Augustinus, Aurelius - Soliloquien - XXXVI. Von der Herrlichkeit des himmlischen Vaterlands.

Augustinus, Aurelius - Soliloquien - XXXVI. Von der Herrlichkeit des himmlischen Vaterlands.

Wenn wir nun zu Dir, dem Born der Weisheit kommen werden, zu Dir, dem unvergänglichen Licht, zu Dir, dem unauslöschlichen Licht, da wir Dich dann nicht mehr durch einen Spiegel sehen in einem dunklen Wort, sondern von Angesicht zu Angesicht: da wird allererst unser sehnliches Verlangen mit Gütern ersättigt werden; denn es wird von Außen nichts mehr vorhanden sein, danach uns verlangen könnte, denn allein Du HErr, das höchste Gut, der Du sein wirst der Lohn der Seligen und die Krone ihrer Ehren und eine ewige Freude über ihren Häuptern, indem Du sie zufrieden stellst von Innen und Außen in Deinem Frieden, der höher ist denn alle Vernunft. Da werden wir sehen, lieben und loben, Dein Licht werden wir sehen in Deinem Licht; denn bei Dir ist der Born des Lebens, und in Deinem Licht werden wir das Licht sehen. Was wird das aber für ein Licht sein? Ein unermessliches Licht, ein unverwesliches, unbegreifliches, unvergängliches Licht, ein unauslöschliches Licht, ein unzugängliches Licht, ein unerschaffnes Licht, ein wahrhaftiges Licht, ein göttliches Licht, das der Engel Angesicht erleuchtet, die Jugend der Heiligen erfreut, ein Licht aller Lichter und ein Brunn des Lebens, so Du selber bist, o GOtt!

Bist Du doch das Licht, darin wir Dich, das Licht sehen werden, nämlich in Dir, in dem Glanz Deines Antlitzes, wenn wir Dich von Angesicht zu Angesicht sehen werden! Was ists aber anders von Angesicht zu Angesicht sehen, denn das, was der Apostel sagt, erkennen, gleichwie ich erkannt bin? Deine Wahrheit und Herrlichkeit erkennen ist soviel, als Dein Angesicht erkennen. Das heißt, erkennen die Macht des Vaters, die Weisheit des Sohnes, die Gütigkeit des Heiligen Geistes, ja der höchsten Dreifaltigkeit einiges unzerteiltes Wesen selbst. Denn das Angesicht des lebendigen GOttes sehen ist das höchste Gut, die Freude der Engel und der Heiligen, der Lohn des ewigen Lebens, die Herrlichkeit der Geister, die ewige Freude, die Krone der Ehren, das Kleinod der Seligkeit, die reiche Ruhe, der schöne Frieden, die innerliche und äußerliche Freude, das Paradies GOttes, das himmlische Jerusalem, das selige Leben, die vollkommene Seligkeit, die Freude der Ewigkeit und der Friede GOttes, der höher ist denn alle Vernunft.

Dies ist die rechte völlige Seligkeit und die vollkommene Herrlichkeit des Menschen, das Angesicht seines GOttes zu schauen, den zu schauen, der Himmel und Erde gemacht hat, den zu sehen, der ihn selbst geschaffen, erlöst und herrlich gemacht hat. Er wird Ihn sehen und erkennen und Ihn über alle Maßen lieben, wird Ihn loben und besitzen. Denn Er wird das Erbe Seines Volkes jein, des Volks der Heiligen, des Volks, das Er erlöst hat. Er ist der Schatz ihrer Seligkeit, die Belohnung und Vergeltung, darauf sie gewartet. Ich werde, sprach Er zu Abraham, dein sehr großer Lohn sein! Denn einem großen HErrn stehen große Dinge wohl an. In der Tat bist Du, o HErr, mein GOtt, sehr groß über alle Götter und Dein Lohn ist auch sehr groß. Du bist nicht solcherleiweise groß, dass Dein Lohn klein sein soll, sondern wie groß Du bist, so groß ist auch Dein Lohn; denn Du bist nicht ein ander Ding und Dein Lohn auch nicht ein anderes, sondern wie Du selbst sehr groß bist, also bist Du selbst der sehr große Lohn.

Du selbst bist der Krönende und die Krone, Du selbst der Verheißende und die Verheißung; Du selbst der Vergelter und die Vergeltung; Du bist der Geber und die Gabe der ewigen Seligkeit. So bist Du nun der Krönende und die Krone, o mein GOtt, und der herrliche Hauptschmuck meiner Hoffnung, die mit Herrlichkeit geziert ist, ein freudebringendes Licht, ein erquickendes Licht, ein fein zierendes Geschmeide, meine große Hoffnung, das herzliche Verlangen der Heiligen und der Allersehnte. Darum, wenn man Dich sieht, so ist das der ganze Lohn, die ganze Vergeltung und die ganze Freude, deren wir warten. Darin steht das ewige Leben und Deine Weisheit. Dies ist das ewige Leben, dass wir Dich, der Du allein wahrer GOtt bist und den Du gesandt hast, JEsum Christum erkennen. Wenn wir Dich nun, den einigen GOtt sehen werden, einen wahren GOtt, einen lebendigen, allmächtigen GOtt, einen einigen, unsichtbaren, unbeschließbaren in Raum und Zeit, einen unbegreiflichen GOtt und Deinen eingebornen Sohn, der mit Dir gleichen Wesens und gleich ewig ist, unsern HErrn JEsum Christum, den Du um unsers Heils willen in die Welt gesandt hast in der Kraft des Heiligen Geistes: wenn wir Dich sehen werden, sage ich, dreifach in den Personen und einig in dem Wesen, dann werden wir haben, das wir jetzt suchen, das ewige Leben, die immerwährende Herrlichkeit, welche Du bereite: hast denen, die Dich lieben, welche Du verborgen hast denen, die Dich fürchten, welche Du geben wirst denen, die Dich suchen und nach Deinem Angesicht allezeit verlangen.

Und Du, HErr, mein GOtt, mein Bildner von meiner Mutter Leibe an, welche mich Deiner Hand fleißig befohlen, lass mich ferner nicht von Dir, dem Einigen auf vielerlei Dinge gezogen werden, sondern sammle mich von den äußerlichen Dingen hinweg in mir selbst und von mir zu Dir, auf dass mein Herz allezeit zu Dir sprechen könne: Dich sucht mein Angesicht; HErr, Dein Angesicht will ich suchen, das Angesicht des HErrn aller Macht, in welchem allein die ewige Herrlichkeit der Seligen ganz und gar beruht, was zu sehen das ewige Leben ist und die immerwährende Herrlichkeit der Heiligen. Darum lass mein Herz sich erfreuen, dass es Deinen Namen fürchte! Es erfreue sich das Herz derer, die den HErrn suchen, ja vielmehr derer, die Ihn finden! Denn so schon eine Freude im Suchen liegt, was wird erst für eine Freude im Finden sein? Darum will ich allezeit Dein Angesicht inbrünstig und unaufhörlich suchen, ob mir etwa einmal die Türe und die Tore der Gerechtigkeit eröffnet werden mögen, dass ich eingehe zu meines HErrn Freuden! Dies ist das Tor des HErrn, durch welches die Gerechten eingehen werden! Amen.

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