Ahlfeld, Friedrich - Weckstimmen - V. Der Christ lebt seines Glaubens.

Ahlfeld, Friedrich - Weckstimmen - V. Der Christ lebt seines Glaubens.

Die Gnade unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi, die Liebe Gottes des Vaters, und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch Allen. Amen.

Text: Brief an die Hebräer, Kap. 10, V. 38 - Kap. 11, V. 6:
Der Gerechte aber wird des Glaubens leben. Wer aber weichen wird, an dem wird meine Seele kein Gefallen haben. Wir aber sind nicht von denen, die da weichen und verdammt werden, sondern von denen, die da glauben und die Seele erretten. Es ist aber der Glaube eine gewisse Zuversicht des, das man hofft, und nicht zweifelt an dem, das man nicht sieht. Durch den haben die Alten Zeugnis überkommen. Durch den Glauben merken wir, dass die Welt durch Gottes Wort fertig ist; dass Alles, was man sieht, aus Nichts worden ist. Durch den Glauben hat Abel Gott ein größer Opfer getan, denn Kain; durch welchen er Zeugnis überkommen hat, dass er gerecht sei, da Gott zeugte von seiner Gabe; und durch denselbigen redet er noch, wiewohl er gestorben ist. Durch den Glauben ward Enoch weggenommen, dass er den Tod nicht sähe, und ward nicht erfunden, darum, dass ihn Gott wegnahm; denn vor seinem Wegnehmen hat er Zeugnis gehabt, dass er Gott gefallen habe. Aber ohne Glauben ist's unmöglich, Gott zu gefallen; denn wer zu Gott kommen will, der muss glauben, dass er sei, und denen, die ihn suchen, ein Vergelter sein werde.

In Christo Jesu geliebte Gemeinde. Gestern, als den 29. September, war das Michaelisfest, das Fest des Erzengels Michael und überhaupt der Engel. Michael ist vorangestellt, und von ihm hat das ganze Fest den Namen, weil er uns in der heiligen Schrift, im Buche des Propheten Daniel und in der Offenbarung Johannis, besonders als der Engel genannt wird, welcher für das Reich Christi gegen den alten Drachen streitet. Das Fest ist ein Dankfest der Kirche für alle die Gnaden, welche Gott seinen armen Kindern durch die heiligen Engel angedeihen lässt. Sie sind allzumal dienstbare Geister, ausgesandt zum Dienst um Derer willen, die ererben sollen die Seligkeit. Sie stehen auf Befehl ihres Herrn und Gottes den Großen und Kleinen zur Seite. Sie sind uns Schutz und Schirm gewesen in tausend Gefahren; sie haben sich ungesehen in tausend Versuchungen zwischen uns und die beabsichtigte böse Tat gestellt. Sie legten ein Hindernis nach dem andern in den Weg, bis unser böser Wille wankte und endlich gebrochen ward. Sie sind die lieben unsichtbaren Pfleger der Kleinen und ihre treuesten Wärter. Wir werden Alle einst erkennen, wie sie in den Jahren der schwachen Kindheit ihre Hände über uns ausgebreitet haben. Sie leiten uns an Stätten, wo uns Gottes Wort und Heil nahe gebracht wird. Sie tragen endlich die Seelen derer, welche getreu waren bis an den Tod, hinauf an die Gnadenpforte, - Wenn wir ihnen im Laufe des Kirchenjahres ein Fest feiern, so beten wir sie nicht an, sondern den Herrn, welcher sie uns zur Hilfe sendet; wir preisen sie nicht, sondern den, des dienstbare Geister sie sind. Aber wie Wenige gedenken jetzt ihrer! Für wie Viele sind denn diese lieben Freunde noch vorhanden! Hast du denn gestern an sie gedacht? Die Meisten von uns werden antworten: „Ich dachte bei dem Tage Michaelis an den Vierteljahrsschluss, an das Ausziehen aus einer Wohnung in die andere, an die fälligen Mieten und Zinsen und an die Coupons, welche von den Staatsschuldscheinen und Aktien abgeschnitten werden; aber nicht an die Engel.“ Nun so denke denn heute noch an sie! Denke aber auch an den Unterschied zwischen ihnen und uns. Die guten ihrem Gotte treugebliebenen Engel haben es in vielen Stücken besser als wir. Seit sie in dem großen Sturme der Versuchung, welcher eine große Schar der reinen Geister zum Abfall brachte, festgestanden, können sie nicht mehr fallen. Zum Lohne ihrer Treue hat Gott diese Treue für alle Ewigkeit geheiligt und fest gegründet. Sündlos, gehorsam und neidlos wandeln sie in den Wegen Gottes. Immer noch haben sie Freude über jeden Sünder, der Buße tut; und eben so sehr freuen sie sich über Jeden, der im heißen Kampfe der Anfechtung Widerstand leistet. Und ob du sie auch vergessen hast, so vergessen sie doch dich nicht. Sie gleichen alten lieben Freunden, welche schon der Väter Freunde waren, welche aber von den Söhnen vergessen worden sind. Fragen nun auch die Söhne nicht mehr nach den Freunden ihres Vaters, so fragen doch diese Freunde noch nach den Söhnen ihres Freundes. Sie gehen ihnen doch noch nach, sie bieten ihnen in Stunden der Not doch noch die Hand, sie haben zur guten Zeit doch noch ein gutes Wort an sie. Doch haben sie auch noch einen ganz andern Vorzug vor uns. Sie sind von Gott nicht gepflanzt auf einen armen fernen Planeten wie wir. Sie sind nicht in einen Leib eingeschlossen wie unser Geist. Wenn sie einen Leib annehmen, tun sie es nur, um sich den Menschen offenbaren zu können. Sie sehen nicht wie wir durch einen Spiegel in einem dunkeln Wort, sondern von Angesicht zu Angesicht. Sie wandeln nicht im Glauben, sondern im Schauen. Sie sind das, was wir erst werden sollen und wozu sie uns mit heranziehen wollen. Zu solchem Schauen kommen wir aber nur durch den Glauben. Der Glaube ist und bleibt die Himmelsleiter. Wer zu Gott kommen will, der muss glauben, dass er sei, und dass er denen, die ihn suchen, ein Vergelter sein werde. Ohne Glauben ist es unmöglich, Gott zu gefallen. Der Glaube ist das Leben im Leben und die Tür zum vollendeten und ewigen Leben im Sterben. Die Engel leben vom Schauen Gottes.

Der Christ lebt seines Glaubens.

Und da fragen wir:

  1. Was ist der Glaube?
  2. Wie komme ich zum Glauben?
  3. Was gibt mir der Glaube in der Zeit?
  4. Welches ist das Ende des Glaubens?

Herr, wir danken dir für den köstlichen Schatz des Glaubens. Wir danken dir für das hohe und heilige Glaubensgut, für die Versöhnung, für die Vergebung der Sünden, für die Gotteskindschaft und für den aufgetanen Himmel. Wir danken dir auch für den Glauben, mit dem wir dich und diese Gnade ergreifen. Ist er auch noch ein schwaches Flämmchen, das in uns zu dir emporbrennt, so willst du doch das glimmende Docht nicht auslöschen und das zerstoßene Rohr nicht zerbrechen. Ist es auch noch eine schwache und zitternde Hand, mit der wir dich ergreifen, so willst du doch in dem Schwachen mächtig sein. Wir bitten dich: Stärke uns den Glauben! Herr, wir glauben; hilf unserm Unglauben. Wir lassen dich nicht, du segnest uns denn! Besonders in dieser schweren Zeit rufen wir dich an: Stärke uns den Glauben! Überall sind wir umgeben vom Tode. Mitten wir im Leben sind von dem Tod' umfangen. Wen suchen wir, der Hilfe tu', dass wir Gnad' erlangen? Das bist du, Herr, alleine. Und dich und deine Stärke haben wir im Glauben. So gib uns doch Gnade, dass wir fröhlich unseres Glaubens leben, und wenn unser Stündlein kommt, auch getrost sterben. Lass uns unseres Glaubens leben und sterben. Dazu rüste uns auch heute durch dein teures Wort. Amen.

I. Was ist der Glaube?

In dem Herrn geliebte Gemeinde. Mit dem Worte Glaube und glauben wird viel leichtfertig Wesen getrieben. Wenn man Etwas nicht recht weiß oder auch nicht Lust hat, die rechte Wahrheit zu sagen, dann heißt es: „Ich glaube.“ An solchem Glauben ist Nichts gelegen. Auch ein toter Glaube, der mit kalten Buchstaben der Überzeugung im Verstande steht, nützt zu Nichts. Die Teufel glauben auch, dass ein Gott sei, und zittern. Unser Text sagt: „Der Glaube ist eine gewisse Zuversicht.“ Und ein altes Lied singt:

„Der Glaub' ist eine Zuversicht
Auf Gottes Gnad' und Güte;
Der bloße Beifall tut es nicht,
Es muss Herz und Gemüte
Durchaus auf ihn gerichtet sein,
Und gründen sich auf ihn allein
Ohn' Wanken und ohn' Zweifel. „

Horcht, eine Zuversicht auf das Herz und die Liebe unseres Vaters im Himmel! Eine gewisse Zuversicht, dass er seinen lieben Sohn für mich in das Leben und in den Tod gegeben hat, dass er mich zu seinem lieben Kinde angenommen hat, dass er mir alle meine Sünden vergibt, dass er mich trägt mit väterlicher und göttlicher Liebe und Barmherzigkeit, dass kein Haar von meinem Haupte fällt ohne seinen Willen, und dass, wenn diese irdische Hütte zerbrochen ist, ich einen ewigen Bau habe im Himmel! Aber gewiss muss diese Zuversicht sein. Der Glaube darf nicht sein wie ein Rohr, dass vom Winde hin und her gewebt wird. Wer da zweifelt, ist wie die Meereswoge, die vom Winde getrieben und gewebt wird. Ein solcher Mensch denke nicht, dass er Etwas von dem Herrn empfangen werde. Zum Glauben gehört nicht allein eine Erkenntnis des Heils; er wird auch nicht vollendet durch Zustimmung zu seinen Sätzen; seine Krone besteht in jener gewissen Hingabe an den Herrn und an sein Heil; ja darin, dass ich meine Hoffnung fest und ganz auf die Gnade setze, die mir dargeboten wird in Christo Jesu. Der Glaube, in dem Herrn geliebte Gemeinde, hat es zu tun mit Dingen, die kein Mensch gesehen hat, noch sehen kann, die dem verborgenen Rat und der verborgenen Tat Gottes und zum guten Teil noch der Zukunft angehören. Er ist eben eine gewisse Zuversicht des, das man hofft, und nicht zweifelt an dem, das man nicht sieht. Kein Mensch ist Zeuge der Schöpfung gewesen; nur durch den Glauben merken wir, dass die Welt durch Gottes Wort fertig, und dass Alles, was man sieht, aus Nichts geworden sei. Kein Mensch hat die Schöpfung der Engel, oder den Fall der bösen und den siegreichen Kampf der guten Engel gesehen; kein Mensch sieht seinen Engel neben sich gehen; und doch geht er neben dir und mir. Kein Mensch war Zeuge, wie Gott den Menschen nach seinem Bilde schuf und ihm Odem von seinem Odem einhauchte. Kein Mensch, kein Denker und Forscher konnte hineinsehen in das Geheimnis der heiligen Dreieinigkeit. Oder wer wollte mit seinem Verstande erforschen, wie sich unter dem Herzen der Maria der ewige Sohn vom Vater mit unserer armen Menschheit vereinigte? Oder wer will nachrechnen, wie Christi heiliges Verdienst, wie sein bitteres Leiden alle unsere Schuld tilgt? Wer will ein Exempel aufsetzen und dartun, wie dies Stück von seinem tätigen und leidenden Gehorsam für so viele Millionen, und wieder ein anderes für so viele Millionen armer Sünder hingereicht habe? Im Sarge und auf dem Friedhofe sieht unser Auge und unser Verstand nur Lob und Staub; aber der Glaube sieht die aufgetanen Gräber und die neuen unsterblichen Leiber. Der Glaube sieht hinein in die Heilsvollendung,

Wo Gott uns hat erbauet
Ein' ew'ge feste Stadt,
Da Herz und Auge schaut,
Was es geglaubt hat.

In diese selige Vollendung, in den Himmel, in das verklärte geistliche und leibliche Leben, in die ganze Gemeinschaft mit dem Herrn, zu welcher wir arme Sünder einst erhoben werden sollen, kann kein Verstand hineinsehen. Aber der Glaube, der kindliche Glaube sieht und geht hinein. Der Verstand hat es zu tun mit irdischen Dingen und mit Bauten, zu denen die Steine in unsern Leibes- und Seelenkräften liegen; der Glaube geht in das Herz Gottes und in den Himmel hinein, er baut mit himmlischen und ewigen Bausteinen. Das Wissen beruht auf Erfahrungen, die wir selbst oder Andere vor uns und für uns eingesammelt haben, oder auf dem geordneten Denken und auf den Schlüssen eines gefunden Verstandes. Der Glaube beruht auf Gottes heiligem Worte. Der Mund, der nicht lügen kann, hat es gesprochen, es muss wahr sein! Er wird dann gestärkt und gefestigt durch Erfahrung im inneren und äußern Leben; durch Erfahrungen, welche aus der großen Geschichte des Reiches Gottes vor uns liegen, oder die wir auch selbst an uns und Andern machen. Er steht also auf Gottes Wort und auf tausend und aber tausend Tatsachen, welche kein Mensch, auch kein Feind unseres Herrn Jesu Christi, wegleugnen kann. Er steht auf dem Felsen, den der Hölle Pforten nicht zu überwältigen vermögen. Da rufen nun Unzählige, welche diesen Grund noch nicht gefunden haben:

II. Wie komme ich zum Glauben?

Ach, liebe Gemeinde, wie Viele möchten wohl glauben! Wenn sie es könnten, ergriffen sie in gewissen Stunden des Lebens den Glauben mit Gewalt. In diesen Tagen, wo der Tod seine große Ernte hält, wo er, um mit dem Propheten zu reden, plötzlich zu den Fenstern herein steigt, wo er die Abschiede so kurz macht da hat Mancher geseufzt: „Wenn ich doch Glauben hätte! Wenn ich doch von diesem Totenbette, von dem der Meinen oder meinem eigenen, hineinsehen könnte in ein himmlisches Leben, und hinaussehen könnte auf ein Feld, wo die Totengebeine lebendig werden und grünen unter dem Taue Gottes! Wenn ich doch glauben könnte!“ - Liebe Gemeinde, der Glaube ist kein Ding, das mit Menschenmacht erworben werden kann. Keine Menschenkraft kann sich den Himmel erobern und zueignen, er muss geschenkt werden. Es kann ihn auch Niemand so gelegentlich mitnehmen, wie man Blumen am Wege pflückt und bunte Steine am Meeresufer aufliest. Es kann ihn Niemand kaufen; Mancher gäbe sonst große Schätze Goldes darum. Es kann ihn Niemand erarbeiten oder aus der Erde graben; Mancher grübe wohl in der Angst seines Herzens nicht bloß mit dem Spaten, sondern auch mit den Nägeln. Es kann ihn kein Vater, auch nicht der gläubigste und treueste, seinen Kindern vermachen; sonst stünde wohl obenan im Testamente jedes gläubigen Christen: Zuerst vermache ich meiner treuen Lebensgefährtin und allen meinen Kindern gemeinsam und doch auch wieder jedem ganz und ungeteilt den seligen Christenglauben, der mein Stecken im Leben gewesen ist und auf den ich mich auch stützen will, wenn ich nun bald durch das dunkle Todestal gehen werde.“ Dann erst kämen die irdischen teilbaren Güter.

Kein Meister in Israel, kein Geistlicher, kein Erzieher, kein Seelsorger kann den Glauben geben. Wenn ich ein Haus bauen will, grabe ich einen tiefen Grund in alte feste Erde oder haue ihn in den Felsen. Da lege ich die Grund- und Ecksteine hinein und baue dann darauf. Das Haus steht, wenn auch Stürme und Fluten noch so heftig gegen dasselbe brausen. O wenn wir doch so in Menschenherzen eingraben und dann den himmlischen Eckstein hineinlegen könnten! Wenn ich einen Baum pflanzen will, grabe ich eine weite und tiefe Grube, setze das Bäumlein hinein und umgebe es reichlich mit gutem Lande, damit seine jungen Wurzeln gleich gute Wege und Nahrung finden. Und das Bäumlein wächst und trägt Frucht. Ach wenn wir doch auch so in die Menschenherzen eingraben und das Bäumlein des Glaubens hineinsetzen könnten! Wie gern wollten wir Alle Gärtner werden! Aber kein Mensch kann dem andern den Glauben geben. Wie komme ich denn zum Glauben? Mein lieber Christ, geh nur hin und lies fleißig in Gottes Worte. Der Glaube kommt aus der Predigt, aus dem Worte Gottes! Das Wort ist aus dem Herzen Gottes und aus den verborgenen Tiefen des göttlichen Rates gekommen; darum führt es auch an das Herz und in den verborgenen Rat Gottes zurück. Fange an mit dem ersten Buche Mosis, mit den Evangelien und mit der Apostelgeschichte. Nimm hernach die Psalmen, die Briefe der Apostel und die Propheten. Lies du nur recht anhaltend und regelmäßig!

Aber tue es ja nicht ohne Gebet, falte deine Hände darüber. Gottes Wort ist das Samenkorn, aus dem der Glaube wächst. Aber der heilige Geist muss als Regen und Tau auf dasselbe herabkommen, wenn es feimen und Wurzel schlagen soll. Und dieser himmlische Regen und Tau wird durch das Gebet herniedergezogen. Du liest so oft in der Apostelgeschichte, wie gerade über die betenden Gemeinden der heilige Geist ausgegossen wird. Bei den Gemeinden denken wir auch gleich an die Gemeinschaft. Liebe Christen, es ist nicht zu sagen, wie sehr die Gemeinschaft mit frommen Christen den Glauben wecken, stärken und läutern hilft. Es ist schon von Segen, wenn wir das Leben lange entschlafener Kinder Gottes lesen. Indem wir es lesen, arbeitet der heilige Geist, welcher ihre Seelen zum Glauben und im Glauben erleuchtet hat, auch an den unsern. Aber noch mehr schafft und hilft der Umgang mit lieben lebenden Brüdern. Wo Freunde mit einander in der Schrift forschen und mit einander beten, da wächst auch die Pflanze des Glaubens. Dazu habe Acht auf die Wunderwege Gottes. Geh nicht wie ein Blinder durch die Geschichte und das Leben dahin, Siehe und erkenne, wie er die Seinen so wunderbar führt. Er hat Wege, wo Alles verschlossen und vermauert schien; er rettet, wo Niemand Rettung sah; er verkehrt die Trübsal in Segen; er baut in seinem Reiche doch vorwärts, wenn es auch nach unserem armen Verstande rückwärts zu gehen schien. Wenn du so neben Gott hergehst und ihm zusiehst, dann lernst du auch mit ihm gehen, und das ist eben glauben. Endlich übe deinen Glauben fleißig. Es muss ja Alles geübt werden, Verstand und Gedächtnis und Gewissen, warum denn der Glaube nicht? Du sollst, du musst deinem Gotte und Heilande auch Etwas zutrauen. Sage ihm deine Not und Sorge. Wirf deine Last getrost auf ihn. Lass sie aber auch da liegen. Nimm sie nicht etwa gleich wieder in der nächsten Minute auf deine armen schwachen Schultern. Und wenn du dann von einem Male zum andern seine gnädige Durchhülfe erfährst, dann wächst der Glaube. Übung macht auch hier den Meister. Du lernst rühmen: Die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie die Adler; dass sie laufen, und nicht matt werden; dass sie wandeln, und nicht müde werden.“ - Nun weißt du, wie man zum Glauben kommt. Bist du so zu ihm gekommen, und kommst du immer weiter zu ihm, dann erfährst du auch:

III. was er dir in der Zeit gibt.

In dem Herrn geliebte Gemeinde. Der Glaube ist das edelste Gut und eignet uns die edelsten Güter zu. Er ist das gegen Gott aufgetane Herz; er ist das Auge, mit dem allein wir Gott sehen; er ist die offene Hand, welche die himmlischen Güter nimmt. Er ist das Band der Gemeinschaft zwischen dem Kinde und dem Vater. Er ist die grüne Stelle in der Wüste, auf welche alle Tage das Manna fällt. Er ist das Fell des Gideon, welches am Morgen betaut war, während alles Land rings herum dürr und trocken dalag. Er ist das Gefäß, in welches sich der Lebensstrom ergießt. Der Glaube empfängt alle die im Himmel bereiteten Güter. - Im Glauben wird ferner dein Leben geheiligt. Durch den Glauben hat Abel Gotte ein größeres Opfer getan denn Kain. Kain mag dem Werte nach ebenso viel auf seinen Altar gelegt haben wie Abel. Dieser aber legte neben sein geopfertes Tier auch noch sein dem Herrn geopfertes Herz. Im Glauben lebst du nicht mehr dir, sondern dem Herrn, der dich erschaffen und erlöst hat. In dem Kämmerlein deines Herzens, in deiner Familie und unter deinen Freunden wandelst du vor ihm. Deinen Beruf treibst du zu seines Namens Ehre. Deine Almosen gibst du Jesu Christo. Ihn speist du in dem Hungrigen, ihn tränkst du in dem Durstigen, ihn kleidest du in dem Nackenden, ihn beherbergst du in dem Gaste, ihn besuchst du in dem Kranken und Gefangenen. Überall wird das Erbenleben vom Himmel her durchleuchtet, und das echte Gold wird in die armen Fäden eingewoben. Im Glauben lernst du dein Kreuz richtig tragen. Der große Kreuzträger Jesus Christus steht überall vor dir. Du weißt, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen. Du weißt, dass er dich nicht über Vermögen versucht werden lässt, sondern dass es ein Ende gewinnt, wie du es ertragen kannst. Du rühmst unter deiner Last: „Sie dient doch zur Seelenarznei!“ Du bekennst: „Dennoch halte ich stets an dir, denn du hältst mich bei meiner rechten Hand. Du leitest mich nach deinem Rat und nimmst mich endlich zu Ehren an. Herr, wenn ich nur dich habe, so frage ich nicht nach Himmel und Erde. Und ob mir gleich Leib und Seele verschmachten, bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil. Bei Gott ist mein Heil, meine Ehre, der Fels meiner Stärke, meine Zuversicht ist auf Gott. Er weiß auch die rechte Stunde, wo mir geholfen werden soll.“ Im Glauben ruhen wir während der Hitze an dem Wasserbrunnen und im Schatten der Palmen Elims. - Der Glaube hält die Hoffnung aufrecht. Er sieht den Morgen hinter der Nacht; er steht allezeit auf dem Berge Nebo und schaut hinüber in das Land Kanaan. Ohne Glauben an den treuen Gott und Herrn ist die Hoffnung wie ein ausgespanntes Segel, in welches kein Wind bläst; wie ein ausgeworfener Anker, der keinen Grund findet. Aber im Glauben hat sie die Zuversicht, dass der Gott, der das gute Werk in uns angefangen hat, es auch vollführen werde bis auf den Tag der Zukunft unseres Herrn Jesu Christi. Der Glaube hilft endlich hinweg über die letzte schwere Stunde. Durch den Glauben ward Henoch weggenommen, dass er den Tod nicht sähe, und ward nicht erfunden, darum dass ihn Gott wegnahm. Hat es denn einen Menschen gegeben und es hat ihrer zweie gegeben, Henoch und Elias - die um ihres Glaubens willen den Tod nicht geschmeckt haben, - dann kann der Glaube auch dir aus dem Tode das Bittere herausnehmen. Die Morgenröte des ewigen Lebens kann in deine Todesnacht fallen. Der Glaube trägt dich hindurch durch diese schwere Stunde, und Gottes Engel tragen dich weiter. Was dir keine eigene Kraft, kein Freund, kein Geld und Gut erringen und verschaffen kann, das schenkt dir Gott. im Glauben. Luther sagt einmal: „Wenn Einer gar glauben könnte, er könnte vor Freuden weder essen noch trinken, noch sonst Etwas tun.“ Und doch sind das nur die Geschenke, welche Gott seinen Pilgern unterwegs gibt, mit welchen er sie auf der Wanderung nach der Heimat erquickt.

IV. Welches ist das Ende des Glaubens?

Meine liebe Gemeinde, wir haben schon in Henoch hinausgeblickt auf das Ende des Glaubens. Die Gläubigen, welche getreu sind bis in den Tod, werden davonbringen das Ende des Glaubens, welches ist der Seelen Seligkeit. Der Glaube ist ein Brautstand; wenn wir Treue halten bis in den Tod, folgt die ewige untrennbare Verbindung mit dem Herrn. Der Glaube hat das Heimweh; die dem Herrn bis in den Tod Getreuen sind heimgekommen. Der Glaube ist unsere Stärke während der Kampfeszeit; sein Ende ist die ewige Siegesfeier und der ganze Gottesfriede, wo wir die Kronen tragen, und wo die Herzen ausruhen in Gottes Gnade und Willen. In allen Gnaden Gottes, mögen sie nun heißen Gewissheit des Heils, Seligkeit und Freude in dem heiligen Geist, oder Erkenntnis, oder Treue im Wandel, haben wir hier doch nur den armen Anfang, nur das Pfand des Geistes. Hier erkennen wir es stückweise; dort werden wir erkennen, gleichwie wir erkannt sind. Dort bekommt der reiche Erbe, welchem während seiner Minderjährigkeit nur ein geringer Teil des Erbgutes in die Hand gegeben war, den ganzen Schatz. O liebe Christen, wie wird es sein, wenn wir in diese Herrlichkeit eingegangen sind! wenn wir Alles, was wir hier geglaubt haben, schauen und haben! Gott wischt dann ab alle Tränen von unsern Augen, und der Tod ist nicht mehr, noch Schmerzen, noch Leid, noch Geschrei ist mehr, denn das Erste ist vergangen. Auch die in diesem schweren Sommer geweinten Tränen wischt er ab, wenn anders der Glaube durch dieselben hindurchleuchtete.- Wir kommen zum Schauen Gottes; wir sehen in das unergründliche Meer von Liebe, Heiligkeit und Weisheit. Wir sehen und erkennen, und alles Erkennen ist dann auch ein Leben und Haben. Wir kommen zu der Gemeine der Erstgebornen, die im Himmel angeschrieben sind; und zu Gott, dem Richter über Alle, und zu den Geistern der vollkommenen Gerechten; und zu dem Mittler des neuen Testaments Jesu, und zu dem Blut der Besprengung, das da besser redet denn Abels.

Da sind sie bei einander, die geglaubt haben und der, an welchen sie geglaubt haben. Das Bächlein ist ins Meer geflossen, die Morgendämmerung ist zum Tage geworden und der arme Lebensanfang zum vollen Leben in Gott. Da lebt denn der Gerechte recht seines Glaubens. Er hat das, wonach er suchte; sein Gott hat ihn nicht zu Schanden werden lassen. So lebe du hier im Glauben, damit du ewig deines Glaubens lebest und dich an dem dir im Glauben geschenkten Gnadengute erquickst. Herr Jesu, hilf uns, dass wir dahin kommen, und lass uns auch alle Trübsal und den Dienst deiner heiligen Engel dazu gesegnet sein. Amen.

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