Augustinus, Aurelius - Soliloquien - XXXIV. Von der herrlichen Betrachtung der göttlichen Majestät.

O Du allerheiligster GOtt, der Du bist von unaussprechlich hoher Majestät, ein GOtt aller Götter, und HErr aller Herren, wunderbar, unausforschlich, unausdenklich, vor welchem im Himmel die engelischen Obrigkeiten erzittern, den. alle Herrschaften und Throne anbeten, vor dessen Angesicht alle Kräfte sich entsetzen, dessen Macht und Weisheit keine Zahl hat, der Du die Welt aus nichts gemacht und die Wasser in der Lust zusammenfasst, wie in einem Schlauch: Du allmächtigster, heiligster und stärkster GOtt über alles lebendige Fleisch, vor dessen Angesicht Himmel und Erde flieht, dessen Willen alle Elemente untertänig sind, es sollen Dich anbeten und hochpreisen alle Deine Kreaturen.

So beuge ich nun auch im Glauben an Dich als ein Sohn Deiner Magd, den Nacken meines Herzens unter die Füße Deiner Majestät und sage Dir Dank, dass Du mich durch Deine Barmherzigkeit hast erleuchten wollen. Du wahres Licht, Du heiliges Licht, Du liebliches Licht, Du preiswürdiges Licht, das da erleuchtet einen jeglichen Menschen, der in die Welt kommt, ja dazu auch die Augen der Engel, wohlan, ich sehe nun, ich sage Dir Dank: siehe HErr, ich sehe das Licht des Himmels, es scheint ein Strahl von oben her in die Augen meines Gemüts von dem Glanz Deines Lichtes und erfreut alle meine Gebeine. O, dass er möchte vollkommen werden! Ach, mehre es doch, Du Schöpfer des Lichts, was in mein Herz hineinleuchtet! Ich bitte Dich lass es größer werden!

Was ist es denn, das ich empfinde und merke? Was für ein Feuer erwärmt doch mein Herz? Was für ein Licht bestrahlt mein Herz? O Du Feuer, das allezeit brennt, und nimmer verlischt, entzünde mich! O Du Licht, das allezeit leuchtet und nimmer verdunkelt wird, erleuchte mich! O, dass ich von Dir entzündet immer brennen möchte! Du heiliges Licht, wie brennst Du so lieblich! Wie leuchtest Du so heimlich! Wie entzündest und durchglühst Du so ganz erwünscht! Wehe denen, die nicht von Dir entzündet sind, die nicht von Dir erleuchtet werden, o Du wahrhaftiges Licht, das die ganze Welt erleuchtet, dessen Licht die Welt erfüllt! Wehe den blinden Augen, die Dich nicht sehen, Du Sonne, die da erleuchtet Himmel und Erde!

Wehe den verfinsterten Augen, die Dich nicht sehen. können, wehe den Augen, die sich abwenden die Wahrheit zu sehen! Wehe auch denen, die sich nicht abwenden, die Lügen und Üppigkeit zu sehen! Denn die an die Finsternis gewöhnten Augen können den Glanz der höchsten Wahrheit nicht anschauen, können auch vom Licht nichts urteilen, als die in der Finsternis ihre Wohnung haben: Finsternis sehen sie, Finsternis lieben sie, Finsternis loben sie; gehen also aus einer Finsternis in die andre, und wissen nicht, wo sie in den Abgrund stürzen. Es sind arme elende Menschen, die nicht wissen, was sie verlieren, und die sind gewisslich noch armseliger und elender, die da wissen, was sie verlieren, die da fallen mit offnen Augen und lebendig zur Hölle hinabfahren.

O Du allerseligstes Licht, das einzig nur die allerreinsten und ganz gereinigten Augen sehen können! Selig sind, die reines Herzens sind, denn sie werden GOtt schauen! Reinige mich, Du meine reinigende Kraft, mache nur meine Augen gesund, auf dass ich mit gesunden Augen Dich beschauen möge als Den, welchen allein die gesunden Augen schauen. Du unnahbarer Glanz, ich bitte Dich, nimm hinweg die Schuppen der alten Finsternis mit den Strahlen Deiner Erleuchtung, auf dass ich Dich sehen möge mit stetem Anschauen und also in Deinem Licht das Licht sehe. Ich sage Dir Dank, mein Licht, siehe, ich sehe nun! Ach, mein HErr, lass mein Gesicht aus Dir zunehmen und größer werden. Eröffne mir meine Augen, dass ich sehe die Wunder an Deinem Gesetz, der Du in Deinen Heiligen so wunderbar bist. Ich sage. Dir Dank, mein Licht, stehe, ich sehe nun, aber durch einen Spiegel in einem dunklen Wort. Wann aber werd ich Dich sehen von Angesicht zu Angesicht? Wann wird der Tag der Freuden und des Frohlockens kommen, an dem ich werde eingehen zur Stätte des wunderbaren Heiligtums, bis in das Haus Gottes, auf dass ich möge sehen den, der mich sieht, von Angesicht zu Angesicht, und mein Verlangen ersättigt werde.