Quandt, Emil - Die biblische Lehre vom Heiligen Geist - V. Der Beistand des Heiligen Geistes.

Wenn ein schiffbrüchiger Mensch, der ferne von seiner Heimat auf hoher See Alles verloren hat und in der Gefahr steht, selbst das Leben zu verlieren, vom Ufer her die Stimme eines Freundes hört, der ihm Rettung verspricht, so freut er sich, und die schon aufgegebene Hoffnung des Lebens kehrt in sein Herz zurück. Seine Freude wächst und wird lautes Jauchzen, wenn der Freund ein Rettungsboot besteigt und ihn von den Trümmern des Schiffes ans Ufer holt. Aber ist er nun auch gerettet, so steht er doch noch auf fremdem Boden und ist bloß und leer von allem Nötigen; wie jubelt er da, wenn ihn der Freund nun auch noch zu würdigem Wandel der Heimat zu mit reichen Gaben ausstattet. Aber die Heimat ist weit, und die Leute in dem fremden Lande, durch das er hindurchpilgern muss, sind böse und feindlich gesinnt; sie stehen ihm nach dem Leben, sie wollen ihm seine Gaben rauben, sie verlegen ihm den Weg, der zur Heimat führt - ach, muss sich da nicht alle Freude des Geretteten in Traurigkeit wandeln? Aber siehe, der Freund, der so viel getan, tut noch mehr; er erbietet sich ihm zum Beistande im Kampfe gegen die Feinde, er hilft ihm mannhaft streiten, er führt ihn selbst durch Niederlagen vor zum Siege, bis er glücklich die Heimat erreicht hat und sicher und geborgen ausruhen kann von allen Nachwehen des Schiffbruches, von allen Mühen und Kämpfen seiner Wanderung.

Adams Sündenfall ist der große Schiffbruch der Menschheit; wir treiben Alle von Natur auf unsicheren Trümmern im Meere der Zeit umher und stehen in der gemeinsamen Gefahr, des ewigen Todes zu sterben. Aber es ist eine Rettung für uns Alle bereit, seitdem der Sohn Gottes die ewige Erlösung auf Golgatha erfunden hat. Der Heilige Geist ist der gute Freund, der uns zunächst vom Ufer aus durch seinen Ruf die Stunde von der Möglichkeit unserer Rettung vermittelt; und wer diesem Rufe des Heiligen Geistes sein Ohr und Herz öffnet, wird voll Jauchzens über die Gnade Gottes in Christo. Aber der Heilige Geist ruft uns nicht bloß, sondern durch seine Erleuchtung reißt er uns auch heraus aus unserm Verderben und bringt uns zu Christo und damit ans Land, dass wir seine Güte preisen und den Herrn loben, der uns alle unsere Sünde vergibt, unser Leben vom Verderben erlöst und uns frönet mit Gnade und Barmherzigkeit. Aber arm und bloß und leer an uns selber sind wir ans Land gekommen; doch der Heilige Geist füllt uns mit seinen Früchten, heiligt uns zu allerlei Tugenden und guten Werken, dass wir, die wir von Natur voll Hass und Haders, voll Schmerzes und Jammers waren, angefüllt werden mit Liebe, Freude und Friede, Geduld, Freundlichkeit und Gütigkeit, Glaube, Sanftmut und Keuschheit. Wahrlich, das sind Gnaden des Heiligen Geistes, für deren Lob Menschenworte von ferne nicht ausreichen; jeder berufene, erleuchtete und geheiligte Christ muss bekennen: Herr Gott, Heiliger Geist, ich bin zu gering aller Barmherzigkeit und aller Treue, die du an deinem Knechte getan hast! Und doch, wie verlassen wären wir und in welches namenlose Elend würden wir geraten, wenn wir, die wir dem Rufe des Heiligen Geistes gefolgt sind, von seinem Licht uns haben erleuchten und mit seinen Früchten beschenken lassen, nun der ewigen Heimat zu ohne den Heiligen Geist pilgern müssten. Ach, wir wandern ja hier in fremdem Lande; wehe mir, dass ich ein Fremdling bin unter Mesech; ich muss wohnen unter den Hütten Kedars! Das fremde Land ist angefüllt mit Feinden; die Feinde suchen uns zur Beute, ja Satan selbst hat uns begehrt! Wie bald, wie bald werden wir ausgeplündert sein, wie bald wird uns jeder Weg und Steg zur ewigen Heimat abgeschnitten sein! Aber Gott sei tausend Dank, der Heilige Geist, der so viel an uns getan, tut auch noch mehr; er, der uns aus den Fluten des Verderbens herausgerettet hat in das Heil in Christo Jesu, ist auch unser Beistand im Kampfe gegen die Feinde unserer Seele, hält uns aufrecht auf unserm sauren Pilgerwege und bringt uns durch seine allmächtige Hilfe durch Wüstensand auf rauer Bahn in Gnaden bis nach Kanaan.

Beistand unter allen Namen, die der Heilige Geist in der Schrift führt, ist dies so recht sein eigenster Eigenname. Das griechische Wort Paraklet, mit welchem der Heilige Geist von dem Herrn Jesu am häufigsten genannt wird, heißt erst in abgeleitetem Sinne Tröster, wie Luther es übersetzt hat, im nächsten Sinne heißt es Beistand. Beistand zu leisten denen, die an Jesum Christum glauben, auf dass sie unter seinem Schutz begegnen aller Feinde Trug mit freudigen Gebärden, das ist des Heiligen Geistes großes Hauptamt in der Gemeinde des Herrn und wert, dass wir ihm eine besondere Betrachtung widmen. Sehen wir uns denn die Feinde näher an, gegen deren Macht wir des Beistandes des Heiligen Geistes benötigt sind; erwägen wir sodann die Mittel, durch die der Heilige Geist uns Beistand leistet, und fragen wir schließlich noch, was wir selber zu tun haben, um allezeit des Beistandes des Heiligen Geistes versichert zu sein.

Luther sagte einmal: „Ich wollte nicht gerne, dass meine Seele in meiner Hand stünde. Stünde sie in meiner Hand, Satan hätte sie längst, ja in einem Augenblick wie ein Geier ein junges Hühnlein hinweggerissen; aber aus der Hand Gottes wird sie weder der Teufel, noch sonst Jemand reißen.“ Luther nennt in diesem treffenden Ausspruch als den gefährlichsten Feind der Seele den Satan, den Teufel. Wie ein brüllender Löwe geht er umher und sucht, welchen er verschlinge. Die Welt freilich lacht über solche schriftgemäßen Behauptungen und verhöhnt alle Furcht vor dem Satan als ungeheuerlichen, mittelalterlichen Aberglauben. Aber glauben, was Jesus Christus lehrt, ist nicht Aberglaube, sondern Glaube, und Jesus Christus lehrt, dass es einen Teufel gibt, und ein Mörder von Anfang ist. Diese Lehre der Schrift aber wird von der schmerzlichen Erfahrung aller Gläubigen nur zu sehr bestätigt. Es ist ja wahr, die Kinder dieser Welt haben im Ganzen Ruhe vor dem Teufel; sie hat er schon, darum hütet er sich, sie zu belästigen und ist niemals froher, als wenn er sie so weit hat, dass sie sogar seine Existenz bestreiten. Aber die Gläubigen hat er nicht; sie sind seiner Botmäßigkeit entrissen durch den Heiligen Geist, der sie berufen und erleuchtet hat und heiligt; darum sind sie es gerade, gegen die er mit großer Macht und vieler List anstürmt, um sie dem Herrn wieder zu entreißen und zu seinem Eigentum zu machen. Ach es ist Satans List über viele Frommen zur Versuchung kommen.“ Das macht eben die Bewahrung der Perle des Glaubens, das macht das Wandeln in den Bahnen der Heiligung so schwer, dass uns auf Schritt und Tritt die feurigen Pfeile des Bösewichts umschwirren, dass wir nicht bloß mit Fleisch und Blut zu kämpfen haben, sondern mit Fürsten und Gewaltigen, nämlich mit den Herren der Welt, die in der Finsternis dieser Welt herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel. Der böse Feind hat es gewagt, an den Anfänger und Vollender unsers Glaubens, an den Herrn Jesum Christum heranzutreten und ihn mit listigen Anläufen zu versuchen; wie er dem Herrn getan, so tut er auch seinen Dienern. Der Ruf des Heiligen Geistes war noch nicht lange erschollen in der Kirche Jesu Christi, als auch der Satan sich einstellte, um, die dem Rufe folgten, wieder in seine Fesseln zu schlagen. Ananias und Sapphira waren dem Rufe des Heiligen Geistes gefolgt und waren hinzugetan zu der christlichen Gemeine; da trat der Satan an sie heran und verführte sie zu Geiz und Heuchelei. „Anania, so rief St. Petrus in heiligem Schmerze aus, warum hat der Satan dein Herz verführt?“ Der Herr aber schlug den verführten Jünger, dass er starb, und sein Weib auch, dass es starb. Und wie zu den Zeiten der Apostel, so ist zu allen Zeiten der, Teufel geschäftig, dem Herrn die teuer erworbene Beute zu rauben; Luther sang von seiner Zeit: „Der alte, böse Feind mit Ernst er's jetzt meint!“ und wer weiß, ob wir in unsern Tagen dies Verslein nicht noch mit größerem Rechte singen. Man braucht nur an ein paar Sterbebetten gläubiger Menschen gestanden zu haben, um in tiefster Seelenangst zu erkennen, dass Manche, die einst mit ihrem Gotte über Mauern sprangen, schließlich über einen Strohhalm fielen, den ihnen der Teufel in den Weg legte.

Mit dem Satan verbündet sind die zwei andern mächtigen Seelenfeinde, die Welt und das eigne Fleisch. Zuvörderst die Welt. Nicht die Welt der Geschöpfe an und für sich, wie sie aus der Hand Gottes hervorgegangen ist, ist den Christen gefährlich, wohl aber die vom Teufel verderbte Welt, Menschen sowohl als Dinge. Zinzendorf unterschied tote und lebendige Weltmenschen, tote, die bei ihrem Verderben ganz unempfindlich sind und sich um den Herrn Jesum und seine Jünger gar nicht kümmern; lebendige, die, vom Geist der Welt belebt und von der Hölle entzündet, deklarierte Feinde Christi und seines Reiches sind. Die lebendigen Weltmenschen sind die gefährlicheren, da sie den Gläubigen das Leben sauer machen und durch Spotten oder Drohen, durch List oder Gewalt dieselben zum Abfall zu bewegen suchen. Nicht minder gefährlich ist die Welt der Dinge, aus der der böse Feind einen Jahrmarkt der Eitelkeit gemacht hat. Es gibt Dinge, wie Ordenssterne und Ehrenkleider, die zum Hochmut reizen; es gibt Dinge, wie Spiel und Tanz und Schmauserei, die zu noblen Passionen reizen; es gibt Dinge, wie Gold und Perlen und Edelstein, die zum Geize reizen. Die Gläubigen Leben inmitten dieser Welt, und alle Tage begegnen ihnen daher auf ihrem Wege mancherlei Anstöße und Fallstricke; wie furchtbar gefährlich dieselben sind, zeigt das traurige Beispiel eines Judas, den dreißig elende Silberlinge zum Verräter an seinem Herrn und Heilande machten, und das nicht weniger traurige Beispiel des Demas, den St. Paulus im Philemonbriefe noch seinen Gehilfen nennen kann und von dem er später an Timotheus wehmütig schreiben muss: Demas hat mich verlassen und diese Welt lieb gewonnen.

Schlimmer aber noch als die äußeren Feinde des Gläubigen ist derjenige Feind, den er im eignen Busen hat. Mein Freund, blick in dein Herz! Was macht dir deinen Schmerz? Was raubt dir deine Ruh? Dein eigner Feind bist du! Ich weiß, spricht St. Paulus Röm. 7, 18, dass in mir, das ist in meinem Fleische, wohnt nichts Gutes.“ Es sind ja die Christen nicht fleischlose Heilige, sondern sie sind eines Teils Geist, eines Teils Fleisch, und ebenso sehr wie den Geist gegen das Fleisch gelüstet, ebenso sehr gelüstet das Fleisch wider den Geist. Wo ist ein wahrhaft gläubiger Mensch, der nicht fortwährend diesen schmerzlichen Kampf empfände, da das Fleisch dem Geiste widerstrebt ach wie oft können wir kaum ein Vaterunser beten oder ein Kapitel in der Schrift lesen, ohne dass unsre Andacht von unwillkürlichen Bewegungen unsers Fleisches gestört würde! Die Sünde ist und bleibt auch nach der Bekehrung das Erbinventar in uns; der alte Adam geht mit uns, bis wir sterben; die Seele wohnt in der Erd' und wird von ihrer Last beschwert. Paulus war ein Christ, der kaum seines Gleichen hatte, und doch hatte er heftig zu kämpfen gegen die Schwachheiten des Fleisches, die seinen willigen Geist hemmten, gegen Furcht und großes Zittern, gegen mancherlei Unruhe, die das Fleisch dem Geiste machte. Er hat mit Gottes Hilfe seinen Leib betäubt und gezähmt und den schweren Kampf zum Siege durchgekämpft! er konnte am Abend seines Lebens von sich sagen: „Ich habe einen guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe Glauben gehalten!“ Aber wie Mancher, Mancher hat einen schlechten Kampf gekämpft, hat's im Geiste angefangen und hat es im Fleische vollendet! Ach, wie hat namentlich in unseren Tagen das Fleisch so Viele verleitet, dass sie mitten auf dem Wege nach dem gelobten Lande wieder umgekehrt sind zu den Fleischtöpfen Ägyptens einst hochgespannte Saiteninstrumente wohlgestimmt zum Anklingen heiliger Weisen und am Ende nach schwachem und immer schwächerem Kampfe gegen die Neigungen und Lüste, gegen die Sympathien und Antipathien des Fleisches nur noch verstimmte und zerrissene Harfen, auf denen keine einzige göttliche Melodie mehr richtig und harmonisch klingt.

Wahrlich, es ist nicht leicht ein Christ zu sein. Auf dem so schmalen Pfade gelingt uns nicht ein Schritt, es gehe denn die Gnade bis an das Ende mit. Aber gelobt sei Gott, die Gnade geht auch mit, geht mit jedem Gläubigen mit, der sie nicht mutwillens zurückscheucht. Der Gott aller Gnaden, sagt die Schrift, wird euch vollbereiten, stärken, kräftigen, gründen; er wird euch festbehalten bis ans Ende, dass ihr unsträflich seid bis an den Tag Jesu Christi; der in euch angefangen hat das gute Werk, der wird es auch vollführen; ihr werdet aus Gottes Macht durch den Glauben bewahrt zur Seligkeit.“ Es ist fast keine andre biblische Lehre von den heiligen Aposteln so fest und so oft und so deutlich gepredigt worden, als diese: Gottes des Heiligen Geistes erhaltende Macht hilft uns im Kampfe wider alle unsre Seelenfeinde zum endlichen Siege.

Die Mittel, durch die der Heilige Geist den Gläubigen beisteht im Kampfe wider Teufel, Welt und Fleisch und sie behütet, dass sie halten, was sie haben, und Niemand ihre Krone raube, sind teils äußere, teils innere. Die äußeren Bewahrungsmittel des Heiligen Geistes sind Wort und Sakrament, die darum auch in besonderem Sinne Gnadenmittel heißen. Die inneren Bewahrungsmittel sind die Vertretung und das Zeugnis des Heiligen Geistes, zwei Mittel, die gewöhnlich viel zu wenig gewürdigt werden.

Das erste Mittel, in und mit welchem der Heilige Geist uns seine göttliche Macht zur Erhaltung der Schätze des Heils darbietet, ist die heilige Taufe. Sie hilft uns das angefangene Wesen bis an das Ende festbehalten, indem sie, wenn Teufel, Welt und Fleisch uns zum Leichtsinn versuchen, unser Gewissen mahnt: „Beflecke das heilige Kleid nicht, das der gnädige Gott dir in den Tagen deiner Kindheit durch das erste Sakrament angezogen hat“, und indem sie, wenn die bösen Feinde uns in Schwermut und Anfechtung versetzen, uns den Trost in die Seele haucht: „Du hast ein sakramentliches Siegel der Liebe deines Gottes, und dir ist schon in jungen Jahren die Pforte des Himmels aufgeschlossen“, so dass wir jubeln können; „Ich bin getauft, ihr Feinde weichet; ich stehe unter Gottes Schutz, der seinem Kind die Hände reichet; was acht' ich eure Macht und Trutz? Greift ihr ein Gotteskind nur an, so glaubt, dass Gott es schützen kann!“ Luther fragte einmal seine Ehefrau, ob sie auch glaube, dass sie heilig wäre? Da verwunderte sie sich und sprach: „Wie kann ich heilig sein? Bin ich doch eine große Sünderin!“ Darauf sagte der ehrwürdige Kirchenvater: „Seht nur da den päpstlichen Gräuel, wie er die Herzen verwundet, also, dass sie nichts mehr sehen können, denn nur die äußerliche, persönliche Frömmigkeit und Heiligkeit, so ein Mensch selber vor sich tut. Glaubst du, dass du getauft und eine Christin bist, so musst du auch glauben, dass du heilig bist. Denn die heilige Taufe hat solche Kraft, dass sie die Sünden ändert und verwandelt, nicht, dass sie nicht mehr vorhanden wären und nicht gefühlt würden, sondern dass sie nicht verdammen. Der Taufe Wirkung, Macht und Kraft ist so groß, dass sie alle Anfechtungen der Gläubigen aufhebt und wegnimmt.“

Im Worte reicht uns der Heilige Geist nach der Wirkung seiner mächtigen Stärke das zweite Mittel der Bewahrung. Durch das Wort hat er uns berufen, durch das Wort uns erleuchtet, durch das Wort heiligt er uns, durch das Wort erhält er uns auch. Als unser Herr und Meister in der Wüste vom Teufel versucht wurde, da schlug er die drei Angriffe des Versuchers siegreich zurück durch das dreimalige: Es steht geschrieben! Durch das was geschrieben steht, bewahrt auch uns der Heilige Geist zur Seligkeit. Gottes Wort belehrt uns, wo wir in Zweifel stehen, stärkt uns, wenn wir schwach werden, tröstet uns, wenn wir Leid tragen, gibt uns Hoffnung, wenn uns der Mut entfallen will. Der Teufel ficht uns etwa an mit dem Zweifel, wir möchten nicht in der wahren Kirche stehen; es gebe der christlichen Kirchen so viele, wer könnte wissen, welche die rechte und seligmachende sei? Der Heilige Geist aber erinnert uns an das Wort Röm. 3, 28: „So halten wir nun, dass der Mensch gerecht werde ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben“, und wir werden getrost und gewiss, dass unsre teure evangelische Kirche, weil sie dieses Wort zum Schiboleth hat, die Kirche der reinen Lehre ist. Die Welt spottet unser, die Welt geht uns an Geld und Gut; wir sehen, dass es Gottlosen wohl geht in der Welt, dass sie blühen wie die Lorbeerbäume, und dass der Gerechte sich müht um das tägliche Brot; wir werden schwach im Glauben; flugs ist der Heilige Geist mit solchen stärkenden Sprüchen bereit, wie diese: „Was hilft es dem Menschen, so er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele? Wir haben nichts in die Welt gebracht, darum auch offenbar ist, wir werden nichts hinausbringen; so wir aber Nahrung und Kleider haben, so lasst uns genügen. In meine Hände habe ich dich gezeichnet; ich will dich nicht verlassen, noch versäumen.“ Krankheit, Trübsal und Elend kommt über uns, und das Fleisch bäumt sich hoch auf gegen die gewaltige Hand Gottes; da bietet uns zur bösen Stunde der Heilige Geist dieses und jenes Gotteswort zum Troste und zur Hoffnung dar: „Wir müssen durch viel Trübsal ins Reich Gottes eingehen; die Leiden dieser Zeit sind nicht wert der Herrlichkeit, die einst an uns soll offenbart werden; selig ist der Mann, der die Anfechtung erduldet; denn nachdem er bewährt ist, wird er die Krone des Lebens empfangen, welche Gott verheißen hat denen, die ihn lieb haben.“ Das Wort Gottes bewährt diese seine erhaltende Kraft sonderlich auch, wo es lauter und rein in der Kirche gepredigt wird. Das heilige Predigtamt hat nicht nur die von Gott gegebene Kraft, Seelen aus dem eitlen Wandel nach väterlicher Weise ins Reich Christi zu locken, sondern auch die andre, gläubig gewordene Seelen auf der schmalen Bahn zu stärken und zu erhalten. Wie sehnen wir uns in den sechs Tagen der Arbeit nach dem sabbatlichen Tage der Ruhe, wo uns vergönnt wird, in den Vorhöfen des Herrn Gottes Wort aus dem Munde treuer Zeugen zu hören! Gefällt es Gott, so kann er uns durch eine einzige Predigt alle unsre Sorgen nehmen, alle unsre Zweifel lösen und uns also erquicken mit seinen lebendigen Kräften, dass wir aufs Neue fröhlich laufen den Weg der Gebote Gottes.

O, das nenn' ich sel'ge Stunde,
Wo man Dein, o Herr, gedenkt,
Wo man mit der frohen Kunde
Von dem ewigen Heil uns tränkt.

Neues Leben, neue Stärke,
Reiner Andacht frische Glut
Zu dem frommen Liebeswerke
Schöpf' ich aus der Gnadenflut.

Und von göttlichen Gedanken
Einen reichen Blütenstrauß
Trag' ich heimwärts, Gott zu danken
In dem kleinen stillen Haus.

Der Taufe und dem Worte steht als Mittel sicherer Bewahrung das heilige Nachtmahl ebenbürtig zur Seite. Wie es den Glauben und die Heiligung voraussetzt, so fördert und stärkt es auch im Glauben und in der Heiligung. Das Geheimnis dieser Speise und die unerforschte Weise macht, dass ich früh vermerke, Herr, die Größe Deiner Stärke.“ Der Herr sagt Joh. 6: „Wer mein Fleisch isst und trinkt mein Blut, der hat das ewige Leben.“ Reicht uns der Herr im heiligen Nachtmahl seinen Leib, der für uns in den Tod gegeben ist, sein Blut, das vergossen ist zur Vergebung unsrer Sünden, so tut er auch solches zu einem gewissen Pfand und Versicherung der Gnade des Lebens, des geistlichen, göttlichen Lebens, das schon mitten in der Zeit der Ewigkeit angehört, auf dass der sündliche Leib aufhöre, dass wir hinfort der Sünde nicht dienen. Im heiligen Abendmahl erfährt es der Mensch lebendiger als sonst: „Um meiner Sünde willen ist Christus gestorben; er hat sie mir vergeben, gelobt sei Gott“ und hat nun auch eine größere Scheu zu sündigen, als sonst. Drei Dinge sind es, die jeder, der in Buße und Glauben am Tisch des Herrn gestanden, vom Sakramentsgenuss mit heimnimmt, einen festeren Glauben, ein zarteres Gewissen, und eine wärmere Liebe zu Gott und den Brüdern. In den alten Zeiten der großen Christenverfolgungen wappnete man die Märtyrer, wenn sie zur Marter gehen sollten, gerne mit dem Genuss des heiligen Abendmahls, und der gottselige Kirchenvater Cyprian pflegte dann zu den mit Christi Leib und Blut Gespeisten zu sagen: „Nun seid ihr genugsam getröstet; geht jetzt hin in Gottes Namen. Diese Speise wird euch dermaßen stärken, dass ihr alle Marter und Pein um Christi willen geduldig und mit Freuden erleiden könnt.“ Damit stimmt zusammen die christliche Sitte zu unsern Zeiten, da man den Sterbenden noch vor ihrem Ende das Sakrament des Nachtmahls reicht, dass sie, wenn sie nun wandern müssen durch das dunkle Tal des Todes, auf diesem sauren Wege nicht ermüden, sondern durch Kraft der sakramentlichen Speise Zuversicht empfangen, aus dem Jammertal in den Himmel zu gehen.

Aber nicht nur durch die äußere Hilfe der Gnadenmittel steht der Heilige Geist den Gläubigen bei, sondern auch innerlich einmal durch seine Vertretung und dann durch sein Zeugnis. Von der Vertretung des Heiligen Geistes lehrt St. Paulus Röm. 8, 26. 27 also: „Desselbigen gleichen auch der Geist hilft unsrer Schwachheit auf. Denn wir wissen nicht, was wir beten sollen, wie sich's gebührt; sondern der Geist selbst vertritt uns aufs Beste mit unaussprechlichem Seufzen. Der aber die Herzen forscht, der weiß, was des Geistes Sinn sei; denn er vertritt die Heiligen, nach dem, was Gott gefällt.“ Der die Herzen durchforschende ewige Gott ist größer, als unser von mancherlei Schwachheiten umfangenes Herz; er sieht in jedem gläubigen Christenherzen neben seiner Schwachheit auch den inwohnenden, vertretenden Heiligen Geist, der jede unsrer Schwachheiten mit unausgesprochenem Seufzen begleitet, dass Gott uns doch möge gnädig sein. Das Geheimnis des Gebetes überhaupt ist groß, und das Geheimnis des Gebetsbeistandes des Heiligen Geistes ist besonders groß; aber alle wahrhaft Gläubigen kennen das Durchwehtsein ihrer schwachen. Gebete vom Heiligen Geiste aus seliger Erfahrung. Wohl uns, dass wir nicht nur einen Fürsprecher im Himmel haben, Jesum Christum, der uns beim Vater vertritt, und bei ihm sich für uns verwendet als unser ewige Hohepriester, sondern auch einen Fürsprecher auf Erden, den Heiligen Geist, der uns ins Herz legt, was wir bitten sollen und der die Mängel unseres Gebetes ersetzt, indem er im Mitgefühl unserer Schwachheiten mit uns und für uns seufzt.

Mit der Vertretung des Heiligen Geistes hängt das Zeugnis des Heiligen Geistes eng zusammen. „Derselbige Geist, heißt es Röm. 8, 16, gibt Zeugnis unserm Geist, dass wir Gottes Kinder sind.“ Es ist das die innerliche Bezeugung der Gnade, dasselbe, was Paulus an andern Stellen die Versiegelung mit dem Heiligen Geiste nennt. Die Gläubigen sind mit dem Heiligen Geiste versiegelt, sie haben den ihnen erteilten Heiligen Geist als Gottesstempel ihrer Berufung und Wahl zum ewigen Leben und damit die innere Gewissheit ihres Gnadenstandes, das Bewusstsein des Friedens mit Gott und des offenen Zuganges zu seiner Barmherzigkeit, unter allen Versuchungen und Anfechtungen Satans, der Welt und des Fleisches. Katholische Irrlehre behauptet: „Niemand vermag mit einer Glaubensgewissheit, die den Irrtum ausschlösse, zu wissen, ob er in der Gnade stehe“; St. Paulus dagegen, das Zeugnis des Heiligen Geistes in seinem Herzen tragend, jubelt: „Ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel, noch Fürstentum, noch Gewalt, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes, noch Tiefes, noch keine andre Kreatur mag uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christo Jesu ist, unserm Herrn!“ Von einem beseligenden Sprechen Gottes im Innern des Herzens haben die tieferen Menschen aller Zeiten gewusst; der gläubige Christ weiß von einer Stimme des Heiligen Geistes, die mitten durch den rauschenden Wellenschlag der menschlichen Seele als Atem aus der ewigen Stille weht und zeugt: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein!“

Fürwahr, so groß die versucherische Macht der Feinde ist, die das Glaubensleben umgeben, die bewahrende Macht des himmlischen Beistandes des Heiligen Geistes ist noch größer, und es ist nicht schwer, ein Christ zu sein. O wenn nur die Gläubigen sich immerdar von der Macht des Heiligen Geistes erhalten lassen wollten! Wir werden aus Gottes Macht bewahrt zur Seligkeit durch den Glauben“, sagt die Schrift. Ja, daran liegt's, wir müssen fort und fort die Glaubenshand ausstrecken, nur so sind wir des Beistandes des Heiligen Geistes allezeit versichert. Nur durch den Glauben wird Gottes Macht zu unsrer Macht; nur wenn wir glauben, helfen uns die Gnadenmittel etwas; nur wenn wir glauben, dürfen wir uns der Vertretung des Heiligen Geistes und seines Zeugnisses getrösten. Der Unglaube macht alle gnädigen Wirkungen Gottes zunichte, auch seine schützende und erhaltende Wirkung; der Glaube ist das Band, das uns mit den Kräften der Allmacht verbindet; wer seinen Beruf und Erwählung festmachen will, wer sich bewahren will, dass der Arge ihn nicht antaste, wer halten will, was er hat, dass ihm gegeben werde, die Fülle zu haben, der muss sich täglich im Glauben üben.

Und zwar verlangt die Schrift von denen, die die schirmende und rettende Gottesmacht des Heiligen Geistes bis ans Ende bei sich haben wollen, einen wachsamen und betenden Glauben. „Wachet und-betet, dass ihr nicht in Anfechtung fallet; der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach.“ Matth. 26, 41. So seid nun wacker allezeit und betet, dass ihr würdig werden möget, zu entfliehen diesem Allen, das geschehen soll, und zu stehen vor des Menschen Sohn.“ Luc. 21, 36. Schläfrigkeit und Lauheit im Christentum sind allezeit die Vorboten des Falles; wen die Feinde im Schlafe überraschen, den überwältigen sie gewiss. Darum die Augen auf, wer überwinden will und einst von dem Holze des Lebens essen will, das im Paradiese Gottes ist. Was mit der geistlichen Wachsamkeit eigentlich gemeint ist, mag man von dem seligen Bogatzky lernen, der da sagt: „Ein Christ hat zwar wachsame Augen; mit dem einen sieht er sich stets als einen Sünder, mit dem andern in Christo ohne Sünde an.“ Betet aber auch dabei mitten in dem Wachen; sucht den Herrn, weil er zu finden ist, rufet ihn an, weil er nahe ist. Betet zu Gott dem Vater täglich und brünstig: „Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz und gib mir einen neuen gewissen Geist; verwirf mich nicht von deinem Angesicht und nimm deinen Heiligen Geist nicht von mir.“ Betet zu Gott dem Sohne täglich und innig:
„Herr Jesu Christ, dich zu uns wend',
deinen Heil'gen Geist du zu uns send',
der uns mit Gnad' und Hilf' regier‘
und uns den Weg zur Wahrheit führ'.“ 1)

Betet zu Gott dem Heiligen Geist täglich und eifrig:
„O heilige Brunst, süßer Trost,
hilf du uns freudig und getrost
in deinem Dienst beständig bleiben,
die Trübsal uns nicht abtreiben.
Herr, durch deine Kraft uns bereit'
und stärk' des Fleisches Blödigkeit,
dass wir hier ritterlich ringen,
durch Tod und Leben zu dir dringen.“ 2)

„Es ist ein großes und köstliches Ding, ein Christ werden. Es ist noch größer und köstlicher, ein Christ sein. Aber am größten und köstlichsten ist es, ein Christ bleiben, bis ans Ende bleiben. Dass wir bleiben, was wir geworden sind und sind durch die Berufung, Erleuchtung und Heiligung des Heiligen Geistes, hängt an dem Beistande des erhaltenden Heiligen Geistes; wollen wir erhalten werden, so müssen wir glauben und im Glauben wachen und beten. So schaffet denn, dass ihr selig werdet mit Furcht und Zittern; denn Gott ist es, der in euch wirkt beides, das Wollen und das Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen. Amen.

1)
Wilhelm von Sachsen-Weimar
2)
Martin Luther