„Es ist Gottes Ehre, eine Sache verbergen aber der Könige Ehre ist es, eine Sache erforschen.“ Spr. 25,2.
Wir wollen zuerst die übliche Auslegung geben. Es ist Gottes Ehre, viele Dinge zu verbergen rc. Aber dies muss in einem beschränkten Sinn verstanden werden. Es ist nicht absolut Gottes Ehre, zu verbergen, oder warum ist denn überhaupt eine Offenbarung da? Bei vielen Dingen wäre das Verbergen nicht seine Ehre. Die meisten Geheimnisse sind nicht so sehr durch Gottes Willenstat, als vielmehr wegen ihrer Natur und wegen unsres mangelnden Verstandes verborgen. Die göttliche Natur, die Sohnschaft Christi, die Person Jesu, das Ausgehen des Heiligen Geistes, die ewigen Ratschlüsse usw., sind nicht so sehr da, um verstanden, sondern um geglaubt zu werden.
Aber es ist wahr, dass, was verborgen ist, das zu verbergen ist Gottes Ehre. Z. B. seine ewige Absicht hinsichtlich der einzelnen, welche noch in der Sünde bleiben; die Zukunft und besonders der Tag seiner Wiederkunft; das Bindeglied zwischen der Vorherbestimmung und dem freien Willen und viele andere Dinge. Diese sind verborgen, und in dem Verbergen liegt Weisheit, darum sollten wir nicht wünschen, sie zu kennen.
Aber es scheint mir, dass dies nicht der Sinn der Stelle ist. Die Antithese ist nicht vollständig. Es ist mehr Sache der Weisen als der Könige, die Geheimnisse der Natur und der Gnade zu erforschen. Ferner würde auch der folgende Vers diesen Sinn der Antithese nicht zulassen. Wir wollen deshalb einer anderen Spur folgen und zuerst fragen: Welche Dinge sollten Könige zu erforschen suchen? Hier ist der Kern der Sache. Wenn die Gerechtigkeit infolge von Bestechungen und Vorurteilen und Falschheit umgangen und untergraben wird, so gereicht das dem Könige zur Schmach und zur Unehre, und er ist verpflichtet, solche Dinge bis auf den Grund zu erforschen. Die Ehre der Behörde liegt in der Entdeckung der Verbrechen, aber die Ehre Gottes liegt in seinem gnadenvollen und doch gerechten Verbergen der Schuld.
Bei Gott ist kein Erforschen nötig, denn Er sieht alles; seine Ehre ist es, das, was vor seinem Blick klar genug ist, gerechter- und wirksamerweise zuzudecken.
Komm und lege deine Sünden bloß, damit der Herr sie sogleich verbergen könne.
Thomas Brooks, der die Frage behandelt, ob am Gerichtstage auch die Sünden der Heiligen veröffentlicht werden, beweist, dass dies nicht der Fall ist. Sein fünfter Beweis ist der folgende: Es ist dem Menschen eine Ehre, eine Übertretung zu übersehen: „Es ist ihm eine Ehre, dass er Untugend übersehen kann“ (Spr. 19,11) oder überhören kann, wie wir das bei Leuten und Dingen tun, die wir nicht kennen oder von denen wir keine Notiz nehmen. Wenn das nun die Ehre eines Menschen ist, wird es nicht vielmehr Christi Ehre sein, an dem großen Tage still an den Übertretungen seines Volkes vorüber zu gehen? Je größer der Verrat und die Auflehnung ist, welche der Fürst übersieht und unbeachtet lässt, desto größer ist seine Ehre, und so wird es zweifellos Christi Ehre an dem großen Tage sein, alle die Verrätereien und Auflehnungen seines Volkes zu übersehen und unbeachtet zu lassen und sie sowohl zu vergessen als zu vergeben.
Die Erfolge der Bemühungen der Elisabeth Frey unter den weiblichen Gefangenen in Newgate sind wesentlich ihrer Zärtlichkeit in ihrem Verhalten gegen sie zuzuschreiben. Ich forsche nie nach ihren Verbrechen, denn wir mangeln alle des Ruhms, den wir vor Gott haben sollten,“ war der leise Tadel, den sie jemand gab, der sich neugierig nach den Vergehungen der Gefangenen erkundigte.
Deutsche Rationalisten, welche die Sünden der Patriarchen zum Gegenstand ihrer Behandlung machten, wurden von Dr. Duncan als „diese Ham ähnelnden Schriftsteller“ bezeichnet! Er sagte oft: Lasst uns nachsichtig über die Fehler und Gebrechen der Alttestamentlichen Heiligen sprechen.“
Keine Vergebung ist so vollständig als Gottes Vergebung. Wie Er vergibt, so vergisst Er auch. Er schenkt uns seine Gunst wieder und denkt nicht, dass Er genug getan hat, wenn Er seinen Zorn zurück zieht, denn Er offenbart seine Liebe. Hinsichtlich der Übertretungen der Gläubigen ist eine Amnestie erlassen, und gegen keinen von ihnen kann gerechterweise eine Anschuldigung erhoben werden. Das Sühnopfer Christi macht es, dass Gott gerecht ist, wenn Er an der Sünde vorüber geht. Die Wunde ist so geheilt, dass keine Narbe zurück geblieben ist. O Jehovah, wo ist ein Gott wie Du? Hinsichtlich dieser herrlichen Vergebung kann niemand mit Dir verglichen werden.