Inhaltsverzeichnis

Stockmayer, Otto - Römer 7

(Ein Auszug aus seinem Buch „Aus Glauben in Glaube“)

X. Der Sündenleib

Dieser Abschnitt des Römerbriefes, der an sich ja eine besondere Stellung im neutestamentlichen Kanon und seine besondere Bedeutung für die Gemeinde Jesu Christi hat, auf den sich überdies die ganze Reformation gründet, deren Kinder wir sind, hat auch seine besondere Schwierigkeit. Der Grundgedanke - um es gleich zu sagen - ist der, dass unser Leib ein Sündenleib, Sitz der Sünde, geworden ist durch den Fall und die Glieder dieses Leibes in folge dessen Sündenglieder. Mit diesem Sündenleibe sind wir in einer Weise zusammengebunden, dass wir nur durch den Tod Christi gelöst werden konnten. Damit, dass Christus Seine Glieder am Kreuz und sich selbst geopfert hat, können wir uns nun mit Ihm zusammenschliessen und werden damit durch den Tod von dem Zusammenhang mit unseren Sündengliedern gelöst, so dass wir sie nun dem Herrn hingeben können, auf dass Er sie gebrauche im Dienste der Wahrheit und Gerechtigkeit im Zusammenhang mit Ihm.

Der Apostel geht zunächst von einer allgemein bekannten Tatsache aus, wenn er von unserer Beziehung zum Gesetz redet, nämlich davon, dass das Gesetz es nicht mit Toten, sondern mit Lebendigen zu tun hat. Der Verstorbene weiss nicht, was man mit seinem Leichnam macht.

Das Gesetz herrscht über den Menschen solange er lebt. Der Mensch ist eine Dreiheit: Geist, Seele und Leib. Der Geist steht zwischen Seele und Leib. Und wie ein verheiratetes Weib durchs Gesetz, dem sie sich nicht entziehen kann, an den Mann gebunden ist, so sind wir an unseren Sündenleib gebunden. Der Mann, das werden wir je länger je mehr verstehen , ist unser Sündenleib, von dem wir uns nicht losmachen können, dem wir durch Sündigen verfallen sind. Die Sünde hat sich in den Gliedern unseres Leibes festgesetzt und ein an ihren Mann gebundenes Weib kann nur durch den Tod ihres Mannes von ihm gelöst werden. Davon geht der Apostel, wie gesagt aus. Stirbt der Mann, so hat das Gesetz, welches das Weib an den Mann bindet, keine Macht mehr über sie. Sie kann sich wieder verheiraten.

„Wisset ihr nicht, liebe Brüder.“ heisst es in Vers 1, „dass das Gesetz herrschet über den Menschen, solange er lebt?“ Im ersten Vers redet der Apostel also von dem Menschen, Vers zwei hingegen von Mann und Weib. „Denn, fährt er fort, ein Weib, dass unter dem Manne ist, während der Mann lebt, ist an ihn gebunden durch das Gesetz; so aber der Mann stirbt, so ist sie los vom Gesetz, was den Mann betrifft. „Unter dem Manne, an den das Weib gebunden ist, kann ich also nichts anderes verstehen als unseren Sündenleib, der zum Sitz der Sünde geworden ist. Unsere Glieder, in denen sich fortan die Sünde regt, sind Sündenglieder geworden aber durch die Opferung des Leibes Christi sind wir diesem Gesetz, dieser Gebundenheit an den Leib, an unseren Sündenleib enthoben, Soweit wir uns mit Ihm (dem Herrn) zusammenschliessen. Wir nehmen dann unserem Sündenleib gegenüber die gleiche Stellung ein, die ein Weib, deren Mann gestorben ist, dem Ehegesetz gegenüber einnimmt. Er ist abgetan worden am Kreuze und wir haben nun auf Grund der Erlösung Macht, die Sünde zu überwinden, uns mit Christo zusammenzuschliessen, wie wir vorher mit unserem Sündenleibe zusammengeschlossen waren. Es sind dies Gesetze über die niemand hinweg kann. Das Weib ist gebunden an ihren Mann, solange er lebt und wir sind gebunden an unseren Sündenleib, solange wir nicht so eng mit Christus zusammengebunden sind, wie wir mit unserem Sündenleib zusammengebunden waren und Christus hat uns von der Sünde losgemacht. Aber - und damit kommen wir auf einen schwierigen Punkt. Wir müssen uns daran erinnern, dass Gott auf dem Boden der Erlösung gar nicht willkürlich eingreift, dass er nicht einfach schafft, sondern von tief von innen heraus ein neues anbahnt. Der Herr Jesus Christus, der ewige Sohn Gottes, musste Fleisch werden, unsere Natur an sich nehmen, damit wir göttlicher Natur teilhaftig werden. Er ist aber nicht in die Menschheit eingetreten, wie der erste Adam in die Schöpfung hineingestellt wurde. Er ist aus dem heiligen Geiste gezeugt, also eine neue Schöpfung von oben, die aber zugleich an die alte Schöpfung anknüpft, in sie hineingreift und noch verwertet. Unser Herr und Heiland ist von der reinsten aller Jungfrauen geboren. Er ist nicht durch den Willen eines Mannes, sondern von Gott gezeugt durch den heiligen Geist; aber Er ist Seiner leiblichen Natur mit dem Blute der Maria, im Mutterleibe der Maria gebildet worden. War sie auch die reinste aller Jungfrauen, so hatte sie doch sündiges Blut in sich. Das Blut mit dem Jesus gebildet wurde, war nicht das reine Blut, das der erste Adam in sich hatte, mit anderen Worten, es handelte sich um ein wirkliches, tatsächliches sich zusammenschliessen mit der sündlichen Menschheit seitens Jesu. Er ist zur Sünde gemacht worden und nur dadurch, dass unser Heiland von frühester Kindheit an Sein ganzes Leben lang unter Geistesleitung blieb, ist das, was Er von Seiner Mutter her in sich trug, nie zum Ausdruck gekommen. Es sind das Wahrheiten, von denen wir nicht absehen dürfen, wenn wir einen Blick haben wollen in die Tiefen der Erlösung, in die Herrlichkeit Seines auf Golgatha vollbrachten Sieges und Seiner ununterbrochenen Gemeinschaft mit dem Vater. „Ich kann nichts von mir selbst,“ hat unser Heiland gesagt. Schon in dem zwölfjährigen Knaben hat sich diese göttliche Natur auf's herrlichste geoffenbart. Wer aus dem Geiste gezeugt ist, der nährt sich aus Gottes Wort. Das ist die Muttermilch und das ist das Fleisch, die starke Speise, mit der alles, was aus Gott geboren ist nährt. Von der Stunde an, wo der Knabe nach dem Gesetz in den Tempel durfte, war Er im Tempel zu finden. „Wusstet ihr nicht,“ fragte Er Seine Eltern, „dass ich sein muss in dem was meines Vaters ist?“ das heisst da wo Gottes Wort gelehrt und verkündet wird? Was aus Gott gezeugt ist, nährt und stärkt sich durch Gottes Wort und hat in - Kraft des Wortes Gottes - Macht auszuscheiden, fernzuhalten, in den Stand der Unfruchtbarkeit zu setzen, was wir, die wir den Geist Gottes haben, nebenher durch unsere Abstammung von gefallenen Eltern alter Natur in uns haben. Es kann sich aber nicht offenbaren - das alte abgestammte von den Eltern - soweit wir unter Geisteszucht stehen und mit dem fleischgewordenen Wort Gottes in organischer Lebensverbindung sind. Da ist Sieg und Freiheit, aber nur da im Masse des Zusammenschlusses mit Ihm, so dass er sich Augenblick für Augenblick in uns offenbaren kann, wie Er selbst in jedem Augenblicke vom Geiste regiert ward. Soweit das Wort Gottes Raum in uns gewinnt und uns beherrscht, muss die Sünde weichen. Sie wird zu einer verborgenen Macht, die sich nicht offenbaren kann, wenn wir unter der Zucht des Geistes stehen, zusammengeschlossen mit Jesu.

In Vers 3 schreibt der Apostel weiter: “ Wo das Weib nun eines anderen Mannes wird, während der Mann lebt, wird sie eine Ehebrecherin geheissen; so aber der Mann stirbt, ist sie frei vom Gesetz, dass sie nicht eine Ehebrecherin ist, wenn sie eines anderen Mannes wird.“

Sie ist dann nicht frei vom Gesetz überhaupt, sondern nur frei von dem besonderen Gesetz, dass das Weib an den Mann bindet. Ebenso muss ein Tod eintreten, wenn wir aufhören wollen, an unseren Sündenleib, an unserem Fleisch, gebunden zu sein. Dieser Tod hat sich am Leibe Christi vollzogen. In Christo sind wir, ist unser Fleisch gekreuzigt worden. Da sind die Bande zunichte gemacht worden, die uns an unseren Sündenleib gebunden hatten, natürlich aber nur da, wo uns der Geist die Bedeutung des Kreuzes zueignet, wo er uns die Augen dafür öffnet, - Eph. 1,17-18 - was wir im Tode Christi haben. Dort sind wir Mitgekreuzigte geworden und der Gekreuzigte hört auf, an seinen Sündenleib gebunden zu sein.

XI. Dienst in Neuheit des Geistes

Vers 4: „Also auch ihr, meine Brüder, seid getötet dem Gesetz durch den Leib Christi, dass ihr eines anderen seid, nämlich des, der von den Toten auferweckt ist, auf dass wir Gott Frucht bringen.“ Wir sind für das Naturgesetz getötet worden, das uns an unseren Sündenleib, unser Fleisch bindet. Wir sind davon gelöst worden durch das Opfer des Leibes Christi, damit wir eines anderen würden, tief gelöst von der Tyrannei unserer alten Natur, freigemacht um Christi Eigentum zu sein, losgelöst, nicht um eigene Wege zu gehen, sondern um als Gotteskinder zu wandeln. Die Natur, das Wesen eines Gotteskindes aber besteht in dessen Verfügbarkeit für Gott. Geisteskinder sind Mitgekreuzigte, im Geiste an Christum Gebundene.

Nur durch irgendwelche Lockerung unserer Gemeinschaft mit dem Gekreuzigten kann sich das Fleisch wieder in irgend welcher Art entfalten. Als an Christum Gebundene können wir nun in der Kraft des aus dem Tode auferweckten, herrlichen Christus, der uns Seinen Geist gesandt hat, im Lebenszusammenschluss mit dem Gekreuzigten, Frucht bringen für Gott, wo wir früher dem Verderben Frucht gebracht hatten. Jetzt können wir Frucht bringen für Gott durch den Lebenszusammenhang mit dem Gekreuzigten, mit dem wir unauflöslich zusammengebunden sind, wie das Weib mit dem Manne.

„Also seid auch ihr, meine Brüder, dem Gesetz getötet worden durch den Leib Christi,“ den für uns geopferten Leib, „um eines anderen zu werden,“ um durch Tod, Grab und Auferstehung hindurch das Eigentum Jesu Christi, des aus dem Tode Auferweckten zu werden. Und nur das Eigentum des Herrn, mit Ihm zusammengeschlossen, wo wir früher mit dem Sündenleibe und seinen Trieben zusammengeschlossen waren, können wir Frucht bringen. Durch Ihn bringen wir Frucht für Gott, Er in uns lebend, wirkend und siegend und alles unter den Gehorsam des Kreuzes beugend. Durch den Zusammenschluss mit Christo sind nun auch unsere Leiber hingeopfert, liegen wir auf dem Altar, hat das Gesetz, in dieser Beziehung nichts mehr mit uns zu tun.

Vers 5: „Denn da wir im Fleische waren, da waren die sündlichen Lüste, welche durchs Gesetz sich erregten, kräftig in unseren Gliedern, dem Tode Frucht zu bringen.“

„Denn als wir im Fleische waren,“ das fällt in dieser Verbindung zusammen mit dem „was wir im Leibe waren.“ „Nun aber sind wir abgetan worden,“ durch Gott losgelöst worden, „das wir nun in Neuheit des Geistes und nicht in altem Wesen des Buchstabens dienen.“ „Da wir noch im Fleische waren,“ zusammengebunden mit dem Sündenleibe, abhängig von seinen Trieben, da wirkten die Leidenschaften der Sünde, die Werke des Fleisches, von denen der Apostel im Galaterbrief schreibt. Das alles wirkte und suchte sich zu offenbaren. „Die durch das Gesetz wirksam werden.“ Durch das Gesetz wird die Sünde gereizt, also wirkten da die Leidenschaften der Sünde in unseren Gliedern dem Tode Frucht zu bringen. Jetzt aber, da wir gestorben sind, sind wir losgemacht vom Gesetz. Zusammengeschlossen mit Christo mit Ihm gekreuzigt und begraben, sind wir durch den Tod gegangen. An die Toten hat das Gesetz keinen Anspruch zu erheben. Wir sind frei geworden von Unserem Sündenleibe, dadurch, dass wir ein Geist geworden sind mit Christo, da sind wir nun gelöst und haben Macht, unserem Gott in der Neuheit des Geistes zu dienen. Das bedeutet ein Leben mit neuen Prinzipien und neuen bestimmenden Mächten. Wir stehen unter neuen Einflüssen, neuen Horizonten, einer neuen Macht und neuen Zielen. Der heilige Geist nimmt von dem, was Christi ist und teilt es uns mit. Und wenn der Geist Gottes in uns ist, so macht Er die Ziele Gottes zu den unsrigen, so dass wir fortan kein anderes Ziel mehr haben als das, es unserem Gott recht zu machen, damit Er Zug um Zug das Bild Jesu Christi, Seines Sohnes in uns ausgestalten kann. Dazu sind wir prädestiniert, dem Bilde Seines Sohnes gleich gestaltet zu werden, auf dass wir, nachdem wir lange genug das Bild des ersten Adam getragen haben, Jesu Bild tragen und die Macht des Geistes Jesu Christi mit unserer alten Natur fertig werde und dieselbe im Tod halte, so dass sie nur aufwachen kann, wenn die Lebensverbindung mit Christus unterbrochen wurden ist. „Auf das wir dienen in Neuheit des Geistes.“ Das ist eine neue Existenzform, wo der Geist Jesu Christi, die bestimmende Macht ist, soweit wir ihr gehorchen. „In Neuheit des Geistes,“ nicht in den alten Linien des Buchstabens. Der Geist Christi macht lebendig. Jetzt sind wir vom Gesetz losgemacht - damit wir nicht weiter sündigen müssen - wir sind Mitgekreuzigte: Unser Sündenleib ist jetzt am Kreuze. Wir sind durch den Tod gegangen in der Person Jesu Christi, und dieser durch den Tod Gegangene, mit Christus Gekreuzigte soll ein Leichnam werden, der keiner Lebensäusserung mehr fähig ist, mit dem wir nichts mehr gemein haben. Er hat Verwesungsgeruch. „Als wir starben,“ was unsere Bande dem Leibe gegenüber betrifft. Durch die Lösung vom Leibe tritt man in eine andere Existenz ein.

Wir starben dem, in dem wir festhalten waren, so dass wir nun Gott dienen können und nicht mehr uns selbst und den Kreaturen leben müssen. Es ist eine neue Existenzform, die Existentform der Auferstandenen, derer, die mit Christus regieren die jetzt hienieden in den neuen Grundlinien des Geistes dienen, Der Geist Gottes hat überall da freien Raum, wo er einen Sklaven der Sünde wecken kann für die Freiheit, die ihm in Christo geworden ist. Wo man da die Augen öffnet, tritt man ins Gebiet der Freiheit ein. Da ist man nicht mehr Sklave des Fleisches, der Kreatur, seiner Eindrücke und Einbildungen, der eigenen Natur. Der Buchstabe, der tötet, hat dem Geiste Raum gemacht.

XII. Das Gesetz

Vers 7: „Ja, was sollen wir denn da sagen?“ kommt es mehr als einmal aus dem Munde des Apostels. Sind wir durch unsere Zugehörigkeit zu Christo vom Gesetz gelöst? „Ist denn das Gesetz Sünde?“ Das man vom Sündenleibe losgelöst sein muss, das merkt jeder, das merkt schon der nicht Wiedergeborene. Das sagt ihm sein Gewissen. „Ist das Gesetz Sünde? Das sei ferne! Aber die Sünde erkannte ich nicht ohne durchs Gesetz. Denn ich wusste nichts von der Lust, wo das Gesetz nicht gesagt hätte: Lass dich nicht gelüsten.“ Das Gesetz hat in mir gefallenen Menschen etwas gewirkt. Was hat es gewirkt? Hat es Gehorsam gewirkt? Im Gegenteil, durch das Gesetz sind die verborgenen Sündentriebe erst recht wach geworden. Dem gefallenen Menschen wird die Tiefe des Falls erst recht offenbar, wenn er anfangen will, es Gott recht zu machen.

Es ist kein leicht zu erklärender Abschnitt, an den wir mit Vers 7 kommen. Soviel ist klar, dass der Apostel namentlich von Vers 7 an nicht von seiner persönlichen Erfahrung redet. Nicht, dass er durch diese Erfahrung nicht gegangen wäre, aber es war nicht die Stellung, die er einnahm, als er den Römerbrief schrieb. Der ganze Abschnitt ist entschieden davon geprägt, dass es die Stellung ist, die, der in seinem Gewissen aufgeschreckte Mensch dem Gesetz gegenüber einnimmt. Es ist die Stellung eines Menschen, der aufgewacht ist für das, was er seinem Gott schuldig ist und mit dem besten Willen bei aller Aufrichtigkeit keine Kraft in sich findet, um den Ansprüchen Gottes zu genügen. Am Schluss des Kapitels in Vers 24 ist alles zusammengefasst in den Worten: „Ich elender Mensch, wer wird mich erlösen vom Leibe dieses Todes?“ Das ist der Gipfelpunkt - die Verzweiflung, eines vom Gesetze geweckten Menschen, der es Gott recht machen will, aber dem Gesetz der Sünde und des Todes in seinem Organismus ohnmächtig gegenüber steht und schliesslich konstatieren muss, das er ein Doppelmensch ist. Seiner innersten Gesinnung nach möchte er Gott dienen und dient er Gott, aber dem Fleische nach dient er dem Gesetz der Sünde. Vers 25 kommt offenbar ein Aufatmen, ein Zwischensatz. Der Apostel kann sich hier nicht enthalten, seinem Heiland zu danken, dass er erlöst ist. Ein Aufatmen inmitten dieser schmerzlichen Erfahrung und Auseinandersetzung kann man ja auch psychologisch gut verstehen. Ehe der Herr mit Seiner Erlösung in der Menschheit eingreifen konnte, musste das Gesetz seine Aufgabe an ihr erfüllen und gerade die Aufrichtigsten matt, müde und erholungsbedürftig machen. Sie mussten nach einer Erlösung schmachten, die nur der Herr bringen konnte. Das geschah zwar weder durch seine Lehre, noch durch seinem Tod an sich, sondern erst dadurch, dass der Geist Gottes an Pfingsten das niedergelegte Erbe von Lehre und Hingabe am Kreuzesstamm aufschloss und ein Neues schuf durch den Geist Gottes, der alle Kräfte in Besitz nahm und nimmt - alles, was vorher die Sünde in Besitz genommen und verderbt hatte. Es wird alles stufenweise wieder hergestellt, wo man sich unter die Gnade und den Geist Gottes stellt, anstatt direkt gegen die Sünde zu kämpfen. Liegt doch unsere einzige Sicherheit darin, dass wir zum Herrn Jesus fliehen! Anstatt von eigenen Kämpfen den Sieg zu erwarten, müssen wir unsere Zuflucht zum Geiste Gottes nehmen.

Zuerst bei Vers 7+11 handelt es sich um ein Aufwachen. Alles was an Lust im Herzen war und was bis dahin verborgen gewesen, musste aufwachen, damit die Sünde überaus sündig würde und der Mensch sich als dem Tode verfallen und als der Sünde gegenüber lahm gelegt erkennte. Durch alle teilweisen Siege auf der Oberfläche muss der Mensch nur immer tiefer den inneren Schaden erkennen, durch den die Sünde in Wort und Werk, Phantasie und Gedankenwelt hervorbricht.

Am Schluss von Vers 7 sagt der Apostel: „Denn ich wusste nichts von Lust, wenn das Gesetz nicht gesagt hätte: lass dich nicht gelüsten.“ Vers 8: „Da nahm die Sünde Anlass am Gebot und erregte in mir allerlei Lust; denn ohne Gesetz war die Sünde tot.“ Das Gesetz weckt die Sünde, die ohne das Gesetz scheintot ist.

Vers 9: „Ich aber lebte einst ohne Gesetz.“ Hier schliesst sich der Apostel überhaupt mit dem Menschen zusammen, an den noch kein Gebot herangetreten war. Er selbst war ja tatsächlich von Jugend an gelehrt in der strengsten Sekte der Pharisäer. „Da aber das Gebot kam, wurde die Sünde wieder lebendig, ich aber starb.“ Wo die Sünde auflebt, da sterben wir, nicht äusserlich, aber da ziehen Todeskräfte in uns ein. Wer Sünde tut, ist an die Sünde verkauft, ist Sklave der Sünde und kann nicht mehr tun, was er will. Das ist moralischer, sittlicher Tod, Unfähigkeit der Sünde Herr zu werden, vielleicht der äusseren wohl, aber nicht der inneren. Der Herr aber sieht das Herz an. Er sucht Wahrheit im Verborgenen des Herzens, im Inneren des Menschen.

Vers 10: „Ich aber starb, und das Gebot, das mir zum Leben gegeben, erwies sich mir zum Tode.“ Das heisst: Was von Sterbens- und Todeskeimen und von Verwesung in mir verborgen lag, das wacht jetzt auf durch das Gebot, da ist dann Unfähigkeit, mit Gott zu wandeln, Tod, Gebundenheit, Lähmung der geistlichen Glieder.

XIII. Das Gesetz - Zuchtmeister auf Christum

Vers 11: „Denn die Sünde nahm Ursache am Gebot und betrog mich und tötete mich durch dasselbe Gebot.“ Ursache am Gebot nehmend und durch das Gebot gereizt, täuschte sie mich und brachte mich tiefer in die Bande des Todes. Ich musste erst so recht merken, welche Todesmächte in mir verborgen lagen, solange ich es nur mit dem Gesetz zu tun hatte. Wird aber dem Geist Gottes Raum gemacht, so wird dann dadurch das Gesetz zum Zuchtmeister auf Christus.

In diesem ganzen 7 Kapitel, das mitten in den Aussagen der Kapitel 6+8 steht, darf man nicht aus dem Auge verlieren, dass es die Stellung des Menschen dem Gesetz gegenüber zur Sprache bringt, nämlich, die Stellung des durch das Gesetz aufgeweckten, erweckten Menschen, der noch nicht den Geist Gottes hat. Dem Sinne, dem Gemüte nach pflichtet er dem Gesetz Gottes bei, aber ein durch alles hindurchgehendes Vollbringen findet er nicht. Dazu bedarf es einer neuen Schöpfung und der Innewohnung des heiligen Geistes, wie wir es in Kapitel 8 weiter ausgeführt sehen.

Vers 12: „ So ist also das Gesetz heilig und das Gebot ist heilig recht und gut.“ Der Tadel, die Schuld fällt nicht auf Gottes heiliges Gesetz, sondern auf den Menschen.

Nun aber die Frage in Vers 13:

„Ist denn das da gut ist, mir zum Tod geworden? Das sei ferne!“ Aber woher dann der Zwiespalt in der inneren Natur des Menschen? Es musste die Sünde zuerst offenbar werden, auf dass sie als Sünde erscheine in ihrer ganzen sündigen Natur als die furchtbare Macht, die mit dem Fall Adams in die Welt hineingebracht ist und auf dass auch erscheine, was dieser Fall für uns bedeutet, andererseits aber auch, was es für uns bedeutet, durch das Blut des Lammes von der furchtbaren Gebundenheit an die Sünde losgekauft zu sein. An Christus gebunden sind wir frei von jeder anderen bindenden Macht; denn Christus führt durch in Seinen Geist in Herz und Leben aus, was das Gesetz vergebens von uns verlangt; ja wovon es nur das Gegenteil in uns bewirkt hatte. Es muss alles ausreifen, sowohl das Unkraut als auch der Weizen. Das Unkraut muss sich von dem Weizen scheiden und als Unkraut vor Gott und Menschen offenbar werden, so wie vor uns selbst.

Vers 14:„ Denn wir wissen, dass das Gesetz geistlich ist; ich bin aber fleischlich, unter die Sünde verkauft.“ Hier kommt in dem ganzen 7 Kapitel zum ersten Mal das Wort Geist „geistlich“ vor.

Das Gesetz ist geistlich, gerecht und gut. Gott hat es gegeben, daher muss es gut sein; denn Gott kann nichts Ungöttliches ins Werk setzen. „Das Gesetz ist geistlich; ich aber bin fleischlich unter die Sünde verkauft.“ Diese meine Gebundenheit, mein Verkauftsein an die Sünde, ist mir eben zuerst durch das Gesetz offenbar geworden, als dieses mit seinem „du sollst“ an mich herantrat und mich verurteilte. Das ist Erweckung. Da trat mir erst die Tiefe meines Falls, meiner Gebundenheit, meine Sklaverei vor die Augen. Und wie tut sich dieselbe kund? Darin, dass ich tun muss, was ich nicht will, Damit stimme ich dem Gesetz zu, gebe ihm recht und bestätige zugleich eine Macht in mir, die mich zwingt zu tun, was ich nicht möchte, die in mir wohnende Sünde. Dadurch kommt mir so recht zum Bewusstsein, dass sich in meiner gefallenen Natur nichts Gutes findet. Ach, man redet so viel von gutherzigen Menschen! Und es gibt noch verhältnismässig tugendhafte Menschen. Es sind noch Überreste vom Ebenbild Gottes in uns, und auch durch die Verhältnisse und die Erziehung ist die Sünde in uns in Schach gehalten; aber wirklich frei sind wir nicht zu tun, was das Gesetz von uns fordert. Da stosse ich früher oder später auf einen Punkt, wo ich möchte, aber nicht kann. Ich finde das Vollbringen nicht, so lange der Geist Gottes nicht in mir ist.

Vers 19: „Denn das Gute das ich will, das tue ich nicht, sondern das Böse, das ich nicht will das tue ich.“ Es muss da also eine fremde Macht im Spiele sein, und das ist meine Sündennatur. Die in mir wohnende Sünde macht, dass ich das, was ich nicht will ausübe und damit beweise, dass ich nicht mehr Meister bin. Ich tue das, was ich nicht will, unter der Herrschaft der Sünde und meiner Sündennatur. Die in mir wohnende Sünde macht, dass ich also handle. rede und denke. Also bestätige ich dieses Gesetz, diese bindende Macht der Sünde. Ich, der ich das Recht will, gebe zu, dass ich das Böse ausübe und es nicht los werde.

Vers 20+21: „So ich aber tue, was ich nicht will, so tue ich dasselbe nicht, sondern die Sünde, die in mit wohnt. So finde ich nun in mir ein Gesetz, der ich will das Gute tun, dass mir das Böse anhanget.“

Vers 22: „Denn ich habe Lust an Gottes Gesetz nach dem inwendigen Menschen.“ Auch der Mensch unter dem Gesetz, so lange er kein Teufel ist, muss dem Gesetz Gottes beipflichten. „Nach dem inwendigen Menschen,“ das ist aber noch kein Geistesmensch, „nach dem inwendigen Menschen habe ich Wohlgefallen an dem Gesetze Gottes.“ Aber dieses Gesetz, dass von aussen an mich herantritt, stösst auf Widerstand der Macht gegenüber, die schon mit dem Sündenfall gewonnen hat im menschlichen Organismus. Und dieses Traurige, von unseren Stammeltern überkommene Erbe hat sich noch vermehrt. Die Menschheit ist immer tiefer gefallen und fällt heute noch immer tiefer. Dieses andere Gesetz in meinen Gliedern widerstreitet dem Gesetz in meinem Sinn, in meinem Gemüte.

Busse heisst im Grundtext „Sinnesänderung“! Der Mensch, der hier redet, ist ein Mensch, der durch Sinnesänderung hindurchgegangen, dessen Gewissen Gott schon recht gegeben hat, der aber noch unfähig ist, die Macht der Sünde in seinen Gliedern zu beherrschen.

„Wollen habe ich wohl, aber das Vollbringen des Guten vollbringe ich nicht,“ heisst es in Vers 18. So und so oft gebe ich zu, dass ich ein Gebundener bin, gefangen genommen unter das Gesetz der Sünde, die in meinen Gliedern ist, eine Gefangenschaft und eine Gebundenheit, gegen die sich der erweckte Mensch sich wehrt, von der er sich aber weder durch eigene Willenskraft noch durch eigene Anstrengungen losmachen kann. Bei den Aufrichtigen kommt es dann zu dem Verzweiflungsrufe: „Ich elender Mensch, wer wird mich erlösen vom Leibe dieses Todes?“ Ich bin verkauft an die Sünde, muss tun, was ich nicht möchte und bin unfähig zu vollbringen, was ich für recht halte. „Wer wird mich erlösen vom Leibe dieses Todes?“ Es ist ein Sündenleib, darum auch ein Leib des Todes. Wo die Sünde Herrschaft hat, herrscht der Tod. Ehe der Apostel den Abschnitt noch einmal zusammenfasst, unterbricht er sich. Er kann es kaum fassen, dass es nicht mehr so bei ihm ist, es ist ihm zu wunderbar, und es bricht der Freudenruf aus seinem Herzen hervor: „Ich danke Gott durch Jesus Christus unseren Herrn.“ Nicht ich habe mich von allem losgemacht, sagt er gewissermassen. Meine Freiheit verdanke ich meinem Gott, dem Gott meiner Väter, für den ich treulich geeifert habe, treulich aber in Unwissenheit, bis auf den Tag, wo Jesus Christus mir als Herr begegnet ist. „Ich danke Gott durch Jesus Christus meinen Herrn.“ Auf dem Wege zu Damaskus hat ihn dieser Jesus Christus mit der Frage zur Rechenschaft gezogen: „Saul, Saul, was verfolgst du mich?“ Wer die Jünger Jesu vor Gericht schleppt, der hat es mit dem Herrn zu tun. „Ich danke Ihm,“ Er ist Meister über mich und meine Natur geworden. Über einen Menschen den Christus wirklich zu einem Gefangenen machen kann, wird Er Meister, dessen Natur muss in die Gefangenschaft des Kreuzes abgehen. Wir haben einen Herrn und Meister und dieser Herr und Meister macht Seine Vollmacht bei allen denen geltend, die erkannt haben, dass sie in sich selbst nichts vermögen, aber fortan alles von der Gnade Gottes erwarten. Sie ist überströmend und offenbart sich, wo die Sünde überströmend geworden ist.

Ehe der Apostel nun zu Römer 8 übergeht, fasst er nun noch einmal das siebente Kapitel in folgende zwei Teile zusammen: Ich bin ein Doppelmensch, ich, die gleiche Person, diene mit der Sinnesrichtung, mit dem Gemüte dem Gesetze Gottes. Ich billige es, gebe ihm Recht. Will ich aber dieses Gesetz ausführen, will ich z.B meinen Nächsten lieben wie mich selbst, so stosse ich auf einen furchtbaren Widerstand, das ist das Fleisch.

Wie gesagt, wir haben es in Kapitel 7 mit dem erweckten Menschen zu tun, nicht aber mit dem durch den heiligen Geist zur Ruhe gebrachten Erlösten. „Ich diene meiner gefallenen Natur nach dem Gesetze der Sünde.“ Da ist eine Macht, die mich mit der Sünde zusammenbindet, so dass ich den Sündenleib mit mir herumschleppen muss und ein übler Geruch oder ein übles Gerüchlein sich einschleicht, wo ich Gottes Gesetz gehorchen will und teilweise auch gehorche, aber noch nicht so gereinigt bin, dass der Geist Gottes freie Hand in mir hat und ich allezeit tun kann, was Gott gefällt, wo ich, mit anderen Worten, nicht mehr an mein Fleisch gebunden bin. Ich wandle nach dem Geiste und gebe dem Fleische nicht mehr Raum.