Konrad Schmid - Predigt zu Bern über das Evangelium Luc. Kap. X, 8.

Komtur von Küsnacht am Zürichsee1).

Über das Evangelium Luc. Kap. X, 8.

„Es sprach unser Herr Jesus Christus zu seinen Jüngern,“wo ihr in eine Stadt kommt und sie euch aufnehmen, da esst, was euch vorgestellt wird, und heilt die Kranken, die daselbst sind, und sagt ihnen: das Reich Gottes ist nahe zu euch gekommen. Wo ihr aber in eine Stadt kommt, da sie euch nicht aufnehmen, da geht heraus auf ihre Gassen und sprecht: Auch den Staub, der sich an uns angehängt hat von euerer Stadt, schlagen wir auf euch; doch sollt ihr wissen, dass euch das Reich Gottes nahe gewesen. Ich sage euch, es wird Sodom erträglicher gehen an jenem Tage, denn solcher Stadt. Wehe dir, Chorazin! Wehe dir, Bethsaida! Denn wären solche Taten zu Tyrus und Sidon geschehen, die bei euch geschehen sind, sie hätten vor Zeiten im Sack und in der Asche gesessen und Buße getan. Doch wird es Tyrus und Sidon erträglicher gehen im Gerichte, denn euch. Und du Kapernaum, die du bis in den Himmel erhoben bist, du wirst in die Hölle hinuntergestoßen werden. Wer euch hört, der hört mich; und wer euch verachtet, der verachtet mich, wer aber mich verachtet, der verachtet den, der mich gesandt hat.

Unser Herr Jesus Christus trägt, wie ein getreuer Lehrer, seine Lehre, damit auch der Ungelehrte sie umso leichter begreife und verstehe, in Gleichnissen von Dingen aus dem gewöhnlichen Leben vor, die auch dem Einfältigen wohlbekannt sind. So tat er es auch, als er seine Jünger aussenden wollte, sein Wort zu predigen. Zuerst sagte er ihnen, wie sie dabei gesinnt sein, und wie sie sich verhalten sollen, und zwar so, wie man es gemeiniglich in großen ernsten Angelegenheiten zu tun pflegt; man soll sich keiner andern Dinge daneben annehmen, in keine andere Sache sich einlassen, wodurch das Hauptgeschäft verhindert würde, sondern man solle dem Auftrage ernstlich nachkommen, bis er ausgeführt sei. Also wollte auch Christus, dass seine Jünger dem Befehle ernstlich und fleißig nachgehen, sich keiner andern Dinge annehmen, mit keinem Dinge sich bemühten oder bekümmerten; auch mit den Dingen, so die gewöhnliche Not erfordert, als Speise, Schuhe und Kleidung, sollten sie sich nicht beladen, denn ihr himmlischer Vater, in dessen Ernte er sie sende, würde sie damit wohl versehen: ja so unverzüglich sollten sie dem Worte nachgehen, wie Einer, der so ernstlich dahin läuft, dass er auf dem Wege Niemanden achtet, oder wahrnimmt, Niemanden grüßt, damit er sich nicht versäume. So sprach Christus zu seinen Jüngern, wie man Lucas X unmittelbar vor unserm Texte liest, und er belehrt sie, wie sie gerüstet sein sollen, das Evangelium zu verkündigen; weder Beutel noch Tasche sollen sie mit sich tragen und Niemanden auf dem Wege grüßen.

Zum Zweiten zeigt der Herr hier in diesen Worten, wie diejenigen gesinnt sein sollen, welche das Wort hören wollen, und zu denen die Jünger einkehren und das Wort verkündigen sollen. Wie Einer, der seinen Knecht ausschickt, das Feld zu bebauen, denselben auch zuerst belehrt, dass er nicht den Samen unter die Dornen, auf die Steine oder an den Weg säen solle, damit die Samenkörner nicht ersticken oder verdorren, oder von den Vögeln weggefressen werden, denn auf solchem unfruchtbaren Lande sind Kosten und Arbeit verloren und ganz umsonst, sondern er schärft dem Knechte ein, dass er den Grund wohl untersuche, ob er geeignet sei, den Samen aufzunehmen, und so soll er nur auf gutes Land denselben ausstreuen und allen Fleiß darauf verwenden, alsdann wird der Acker auch vielfältige Frucht bringen. Also hat auch Christus seinen Jüngern, da er sie aussandte, das Wort Gottes zu verkünden, anbefohlen, wohl zu achten, wo der Grund geeignet sei für solchen Samen des göttlichen Wortes, nämlich wo fromme, göttliche, freundliche Menschen seien, die gutwillige geneigte und inbrünstige Herzen zu Gott und seinem Worte haben, und die die Verkündiger des Wortes mit der Lehre des Heils freundlich annehmen: denn der Herr verbietet selbst Matth. VII die Perlen den Säuen vorzuwerfen, damit sie nicht dieselben mit den Füßen zertreten, auch soll man nicht das Heiligtum vor die Hunde werfen. Mit Bezug darauf spricht er zu seinen Jüngern: wo ihr in eine Stadt kommt, wo das Volk euch aufnimmt, und eure Lehre zu Herzen fasst, bei solchen Leuten bleibt und pfleget mit ihnen Gemeinschaft; esset und trinkt mit ihnen und genießet da alle Freundschaft. Wo man aber das Wort nicht annimmt, sondern sobald desselben erwähnt wird, zu wüten und zu toben anfängt, und je mehr es verkündigt wird, desto unsinniger sich gebärdet, und wie die wütenden Hunde um sich beißt, oder wie die Säue es zertreten will, bei solchen Leuten sollen sie nicht einkehren, denn es ist für die Verkündiger des Evangeliums gefährlich und nicht geheuer, bei solchen Leuten Wohnung zu suchen, wie auch zu unsern Zeiten viele evangelische Männer sich nicht an alle Orte hin verfügen, wo offene Gefahr droht und das Wort Gottes wenig gilt, dagegen Menschentand und Schulgeschrei köstlich geachtet wird. Nachdem aber viele Evangelische vernommen haben, wie viel bei Euch, fromme Christen, hier zu Bern, das Wort Gottes gelte, so dass auf Eurer christlichen Disputation nur nach dem Worte Gottes mit allem Anstande gehandelt werden solle, haben sie sich gar wunderbar aus nahen und fernen Landen hierher verfügt, und wollen nun trotz allen Verfolgungen von Seite der Mächtigen dieser Welt bei Euch verbleiben bis zum Entscheid der Sache. So hat Christus seine Jünger deutlich belehrt, wenn sie Leute finden, die ein rechtes Herz und einen guten Willen haben zum Worte Gottes, so sollen sie bei ihnen einkehren und sein Wort ihnen da verkündigen, denn er spricht: in welche Stadt ihr kommt und sie euch aufnehmen, das ist, eure heilsame christliche Lehre hören und sie annehmen mit herzlicher Begierde, da esst, was sie euch vorsetzen, das ist, bleibt einige Zeit bei ihnen, habt Gemeinschaft untereinander, teilt mit einander, ihr mit ihnen und sie mit euch. Was ihr von mir empfangen habt, himmlische Güter und christliche Lehre, das gebt ihnen umsonst, denn ihr habt es auch umsonst empfangen, so werden sie auch euch ihre zeitlichen Güter mitteilen nach euerer Notdurft. Sie werden eure göttliche Lehre annehmen und nicht achten, was Feindschaft und Bosheit der Menschen dazu sage, also nehmt auch ihr die Speise an, die sie euch vorzusetzen haben, genießt sie mit Dank und achtet nicht auf die Satzungen der Menschen, welche bei der Seelen Heil gewisse Speisen zu gewissen Zeiten zu genießen und zu einer andern zu meiden befehlen, da doch Gott die Speise geschaffen hat, dass man sie alle Zeit mit Danksagung genieße, denn wenn man darüber gebetet hat, so ist die Speise gesegnet, und daneben achtet Gott nicht darauf, ob man den Hunger mit Fischen oder Fleisch stille, auch darf man solches zu jeder Zeit tun, wenn die Notdurft es erfordert. Dagegen ist Übermaß gleicherweise Gott missfällig, mag es in Fischen oder Fleisch bestehen und am Karfreitag oder Ostern genossen werden. Ist der Mensch einmal in seinem Gewissen gesund geworden durch den rechten Glauben, so bindet er sich weder an Zeit noch an Speise, weder an Fische noch an Fleisch, weder an Kutte noch Kappe, legt auch auf solche Dinge keinen Wert, und macht darin keinen Unterschied, benutzt sie übrigens nach Gottes Willen, und so lange es diesem gefällt.

Hier tut uns vor Allem wahrer Glaube Not, der unsere kranken Gewissen gesund und stark mache. Und daran hat es von Anfang an der ganzen Welt gefehlt. Die Gewissen aber aufzurichten, sie zu befreien und zu reinigen, und ihnen zu helfen, dazu ist Christus vom Himmel gekommen; denn dem Reinen ist Alles rein. So schreibt Paulus an Titum im ersten Kapitel: „Um der Sache willen strafe sie scharf, auf dass sie gesund seien im Glauben, und nicht achten auf die jüdischen Fabeln und Menschengebote, welche sich von der Wahrheit abwenden. Den Reinen ist Alles rein, den Unreinen aber und Ungläubigen ist nichts rein, sondern unrein ist beides, ihr Sinn und Gewissen.“ Darum hat Christus zur Heilung dieses allgemeinen Gebrechens, auf dass unsere Gewissen gesund, stark, rein und frei würden, seinen Jüngern in unserm Text befohlen und gesprochen: „Heilt die Kranken, die in der Stadt sind, welche euch aufnimmt.“ Dieses bezieht sich nicht allein auf die leiblichen Krankheiten, obgleich solche Wunderzeichen oft die Predigten begleiteten zur Befestigung des Glaubens, den Ungläubigen aber geschahen solche Wunderzeichen, damit sie gläubig wurden. Im Evangelium aber bezieht sich Krankheit und Gesundheit vorzüglich auf das Gewissen, den Geist und die Seele, denn das Gewissen ist gebunden, in äußerlichen Dingen Gnade und Heil zu suchen, da diese doch nichts vermögen; und die Welt ist darum so blind, weil sie nicht den Willen Gottes erkennt.

Daher ist es einem Weltkinde auch niemals wohl und es ist nirgends zufrieden, sondern wie es nur der göttliche Wille fügt, ist ihm nicht recht, und er murret stets wider ihn und wünschte, es wäre anders; denn wo die Sünde überhand nimmt und herrscht im sterblichen Leibe und das Reich des Satans aufgerichtet ist, da kann kein frischer freudiger Sinn erblühen, da steht es sehr übel, das Gewissen ist schwach und blöd gebunden an unfruchtbare Dinge. Wo aber die Jünger und nach ihnen andere Verkündiger des Evangeliums die süße heilsame Lehre Christi verkünden und die kranken schwachen Gewissen solche Lehre Christi annehmen, da werden sie frei, frisch, stark, gesund und fröhlich darob, gehen mit Freude einher unter dem christlichen Kreuze und der Bürde und Beschwerde, so ihnen Gott auflegt. Was sie früher schmerzte, darin fühlen sie sich jetzt wohl, worüber sie früher getrauert, darüber freuen sie sich nun; vorher waren sie an äußere Dinge gebunden, fanden darin aber ebenso wenig Trost und Heil, als derjenige, der leeres Stroh drischt und mit einem Siebe Wasser schöpft. Wo könnten sie da an ihren Gewissen gesunden. Wenn sie aber die heilsame Lehre Christi hören und annehmen, werden sie an ihrem Gewissen frei und den äußern Dingen entbunden, mögen sie heißen wie sie wollen. Messe oder Bilder, geweihtes Salz oder Wasser oder Feuer, oder Palmen oder Buchen, oder Wachs oder Del, oder päpstlicher Ablass oder Reliquien, Rom oder Jerusalem, Fisch oder Fleisch, Kutte oder Kappe, Pfaff oder Glatze, Mönch oder Nonne, weiße oder schwarze, blaue oder grüne Kutte, das Evangelium weist sie alle auf Christum, als den alleinigen Heiland und Mittler, bei dem sie allein Gnade, Heil, Gesundheit, Trost und Hilfe finden, in dem uns Gott alle Dinge zusammengefasst hat. (Ephes. I.) Daher sollen wir uns in allen unsern Anliegen zu niemand andrem wenden als zu ihm, indem es Gott gefalle, in ihm alle Fülle wohnen zu lassen. (Kolosser I.) Dieser befreit das Gewissen von allen äußerlichen Dingen, so dass es sich nicht mehr daran bindet, sondern erlöst wird von Sünde, Teufel und Hölle. Und von nun an wird es gar gesund, hanget Christo an und hasset die Sünde. Sintemal Christus der Sünde so feind gewesen ist, dass er sein Leben daran gesetzt, uns davon zu befreien, so kann Niemand ein Freund Christi sein, ihm recht anhangen, und daneben noch die Sünde lieben. Darum halte ich nicht dafür, dass man fromm und selig werde, wenn man nur schläfrig und lose Christo anhängt und sich auf ihn verlässt, sondern wir müssen dabei keine Gemeinschaft mit der Sünde oder mit dem Teufel haben, dieweil Christus durch seinen Tod die Sünde vernichtet und den Teufel überwunden hat. Wer daher der Sünde nicht widerstrebt, in dem ist das Reich des Teufels und nicht das Reich Christi. Darum sprach Christus, wie wir es vernommen haben: Machet die Kranken gesund, treibet aus ihnen des Teufels Reich, dar unter sie so schwach geworden sind und sprecht zu ihnen (wie weiter folgt): „Jetzt ist das Reich Gottes zu euch gekommen, jetzt ist der Satan ausgetrieben, und Christus regiert in euch, durch ihn werdet ihr stark und gesund in euren Gewissen. Das Reich Gottes, das ist die Lehre Christi, das Evangelium, welches ihr angenommen, wird euch umändern und einen neuen Sinn verleihen, der sich nach Gott richtet und der Geist Gottes wird euch leiten und weisen wie die wahren Kinder Gottes; denn darum wird die Lehre Christi das Reich Gottes genannt, weil sie solche Menschen bildet, bei denen Gott wohnt und herrscht, wie ein König in seinem Reiche, das ist unter seinem gehorsamen Volke.

Die Lehre Christi macht nämlich aus denen, die sie annehmen, ein Volk, das gar ergeben ist in den Willen und in die Furcht Gottes, an denen Gott Vergnügen und Wohlgefallen hat und bei denen er wohnen will, wie in seinem Reiche. Darum heißt es von denen, die Gott ergeben, fromm und gerecht geworden sind durch sein Wort, in denen Christus herrscht und regiert durch seinen Geist in göttlicher Gnade, zu solchen ist das Reich Gottes gekommen.

Wenn ihr aber in eine Stadt kommt, wo sie weder euch noch eure Lehre annehmen, mit denen habt keine Gemeinschaft, bleibt keine Zeit da, sondern begebt euch gleich von dannen hinweg, geht auf ihre Gassen hinaus und behaltet nichts an euch, was von ihnen kommt, wischt selbst von euren Füßen den Staub ab, der in ihrer Stadt euch angehangen zu einem Zeugnis über sie, dass sie sehen, dass ihr nicht irdische Dinge bei ihnen gesucht, noch das Ihrige begehrt habt, sondern allein sie und ihr Seelenheil, nicht ihnen zu nehmen, sondern ihnen mitzuteilen die heilsame Lehre Christi. Da sie aber dieselbe nicht annehmen wollen, sondern sie ausschlagen und verwerfen, sollt ihr durchaus keine Gemeinschaft mit ihnen haben, so dass ihr selbst den Staub von euren Füßen schüttelt, der in ihrer Stadt euch angeklebt. Es unterliegt keinem Zweifel, dass mit denjenigen, mit denen die Diener des göttlichen Wortes nach dem Befehle Christi keine Gemeinschaft haben sollen, auch Christus selbst nichts zu schaffen haben wird, denn welche seine Lehre nicht annehmen wollen, denen wird er auch seine göttliche Gunst und Gnade versagen, und so müssen sie nicht allein seiner Güter, sondern auch seiner selbst beraubt sein. Darum sollen seine Diener gar keine Gemeinschaft haben mit denjenigen, die das Wort Gottes nicht annehmen. Damit sie aber keine Entschädigung haben für ihre Verdammnis und wissen, dass Gott ihnen das Heil angeboten, spricht Christus weiter: Verkündigt und sprecht: „Das Reich Gottes ist nahe zu euch gekommen. Wir haben euch sein Evangelium, die heilsame Gnade Christi Jesu deutlich verkündigt, dass ihr allein durch ihn fromm und selig werden müsst. Doch das wollt ihr nicht annehmen, darum wird es den Heiden, die solches nicht vernommen, nicht so übel gehen am jüngsten Tage als euch; die Bewohner von Sodom und Gomorra werden es dann besser haben als eine solche Stadt. Es wird Sidon und Tyrus am jüngsten Tage besser ergehen als denen, welche das Wort Gottes hören und es nicht annehmen: denn wären solche große Dinge und Wunder in Sidon und Tyros geschehen, als bei euch zu Chorazin und Bethsaida, sie hätten längsten Bußkleider angezogen und in der Asche Buße getan, darum wird es ihnen erträglicher gehen als euch. Und du Kapernaum bist bis an den Himmel erhoben gewesen und wirst hinunter gestoßen bis in die Hölle.“ Vernehmt, Ihr frommen Christen hier zu Bern, wie die Worte Christi so scharf donnern wider die, so sein Wort nicht annehmen und seine heilsame Gnade ausschlagen, denn schrecklich ist es (wie Paulus Hebr. X spricht), in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen. Es geschieht mit Recht, dass es solchen Menschen am jüngsten Tage ärger geht als den Bewohnern von Tyrus und Sidon.

Nun befindet Ihr, fromme Christen, Euch in ähnlicher Lage: das Reich ist nahe zu Euch gekommen, ihr müsst entweder die Sache behaupten oder sie fahren lassen, entweder zurücktreten oder fortfahren. Wollt ihr die Sache behaupten und fortfahren nach der Richtschnur des göttlichen Wortes, so wird die Welt wider euch sein, das ist, die Gewaltigen, Hohen und Mächtigen, Hannas, Caiaphas, Pilatus und Herodes, werden sich gegen Euch vereinigen, da sie doch vorher tödliche Feindschaft gegen einander trugen und große Kriege wider einander führten, indem weder sie noch Ihr niemals einig gewesen, ja der Teufel und alle höllische und irdische Gewalt wird sich wider Euch erheben und böse Anschläge gegen Euch schmieden mit Drohungen und Gewalttaten. Ihr müsst überall Unrecht haben und auf der schlimmen Seite stehen, gescholten und verlästert, für die ärgsten Ketzer und Juden verrufen werden. Die Welt wird allerlei mit seltsamen Listen und Erfindungen bei Euch versuchen, mit Güte und mit Böse, wo nichts helfen will, wird die Welt ihre wahre Seite herauskehren und der Teufel die Zähne zeigen, dass ein Kleingläubiger darob erschrecken möchte. Wer aber von Gott unterwiesen ist, der weiß wohl, dass sie nicht mehr Gewalt haben, als sie ihnen Gott zulässt, und dass sie nur den Leib zu töten vermögen, der sonst keine Stunde vor dem Tode sicher ist und stets darauf gefasst sein muss. Solches tröstet die Gläubigen und macht, dass sie ausharren beim göttlichen Worte, dass sie fortfahren und die Sache behaupten. Wollt Ihr dagegen zurücktreten in den alten Traum menschlicher Satzungen und die Sache des göttlichen Wortes aufgeben, so wird diese Welt Eure Freundin, steht Euch zur Seite; aber Gott ist dann wider Euch, der nicht allein den Leib zu töten vermag, sondern auch die Seele in die Hölle zu werfen. Und am jüngsten Tage wird Er Euch ärger hassen als die Ungläubigen, bei denen nicht solche Wunder und große Dinge geschehen sind. Wie wunderbar seid Ihr in zwei Jahren durch das göttliche Wort geändert worden, von Lästerern zu christlicher Weise und christlichem Wandel. Welch Wunder ist jetzt bei Euch geschehen, dass Gott so manchen gelehrten christlichen Mann aus fernen Landen trotz der Feindschaft der Welt und ohne Fried und Geleit von Seite der Welt allein in seinem göttlichen Frieden und Geleite hierher nach Bern gesandt hat. Ohne Zweifel werden sie wieder in dem Frieden des Herrn heimkommen, wo sie Gott haben will, wenn auch diese Welt überall Hinterhalt und Gefahr bereiten und alle Brücken abwerfen würde. Auch das Religionsgespräch ging so löblich und ehrlich vor sich, dass wenn man es Einem, der zwei Jahre geschlafen hätte und jetzt aufwacht, erzählen würde, er sprechen müsste, dass da ein großes Wunder geschehen sei, das müsse Gott so gefügt haben. Darum lasst solche Wunder nicht vergeblich in Eurer Stadt geschehen sein, liebe Freunde Christi, auf dass Ihr nicht am jüngsten Tage unter die Ungläubigen erniedrigt werdet, bei denen nicht solche Dinge geschehen sind, und es Euch nicht gehe, wie denen zu Kapernaum, die bis an den Himmel erhöht waren und dann bis in die Hölle hinuntergestoßen werden. Denn dieweil sie nicht hören wollten die Apostel, welche das Wort Gottes verkündigten, sondern sie verachteten, sah es Gott an, als hätten sie Ihn selbst verachtet, wie Christus weiter spricht: „Wer Euch hört, der hört mich, und wer Euch verachtet, den verachtet den, der mich gesandt hat.“ Dies ist ein köstlich Wort, hat aber lange Zeit, indem es missverstanden worden, zum Schaden gereicht, denn die Päpste haben dieses zum Hefte ihres Schwertes gemacht, mit dem sie das Papsttum beschirmt und erhalten haben, wie Einer sein Haus mit dem Schwerte beschützt und verteidigt. So haben sie fort und fort geschrien: „Wer euch hört, der hört mich,“ und diesen Spruch nur zu ihren Gunsten gedeutet. Was sie nur gesagt und vorgegeben, ohne alles göttliche Wort, das hat man hören, glauben und halten müssen, sonst war man nach ihrem Vorgeben verdammt und von Gott verachtet, in seinen Zorn gefallen. Dadurch hat sich der Papst bei seinem antichristlichen Regimente erhalten und viel wider Gott aufgerichtet, wodurch rechter Gottesdienst und Ehre Gottes Abbruch gelitten und verdunkelt worden. Es ist mit dem Gottesdienste ähnlich ergangen, wie mit der Münze. Anfänglich war die Münze nur aus Gold und Silber geschlagen, wie noch jetzt alte Pfennige ohne alle andere Beimischung sich finden, hierauf gaben die eigennützigen Münzenmacher vor, Silber und Gold könne nicht wohl ohne Zusatz gemünzt werden, und so haben sie nach und nach den Zusatz vermehrt, wie der Eigennutz zunahm, bis die Münze nur aus Zusatz geschlagen worden, ohne alles Silber und Gold, wie wir es jetzt vor Augen haben. Gleicherweise war auch der Gottesdienst zur Zeit Christi und der Apostel rein evangelisch, nur dem lauteren Worte Gottes gemäß, im Geiste und in der Wahrheit, Joh. IV. Hierauf haben falsche Propheten aus Eigennutz die Welt beredet, man müsse etwas dazu tun, was nicht im göttlichen Worte enthalten sei. Und wie der Geiz und der Eigennutz zugenommen, so hat sich auch der Zusatz vermehrt, so dass der Gottesdienst ganz und gar eitel menschlicher Zusatz geworden, und das Wort Gottes nach rechtem christlichem Verstande darin nicht mehr gefunden wird. Dieser Zusatz aber ist zu fest darin gewurzelt, als dass er so leicht daraus entfernt werden könnte, denn alle weltliche Pracht hängt an diesem täuschenden Scheinwerke, und so schreien sie immerfort: man wolle ihnen den alten Glauben und die alten christlichen Gebräuche abtun. Nun ist aber ihr Glaube ein neu erfundener, der noch nicht achthundert Jahre gewährt, und von dem kein Wort in der Lehre Christi steht. So schreien auch die Freunde des Kaisers, wenn man die kaiserlichen Kupferkreuzer verwirft: Ei willst du des Kaisers seine Münze verwerfen, die doch schon tausend Jahre gilt. Wäre aber nur die Münze ohne allen Zusatz, wie vor tausend Jahren, so würde sie Niemand schelten. Gleicherweise schreien auch hier die Päpstler mit der Welt: die Ketzer verwerfen den Gottesdienst, der doch schon fünfzehnhundert Jahre gedauert. Nein, wenn der Gottesdienst noch wie vor fünfzehnhundert Jahren ohne allen Zusatz menschlicher Lehre wäre, so würde ihn kein Christ verwerfen, sowie jetzt kein Christ die Zusätze annehmen mag. Hier schreien nun die Feinde, man solle die Zusätze und Missbräuche abtun, und das Gute aber stehen lassen. Das ist wohl geredet: darum ist aber auch diese Disputation angesetzt, dass die Missbräuche abgestellt und wahrer Gottesdienst wieder aufgerichtet werde. Aber das mögen die Böswilligen nicht leiden, wiewohl sie darauf schreien. In einigen Dingen ist die Hauptsache ein Missbrauch und ohne Bedeutung, wie bei der Messe, dass sie ein Opfer sei und beim Sakrament der Danksagung, dass der Leib Christi wesentlich im Brot gegenwärtig sei, was wider den Glauben geht und nicht der Schrift gemäß ist. Dabei lassen sich die Verkehrten nicht belehren aus der göttlichen Schrift, indem bei ihnen Menschenlehre mehr gilt. So muss man sie mit Beispielen aus dem Leben belehren, die nicht immer am besten passen, die ihnen aber so bekannt sind wie z. B. ihr Flussspiel. Dies spielen sie auch nach alten Regeln und Gesetzen und dulden keine Zusätze dabei. Wollen sie sich nun nicht aus dem Worte Gottes belehren lassen, so mögen sie ihrem Flussspiele abnehmen, dass man im Gottesdienste die Zusätze, die wider das Wort Gottes gehen, abtun, aber die rechte Einsetzung nach dem Worte Gottes halten und aufrichten solle.

Wir wählen z. B. die Fasten. Diese hat Gott geheißen und geboten in der Heiligen Schrift, Joel V: „Mit Fasten zerreißt Eure Herzen und nicht Eure Kleider.“ Wir finden auch überall in der Heiligen Schrift, dass die Freunde Gottes alle Zeit Gott mit Fasten und Beten gedient haben. Aber der Papst hat auch hier viele Zusätze gemacht und bestimmt, dass man an einem Tage fasten solle und an einem andern nicht und dass man bei Strafe des Bannes zu gewisser Zeit eine Speise nicht genießen dürfe, zu einer andern Zeit aber wohl; Fische solle man zur Fastenzeit essen, Fleisch aber nicht. Auch hat man dem Fasten zugeschrieben, es sei gut gegen das kalte Weh, gegen Zahn- und Kopfschmerzen und dergleichen. Solche Zusätze soll man abtun und dagegen das rechte Fasten, wie das göttliche Wort gebietet, halten und nicht abgehen lassen; denn das Fleisch bedarf des Fastens wohl, damit es durch das Fasten gekreuzigt und die böse Lust gedämpft werde, auf dass so der Mensch sich dem göttlichen Willen unterwerfe, darin zu wandeln und das Fleisch nicht den Geist beherrsche. Wenn wir nun finden, dass wir des Fastens bedürfen, sollen wir fasten, und nicht auf Tage und Zeiten achten; denn wir sind alle Zeit schuldig, also zu fasten, dass wir dem Wohlleben, der Wollust, Hoffart und Lastern Abbruch tun. Dabei sollen wir das mit Dank genießen zur Unterhaltung des Leibes, was uns Gott beschert. Es ist Gott angenehmer, wenn wir mäßig sind im Fleischgenusse, als wenn wir Fische unmäßig genießen. Der Mensch soll sich im Essen und Trinken so halten, dass er weder durch Unmäßigkeit noch Entbehrung krank werde, noch unfähig, Gott zu dienen. So ist es auch mit der Behauptung, dass die Messe ein Opfer sei, ein Missbrauch und eine Verringerung des Verdienstes der Leiden Christi: Christus hat sich selbst einmal für unsere Sünden geopfert und hat für alle Ewigkeit genug getan. Solches genügt alle Zeit dem Sünder, der sich auf den Tod Christi vertröstet und ist so heilsam und kräftig, als es dem Schächer in der Stunde des Leidens war. Darum spricht Paulus an die Hebräer im 10. Kap.: Das Opfer Christi gelte ewig; denn mit einem Opfer hat er in Ewigkeit vollendet, die geheiligt werden. Es bedarf hier keines Helfers mehr, der ihn für die Gläubigen opfern helfe. Das Aufopfern Christi ist sein Sterben, wer ihn daher opfern will, muss ihn töten. Der Mensch ist aber, selbst wenn er Papst wäre, zu gering, dass er Christum aufopfern könnte: denn wer ein Opfer opfert, soll mehr und würdiger sein als das Opfer, was hier nicht der Fall wäre, da wir alle Sünder sind und Christus die ewige Gerechtigkeit ist. Daher sollen sich die Messknechte belehren lassen, da sie ohne Zweifel in ihrem Gewissen wohl merken, wie es sich verhält, und so sollen sie nicht weiter die Welt verführen. Hier soll man also das Pfaffenopfer abtun, denn es ist ein Missbrauch und eine Lästerung Gottes; dabei soll man aber das einige Opfer Christi in seinem Werte bleiben lassen, das einmal geschehen, für alle Zeiten und in Ewigkeit für die Gläubigen genügt. Stets sollen wir das Andenken daran nicht auf dem Altare, sondern in unserm Herzen durch den Glauben erneuern, so werden wir der Früchte und Segnungen desselben teilhaftig. Gleicherweise verhält es sich mit dem Brote im Sakrament der Danksagung. Es ist dieses „ein heiliges Brot“ und „ein Brot des Herrn,“ wie Paulus es nennt. Dass aber der Leib Christi darin enthalten sei, oder dass das Brot sich in den Leib Christi verwandle, ist ein Missbrauch, widerstreitet dem Glauben und der Heiligen Schrift. Denn der Glaube und die Heilige Schrift bekennen, dass Christus aufgefahren sei in den Himmel zu der Rechten seines Vaters, von dannen er wiederkommen werde, nicht verborgen und unsichtbar, sondern wie er aufgefahren, nach der Versicherung der zwei Engel an die Jünger, welche sprachen: „Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr und seht gen Himmel? Dieser Jesus, welcher von euch ist aufgenommen in den Himmel, wird kommen, wie ihr Ihn gesehen habt gen Himmel fahren.“ Nun haben wir ihn in sichtbarer wesentlicher Gestalt gesehen hinauffahren, darum wird er auch also wiederkommen, und nicht unsichtbar und heimlich, so oft ein Pfaff über das Brot atmet und Worte flüstert. Das ist ein Missbrauch, den man abtun soll. Das Brot des Herrn soll man bleiben lassen und es so im Nachtmahle des Herrn mit Andacht genießen; denn es ist ein Sakrament, das ist ein heiliges sinnbildliches Brot oder sichtbares Zeichen, das ein heiliges, unsichtbares Ding bedeutet. So ist auch die Taufe ein Sakrament, das ist ein sichtbares Zeichen, das ein heiliges Ding bedeutet, nämlich die Menschwerdung unseres Herrn Jesu Christi. So ist auch des Herrn Brot, welches zum Nachtmahl des Herrn verordnet ist, ein Sakrament, das ist ein sichtbares Zeichen, das ein heiliges, unsichtbares Ding bedeutet, nämlich den Tod Christi oder den Leib Christi, der für uns in den Tod dahingegeben worden ist. Wie wir nun zum Tische des Herrn gehen und alle von einem Brote essen, soll uns dieses Brot mahnen und erinnern an den Tod Christi, damit wir desselben eingedenk seien, wie er gesprochen hat: „Nehmt, esst, das ist mein Leib, der für euch dahingegeben wird, und so oft ihr dieses tut, so tut es zu meinem Gedächtnis.“ Dieses Brot ist aber nicht wie anderes Brot, welches bestimmt ist, unsern leiblichen Hunger zu stillen, denn es ist verordnet zu einem Wiedergedächtnis des Todes Christi, so dass alle Christen, die von diesem Brote essen, ihre Seelen speisen sollen. Denn wenn sie sich daran erinnern und gedenken an den Tod Christi und dabei fest glauben, er habe seinen Leib für sie in den Tod gegeben, um sie lebendig zu machen und sein Blut vergossen, ihre Sünde abzuwaschen, und sich darauf vertrösten und verlassen, dass sie sein Fleisch genossen und sein Blut getrunken, so werden sie dadurch ewiges Leben erlangen, wie Christus spricht, Johannes VI: „Wer mein Fleisch isst und trinkt mein Blut, der hat ewiges Leben.“ Indem er dieses Essen und Trinken erklärt, spricht er: Wer an mich glaubt, hat ewiges Leben.

Glauben und vertrauen soll der Christ noch, bevor er zum Tische des Herrn sich naht, und alsdann soll er auch mit den Andern hinzutreten, um damit den Andern zu bezeugen, dass er ein solcher christlicher Bruder sei, welcher sich auch vertröste auf den Tod Jesu Christi, dass er ein Todfeind sei aller Sünden und Laster, dieweil Christus um der Sünden willen gestorben sei, und endlich dass er voll Liebe sei gegen den Nächsten, wie Christus gegen ihn. Wo aber Einer in Wahrheit nicht so gesinnt wäre, aber durch den Genuss des heiligen Abendmahls solches bezeugte, so würde er die Welt betrügen und Gott den Herrn anlügen, und so sich schuldig machen am Tode des Herrn und die Verdammnis ernten wie Paulus es bezeugt 1. Kor. XI. Denn durch den Genuss des Brotes des Herrn verpflichtet er sich heiliger, ein solcher Christ sein zu wollen, als wenn er es der Welt mit einem Eide beschwört. Darum ermahnt Paulus einen Jeden, indem er spricht: „der Mensch prüfe aber sich selbst und also esse er von diesem Brote und trinke von diesem Kelche.“ Wo wir nun das Abendmahl des Herrn recht feiern und halten würden, wäre es das heilsamste Ding für die ganze Christenheit und am zuträglichsten der Gemeinde Gottes, denn dadurch würde ein rechtschaffenes, christliches Volk gebildet, das alle Laster hasste; wo es aber missbraucht wird, gereicht es zum größten Schaden und ist das schädlichste Gift unter den Christen, indem Einer durch die Teilnahme am heiligen Abendmahle sich für einen frommen, christlichen Bruder ausgibt, während er es im Herzen nicht ist.

Gleiche Bewandtnis hat es mit den guten Werken, die man auch tun soll. Aber es ist auch hier ein schädlicher Zusah hinzugekommen, nämlich die Behauptung, dass sie uns selig machen; denn wenn es dem also wäre, würde Christus umsonst gestorben sein. Darum muss man den Zusatz entfernen, die guten Werke aber stehen lassen, und sich emsig darin üben, denn wir sind in Christo Jesu geschaffen zu guten Werken. Eph. II. Uns vermag niemand fromm und selig zu machen, als Gott allein. Denn das ist seines Amtes, gehört und kommt Ihm zu und nicht den Heiligen, noch ihren Fürbitten, noch den guten Werken; denn diese vermögen solches nicht, indem sie zu schwach sind dazu. Gott allein ist unser Heiland, dennoch sollen wir gute Werke tun und so den Willen Gottes erfüllen. Wenn einem König ein Sohn geboren wird, ist derselbe ohne alle Werke sein Erbe, indem er nichts dafür getan hat; aber später muss er doch den Willen seines Vaters tun, sonst stößt ihn dieser hinaus und enterbt ihn. So werden auch wir, wenn wir an Gott glauben und auf Ihn unser Vertrauen setzen, ohne Werke, Kinder und Erben Gottes. Joh. I. Aber wir müssen alsdann doch den Willen des Vaters erfüllen und gute Werke üben gegen den Nächsten, sonst werden wir wieder des Erbes verlustig. Darum muss man die guten Werke keineswegs unterlassen, sondern sie fleißig üben; aber ohne ihnen das zuzuschreiben, was allein Gott zukommt, nämlich dass sie uns fromm und selig machen. Denn solches widerstreitet der Ehre Gottes, die man keinem andern Dinge zuschreiben soll.

Gleicherweise verhält es sich auch mit dem ehelichen Stande, der von Gott zu gegenseitiger Hilfeleistung und zu einem Mittel gegen die Brunst des Fleisches eingesetzt worden. Für alle Menschen hat Gott dieses gnadenreiche Mittel verordnet, wenn sie sonst nicht Reinheit zu bewahren vermögen. Hier haben die Päpste wieder einen Zusatz erfunden und dadurch etliche Menschen davon ausgeschlossen, dagegen haben sie Hurerei denjenigen gestattet, die sie von der Ehe ausgeschlossen und ihnen für diese Erlaubnis Geld abgenommen. Den ehelichen Stand haben sie ihnen verboten und ihnen Gelübde abgenommen, dass sie Keuschheit bewahren sollen, wie von den geweihten Pfaffen, und den verschleierten Nonnen und Mönchen. Solches ist aber trotz allen Weihen nichts als Betrug, denn wie kann der Mensch Etwas zu halten geloben, das nicht in seiner Gewalt liegt? „Keuschheit zu bewahren ist eine Gabe Gottes, wie Christus Matth. XIX spricht, das Wort fasst aber nicht Jedermann, sondern nur wem es gegeben ist.“ Die Weihe der Pfaffen ist so eingesetzt, dass sie sich mit dem ehelichen Stande nicht vertragen mag; aber mit Ehebruch und aller Art Hurerei und Jungfrauenschändung verträgt sich die bischöfliche Weihe wohl, nur mit dem Ehestand nicht. Können nun der Ehestand und die Pfaffenweihe nicht nebeneinander bestehen und widersprechen sie einander, so sind sie nicht beide von Gott, sondern es muss das Eine vom Teufel sein. Nun ist aus der Schrift gewiss, dass die Ehe von Gott herstammet, so muss denn die Weihe der Pfaffheit vom Teufel sein; denn zwei Dinge, die von Gott herstammen, können nicht einander widersprechen. Auch ist der eheliche Stand ein Bild der Menschwerdung Christi. Wie in Christo Gott und Mensch in Einer Person vereinigt sind und das Höhere das Niedere an sich genommen und beide Naturen in dieser Vereinigung sich zufrieden geben und keine die andere verachtet: so sollen die Eheleute ein Bild dessen sein, Zwei in Einem Fleische, das Stärkere soll das Schwächere zu sich erheben, und so sollen sie mit einander zufrieden sein, in treuer Liebe mit einander leben, keines das andere verachten. Dieses Gleichnis erhebt die Ehe zu einer gnadenreichen Anstalt, so dass die ehelichen Werke nicht als sündlich zu achten sind. Wer will nun den Christen einen solchen Stand und bedeutungsvolles Gleichnis verbieten, da Gott es allen Menschen vergönnt hat, als der Teufel selbst? Darum nennt Paulus das Verbieten der Ehe eine teuflische Lehre. Es ist dieses Verbot auch eine Verachtung Gottes, denn es heißt deutlich in den evangelischen Worten unseres Textes: „Wer euch (die mein Wort verkündigen) hört, der hört mich, und wer euch verachtet, der verachtet mich; wer aber mich verachtet, der verachtet auch den, der mich gesandt hat.“ Bedenkt nun, fromme Christen, wie schrecklich es dem am jüngsten Tage ergehen wird, der das göttliche Wort nicht geachtet, und demselben nichts nachgefragt, sein Leben nicht nach demselben gerichtet, sondern dasselbe verschmäht. Einen Solchen wird kein anderes Gericht treffen, als wenn er Gott selbst verachtet hätte. Er wird alsdann auch von Gott verworfen werden. Daher ist es heilsamer, dass wir hier Gott hören und uns nach seinem Worte richten, und dabei die Verachtung der Welt ertragen; als dass wir das Wort Gottes nicht annehmen, und so von der Welt hoch geschätzt, aber am jüngsten Tage von Gott verworfen werden. Wer aber hier um des göttlichen Wortes willen verachtet wird, den wird Gott dort hoch achten, und seines Reiches würdig erklären. Deshalb spricht Christus Matth. V: „Selig seid Ihr, wenn Euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen, und reden allerlei Übels wider Euch. Seid fröhlich und getrost, es wird Euch im Himmel wohl belohnt werden.“ Das verleihe uns Gott der Vater, durch unsern Herrn Jesum Christum, seinen eingebornen Sohn. Amen.

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Conrad Schmid ward 1476 zu Küsnacht am Zürcher See geboren. Er studierte zu Basel, wurde Magister der Philosophie und Baccalaureus der Theologie. Hierauf ward er Commentur des Johanniterhauses zu Küssnacht. Durch Zwingli und durch Luthers Schriften mit der evangelischen Lehre bekannt geworden, bekannte er sich zu derselben und war der erste evangelische Pfarrer in seiner Heimatgemeinde. Von nun an beteiligte er sich stets mit Eifer beim Reformationswerke im Vaterlande und zeichnete sich vorzüglich durch besonnene Milde gegen die Schwächeren aus. Er fiel in der unglücklichen Schlacht von Kappel und sein Leichnam ward mitten unter einer Schar gefallener Mitbürger und Zuhörer gefunden und später nach Küssnacht gebracht und daselbst begraben.