Wir lesen im 3. Buch Mosis am 28., daß der Hohepriester, wenn er hat wollen in's Allerheiligste eingehen, die heiligen Kleider anlegen mußte. Dieselben waren von weißer und rother Seide und Purpurfarbe und unten am Kleide waren güldene Cymbeln, die mußten klingen, denn er durfte nicht stillschweigend in's Allerheiligste eingehen, sondern mit einem heiligen Klang, auf daß er nicht stürbe, spricht Gott der Herr. Also unser ewiger Hoherpriester, Jesus Christus, da er wollte in's Allerheiligste eingehen, in den Himmel, zu erscheinen vor dem Angesicht Gottes für uns, da hat er freilich das hohepriesterliche Kleid angelegt von weißer und rother Seide und Purpurfarbe, das ist, seinen unschuldigen verwundeten Leib, und gehet auch in's Allerheiligste mit dem Klang der güldenen Cymbeln seines Gebets. Er kommt nicht stillschweigend, sondern mit einem Heiligen Klang, Gott damit zu versöhnen.
Wir wollen demnach den güldenen Cymbelklang seiner sieben letzten Worte jetzo anhören.
Sehet hier, und erkennt diese große und vollkommene Liebe gegen Gott und Menschen. Er nennet Gott seinen Vater in seinem höchsten Kreuz. Das ist eine Liebe Gottes. Er liebet auch seine Feinde, und bittet für sie. Daher sagt St. Augustinus: Ist das nicht ein Wunder? Die Juden schreien, Kreuzige ihn; und Christus schreiet, vergieb ihnen, Vater.
Der Juden Bosheit ist groß, aber Christi Liebe ist noch größer. Die Juden schreien, sein Blut sei über uns und über unsre Kinder und räche sich an uns, und Christus schreiet, sein Blut soll ihnen zur Vergebung dienen. Es schreien die Wunden, es schreiet das Blut, es schreien alle Schmerzen: Vergieb; wir thun, was die Menschen thun sollten, das Blut zum Kaufpreis, die Schmerzen zum Lösegeld, das Leben zur Genugthuung, Leib und Seele zum Opfer; es sei also bei dir Barmherzigkeit, weil hier die vollkommene Bezahlung ist. Christus bittet nicht ohne mit Blut.
Auch die allergreulichsten Sünden können vergeben werden, weil Christus um Vergebung der Sünde bittet, die die allergreulichste ist, nämlich Christum erwürgen. So kräftig ist Christi Blut, daß es auch die Sünde tilget, durch welche Christi Blut vergossen ist.
2. Christus ist ein rechter Arzt, wendet seine vornehmsten Gedanken dahin, daß er die Ursach seiner Krankheit hinwegnehme, nämlich unsre Sünden, und ist vielmehr bekümmert um uns, denn um sich selbst. Für sich bittet er nicht, sondern für uns. Denn weil wir ihn mit unsern Sünden Alle haben helfen kreuzigen und tödten, so hat er auch für uns gebeten und uns die vornehmste Frucht seines Leidens gezeigt, nämlich Vergebung der Sünden.
3. Christus ist ein rechter Schutz mit seinem Gebet. Es klaget Gott der Herr, Hesekiel am 22.: Ich suchte, ob ich jemand fände, der sich zur Mauer machte und wider den Riß stünde, aber ich fand ihn nicht. Darum habe ich sie vertilget in meinem Zorn. Aber, o Gott, wir haben einen solchen gefunden, der hat sich für uns zur Mauer gemacht und ist wider den Riß gestanden. Darum wird uns ja dein Zorn nicht vertilgen.
4. Christus übel mit seinem Gebet das rechte Mittleramt. Denn ein Mittler muß beider Parteien Freund sein, einen nicht hassen und den andern lieben und also unparteiisch sein. Siehe, Christus unser Mittler ist beider Parteien Freund. Er liebet seinen Vater vollkömmlich, er liebet den Menschen vollkömmlich. Er hält keine Partei für seinen Feind.
5. Lerne hier, o Mensch, Sanftmuth und Versöhnung. Der Herr hatte zuvor gelehret, man solle seinen Feinden vergeben, sie lieben, für sie bitten, siehe, hier thut der Herr, was er gelehret hat, dir zur Nachfolge. Wenn du nun beleidiget wirst, so halte deine Beleidigung gegen die Beleidigung Christi, so hier am Kreuz geschieht, und denke daran, der Herr redet dich an, bittet dich auch, als spreche er: Ach, vergieb doch die kleine Beleidigung deinem Nächsten, wie kannst du mir's abschlagen? Ich habe am Kreuz darum gebeten und will dir wieder vergeben, wenn du mich bittest.
Sehet erstlich des Schächers Buße an, welche aus seinen Worten erscheinet: Und du fürchtest dich auch nicht vor Gott u.s.w. Da bekennet er seine Sünde öffentlich und klaget sich selbst an.
Zum Andern bekennet er des Herrn Unschuld und sagt: Dieser hat nichts Ungeschicktes gethan. Ist das nicht viel von dem Mörder am Kreuz? Es ist ebensoviel, als wenn Daniel, der heilige Prophet, sagt: Herr du bist gerecht, wir aber müssen uns schämen. Ist doch dieser Mörder ein Prophet worden.
Zum Dritten bedenket seinen Glauben. Sein verwundetes Herz haben wir gehöret, jetzo kommt das andre Stück der Buße, der Glaube: Herr, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst. Das ist, was St. Paulus sagt: Wer mit dem Herzen glaubet, der ist gerecht, und wer mit dem Munde bekennet, ist selig. Ist das nicht ein großer Glaube, einen solchen für einen Herrn und König erkennen, der am Kreuz hänget, von Gott, Engeln und Menschen verlassen, von Jedermann gelästert? Da Christus göttliche Wunder that, bekannten ihn die Apostel für Gott und den Messias; aber dieser Schacher bekannte ihn für einen König, als er am Kreuz hing.
Auf solche Liebe folget die Liebe und der Eifer um Christum, denn er strafet seinen Gesellen und eifert für den Herrn, und wollte auch den andern gerne bekehren. Das ist die rechte Liebe, einen vor Sünden warnen und davon abhalten. Darum, als Plato gefragt ward, womit man ihm doch den größten Liebesdienst erzeigen könnte, hat er geantwortet: So du mich vermahnest, wenn du mich stehest Böses thun oder reden.
Was bekommt der Schacher für eine Absolution auf seine Beichte? Wahrlich, ich sage dir, heute wirst du mit mir im Paradies sein. Da sagt der Herr auf einmal zu, und schenket ihm die höchsten Güter.
Sehet hier einen Spiegel der wahren Buße und gnädigen Absolution. Diese Güter schenket der Herr noch jetzo allen bußfertigen Herzen.
Der arme Sünder bittet nicht mehr, denn daß der Herr nur wolle an ihn gedenken. Der Herr giebt ihm viel mehr, denn er bittet.
Soll der Herr an uns gedenken, so ist das sein Gedenken an uns, daß er uns zu sich nimmt, auf daß wir seien, da er ist. So gedenket der Herr an uns. Gottes Gedenken ist nicht also, als wenn ein Mensch an einen gedenket, das hilft doch dem Andern nicht; sondern, wenn Gott an uns gedenket, so erfreuet er und tröstet, machet lebendig und erquicket uns,. und nimmt uns zu sich, und machet uns theilhaftig seiner himmlischen Güter, Freude und Lebens.
Maria ist ein Bild der heiligen Kirche, die allezeit unter dem Kreuz stehet und sich auch' des Kreuzes Christi nicht schämet. Wie aber der Herr dem Johannes die Maria befiehlet, seine leibliche Mutter, also ist dies ein schöner Spiegel, daß er seine geistliche Mutter, die heilige christliche Kirche, die Christum geistlich im Kreuz gebieret, auch allezeit einem Johannes befehlen wolle, der sie pfleget, tröstet und geistlich versorget; und dieselben erwählet er meist unter dem Kreuz. Das sind die rechten Lehrer und Pfleger der Kirche, die unter dem Kreuz erwählet werden. Die Prediger, die der Welt Lust und Herrlichkeit mehr lieben, denn das Kreuz Christi, sind nicht die rechten. Die Christus erwählet, die erwählet er unter dem Kreuz und dieselben nehmen auch die arme Maria zu sich und lassen sich die Kirche herzlich angelegen sein. Die Andern suchen Wollust und Hoffart dabei, denn sie sind nicht unter dem Kreuz erwählet.
2. Es ist auch ein sein Bild, daß die, so sich des Kreuzes Christi nicht schämen, sondern hinzutreten unter das Kreuz, auch durch's Kreuz Christi beschirmet und erhalten werden. Gott erhält seine Kirche unter dem Kreuz. Wir meinen oft, wir haben des Kreuzes Christi großen Schaden, und es ist doch unser Segen und unser Schutz, und giebt uns auch zeitlichen Unterhalt. Darum laßt uns das Kreuz Christi nicht fliehen, sondern hinzunahen; wir werden keinen Schaden haben, sondern Trost und Freude. Das Kreuz Christi wird doch herrschen und den Sieg behalten.
Christus will uns nicht mit Wehr und Waffen, Reitern und Knechten, Harnisch und Spieß schützen, und Unterhalt geben, sondern durch's Kreuz und unter dem Kreuz, da will er uns versorgen. Wie manchen Menschen, wie manche arme Wittwe erhält er unter dem Kreuz. Wie manchen Johannes erhält Christus unter dem Kreuz, schützet ihn, befiehlet ihn der Kirche, daß er erhalten werde. Gott hat seine Mutter und seine Kirche an vielen Orten. Da kann er seinen Johannes auch wohl hinsenden.
Dieß ist der unterste Grad seiner Erniedrigung, und der höchste Grad seines Leidens. Denn es kann alles Leiden überwunden und desto leichter getragen werden, wenn noch innerlicher Trost im Herzen ist. Aber hier hat der inwendige Trost Gottes unsern Herrn verlassen. Die Angst der Seele ist zu groß gewesen, lauter Angst, lauter Herzeleid, kein Trost.
Mit unserm Kreuz machet's Gott also wie ein Arzt, der unter die Bitterkeit der Arznei ein wenig Zucker menget. Aber hier ist eine lautere Bitterkeit ohne Trost, eitel lauterer Zorn ohne Gnade. Darum schreiet der Herr also: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Hast du mich doch mit deinem Trost verlassen. Der Herr hat die Strafe der Sünden vollkömmlich empfinden müssen, ohne allen Trost, auf daß er uns den Trost Gottes wieder erwürbe in unsern höchsten Anfechtungen. Darum ist Christus um unsertwillen trostlos worden.
Und ob's uns bisweilen auch also gehet, daß uns dünket, wir könnten keinen Trost empfinden, so gedenket hieran: Der Trost ist nicht gar verloren, er wird gewiß wiederkommen; denn darum hat Christus den Trost entbehren müssen, auf daß wir ihn haben, und in ihm finden sollen.
Ja, in der Traurigkeit Christi, da er geschrieen: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen, darin müssen wir unsern Trost suchen. Denn das ist geschehen, auf daß wir nicht trostlos sterben sollen. Mit diesen Worten nämlich bezeuget der Herr, daß sein Leiden vollkommen sei für unsre Sünde, und die allerhöchste Bezahlung, und der allergrößte Gehorsam, dadurch er mit einem Opfer vollkommen gemacht hat, die geheiliget werden. Ja, darum hat er so laut gerufen, daß wir hören, daß er der gestrengen Gerechtigkeit genug gethan habe, und daß die Frucht und Kraft dieses Versöhnungsopfers offenbar werde, daß seine Trostlosigkeit unsre Arznei sein soll.
Da das Werk der Schöpfung absolviret war, schreibet Moses: Also ward vollendet Himmel und Erde mit ihrem ganzen Heer zu der Zeit, da Gott Himmel und Erde machte. Also ist auch nun hier vollendet das Werk der Erlösung, an dem Tage, da Christus Alles erfüllet hat.
Das letzte Wort des Herrn am Kreuz ist und bezeuget uns die fröhliche Wiederkunst zu unserm lieben Vater im Himmel, zu unserm ewigen Ursprung, zu unsrer ewigen Ruhe in Gott. Denn nicht eher kann unsre Seele die rechte Ruhe finden, sie komme denn wieder zu Gott, daher sie kommen ist. Und das ist der Seele ewige Ruhe, ihre ewige Seligkeit und ihr ewiges Leben. Da ist Freude die Fülle und liebliches Wesen zu Gottes Rechten ewiglich.
Es spricht aber der Herr: Vater, das ist ein Wort des Glaubens und ein Wort der Liebe, und ein Wort des Trostes.
Zum Andern spricht der Herr: In deine Hände. Ach, die getreuen Hände des Vaters! Ach die allmächtigen Hände des Vaters! Sollten wir denen unsre Seele nicht befehlen? Nämlich: 1., in die Hände der Allmacht Gottes, daraus uns keine Gewalt reißen wird, Joh. am 10.: Niemand wird meine Schafe aus meines Vaters Hand reißen. 2., in die getreuen Hände, ja die väterlichen Hände Gottes sollen wir billig unsern höchsten Schatz, unsre Seele, befehlen.
Zu Händen des Empfängers, schreiben wir auf Briefe, an denen uns viel gelegen ist. Ach, an unsrer Seele ist uns Alles gelegen, darin ist als in einem Briefe geschrieben unser Glaube, unsre Liebe, ja, Jesus Christus selbst. Darum in Gottes Hand muß unsre Seele kommen, da ist sie wohl verwahret.
Zum Andern darum, auf daß sie uns an jenem Tage durch die Hände Gottes wiedergegeben und mit unserm Leibe wieder vereiniget werde. Darum sollen wir sie in die treuen Hände Gottes befehlen, daß sie ja in keine andre Hand komme, nicht in die Hände des bösen Geistes. O davor behüte uns Gott!
Zum Dritten, daß die Hände des Allmächtigen auch unsre Seele vor aller Qual und Angst bewahren möge, und dann auch sein schmücke, wie das Buch der Weisheit saget: Der Gerechten Seelen sind in der Hand des Herrn, und keine Qual des Todes rühret sie an, und sie werden empfahen eine schöne Krone aus der Hand des Herrn.
Siehe, auf daß unsere Seelen mit der Gnadenkrone gezieret, werden mögen, darum müssen wir sie in die Hände Gottes befehlen, und das darum, denn unsre Seele hat ihre Krone der Ehre und der Herrlichkeit verloren, das schöne Bild Gottes, das schöne Licht, die schöne Klarheit, die vollkommene Gerechtigkeit und Heiligkeit, damit muß nun unser lieber Gott durch Christum unsre Seele wieder schmücken. Weil er uns mit seinem bittern Tode diesen schönen Schmuck erworben und verdienet hat, so überreicht nun Gott der Herr unsrer Seele wieder mit seiner Gnadenhand die schöne Krone des Lebens, und alle Gaben des heiligen Geistes, ja das ewige Reich, das wir hier im Glauben ergriffen und darauf wir unsre Hoffnung gesetzet haben. Ach, wie froh und fröhlich wird dann unsre Seele sein, wenn sie wieder zu Gott kommt, und der allmächtige Gott ihr Alles wirklich überreichen wird, was Christus verdienet und erworben hat! Denn aus den Gnadenhänden des allmächtigen Gottes muß es unsre Seele empfahen, darum befehlen wir billig unserm lieben Gott und Vater unsre Seele in seine getreuen Vaterhände. -