Baxter, Richard – Selbstverleugnung - Das I. Capitel.

Im Nahmen JEsu CHristi / Amen.

Luc. IX. 23.
Da sprach Er zu ihnen allen. Wer mir folgen wil / der verleugne sich selbst / etc.

Was die Selbheit / und Selbst-Verleugnung sind.

Selbst-Verläugnung ist ein nothwendig Stueck des neuen Gehorsams: Welches besser zu erklaeren / muessen wir ansehen (1.) Was verstanden wird durch Selbst. (2.) Was verstanden wird durch Verlaeugnung dieses Selbst. (3.) Die Gruende und Ursachen der Selbst-Verlaeugnung / und dann (4.) wollen wir uns es zu nutze machen.

1. Selbst wird bißweilen genommen vor die Person an sich / welche bestehet in Leib und Seel / und dieses koennen wir nennen Persoenlich oder Natuerlich Selbst. 2. Selbst wird genommen vor die Person / wie sie betrachtet wird / als faehig irrdischer Wolthaten und Gnaden GOttes / die da gereichen zu der leiblichen und zeitlichen Glueckseligkeit des Menschen: welches mag genannt werden Irrdisch Selbst / aber doch in gutem Verstande. 3. Selbst wird genommen vor die Person / als sie verdorben ist in Suenden / und unerdencklichen Begierden / und kan genannt werden Fleischlich Selbst. 4. Selbst wird genommen vor die Person / als sie geheiliget und gerecht ist / welches mag heissen Geistlich Selbst. 5. Selbst wird genommen vor die Person nach ihrem natuerlichen und geistlichen Wesen zusammen / als die faehig ist der ewigen Herrlichkeit / welches mag genannt wreden Unsterblich Selbst.

II. Durch die Verlaeugnung des Selbst wird verstanden / die Entsagung / Absagung / Verachtung / Verlassung / Bezwingung und Unterdruckung desselben. Selbst ist allhier angesehen / theils als unterschieden von Christo / und entzogen von der gebuehrlichen Unterordnung / die es unter GOTT haben solte / theils als GOtt entgegen gesetzet / und gleiche Ehre mit ihme begehrende; und muß also verlaeugnet werden / theils durch Verachtung / theils durch Gegenwehr / oder daß man sich ihme wiedersetzet.

Ehe und bevor ich aber melde / wie weit Selbst muß verlaeugnet werden / muß ich erstlich sagen / worinnen die Kranckheit der Selbheit bestehet: Kuertzlich darum von beyden zugleich.

Und zwar erstlich / was es nicht ist. I. Daß wir sind natürliche Individua oder Personen / unterschieden von GOtt und unserm Schoepffer / ist nicht die Kranckheit / davon wir reden / sondern das ist unser Stand / darinnen wir von GOTT erschaffen sind. Und muß demnach kein Mensch unter dem Schein der Selbst-Verlaeugnung entweder sich selbst Gewalt anthun und entleiben / oder / wie etliche Ketzer / streben wesentlich und persoenlich eins zu seyn mit GOtt / so daß ihre persoehnliche Wesenheit solte von ihme verzehret werden / als ein Tropffen wird verzehret von der grossen See.

2. Die Kranckheit der Selbheit besteht auch nicht darin / daß man einen Leib hat / der da kan schmecken und fuehlen und geniessen die Lieblichkeiten in den Creaturen / oder daß man hat die Objecta, daran unsere Sinne sich gebuehrlich erlustigen / noch auch / daß man in der That sich darinnen erlustiget und ergetzet; noch auch in einer ordentlichen Liebe des zeitlichen Leben: Denn dieses ist des Schoepffers Wille; Und darum bestehet die Selbst-Verlaeugnung nicht darinnen / daaß man sein eigen Leib und Leben eigentlich hasse und verachte / oder daß wir unsere Begierden und Sinne gantz destruiren und verderben: oder daß wir ihnen schlechter Dinge versagen den Gebrauch der Creaturen / die uns GOtt gegeben hat.

3. Ja ob schon unsere Natur durch Suende verdorben ist / so erfordert doch die Selbst-Verlaeugnung nicht von uns / daß wir uns selbst umbringen sollen / und unsere menschliche Natur ablegen / daß wir dadurch die Suende mit ausrotten moegen. Selbst-Mord ist eine greuliche Suende / die GOtt verdammet.

4. Unser geistlich Selbst / oder so weit als wir geheiliget sind / muessen wir nicht so verlaeugnen; daß wir laeugnen / daß wir nicht sind / was wir sind / daß wir nicht haben / was wir haben / oder daß wir nicht thun / was wir thun. Wir muessen nicht verlaeugnen die Gnaden GOttes / noch muessen wir / wenn wir deren Wuerckungen fuehlen / laeugnen / daß sie in uns sind; so muessen wir auch nicht verlaeugnen / oder auffhalten / oder verachten die heiligen Begierden / die GOtt in uns erwecket; noch auch uns wegern dieselben zu vollfuellen / und derselben Lieblichkeit zu geniessen / wenn wir Gelegenheit haben.

5. Wir muessen uns nicht selbst verlaeugnen / so daß wir nicht wolten annehmen die Gnade und Wolthaten / die GOtt uns anbeut / ob es schon nur eine gemeine Creatur: noch auch / daß wir nicht solten gebrauchen unser Pfund zu seinem Dienst / wann er uns erwehlet zu seinen Haußhaltern / vielweniger muessen wir gering / oder gar verachten einige geistliche Gnade / die uns moechte zur Seligkeit befoerderlich seyn. CHristus befiehlet nicht solche Selbst-Verlaeugnung / daß wir verlaeugnen / daß wir Christen sind / daß wir durch seinen Geist geheiliget / von unsern Suenden und Feinden befreyet sind / oder daß wir uns wegern solten der Mittel und Huelffe zu gebrauchen / die uns angeboten sind / oder anzunehmen die Freyheiten / so uns durch Christum erworben sind: vielweniger zu verlaeugnen unsere Seligkeit selbst / und unsere Seelen ins Verderben zu stuertzen. Mit einem Wort: Selbst-Verlaeugnung ist nicht ein Ding / das in der That und Warheit gereichen mag entweder zu unser Seelen / oder Leibes Schaden oder Verlust. Sondern ich wil euch zeigen / was diese Selbheit / und also was Selbst-Verlaeugnung ist. I. Als GOtt der HErr den Menschen erschaffen hatte nach seinem Ebenbilde / da pflantzete er in seine Seele eine heilige Begierde / die ihn lencken und treiben solte zu seinem Schoepffer / als seine eigene Glueckseligkeit / und als sein letzte Endursache: Er machte ihn selig in dem Anschauen seiner Herrlichkeit / und in der ewigen Liebe GOttes / in der Erlustigung in GOtt / und dessen Lob und Preise: Zu solch einem herrlichen Werck / und grosser Herrlichkeit machte ihn GOtt geschickt / und stellete ihm dieselbe vor. Allein die erste Versuchung reitzete und ueberwand ihn / daß er sich haengete an ein geringer und irrdisch Gut / seinem Fleisch zu gefallen / und sich groesser zu machen / in fleischlicher Glueckseligkeit / daß er seyn moechte als GOtt / und wissen was gut und boese waer. Und also war der Mensch schleunig eingenommen mit der Creatur / als ein Mittel seinem fleischlichem Selbst zu gefallen / wandt ab von GOtt / als seiner rechten wahren Glueckseligkeit / und wandte sich zu sich selbst / daß er von ihm selbst am meisten hielt / sich selbst am meisten liebte / und er selbst in alle seinem Thun das ende war / unterwarf seine Vernunfft denen fleischlichen Sinnen / und machte sich selbst zu einem endlichen Ende; Diese suendliche Natur ist uns nun allen angebohren / so daß der Mensch seiner verderbten Natur nach alle seine Begierden in ihme selbst endet; und ob er schon mag ueberwiesen seyn des Gegentheils / so machet er doch in der That dieses irrdische Leben / und die Ehre / Herrlichkeit und Lust / die er darinnen hoffet / oder erwartet / sein Ende. Diese Kranckheit wird nun durch Selbst-Verlaeugnung curiret / denn dieselbe bringet den Menschen wieder ab von ihme selbst / und zeiget ihme / daß er nicht erschaffen sey / daß er selbst / oder seine eigene Glueckseligkeit / solle sein Ende seyn: und daß das Fleisch nicht gemachet war / daß es solte vor GOtt geehret und bedienet werden: und daß es eine so schlechte / geringe und kurtze Glueckseligkeit sey / die in Warheit nur ein Schaden der rechten Glueckseligkeit ist / und wo es sich fuer eine rechte Glueckseligkeit wil geachtet haben / daß es denn nur ein lauter Betrug sey: Sie zeiget ihme / wie unvernuenfftig / ungruendlich / und unbillich es sey / daß eine Creatur / und eine solche Creatur solte keine hoehere Verlangen und Ende haben / als sein Selbst. Und dieses ist das vornehmste Stueck der Selbst-Verlaeugnung.

2. Wie nun GOTT des Menschen endliches Ende war in dem Stande seiner Unschuld / so muste auch gleichfalls der Mensch nach GOttes Ordnung alle Creaturen gebrauchen in Unter-Ordnung zu GOtt / und zu dessen Gefallen / Ehre und Herrlichkeit: So / daß dieses des Menschen Werck war / seines Schoepffers Willen zu thun / und daß er nichtes thun / oder keine Creatur gebrauchen solte / als in dieser Meinung / nemlich nach dem Willen GOttes und zu seinen Ehren. Allein als der Mensch war abgefallen von GOtt zu ihme selbst / da gebrauchet er hernachmahlen alle Dinge vor sich selbst / ja vor sein fleischlich Selbst / und alles was er hatte wurde angewandt zu seiner Lust / Ehre und Ergetzlichkeit. Und also mißbrauchet er der gantzen Schoepffung / so viel er nur darvon bekommen koennte / zu diesem niedrigem und selbstischen Ende / eben als wenn alle Dinge gemacht waeren / nur allein vor seine Lust und Willen. Wenn aber ein Mensch gebrach ist zur Selbst-Verlaeugnung / so gebraucht er die Creaturen / darzu sie erschaffen sind / und opffert dieselbe nicht auf seinem fleischlichen Sinn. Also / daß er alles / was er hat und gebrauchet in der Welt / gebraucht zu einem andern End (so weit als er sich selbst verlaeugnet) denn es zuvor gebrauchet wurde / nemlich vor GOtt / und nicht vor sich selbst.

3. Ob schon im Stande der Unschuld der Mensch einen natuerlichen Widerwillen hatte gegen den Tod und leiblichen Schmertzen / als natuerliche Ubel / und begehrte auch seine leibliche und fleischliche Wolfahrt / demnach gleich wie sein Leib der Seelen / und seine Sinnen der Vernunfft unterworffen waren / also achtet und trachtet er nach seinem leiblichen Gemach und Wolfahrt in einer Unter-Ordnung zu seiner geistlichen Wolfahrt / und sonderlich den Willen seines Schoepffers: Daß / ob er schon sein zeitlich Leben werth achten / dennoch das ewige Leben hoeher / und die Ehre und den Willen seines Schoepffers hoeher achten muste. Allein wenn der Mensch von GOtt ab zu sich selbst gefallen / so ist seine irrdische Glueckseligkeit ihme das liebeste und angenehmeste / daß er haben kan; so gar / daß er dieselbe hoeher achtet / als die Vollbringung des Goettlichen Willens / hoeher als das ewige Leben / und darum trachtet er mehr darnach / und hält es vester / so lang als er kan / und laeßt es desto ungerner fahren: Gleichwie die Natur im Stande der Unschuld hatte eine Begierde zu denen Objectis der Sinnen / oder derer Dinge / die es sahe / fuehlete etc. Die verdorbene Natur aber hat eine unordentliche / hefftige / unstillbare und rebellische Begierde zu denenselben; Also liebete die Natur im Stande der Unschuld dieses Leben / und die Freude desselben; Aber die verdorben Natur hat eine so unordentliche Liebe zu demselbigen / daß es alle andere Dinge diesem unterordnet: Ja GOTT selbst wird von der verdorbenen Natur nur so weit geliebt / als er diese fleischliche Ende / dieser irrdische Glueckseligkeit und Leben befordert. Wenn aber ein Mensch ist gebracht sich selbst zu verlaeugnen / so achtet und schaetzet er dieses Leben 7 und die irrdische Glueckseligkeit desselben / wie es solte geachtet werden. Die Selbst-Verlaeugnung lehret ihn die Dinge dieses Lebens so zu lieben / daß er GOtt mehr und ueber dieselbe liebet; dieselbe so zu achten / daß er das ewige Leben ihnen weit vorziehet; so trachten dieselben zu behalten / daß er sie doch gantz und gar ergiebet in den Willen GOttes / und kan sie gerne fahren lassen / wenn er nicht GOttes Liebe zugleich mit denenselben behalten mag / erwehlet lieber den Tod / der ihme zum ewigen Leben kan befoerderlich seyn / als solches Leben / das ihme daran hinderlich ist. Und dieses ist das vornehmste Exempel der Selbst-Verlaeugnung / das Christus der HErr uns giebet / Luc. 9/24.25. Wer sein Leben erhalten wil / der wird es verlieren / etc. Und was Nutz haette der Mensch / wenn er die gantze Welt gewuenne / und verloehre sich selbst / etc. Daraus denn erhellet / daß Christus durch die Selbst-Verlaeugnung verstehet / daß man alles irrdische / auch die gantze Welt / ja unser Leben / und also auch unsre fleischliche Gemach- und Glueckseligkeit in demselben so geringe achte / daß man bereit und willig sey lieber alles fahren zu lassen / als ihn und das ewige Leben: Eben als Abraham seinen Sohn Isaac zwar lieben mochte und muste / und doch gleichwohl GOtt dergestalt mehr lieben / und seinen Willen hoeher achten / daß er auf dessen Befehl selber seinen Sohn schlachten koente.

Und der HErr Jesus selber (a) war das lebendigste Exempel der Selbst-Verlaeugnung / das zu einer Zeit gewesen ist. Warlich sein gantzes Leben war nichts als eine stete Practicirung dieser Lehre; Dannenhero ich offt geschlossen / daß es eine grosses Stueck unserer Heiligung / wann ich betrachtet / wie ueberaus der HErr hierinnen sich uns zum Exempel geuebet hat. Dann wie es ein verzweiffelter Irrthum ist der Socinianer / wann sie vorgeben / daß der HERR Christus dieses und alles andere allein uns zum Exempel gethan; also ist es auch ein grosser Irrthum von der andern Seiten / zu gedencken / daß es nur allein geschehen / GOTT dadurch genug zu thun vor uns / und gantz und gar nicht uns zum Exempel. Viel ergeben sich selber den Luesten des Fleisches aus diesem Mißverstand / daß sie meinen Christus verlaeugne darum sich selbst / daß er ihnen erwuerbe eine Freyheit / ihrem Fleische zu dienen. Gleich wie es dem HErrn gefiel in seiner Fasten und Versuchungen / in Erdultung der Schmaehwort / und Undanckbarkeit der Menschen / in seiner aeussersten Armuth und Knechts-Gestalt sich selbst zu verlaeugnen / so erschiene dasselbe vornemlich in seinem Leiden und Sterben. Er liebete zwar sein natuerlich Leben und die Geniessung desselben / wannenhero er bittet: Vater / ist es dein Wille / so gehe dieser Kelch von mir: Aber wann er hinwieder ansiehet seines Vaters Willen / und eines erwehlen muß / entweder gegen dessen Willen leben / oder nach dessen Willen sterben / so erwehlt er nach seines Vaters Willen den Tod lieber / dann ohn demselben das Leben / und spricht: Nicht mein Wille / (es soll hier / O Vater nicht gelten / ob ich schon moechte mein Leben lieb haben) sondern dein Wille geschehe. Und dieses erfordert er auch von seinen Gliedern / einem jeden nach seiner Art / so daß das Leben oder dessen Geniessung ihm nicht sollen so lieb seyn / als die Liebe zu GOTT / und das ewige Leben.

4. Als GOtt der HErr den Menschen erschaffen hatte / war er des Menschen Eigenthuemer / und der Mensch verstand / daß er GOttes und nicht sein eigen war: Und muste der Mensch sich nicht achten / als ob er sein eigen waere / und muste auch nicht leben als sein eigen / sondern als dessen / der ihn geschaffen hatte. Allein nachdem der Mensch von GOtt zu ihme selbst gefallen / masset er ihme an in der That und Werck (ob er schon moechte mit dem Munde verlaeugnen) ein Eigenthum in sich selbst / und lebet / als ob er sein eigen waere. Wann aber Christus durch seine Gnade die Menschen bringet zur Selbst-Verlaeugnung / so bekommen sie andere Gedancken von sich seelbst / und achten sich nicht mehr als ihr eigen: So ergeben sie sich gantz und gar GOtt / als die dessen gaentzlich eigen sind. Sie wissen dann / daß sie sein sind / beydes nach dem Recht der Erschaffung / als auch der Erloesung / und darum ergeben sie sich unter seine Disposition und Macht / zu preisen GOtt an ihrem Leibe und Geist / welche sind GOttes / 1. Cor. 6 / 19. 20. Rom. 14/9. Nun / daß man von Hertzen sich also GOtt ergiebet / als dessen eigen / dieses ist das vornehmste Stueck der Heiligung; und leben als GOttes eigen / ist das rechte heilige Leben.

5. Gleich wie der Mensch im Stande der Unschuld wuste / daß er nicht sein eigen / also wuste er auch / daß nichtes was er hatte / sein eigen war / sondern daß er nur seines Schoepffers Verwalter und Haußhalter war / zu wessen Dienste er alles gebrauchen / und deme er Rechnung geben mueste. Allein nachdem der Mensch gefallen war von Gott zu ihme selbst / ob er schon auch hatte verlohren das Recht eines Knechtes / so strebete er doch darnach / und wolte die Creatur gebrauchen / als haette er das Recht eines Herrn ueber sie: Er haelt nun seine Gueter / sein Hauß und Land / sein Geld / als waere es sein eigen: und darum meinet er / er moege dieselben gebrauchen vor sich selbst / wann er Gott nur einen geringen Schoß und Steuer etwan giebet / damit er ihn nicht von seinem Besitz ausstosse und austreibe. Er saget oder gedencket zum wenigsten / wie dorten die Gottlosen: Unsere Zunge soll ueberhand nehmen / uns gebuehrt zu reden / wer ist unser HErr / Psalm. 12/ 5. Ob ein jeder schon weiß / und keiner darff so unverschaemt seyn / er muß mit den Worten und Munde bekennen / daß alles Gottes ist / dennoch in der That und im Wercke achten und gebrauchen sies als ihr eigen. Wenn aber die Gnade Gottes den Menschen lehret sich selbst zu verlaeugnen / so entbloesset ihn dieselbe gleichsam von allen Dingen / deren Eigenthuemer er sich hielt / und lehret ihn von Grunde seines Hertzens bekennen / daß nichtes ist sein eigen / sondern es ist alles Gottes / lehret ihn / wie er sich und alles das seine Gott uebergeben 7 vor ihme gebrauchen / und ihme sein eigen geben soll: welches dann die ersten Christen andeuteten / indeme sie alles verkaufften / und zu der Apostel Fuesse legten: Und darum fraget er GOtt in seinem Wort / was er damit thun / wie er es gebrauchen soll: Nimmt es dann Gott der HErr von ihme / so kan er doch mit Hiob loben den Nahmen des HErrn / Job. I/ 21. Als der da weiß / daß der HErr nur das nimmt / was sein eigen ist: Er kan sagen mit Eli: Es ist der HErr / er thue was ihm wohlgefaellt / I. Sam. 3/ 19. Er weiß / daß Gott mag thun mit dem Seinigen / was er wil / Matth. 20/ 15. Und daß er nichts / als nur von seiner Guete haben kan: und daß es demnach eine Gnade von GOtt ist / daß er ihme etwas laeßt / indem er ihme kein Unrecht thäte / ob er schon alles von ihm naehme: Erkennet demnach / daß er nur ist ein Haußhalter / und darum alles gebrauchen muesse vor deme / von welchem er alles empfangen: Hat er Kinder / sein Begehren ist zu wissen / in welchem Stande sie GOtt am besten dienen moegen / und da trachtet er nach / daß er sie zu solchem verhelffe; Hat er Gueter / oder Ehre / oder Gewalt und Ansehen bey den Leuten / seine vornehmste Sorge ist / wie er dieselbe am besten anwenden moege in seines HErrn Diensten / und so bemuehet er sich selbige anzuwenden: Hat ihn GOtt begabet mit scharffsinnigem Verstand und Gelehrtigkeit / er bemuehet sich / wie er GOtt damit dienen moege: Hat er gesunde Leibeskraeffte und Zeit / er siehet mit Fleiß darnach / wie er selbige vor seinen HErrn anwende. Und ob lose Gesellschaft / die Welt / oder fleischliche Lueste ihn reitzen moechten / diese Dinge in ihren Dienst anzuwenden / so erinnert er sich / daß es ihme nicht zustehe / seines HErrn Gueter an dessen Feinde zu wenden. Also daß ob ein geheiligter Mann schon alles hat / so weiß er doch / daß er nichtes hat: Er hat alle Dinge / als ein Haußhalter GOttes / aber nichts ist eigenthuemlich sein eigen: Alle Dinge sind sein / vor GOtt dieselbe zu gebrauchen / aber nichtes vor sein fleischliche Selbheit / oder gantz und gar vor sein natuerlich und persoenlich eigen: Auf diesen Grund giebt er dem Teuffel / der Welt und dem Fleisch einen Abschlag / wann dieselben haben wollen seine Zeit / seine Zunge / seinen Verstand / seine Gueter oder sonsten ein Ding / das er hat oder besitzet: Er saget ihnen diese sind nicht mein / sondern GOttes / ich habe sie empfangen / und muß Rechenschafft darvon geben / ich hab sie nicht von euch / und darum muß ich sie auch nicht gebrauchen vor euch; Ich muß GOtte geben was GOttes ist / und was euer ist / wil ich euch nicht enthalten / die Gerechtigkeit erfordert / daß ein jeder das seine bekomme. Und dergestalt haelt die Selbst-Verlaeugnung ab die Widergebohrnen / und Geheiligten / daß sie nicht vor ihnen selbst gebrauchen / was GOttes ist.

Allhier moechte einer einwefen und sagen: Wie? koennen wir denn nicht ohne Suende und rechtmaeßiger Weise die Gnaden und Gaben Gottes gebrauchen vor uns selbst? Ist nicht unser Essen und Trincken / unsere Kleider / unseres Haeuser und Gueter unser eigen / und moegen wir nicht dieselben gebrauchen vor uns selbst? Hierauff ist die Antwort: Sie werden vielmehr genennt unser eigen / als daß sie unser eigen seyn solten: so weit zwar sind sie unser eigen / daß keiner von unsern Mitknechten sie von uns nehmen muß ohne unsers HErrn Willen; Wie ein jeder Knecht mag sein Pfund haben / daß er damit werben moege / oder seine Werckzeuge und Instrument des HErrn Werck zu thun / die unterdessen doch des Meisters eigenthuemlich sind / der Knecht aber hat sie nur zu gebrauchen: Aber eigentlich davon zu reden / so sind unsere Gueter nicht unser eigen / sondern GOttes / der der Eigenthuemer ist der gantzen Welt. Und was den gebrauch derselben anlanget / so mag derselbe seyn in eine Unter-Ordnung zu GOtt / aber nimmer endelich / vor uns selbst. Wir haben nicht die Macht einiger Creaturen zu gebrauchen / als vornemlich und endelich vor GOtt. Wenn wir essen oder trincken / unser Ende muß nicht seyn / daß wir unserm Appetit wollen zu gefallen seyn / sondern dieses muß unser Ende darinnen seyn / daß wir gestarecket / erquicket / und geschickt werden dadurch GOTT zu dienen / und darum muessen wir erstlich GOtt / und nicht unsern Appetit fragen / was / und wie viel wir essen sollen oder trincken? Und wir muessen nicht weiter unserm Appetit zu gefallen seyn / als es uns geschickt machet zum Gottesdienst / laut des ausdruecklichen Befehls des Apostels / I. Corinth. 10/ 31. Ihr esset oder trincket / oder was ihr thut / so thut alles zu GOttes Ehren. Wir müssen die Kleider nicht tragen allein und endlich unsers Leibes halber / sondern daß wir dieselben geschickt machen zum Dienst GOttes / und darum muessen wir auch GOttes Wort / und nach diesem unsern Ende uns Raths erholen / was wir anziehen sollen. Wir muessen uns nicht Haeuser schaffen / oder Freunde / oder Reichthum und Gueter oder sonst einig Ding / unserm Fleisch zu gefallen als unser Ende / sondern uns geschickter zu machen zum Dienst GOttes: Sintemahl wir muessen anziehen den HErrn JEsum Christ / und warten des Leibes also daß er nicht geil werde / Rom. 13/ 14.

6. Gleich wie der Mensch beydes sein Wesen / und auch sein glueckselig Wesen von GOtt hat / so ists allein GOtt / der ihn darinnen erhalten kan. Der Mensch im Stande der Unschuld verstunde dieses / und darum lebete er so / daß er gantz von GOtt dependirte / seine Augen warteten auf ihn / und von seiner Hand erwartete er was ihme mangelte / alle seine Sorgen warff er auf ihn / und vertrauete sich seiner Regierung gantz und gar / quaelete nicht sein Gemueth mit Sorgen / oder zweiffelhafftiger Furcht / sondern geruhete und befriedigte sein Gemuethe in der Weißheit / Guetigkeit / und Allmacht GOttes. Allein nachdem der Mensch von GOtt zu ihme selbst gefallen / da wolt er seine Gueter selbst unter handen haben / wolte GOtt nicht mehr trauen / sahe auf sich selbst / als der sich selbst wohl erhalten koente (zum wenigsten / der viel darbey thun thun koente) und daher wandte er sich / begann zu sorgen und sich zu bemuehen vor sich selbst / bekuemmerte sich und trachtete darnach / wie er sich selbst erhalten / versorgen / seinen Mangel ersetzen / und seine Noth selber kehren moechte: Er forschet aus / was in jeder Creatur war / das ihme zu diesem Ende dienen moechte / eben als ob er darzu gesetzet waere / daß er vor sich selbst sorgen und sich durch seine Vorsorge erhalten mueste. Es hat mir so viel Muehe gegeben recht zu verstehen den Text dorten / Gen. 3/ 22. Als fast sonsten einer in der Bibel / indeme ich nicht allerdings vergnueget werden kan mit etlichen gemeinen Erklaerungen / und annoch zweiffele ich / daß ichs recht getroffen habe: doch deucht mich / diese ist die beste Auslegung: Das Adam in dem Stande der Unschuld war als ein Kind in seines Vaters Hause / der nur muste seinem Vater zu gefallen seyn / und dasjenige thun / welches er ihme befohlen / durffte aber nicht vor sich selbsten sorgen / oder sich bemuehen / wie er erhalten werden moechte: Denn so lange er gehorsam war / gebuerete es den Vater ihn zu ernehren und zu versorgen / alle Gefahr und Schaden von ihme abzuwenden / und allen seinen Mangel zu ersetzen. Und darum ob schon der Mensch viel eine vollkommener Wissenschafft hatte / denn wir ietzund haben / so hatte er doch nicht noethig sich zu bekuemmern / um Dinge die sein selbst angiengen / denn das gebuehrete GOtt: dannenhero uebete er auch nicht diese Wissenschafft in der That / denn diese wuerden ihme nur vergebliche und beschwerliche Gedancken und Wissenschafft gewesen seyn: Inmassen / ob schon die Wissenschafft aller Dinge / die zu wissen noethig sind / ein Theil seiner Vollenkommenheit war / so mag dennoch die wuerckliche Wissenschafft vieler unnoethigen beschwerlichen / und versuchenden Dinge / ein Theil seyn der Unglueckseligkeit und Elende des Menschen / und also wo viel Weißheit ist / ist viel Graemens / Pred. Sal. 1/ 18. Eben wie der Mensch / indem er vorher weiß / daß er sterben muß / durch Furcht des Todes im gantzen Leben Knecht ist / Hebr. 2/ 15. und die Furcht des Todes graeulicher ist als der Tod selbst; Da hingegen ein Vieh / das seinen Tod nicht vorher weiß / von dieser Furcht befreyet ist. Zwar in dem gefallenen Zustande darinnen wir ietzo leben / beduerffen wir etlicher massen mehr dieser Wissenschafft denn Adam that: Aber im Stande der Unschuld durffte der Mensch nichtes wissen als nur die Erkaenntniß seines Schoepffers / und dessen Werck und Willen / und die Creaturen / als dessen Werckzeuge / die ihme auch koenten ein Spiegel seyn Gott darinnen zu sehen / und daß er mäßig den Tod fuerchtete / der ihm gedreuet war / nur darum / weil oder als er gedreuet war. Allein durch die Versuchung des Satans / bekam der Mensch eine Begierde und Verlangen / er wolte nicht laenger ein Kind seyn / der allezeit seinem Vater mueste in die Haende sehen / und unter seine Vorsorge leben: Er koente und wolte wohl vor sich selbst sorgen / und demnach wolte er wissen / was gut und boese waere ihme selbst und seiner Natur; Und wandte seine Augen ab von GOtt / befließ sich zu erkennen und zu erlernen die Creaturen allein vor sich selbst / wie sie ihme selbst hie oder dazu dienlich waeren / da er sie nur sollte gebrauchet haben GOtt darinnen zu erkennen / damit er taeglich mit heiliger Liebe und Verwunderung auffsehen moechte zu dem herrlichen und hochgelobten Angesicht / das in diesem Spiegel scheinete; und also wolte er die Creatur gebrauchen eigentlich vor sich selbst / welche er nur solte haben gebrauchet zum Dienste GOttes. Daß ich also halte / daß der Mensch nach seinem Falle zu mehrer wuercklichen Wissenschafft (secundum numerum objectorum) reichete / dann er zuvor hatte: welche Wissenschafft zwar war an ihr selbst betrachtet gut / aber sie waren ihme nicht gut / vielweniger ein Theil seiner Glueckseligkeit oder Herrligkeit / sondern vielmehr ein Theil seiner Suende und Elend. Es war ihm besser / da er erkannte nur einen GOtt / und alle Dinge in demselben / wie sie dienlich waren / ihn dadurch zu lieben und zu dienen / und sich zu seinem Zustande schicketen / als da er seine Gedancken von GOtt abwandte / und legte sich die Creatur zu erkennen in ihr selbst / und vor sich selbst / wie sie ihme selbst gut oder ungut / dienlich oder undienlich war / verlohr sich also selbst und seinen Verstand / in eienr Menge unnoehtiger und mißgebrauchter Dinge. Zu gleicher Weise / wie ein thoerichter Patient / der da hat einen erfahrnen / verstaendigen und fleißigen Artzt / der grosse Sorge traegt vor seine Gesundheit / und deswegen ihme die sichersten und besten Artzneyen verschreibet / dennoch Verlangen traeget / wie er moege sich selbst recht erkennen / und die Natur und Eigenschafft seiner Kranckheit / auch die Eigenschafft einer jeden Artzney / und wie er dieselbe vor sich gebrauchen moege / damit er nicht laenger durch den Artzt moege curiret werden / und deme nicht laenger trauen doerffte / sondern moege sein eigen Artzt und Helffer seyn; und derowegen Gehoer und Folge leistete einem Verfuehrer und Betrieger / der ihme sagen moechte: Der Artzt haelt euch nur auf in Unwissenheit / damit ihr nicht solt so klug seyn als er / und also euch selbst curiren: Hoert mir zu / ich wil euch lehren / wie ihr alles dieses selbst wissen moeget / und also euch selbst ohne dem Artzt helffen; Eben also ward der Mensch verfuehret durch den Satan / sich abzusondern und auszuschliessen von der Vaeterlichen Vorsorge GOttes / durch die Verlangung und Begierde / daß er wolte weise seyn / vor sich selbst / und wissen wie ein jede Creatur eigentlich moechte gut oder boese vor ihme selbst seyn / und nahm also das Werck Gottes auf sich selbst / verließ das Werck / dazu ihn GOtt gesetzt hatte / wolte nicht in allen Dingen von seinem Schoepffer dependiren: Nun ueberkam er zwar eine grosse Wissenschafft der Creatur / allein mit den Verlust der Goettlichen Wissenschafft / und der kindlichen zu friedenstellenden Wissenschafft oder Erkaenntniß GOttes / und auch der Erkaenntniß sein selbsten / als in gebuehrlicher Unter-Ordnung zu GOtt. Dieses daeucht mir zu seyn die Meinung des vorerwehnten Textes / und dieses ist der Zustand der gefallenen Menschen. Von Natur wolte ein jeder gern sein Glueck und Wohlergehen selber in Haenden haben / und es selber verwalten / er achtet es nicht so sicher / wann er nur in Gottes Hand ist. O was gaebe ein fleißiger Mensch darum / daß sein Leben und alle das seine in seiner eigenen Macht stuende / daß er damit moechte schalten und walten / behalten oder ablegen / wie lange / oder wann es ihm duenckete: Ist er arm / er wolte lieber / daß es in seiner Macht waere / seinen Mangel zu ersetzen / als in GOttes Macht / denn er meinet / es wuerde ihm dann besser gehen. Ist er kranck / er wolte lieber / daß es in seriner Macht waere / sich selber gesund zu machen / denn in GOttes Macht / massen alsdann meinet er / waere er gewiß / daß er solte gesund werden: Ist er in Noth / er kan nicht zu frieden seyn mit der blossen Verheissung / daß er soll errettet werden / es sey denn / daß er sehe eine Mueglichkeit in den Mitteln / oder auf was Art es geschehen moege / und welcher Gestalt ihn GOtt erretten wolle; dann er trauet GOtt nicht so sehr als sich selbst. Ist es nicht so beschaffen mit euch / die ihr noch fleischlich seyd? haltet ihr nicht davor / es wuerde besser um euch stehen / es wuerde euch besser gehen / wenn ihr euer Glueck in euren Haenden haettet / als es euch nun gehet / nun es GOtt nach seinem Willen regieret. Was gebet ihr nicht darum / daß ihr euch selber koennet helfffen / euch Gemach und gute Tage / Gesundheit / Reichthum und Ehre geben koentet / wie GOtt kan! Daher kommts / daß ihr so sorgfaeltig trachtet und strebet fuer euch selbst / und euch plagt mit vergeblichen Sorgen / dieweil ihr GOtt nicht trauen koennet / sondern gedencket / es sey nun euer Schuldigkeit / ihr muesset euch nun selbst versorgen und erhalten: Ihr meinet / es sey mit euch geschehen / wenn ihr nichts habet als Gott und seine Zusage / da ihr auf bauen moeget / und wann ihr nichts weder an euch selbst noch an den Creaturen sehet / da euch Huelffe von wiederfahren moechte. Und also sind alle Menschen von GOtt zu sich selbst gefallen. Die Selbst-Verlaeugnung nun hilfft diesem Unheil ab. Obschon etlicher massen die Wissenschafft gutes und boesen / und eine maessige Sorge vor unser natuerlich Selbst nunmehro ist geworden ein groß Theil unserer Schuldigkeit und Gebuehr / als welches sich schicket zu dem gefallenen Stande / darinnen wir anietzo sind / welches wir nimmer haetten noethig gehabt / waere die Suende nicht in die Welt gekommen: So scheidet doch die Selbst-Verlaeugnung ab von dieser Sorge / dasjenige / was suendlich daran ist; Sie zeiget dem Menschen / daß er allerseits zu unvermoeglich ist / sich selbst zu helffen / und daß er nicht ist der Brunnen und Ursprung seiner eigenen Glueckseligkeit; So stehe es auch nicht ihme / sondern GOtt zu / ihn zu erhalten / und vor seine Wohlfahrt zu sorgen: Er siehet / was eine Thorheit es ist / sich abbegeben vom Schutz des himmlischen Vaters / und mit dem verlohrnen Sohn das seinige selbst in haenden zu haben: Die betruebte Erfahrung kan ihme das mit seinem Hertzleide bezeugen / daß er nicht so wohl vor sich zugesehen / noch seinen Guetern so wohl vorgestanden / daß er sie unter handen hatte / daß er begehren solte wiederum seinen Schatz zu haben in seiner eignen Verwaltung / dadurch er sich so gestuertzet. Ja er weiß / daß es GOtt ist / der ihn doch muß erhalten / und daß er doch nichts ausrichtet / ob er sich noch so viel bemühet sich selbst durchzusorgen und durchzuhelffen: Er glaubet nun / daß er nirgend kan wohl und sicher seyn / als in den Haenden GOttes / und daß er nirgend kan zur Genuege versorget werden / als durch die Weißheit / Liebe und Allmacht GOttes; So darff er auch sich selbst nicht mehr trauen mit der Verwaltung einiger Creaturen / noch auch seiner selbst: Er befindet / daß er nur hat geschwaechet seinen Verstand / indem er seine eigene Erhaltung ihme unternommen hat / und daß er sich selbst in eine Wuesten gebracht / und seinen Zustand nur schlechter gemacht / da alles waere in gutem Zustand nur schlechter gemacht / da alles waere in gutem Wohlstand geblieben / haette er sich die Weißheit / Liebe und Allmacht GOttes wollen regieren lassen. Ist demnach der selbst-verlaeugnende bekehrte Christ gebracht sich selbst aeusserster massen zu mißtrauen / und ist entschlossen / hinfuehro auf nichts sein Vertrauen zu setzen / das geringer ist als unendliche Allmacht / und unendliche Liebe: Er ist so sehr uebel mit sich selbst zufrieden wegen seines vorigen Selbmordes und Selb-Verderbens / daß er sich selbst darum zur Rechnung fordert / und verdammet sich selbst darum / als ein Verraether gegen GOtt / und ein Selbst-Moerder / und begehret nicht mehr regieret zu seyn von einem so verraetherischen Missethaeter; sondern wie die Augen der Knechte auf die haende ihrer Herren sehen / also sehen seine Augen auf Gott in allen Mangel und Noethen / welches dann ist ein Theil des Geistes der Kindschafft der uns lehret ruffen: Abba lieber Vater; daß wir die Kinder / nicht allzusehr vor uns selber sorgen / sondern zu unserm Vater lauffen in allen unsern Mangel / ihme sagen / daß wir in Noth seyn / und Huelffe von ihm bitten / nichts sorgen / sondern lassen in allen Dingen unser Bitte im Gebet und Flehen mit Dancksagung fuer GOTT kund seyn / Phil. 4/ 6. Und diese Zufriedenheit der Seelen in GOtt / und in der Liebe GOttes ist es / die da bewahret unsere Hertzen und Sinn in dem Friede GOttes / welcher hoeher ist denn alle Vernunfft / v. Z. Daß also jemehr Selbst-Verlaeugnung bey einem Menschen ist / je weniger dependiret er von sich selber / oder bekuemmert sich mit solchen Sorgen / wie er sich selbst erhalten und versorgen moege / und desto mehr wirfft er sich selbst auf GOtt / und sorget nur / wie er deme gefallen mag / der der rechte Erhalter ist / und so geruhiget er sein Gemueth in der All-Gewaltigkeit / unendlicher Weißheit und Liebe GOttes / und haenget also gar an GOtt.

7. Ferner: Es ist die Ehre und der Vorzug Gottes / als unsers absoluten Eigenthuemers / daß er allein den Menschen und die Creatur regieret; daß er einen jeden in seinen Stand setzet / einem jeden sein Pfund austheilt / daß er es schicket und richtet / wie ein jedes Ding geschehen / und was fuer einen Ausgang es nach seinem Willen gewinnen sol. Nun / der Mensch im Stande der Unschuld war zu frieden mit dieser Regierung und Ordnung; er ließ sich gerne gefallen / daß GOtt es moechte mit ihme und allen Creaturen machen / nach seinem Wolgefallen. Allein nachdem der Mensch von GOtt zu sich selbst gefallen / da wolt er alsobald sich selbst regieren / und nicht allein sich selbst / sondern alle Creaturen / da er nur konte Macht ueber bekommen: O wie gerne wolte der selbstisch verdorbene Mensch seinen Zustand erwehlen! Sein Will ist gegen GOttes Will / und insgemein hat er ein Mißbehagen an Gottes Regierung: wenn es in seiner Macht stuende / er wuerde es gantz anders machen / nichts wuerde fast seyn wie es ist / sondern so widerwillich wuerde er seyn gegen GOtt / daß er das unterste oben kehren wuerde / wann es in seiner Macht stuende: es ist fast kein Armer / er wolte reich seyn; fast kein Reicher / der nicht nochmehr haben wolte: der Knecht wolte Meister seyn / der Heurling Haußherr; der Handwercks- und Bauersmann ein Edelmann; der Tagloehner wolte geruhige Tage / bessre Wohnung / besser Kleider / besser Essen und Trincken / mehr Ehr und Ansehen haben: der Edelmann wolte ein Ritter / der Ritter ein Graf und Fuerst / dieser gar ein Koenig seyn; der Koenig wolte groessere Macht / Einkommen und Herrligkeit haben: Ja ein jeder wuerde Koenig seyn wollen / und annehmen diesen Punct der Judischen Lehre / daß die Welt soll durch sie regieret werden / und sie noch weltliche Fuersten und Monarchen seyn werden. Gienge es mit dem selbstischen Menschen nach seinen Willen / es wuerde fast keiner seyn / was er ist / oder wohnen / wo er wohnet / oder auf solche Art leben / wie er nun lebet / alles wuerde seiner Meinung nach muessen besser seyn. O wie ein herrlich Leben / gedencket der ungeheiligte selbstische Mensch / wuerde ich haben / moechte ich seyn / was ich wolte / und haben was ich wolte! was gebe ein solcher nicht fuer ein solches Leben? Moechten sie nur ihren Willen haben / sie wuerden sich achten die Glueckseligkeiten von der Welt / daß ist / moechten sie nur frey seyn von dem Willen GOttes / daß sie nicht mehr so von ihme duerfften regieret werden / sondern mochten den Zuegel selbst in ihren Haenden haben. Ja diß ist noch nicht alles; sondern der selbstische Mensch wolte auch wohl wie sich selbst / also auch die gantze Welt regieren. Stuende es bey ihme / alle Koenigreiche muesten geaendert / und alles nach seinem Willen geordnet werden: Alle seine Nachbarn muesten sich nach ihme richten / und von ihme dependiren: wie wolte er so gutthaetig und freygebig seyn / wenn er Herr ueber alles waere: er wolte seyn der grosse Patron und Wohlthaeter aller Menschen auf der Welt / und sich alle menschen ihme verbunden machen: Siehet er etwas / das ihme doch wenig angehet / er moechte es doch gerne nach seinem Willen ordnen: Hoeret er / was in fremden Laendern vorgehet / er hat abermahls etwas / das er wolte / daß darinnen geschehen solte / zum wenigsten so fern / als er einigen Nutzen dabey dabey zu hoffen. Wenn aber durch die heiligmachende Gnade GOttes der Mensch gelernet sich selbst zuverlaeugnen / da siehet er und bereuet diese Thorheit: da siehet er / was ein elender untuechtiger Wurm er ist / sich selbst und die Welt zu regieren: Er siehet / daß er weder Weißheit / noch Guete / noch Macht und Staercke hat / die gnug sey zu so grossem Werck: Alsdann mercket er / daß es verstaendiger gehandelt sey einen unverstaendigen Bauern zum Steurmann auf einem grossen Schiff zu machen / oder einem unmuendigen Kinde seine Gesundheit als einem Artzte vertrauen in Kranckheit / oder dasselbe seine Gueter verwalten lassen / als so viel ihme selbst zutrauen / daß man sich selbst und auch darzu die Welt regieren wolle. Er siehet / wie thoerlich er darnach gestrebet / GOTT dieser Ehr zu berauben / und darum kehrt er wieder von sich selbst zu GOtt / und uebergiebt sich selbst mit freywilligem Hertzen zu Gottes Regierung / daß derselbe moege mit ihm als seinem Eigenthum thun / was er wil. Er befindet / daß er hat gnug mit dem Seinen zu thun / und ist kaum dazu geschickt und kraefftig genug / und darff demnach sich nicht unternehmen das was GOttes Werck ist / dazu er ja unendlich ungeschickt ist: Er befindet / je mehr er seinen Willen hat / je aerger und schlechter es endlich mit ihme gehet / und darum wil er sich uebergeben zu GOtt / und begehrt seiner Gnaden zu leben: Siehet er / daß die goettliche Vorsehung seinem Fleisch zuwieder ist / und daß er Armuth hat / wann das Fleisch gerne Reichthum haette; und Schande / wenn das Fleisch gerne geehret waere / und Arbeit / wenn das Fleisch gerne gemach und gute Tage haette / und Kranckheit / wenn das Fleisch gern gesund waere; so ist er damit doch zu frieden / und begehret dennoch nicht anders / als daß das Regiment GOttes seyn soll / und spricht von Hertzen: Nicht mein / HErr / sondern dein Wille geschehe; Glaubt also / daß GOttes Regierung die beste ist / und daß sein Vater wohl weiß / was er thut; und wann er die Wahl haette / ob GOTT oder er solte seine Gueter / Ehr und Leben verwalten / erwolte lieber / es waere in GOttes haenden / als in seinen / und wolte sich solcher Muehwaltung nicht unterfangen / obs ihm schon moechte angeboten seyn: Ach leider! denckt er / ich bin schier zu gering und schlecht ein Mensch zu seyn / und bin ich wuerdig / daß ich mich solte zum GOtt machen? Ich verrichte das Werck einer Creatur schlecht / daß ich nur Verdammniß darmit verdiene / und solte ich mich unterfangen das Werck des Schoepffers?

8. Ferner: Es ist eine hohe Praerogativa oder Herrlichkeit GOttes / daß er ist der oberste Herrscher ueber die gantze Welt / daß er Gesetz vor dieselbe machet / welche in acht genommen werden muessen / daß er belohnet die Gehorsamen / und straffet die Ungehorsamen. GOtt ist Koenig ueber alle Welt / ja Koenig aller Koenige / und HERR aller Herren / und ihme muessen alle gehorchen / oder von ihme gerichtet werden vor ihren Ungehorsam. Allein Suende machet den Menschen zum Auffruehrern gegen den Himmel / und zum Verraether seines GOttes: so daß ietzo der selbstisch / ungeheiligter Mensch ein Mißbehagen hat an GOttes Regierung / wo nicht an der allgemeinen / doch an der sonderlichen / die in diesem oder jenem Stuecke geschiehet / und wolte lieber sich selbst regieren. Gegen das Gesetz GOttes / in seinem Worte verfasset / murret er / als welches entweder zu dunckel / oder auch zu streng / und gar zu genau und hart ist: Er siehet daß es seinem fleischlichen Wesen zu wider / und nicht gut sondern boeses von ihme weissaget / und darum setzet er sich gegen dasselbe / als welches er achtet / daß es gegen ihme ist / und seine Lust gegen seinen Nutz / und Ehre in der Welt. Haetten die Menschen nur die Regierung ueber sich selbst / was ein Unterscheid wuerde da seyn zwischen der Regierung GOttes und ihr: Moechte der verdorbene / selbstisch / ungeheiligter Mensch ein Gesetz vor sich selbst machen / an statt des Wortes GOttes / was vor ein Gesetz wuerde dasselbe seyn? Und wie viel von dem goettlichen Gesetz wuerde abgethan werden? wenn Suender moechten eine Bibel oder Schrifft machen / man wuerde denn nicht solche Oerter darinnen finden: Es sey dann / daß jemand gebohren werde aus Wasser und Geist / so kan er nicht ins Reich GOttes kommen / Joh. 3/ 5. Ohne Heiligung kan Niemand den HErrn sehen / Hebr. 12/ 14. Moechte Selbst Gesetze machen / man solte nicht in selbigen finden: Wo ihr ihr nach dem Fleisch lebet / werdet ihr sterben / wo ihr aber durch den Geist des Fleisches Geschaeffte toedtet; so werdet ihr leben / Rom. 8/ 13. So wuerde man auch nicht finden: Die Pforte ist eng / und der Weg ist schmal / der zum Leben fuehret / und ihrer sind wenig die ihn finden / Matth. 7/ 14. Gleichwie nun die gantze Schrifft allenthalben gebietet Heiligkeit / verbietet Gottlosigkeit / Weltwesen / fleischliche Lueste und Wesen: Also wenn Selbst eine neue Schrifft / machen solte / es wuerde alles umgekehret werden / zum wenigsten wuerde es nicht sich so hart gegen die fleischlich gesinnete setzen; Alle diese warhafftige und erschroeckliche Oerter der Schrifft / die denen Ungeheiligten ietzo Feuer / Pech und Schwefel / und ewige Hoellenpein trohen / wuerden dann ausgelassen werden; Da wuerde wohl von der Verdammniß / die solche Leute / als sie waeren / ueberfallen wuerde / nichtes gedacht werden: Da wuerde nichts zu sagen seyn von dem Wurm der nimmer stirbet / und dem Feuer das nimmer verleschet; oder / gehet weg von mir ihr Verflluchten; Ich kenne euer nicht; Der Gottlosen Weg vergehet: GOtt lachet ihrer / denn er siehet / daß ihr Tag kommt: Das groeste Theil der Schrifft wuerde ausgewischet werden / haette Selbst die Macht dieselbe zu aendern: ja sie wuerde gantz neu und der ietzigen Schrifft gantz wiedrig gemacht ewrden: die Bitten im Vater Unser muesten anders seyn: Ein jedes von den Zehen Geboten mueste etwas corrigiret; Abgoetterey mueste keine Suende sein / sondern das vornehmste Gesetze / dann Selbst mueste auffgesetzet werden / als der grosse Abgott aller Welt: Selbst erwehlter Gottesdienst wuerde keine Suende seyn: Mann mueste die nicht verdammen / die den Nahmen GOttes mißbrauchen: Der Sontag mueste sein ein Tag / darinnen man lustig und rasend-froelich waere; ein jeder Unterthan wuerde so viel zu sagen haben / als sein Oberherr / und ein jeder / der unter Botmaeßigkeit ist / wuerde so viel seyn / als der ueber ihm ist: Rache wuerde zugelassen seyn vor selbst / ob schon nicht vor andere: Hurerey und Ehebruch wuerde schlechte / ja wol gar keine Suende seyn / sie selbst moechten wohl stehlen / ob sie es schon in andern nicht billigen moechten: Eines andern ehrlichen Namen und Leumuth zu verringern / wuerde selbst frey stehen: In einem Worte: Ein ieder wuerde thun was ihme nur wuerde geluesten / und sein Wille wuerde sein Gesetz seyn / und er selbst wuerde sein eigen Richter seyn; Ohne Zweiffel ein fein gelinder Richter. Solcher gestalt wuerde Selbst regieren. Die heiligmachende Gnade GOttes aber lehret den Menschen zu verlaeugnen diesen Selbst / und seine auffruehrerischen Hande gegen GOtt nieder zu legen; Zeiget ihm / wie ungeschickt wir sind uns selber zu regieren / daß wir allzuthoericht / und suendlich / und partheyisch sind / Gesetze zu machen / und daß wir viel zu gelinde seyn wuerden / dieselben an uns zu vollenziehen: Und daß wir erschaffen sind zu gehorchen / also auch gehorchen / und uns wiederstellen muessen in unsere Glieder / und freywillig uns unterwerffen dem Oberherrn der Welt. Selbst-Verlaeugnung lehret einen Menschen zu hassen seine fleischliche Weißheit / und verdorbene Vernunfft / die sich gegen die Gesetze GOttes erhebet / oder ja dieselbe destoweniger zu lieben / dieweil sie sein eigen ist; hingegen aber die Gesetze GOttes hertzlicher zu lieben / weil sie GOttes sind / und weil sie streiten gegen sein fleischlich Selbst. Weil er GOttes Siegel daran sihet / so ehret er sie / da er dieselben Gesetze nicht achten wolte / wenn sie von selbst gemachet waeren: Er hat zwar noch Fleisch und Blut das gezwungen muß werden unter das Gesetz Gottes / und welches denenselben in etwas widerstrebet; Er hat aber dennoch darum keine boese Gedancken von dem Gesetze GOttes / dondern hat Lust an denselben nach dem inwendigen Menschen / Rom. 7/ 22. Und wenn er die Wahl haette / er wolte nicht ein Gebot / nicht eine Lehre / nicht einen Articul des Glaubens / nicht ein Title des Gesetzes ausleschen / weil Selbst nicht die Oberstelle und Herrschaft in ihme hat; sondern er hat gelernet sich dem Willen und Weißheit des HErrn zu gelassen. Ob er nun schon sich selbst liebet / und eine Natur hat die ungerne leidet / und fuerchtet GOttes Zorn / und die Drohung seines H. Gesetzes; So haelt er dannoch das Gericht von Grund seines Herzens vor gerecht / und erkennet es zu seyn heilig / gerecht und gut / wolte auch nicht / daß die Draeuungen selbst davon ausgethan waeren / wenn es bey ihme stuende: Dann er weiß / daß GOttes Schluß der beste ist / und daß niemand als Er geschickt ist zu regieren / und darum ist all sein Wuenschen / wie er lernen mag besser zu gehorchen / und nicht daß er moege herrschen; Daß er moege dem Gesetze gemaeß leben / und nicht daß das Gesetz sich nach ihme richten solle: Daß sein Wille moechte GOttes Wille sich seinem Willen gleich erzeigen solle: So weit ein Mensch sich selbst verlaeugnet hat / ist es also mit ihme bewant.

9. Ferner: Wie es GOttes Herrlichkeit ist / daß Er ist der oberste Herrscher ueber uns selbst / also auch ueber alles andere. Allein wenn die Suende Selbst zu einem Abgott auffgesetzet hat / alsdenn wil der Mensch nicht herrschen allein ueber sich selbst / sondern auch ueber alles andere. Ein ungeheiligtes selbstisch Hertz hat eine ungezaeumete Begierde zu herrschen / ueber Stadt und Land / und daß alles unter seinen Willen moechte gebracht werden: Und daher komt solch Widerstreben und Meistern gegen gute Regenten / und daß die meisten leute so ehrgeitzig sind / und gerne wolten die hoechsten seyn / darum daß ein jeder dann mueste ihren Willen thun / und daß sie Macht haetten diejenigen / so es nicht thun wolten / dazu zu zwingen. Daher kommt das Streben / Rennen und Lauffen in der Welt nach Scepter und Kronen / und hat man noch von wenigen gehoeret / die ein Koenigreich ausgeschlagen haben / wenn es ihnen angeboten ist / ja oder die wol nicht etwas darum aus dem Wege tretten / und ihre Gewissen verwunden wolten / und alle ihre Hoffnung des ewigen Lebens dagegen in die Wage setzen / wenn sie einige Hoffnung haetten ihr Anschlag moechte angehen / und sie moechten es leicht erhalten; sintemal wo Selbst herrschet zu Hause / da wolte es auch herrschen ueber andere. Es kan einem fleischlichen Hertzen nichts besser gefallen als seinen Willen zu haben / und daß ein jeder es so mache wie er wil / suche ihm zu gefallen / und seine Worte alsobald als ein Gesetz annehme. Dieses ist das Reich des Selbst.

Die Gnade GOttes aber in der Selbst-Verlaeugnung lehret den Menschen erstlich dahin zu sehen / daß GOttes Wille vollbracht werde / und zu wollen / daß alle Welt demselben gehorsamen moechte / und was seinen eigenen Willen betrifft / denselben gantz und gar GOtt heimzustellen und zu gelassen / auch nicht zu begehren / daß jemand seinem Willen soll Folge leisten und welches denenselben in etwas widerstrebet; Er hat aber dennoch darum keine boese Gedancken von dem Gesetze GOttes / sondern hat Lust an denselben nach dem inwendigen Menschen / Rom. 7/ 22. Und wenn er die Wahl haette / er wolte nicht ein Gebot / nicht eine Lehre / nicht einen Articul des glaubens / nicht ein Title des Gesetzes ausleschen / weil Selbst nicht die Oberstelle und Herrschafft in ihme hat; sondern er hat gelernet sich dem Willen und Weißheit des HErrn zu gelassen. Ob er nun schon sich selbst liebet / und eine Natur hat die ungerne leidet / und fuerchtet GOttes Zorn / und die Drohung seines H. Gesetzes; So haelt er dannoch das Gericht von Grund seines Herzens vor gerecht / und erkennet es zu seyn heilig / gerecht und gut / wolte auch nicht / daß die Draeuungen selbst davon ausgethan waeren / wenn es bey ihm stuende: Dann er weiß / daß GOttes Schluß der beste ist / und daß niemand als Er geschickt ist zu regieren / und darum ist all sein Wuenschen / wie er lernen mag besser zu gehorchen / und nicht daß er moege herrschen; Daß er moege dem Gesetze gemaeß leben / und nicht daß das Gesetz sich nach ihme richten solle: Daß sein Wille moechte GOttes Willen gleichfoermig seyn / nicht daß GOttes Wille sich seinem Willen gleich erzeigen solle: So weit ein Mensch sich selbst verlaeugnet hat / ist es also mit ihme bewant.

Die Gnade Gottes aber in der Selbst-Verlaeugnung lehret den Menschen erstlich dahin zu sehen / daß GOttes Wille vollbracht werde / und zu wollen / daß alle Welt demselben gehorsamen moechte / und was seinen eigenen Willen betrifft / denselben gantz und gar GOtt heimzustellen und zu gelassen / auch nicht zu begehren / daß jemand seinem Willen soll Folge leisten weiter als er stehet in einer gebuerlichen Unter-Ordnung unter GOttes Willen / und selbigen befordert: Wie er keienr Herrschafft oder Macht begeheret / als allein vor GOtt / so begehret er auch nicht / daß jemand seinem Willen soll gehorsamen / weiter als noethig ist GOttes Willen zu vollenbringen / welchem er sich untergibt / und wolte / daß also alle und jede sich selbigen untergeben solten: Der selbst-verlaeugnende geheiligte Mensch sihet die gantze Welt auff und nieder durch / wie er hie oder da GOttes Recht und Ehre befordern moege: Wie der Selbst-Suchende hat sein eigen Ehre oder Nutz zu befoerdern: Und er hat eine so hertzliche Begierde und Verlangen zu vernehmen / daß der Name / das Reich und Gesetze GOttes an allen Orten und Enden der Welt auffgerichtet und geehret werden / als der Ehrgeitzige hat seine Ehre befodert zu sehen; Und es erfreuet einen heiligen selbstverlaeugnenden Christen mehr / wenn er hoeret / daß man den Gesetzen GOttes gehorchet / und daß die Welt sich beuget und demuethiget vor JEsu Christo / als es einen felsichlichen ehrgeitzigen Menschen erfreuen wolte / wann er Herr ueber alles waere / und daß alle Welt sich vor ihme biegen muesse: Ein heiliger selbst-verlaeugnender Mensch wuerde sich mehr erfreuen / moechte er hoeren / daß Africa / America / und was noch uebrig ist in der Welt / die das Wort GOttes noch nicht annehmen / bekehret waere zu Christo durch Krafft des Evangelii / und daß die Heyden ihme zum Erbtheil gegeben wuerden / u. die Reiche der Welt Reiche Christi waeren / als wenn er dieses alles selbst ueberwunden haette / und waere ein Koenig oder Kaeyser der Welt geworden. Denn gleich wie Selbst den Vorzug hat in den Ungeheiligten / also hat Christus und der Wille GOttes den Vorzug bey den Heiligen: Denn der Geheiligte hat dem selbst entsaget / sein vorwantes Recht in ihme / und dasselbe verleugnet / er hat erwehlet GOtt in sein Ende / und Christum seinen Weg dazu zu seyn / und sihet also folgendes auf dessen Ehre und Recht am meisten; Also daß er nunmehr nichtes in der Welt zu verrichten hat als GOttes Werck; Er hat keine Ehre anzusehen als GOttes Ehre; Er hat niemand zu erheben als den Koenig aller Koenige: Er weiß von keinem Gewinn als Gott zu gefallen: Er hat keine Zufriedenheit oder Lust / als GOttes Gnade; Massen das Leben / das er nun im Fleisch lebet / lebet er im Glauben des Sohnes Gottes / der ihn geliebet hat / und sich selbst vor ihme dahin gegeben / und dadurch ihn abgezogen hat von sich selbst / zu dem Brunnen und Ende der Liebe / und ist also nicht er der da lebet / sondern CHristus lebet in ihme / Gal. 2/ 20.

10. Letztlich ist es eine grosse Herrlichkeit / die GOtt gebueret / daß man ihme zuschreibet alle Ehre / Macht und Herrlichkeit / und ihn preiset als den Anfaenger alles Guten in der Welt: Und diese seine Ehre wil Er keinem andern geben; Der Mensch und alle Dinge sind erschaffen und werden erhalten zu seinen Ehren und Herrlichkeit: So soll auch der Mensch keinen Preiß haben als darinn / daß er den HErrn erhebet und preiset: so bald der Mensch diese Erhebung und Herrlichmachung GOttes nachließ / da verlohr er seine Herrlichkeit / die er von Ihme zu gewarten hatte. Denn als die Suende ihn abwandte von GOtt zu sich selbst / ließ er aus der Acht die Ehre GOttes / und seine Gedancken waren gerichtet auf seine eigene Ehre / so daß er wolte / ein jedes Knie solte sich vor ihme beugen / ein jedes Auge auf ihn sehen / ein jeder hohe Gedancken von ihme haben / und eine jede Zunge ihn hoechlich loben und preisen: Es kuetzelt ihme im Hertzen / wenn ein jeder ihme Tugend / Weißheit und andere Lob und Vortrefflichkeiten zuschreibet: Wenn er ist wie die Sonne im Firmament geachtet / die ein jeder ansehen muß / und ohne der niemand leben kan / wenn er sihet daß ein jeder ihn erhebet / und redet alles gute von ihme / daß ein jeder ihn ehret und seine Weißheit geachtet wird als eines Engels GOttes / die ein jeder kommt zu hoeren / O wie gefaellt dieses seinem fleischlichen selbstischen Gemuethe so wol! Alsdann hat er sein Ende / und was er haben wolte / und warlich / saget Christus: Sie haben ihren Lohn dahin. Wenn aber die heiligmachende Gnade GOttes den Menschen lehret sich selbst zu verlaeugnen / alsdenn sehen sie / daß sie elende und erbaermliche Suender sind / und haben einen Abscheu an ihnen selbst wegen alle der Greuel / die sie in sich befinden / und sind niedrig in ihren eigenen Augen / demuethigen sich vor dem HErrn und hassen sich selbst im Staub und Aschen / und sprechen: Nicht uns / HErr / nicht uns / sondern deinem Namen gib die Ehre / wir muessen uns schaemen / Ps. 115/ 1. Dan. 9/ 7. 8. Die H. selbst-verlaeugnende Seele begehret keine Ehre / als die da mag befoerderlich seyn zu der Ehre ihres HErrn: Sein Geist ergrimmet gegen die schmeichelnde Welt-Kinder / die GOtt der Ehre berauben und selbige ihnen zuschreiben wollen / und kan ihme kein groesser Mißgefallen wiederfahren / als daß man ihme das zuschreibet / das GOtt allein gebuehret / oder daß man ihme die Ehre anthut / die GOtt zukommt / wird nur Gott geehret / er rechnet das vor seine Ehre / ob er schon nimmer so gering / schlecht und schaendlich gehalten werde. Wird GOtt verunehret / das betruebet ihn / und solte er sonsten auch noch so viel geehret werden. Wie er selbsten lebet in der Welt zu der Ehren GOttes / und thut alles was er thut in der Welt zu dem Ende / also wolte er / daß alle andere auch thun solten: und solte GOtt am meisten geehret werden / wenn er beschimpffet und zuschanden wird / so kan er sich gerne darinnen ergeben.

Also habe ich gezeiget die rechte Natur beydes der Selbheit / und der Selbst-Verlaeugnung. Mercke aber / daß ich sie beschreibe als sie ist in ihr selbst: Denn es ist noch viel Selbheit auch in den Besten / welche hindert die voellige Wirckung der Selbst-Verlaeugnung. Unterdessen aber herrschet die Selbst-Verlaeugnung in denen Geheiligten / ob sie schon nicht vollenkommen ist.