen.
Das Wort des Herrn: „Wer nicht mit mir ist, der ist wider mich“ usw., kann man auf vielerlei Weise anwenden, und oft wird es von solchen Leuten und Sachen gebraucht, die gar nicht auf des Heilands und des Christentums Seite stehen. Wir müssen aber umso mehr zu verstehen suchen, was der Herr mit diesem Ausspruch hat sagen wollen. Sehen wir also zunächst auf die Gelegenheit, bei welcher dieses Wort des Herrn erstmals geredet worden, und fragen wir:
I. Was tut denn der Herr, wobei wir mit ihm sein sollen?
Was er tut, das sind Gotteswerke zu unserem Heil; er zerstört die Werke des Teufels. Damit lässt er uns wissen, dass wir auch unsichtbare Feinde haben, die bösen Geister, die in der Luft um uns herrschen und welche uns auf jede mögliche Weise verderben wollen. Sie üben ihren Einfluss auf Gedanken und Gemütsbewegungen, ja auf das leibliche Befinden, sie sind im Stande, sozusagen die Luft, die wir einatmen, zu vergiften. Zu allen Zeiten, und zu Jesu Zeiten besonders, hat es Menschen gegeben, an welchen des Satans Gewalt besonders deutlich geworden ist, Besessene. Ich sage: „besonders deutlich geworden,“ denn die ärgste Art satanischer Gewalt ist es nicht. Ärger ist diejenige Gewalt des Satans, womit er einen Menschen mit Lüge und Unglauben, Hass und Gottlosigkeit zu Grunde richtet auf ewig. Das ist aber menschlichen Augen oft nicht so deutlich, wie das Besessensein. Besessene sind deswegen gerade keine ärgeren Sünder als Andere. Zu Jesu Zeiten wehrte sich das Reich der Finsternis recht sichtbar, denn Satan wusste und weiß, was er von dem Sohne Gottes, unserem Heiland, zu fürchten hat. Dessen Werk ist, des Teufels Werke zu zerstören, und das kann nur er, nur er allein. Alle Worte und Taten, aller Gehorsam und alles Leiden, alle Gebete und Kämpfe Jesu sind darauf gerichtet. Er hat der Schlange den Kopf zertreten, den Fürsten der Finsternis überwunden.
Nun sagt er denen, die ihn anfeinden: „Wer nicht mit mir ist, der ist wider mich;“ und: „So ich durch Gottes Finger die Teufel austreibe, so kommt ja das Reich Gottes zu euch.“ Wer nun darüber spottet oder lästert, wenn Jemand das Heil findet, der sage nicht, dass er für Christum sei, der steht auf der argen Seite und hilft den Satan und den Einfluss der bösen Geister aller Art stärken. Die Feinde Jesu haben gar nicht bedacht, wie sie sich am Reich Gottes versündigen, wenn sie Jesum verlästern, sie haben nur auf die nächste Person, die vor Augen war, nicht auf die Sache, aufs Ganze gesehen. Ihre Lästerung: „Er treibt die Teufel aus durch Beelzebub, den obersten der Teufel,“ zeigt deutlich, dass sie keinen Verstand hatten von den unsichtbaren Dingen. Durch Zauberei, durch schwarze heidnische Künste, durch freventlichen Missbrauch des Namens Gottes treibt man keine bösen Geister aus, Satan tut sich selbst keinen Schaden. Da nun Jesus aber wahrhaftig böse Geister austrieb und die Geheilten zum wahren Glauben brachte, so tat er deutlich Gottes Werke und kam durch ihn Gottes Reich.
So verlangt nun der Herr von jedem Christen, dass er mitkämpfe wider das Reich der Finsternis und sich frei auf die Seite Christi und aller seiner Worte stelle. Und wenn er auch das Lob des Weibes, das seine Rede hörte, als ein ungeschicktes zurechtwies, so zeigt er doch deutlich an, wie recht das Weib tat, dem Herrn zu danken, dass er uns aufdeckt, welch unsichtbare Feinde uns umringen, und welche unersetzliche Hilfe wir am Sohne Gottes haben. Man soll sich deswegen von diesem Licht des Wortes nicht abkehren oder in seichtem Unglauben es verwerfen, sondern mit Gottes Wort und Gebet sich wappnen, dass man nicht einem falschen, eitlen, sichern und frechen Geiste Raum gebe. Man soll es nicht als einen Aberglauben verdammen, wenn Jemand an Christi Worte von der Gewalt des Teufels glaubt und sich danach richtet. Stelle dich auf des Herrn Seite allezeit, denn er spricht warnend: „Wer nicht mit mir ist, der ist wider mich, und wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut.“
II. Wie muss man denn mit ihm sammeln?
Wenn uns im ersten Teil des Wortes Jesu ans Herz gelegt ist, wie man sich auf des Heilands Seite schlagen und in jedem Betracht seinen Worten glauben soll, und wie sehr wir seiner Erlösung bedürfen, so ist uns im zweiten Teile seines Wortes und des ganzen heutigen Evangeliums gesagt, was wir tun müssen, damit wir und Andere der Hilfe Jesu auch froh werden und nicht in neue und ärgere Stricke des Satans und der Sünde geraten.
Nachdem der Herr einen bösen Geist ausgetrieben hatte, sagte er, der auch das Unsichtbare durchschaut, wie es dann mit den bösen, unsauberen Geistern gehe. „Wie der unsaubere Geist von dem Menschen ausgefahren ist, so durchwandelt er dürre Stätten, sucht Ruhe und findet ihrer nicht.“ So spricht der Herr, welcher Dinge sieht, die wir nicht sehen, das sind Nachrichten aus der unsichtbaren Welt, die wir einfach glauben müssen dem Sohne Gottes, dem König der Wahrheit, dem Herrn' über Alles. Die bösen Geister irren umher und suchen eine Stätte, wo sie ihr Wesen treiben können. Ihre Lust ist, Menschen zu verderben mit Anreizung zu allem, was ungöttlich und sündhaft ist. Sie suchen Obdach bei den gefallenen Menschen, sie suchen's bei Jedem und kennen eines Menschen schwache, dem Bösen zugewendete Seiten. Da geschieht es leicht, dass, wenn jemand von einer Sünde frei geworden ist, er bald wieder in dieselben oder andere Stricke fällt. Der böse Geist spricht: „Ich will wieder umkehren in mein Haus, daraus ich gegangen bin. Und wenn er kommt, so findet er's mit Besen gekehrt und geschmückt;“ d. h. der kaum befreite und bekehrte Mensch wird sicher und eitel und dünkt sich nun etwas Rechtes zu sein. Das sehen einem die bösen Geister an, die unser Inwendiges erblicken. „Dann geht der unsaubere Geist hin und nimmt sieben Geister zu sich, die ärger sind, denn er selbst; und wenn sie hineinkommen, wohnen sie da, und wird hernach mit demselbigen Menschen ärger denn vorhin.“
Hier redet der Herr nun nicht mehr nur davon, wie ein Besessener, der befreit worden ist, wieder und noch härter in der bösen Geister Gewalt kommen könne, wenn er nicht recht aufrichtig und demütig sich bekehrt, sondern der Herr wendet sich da zu allem Volk und spricht überhaupt davon, wie alle Menschen, die von des Teufels Stricken, von dieser oder jener Hauptsünde sich bekehrt haben, oder vielmehr erlöst worden sind durch die Kraft des Wortes Jesu, den Anläufen der bösen Geister heftig ausgesetzt sind, und wenn sie nicht recht ernstlich sich zu Jesu halten in der Demut und täglichen Buße, siebenmal ärger werden können in anderen Sünden denn zuvor. Eine ernste Mahnung besonders für schnellbekehrte und dann sichere Leute! Aber ebenso eine Warnung, wider allerlei finstere Plage zauberische Hilfe zu suchen ohne Bekehrung! Bei dem Herrn Jesu aber erlangt man bleibende Hilfe, so man sich von Herzen bekehrt und in der Demut und in der Heiligung bleibt aus Glauben und Gehorsam des Evangeliums. Und wo man solche Hilfe auch an Anderen sieht, da soll man dessen froh sein und dem Herrn danken, dass er so gnädig und so mächtig ist. Ja man soll durch Gebet und Fürbitte, durch Liebe und Geduld, durch brüderliche Aufnahme und Handreichung, durch Wort und Zeugnis treulich mithelfen, dass die Werke des Teufels zerstört werden. Jede redliche Bekehrung, jede Abwehr von allerlei Sünde und Zerrüttung des Glaubens und der Liebe untereinander, jede Förderung der Wahrheit und lauteren Erkenntnis Gottes und seines Weges auf Erden, jede Seele, welche das Leben aus Gott in Christo findet, ist eine Abnahme des Reichs der Finsternis, eine Schwächung der Macht der bösen Geister, eine Mehrung und Stärkung des Reiches Gottes unter uns. Wer nicht so mit Jesu sammelt, der zerstreut; aber selig sind, die das Wort Gottes hören und bewahren; die werden frei in Christo und Kinder Gottes, und freuen sich und helfen dazu, dass auch Andere die Kraft der Erlösung erfahren. Amen.