Quandt, Emil - Die biblische Lehre vom Heiligen Geist - III. Das Licht des Heiligen Geistes.

Der große Gott hat große Dinge getan, um die sündigen Menschen vor dem Verlorengehen zu behüten. Gott der Vater hat sich seinen eingebornen Sohn vom Herzen gerissen und ihn in die Welt gegeben, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Gott der Sohn hat sich selbst entäußert und ist arm geworden um unsertwillen, auf dass wir durch seine Armut reich würden. Gott der Heilige Geist aber wird nicht müde, jeden einzelnen Sünder zu rufen und immer wieder zu rufen, dass er kommen und sich mit Gott versöhnen lassen möge durch Jesum Christum. So lange diese Gnadenzeit währt, verfolgt der Ruf des Heiligen Geistes jede Christenseele auf Schritt und Tritt; von der Wiege bis zum Grabe umschlingen die Seele seine suchenden Bande. Wenn dennoch so Viele, Viele dem ewigen Verderben anheimfallen, so trägt nicht Gott die Schuld, sondern die Menschen, die mutwillig alle Liebesbeweise, alle Rettungsversuche, alle Warnungen des Heiligen Geistes weit von sich weisen. Israel, du bringst dich selbst in Unglück! Solches machst du dir selbst, dass du den Herrn, deinen Gott, verlässt, so oft er dich den rechten Weg leiten will.

Gott hat's den Menschen schwer gemacht, verloren zu gehen. Er begnügt sich nicht damit, den Ruf seines Heiligen Geistes an ihr Ohr dringen zu lassen. Er lässt auch das Licht des Heiligen Geistes in ihr Leben scheinen, dass sie zur Buße und zum Glauben nicht nur gelockt, sondern auch gebracht werden. Das Licht des Heiligen Geistes umleuchtet die Menschen des neuen Bundes auf allen ihren Wegen. Wenn dennoch so Viele in die Irre gehen und in die Abgründe des Verderbens stürzen, so liegt das nicht an Gott, der einen Jeglichen erleuchten will, sondern an den Menschen, die sich gegen jegliche Erleuchtung absperren. Der Herr tue uns Allen die Augen auf, dass wir uns bekehren von der Finsternis zum Licht, und von der Gewalt des Satans zu Gott, zu empfangen Vergebung der Sünden und das Erbe samt denen, die geheiligt werden!

Wir haben die berufende Tätigkeit des Heiligen Geistes jüngst betrachtet, wir fassen nunmehr seine erleuchtende Tätigkeit ins Auge: wir widmen dem Lichte des Heiligen Geistes unsre andächtige Erwägung.

Es steht geschrieben vom Anfang der Tage, dass Gott zwei große Lichter machte, ein großes Licht, das den Tag regiere, und ein kleines Licht, das die Nacht regiere. Das geht auf die Sonne und den Mond, die die natürliche Finsternis vertreiben. Es gibt aber nicht nur eine natürliche Finsternis, sondern auch eine geistliche, wie geschrieben steht Jes. 60: Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker, und wie wir singen: Unser Wissen und Verstand ist mit Finsternis umhüllet. Und Gott sei gelobt in Ewigkeit, es gibt nicht nur zwei große natürliche Lichter, sondern auch zwei große geistliche Lichter, die die Finsternis der Seelen vertreiben: das kleinere Licht, das in die Nacht der Sünden hineinleuchtet, ist das Gesetz; das große Licht, das den Tag der Gnade heraufführt, ist das Evangelium. Luther nennt Gesetz und Evangelium die Gaben des Heiligen Geistes bei dem Werke der Erleuchtung; es sind die Lichtgaben der Neuschöpfung, durch die aus einem berufenen Sünder ein bekehrter Sünder wird. Gesetz und Evangelium sind das große Doppellicht des Heiligen Geistes, mit welchem er alle diejenigen erleuchtet, die seine Strahlen willig fassen.

Betrachten wir denn nun erstens die Erleuchtung, die der Heilige Geist dem Menschen durch das Licht des Gesetzes gewährt. So lange ein Zimmer ohne alles Licht ist, bleiben der Staub und alle Unsauberkeit in dem Zimmer verdeckt und verborgen. Man leuchtet mit dem kümmerlichen Lichte einer Kerze hinein, und es ist auch noch nicht viel vom Staube zu sehen. Nun aber werden. die Fensterladen aufgetan und das Licht von oben dringt herein, und siehe, man wird allenthalben viel Staub und Schmutz gewahr. Das Menschenherz ist wie das Zimmer. So lange der Mensch ganz und gar nicht in sein Herz hineinleuchtet und im Finstern dahintappt, ist und bleibt ihm sein inwendiger Zustand verborgen. Und so gehen Tausende dahin, nennen sich aufgeklärte Leute und Lichtfreunde und sind doch in Wahrheit große Dunkelmänner; haben in alles Mögliche hineingesehen und haben doch noch nie in ihr eignes Herz geschaut, also dass ihnen in der weiten Welt nichts so unbekannt und verworren ist, als ihr eignes Innere. Andere leuchten allerdings hinein in ihr Herz und sehen sich darin um; aber die Kerze, mit. deren Schein sie ihr Herz erleuchten, ist ihr eigner Witz und Verstand. Nichts aber leuchtet so schwach und kümmerlich als die durch die Sünde verwirrte und verirrte menschliche Vernunft. Die sich mit dem Kerzenscheine der Vernunft begnügen, entdecken wohl einige Unsauberkeiten in ihrem Herzen, einige Schwächen, einige Fehler und Mängel; aber im Ganzen nimmt sich doch das Menschenherz bei dem Scheine der Vernunft noch ziemlich tugendhaft und respektabel aus. Daher bilden Alle, die keine andere Beleuchtung ihres Lebens haben, als die vernünftige, rationalistische, in der Regel sich große Stücke auf sich selber ein und führen die Sprache, die jener Pharisäer im Tempel sprach: Ich danke dir, Gott, dass ich nicht bin wie andre Leute. Das wird aber wie mit einem Schlage anders, sobald das erste Licht des Heiligen Geistes in das Herz hineinleuchtet. In dem Lichte des göttlichen Gesetzes lehrt der Heilige Geist Jeden, der seinem Rufe gefolgt ist, so viel Staub, so viel Sünde, so viel Jammer und Elend in seinem Herzen sehen, dass der Mensch erschüttert auf seine Knie sinkt und seufzt: O meine Sünde, meine Sünde, meine Sünde! Vater, ich habe gesündigt in dem Himmel und vor dir; ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße.

Das göttliche Gesetz beginnt: Ich bin der Herr, dein Gott, du sollst nicht andre Götter haben neben mir. Der Mensch, vom Heiligen Geiste angefasst, prüft sich nach diesem Worte, und er findet mit Entsetzen, dass sein Leben an vielen hundert Punkten zugleich losgelöst ist von Gott, dass sein Empfinden, Begehren, und Wollen nicht unter Gottes Botmäßigkeit gestanden, sondern unter der Herrschaft der Welt und dessen, was in der Welt ist, der Fleischeslust und der Augenlust und des hoffärtigen Wesens. Das göttliche Gesetz befiehlt, den Namen Gottes nicht unnützlich zu führen, sondern ihn in allen Nöten anzurufen, zu beten, zu loben und zu danken. Und siehe, auch den redlichsten Menschen umringen die Übertretungen dieses Gebots von jedem: „Ach Herr Je“ und „Ach, Herr Gott“ an bis zur Gebetsunlust und Undankbarkeit hin wie die Berge. Das Gesetz erheischt die Heiligung des Tages Gottes, des Feiertags, und das andächtige Hören seines Wortes. Da steigen denn die Sonntagssünden des ganzen Lebens wie düstere Schatten aus der Vergangenheit herauf, all' die Verachtung der Ruhe Gottes, all' die Gleichgültigkeit gegen die Vorhöfe des Herrn Zebaoth, all' das Nichthören, all' das Überhören des Wortes Gottes, und es schlottern vor all' dem Übertreten die Gebeine des inwendigen Menschen.

Der Heilige Geist aber lässt noch nicht nach, er holt die zweite Tafel des Gesetzes hervor; nachdem er gefragt hat: Menschenkind, wie stehst du zu deinem Gotte? fragt er nun weiter: Du sündenvoller Mensch, wie stehst du denn zu deinem Nächsten? Er stellt das Gebot der Pietät gegen Eltern, Herren und Obrigkeit der Seele vor die Augen. O dies Pietätsgebot, wie hart verklagt es uns, die wir alle ungeratene Söhne sind von Natur; die mir alle eigensinnig und eigenwillig wie den göttlichen, so den menschlichen Ordnungen widerstreben, wenn sie unserm Fleische nicht passen. Emanzipation heißt die große Losung dieser Tage, von Emanzipationsgelüsten ist jedes Kind dieser Tage voll; und die Barrikaden der Revolutionen sind nur die letzten Ausläufer von dem Trotzen des unmündigen Knaben gegen Vater und Mutter. Kein Gebot wird in unsrer Zeit so schnöde mit Füßen getreten, als das vierte Gebot; und wo der Heilige Geist einem Menschen dieser Tage den Spiegel des vierten Gebotes vorhält, muss der Mensch erbleichen und erzittern. „Du sollst nicht töten“, befiehlt das göttliche Gesetz weiter; und der Heilige Geist setzt hinzu: Wer seinen Bruder hasst, der ist ein Totschläger. Ach, welch ein Donnerwort ist das für die fündige Seele! Wie ist der natürliche Mensch doch gar so sehr dem wilden Ismael gleich, seine Hand wider Jedermann voll Zankes, Hasses und Unversöhnlichkeit! Wie schwer wird es dem Menschen, Beleidigungen zu vergeben; wie ungeheuer schwer, sie zu vergessen! Wie groß ist die Eigensucht, wie klein ist die Barmherzigkeit; wie grauenvoll wird das Königliche Gesetz der Liebe übertreten! Der Mensch, vom Heiligen Geiste vor das fünfte Gebot gestellt, neigt sein Haupt, denn es ist krank, beweint sein Herz, denn es ist matt; von der Fußsohle an bis aufs Haupt ist nichts Gesundes an ihm, sondern Wunden und Striemen und Eiterbeulen. Der Heilige Geist aber rückt noch näher mit dem Gebote der Keuschheit, das alle Lüfte des Fleisches, alle Unreinigkeit, alle schandbaren Worte, alle Narrenteidinge verurteilt. Und der Mensch steht davor, vielleicht auswendig übertüncht, aber inwendig voller Gräuel und Schande. Und der Heilige Geist fragt und klagt: Weißt du nicht, dass deine Glieder Christi Glieder sein sollten, dass dein Leib mein Tempel sein sollte? Warum hast du den Tempel Gottes zur Mördergrube gemacht? Ach was hilft dem Apfel seine schöne, rosenrote Schale, wenn der Wurm das Inwendige zerwühlt, zerfressen und mit Unsauberkeit gefüllt hat? David sprach's und alle vom Heiligen Geiste Angefassten sprechen es ihm Angesichts des sechsten Gebotes nach: Meine Sünden gehen über mein Haupt; wie eine schwere Last sind sie mir zu schwer geworden. Es folgt das siebente Gebot. Ach es verurteilt ja nicht nur die Ausgestoßenen, die in den Gefängnissen ihre Strafe büßen, sondern auch die honetten Leute, die ihren Geiz Sparsamkeit, ihre Habsucht Erwerbsfleiß nennen; die sich nicht begnügen lassen an dem, was da ist; die sich entziehen von ihrem Fleisch; die sich keine Freunde im Himmel machen mit dem ungerechten Mammon; die das Pfund, das Gott ihnen im Leiblichen anvertraut hat, weder Ihm zu Ehren, noch den Nächsten zu Nutz gebrauchen. Auch das siebente Gebot treibt Jeden, der sich vom Heiligen Geiste zum Nachdenken führen lässt, das Wasser in die Augen. Nicht minder das achte Gebot. Das Belügen, Verraten, Afterreden und bösen Leumund machen ist ja weit und breit heutzutage an der Tagesordnung. Das Wort aus dem Munde ist ein Pfeil vom Bogen - wer will ihn einfangen? Ja doch, wer will all' die giftigen Pfeile einfangen, die vom Munde ausgegangen sind zum Leide, zum Verderben unserer Brüder! O über die Zungensünden, die Zungensünden! Es ist ihrer mehr als der Sand am Meere; der Mensch aber muss Rechenschaft geben von einem jeglichen unnützen Worte, das aus seinem Munde gegangen ist, von einem jeglichen! Wie schrecklich ist das! Wie viel Tausende von Verklägern werden am jüngsten Tage wider uns aufstehen! Ach, was soll ich Armer sagen, Gnade zu erflehen wagen, wo Gerechte selber zagen? Die beiden letzten Gebote verbieten das böse Gelüsten, dass der Mensch nicht soll haben wollen, was er nicht haben soll. Ach, das Feuer der bösen Lust, es brennt in jedem Busen; und wir haben es nicht einmal zu löschen gesucht, wir haben noch Holz hinzugetragen und Öl hineingegossen! In Summa, wir können dem Herrn auf tausend nicht eins antworten; wir sind große Sünder; wir sind sehr schuldbeladene Leute und haben zeitliche und ewige Strafen Gottes wohl verdient. Im Lichte des göttlichen Gesetzes verlieren wir alles Gefallen an uns selber und werden inne, dass wir dem Jammer und dem Herzeleid verfallen sind, weil wir den Herrn, unfern Gott, verlassen und ihn nicht gefürchtet haben. Wir erkennen unsre Missetat und unsre Sünde ist vor uns; wir erbeben vor dem, was mir vorhin getan; wir bekennen und klagen unserm Gotte: Herr, an dir allein habe ich gesündigt und übel vor dir getan“; wir hassen unsre Sünden als unsre großen Seelenfeinde und Seelenverderber.

Ach, mein Jesu, welch' Verderben
Wohnet nicht in meiner Brust;
Denn mit andern Adamserben
Steck' ich voller Sündenlust.
Ach, ich muss dir nur bekennen:
Ich bin Fleisch von Fleisch zu nennen.

Wie verkehrt sind meine Wege,
Wie verderbt mein alter Sinn,
Der ich zu dem Guten träge
Und zum Bösen hurtig bin.
Ach, wer wird mich von den Ketten
Dieses Sündentodes retten?

So kommt denn also durch das Gesetz Erkenntnis der Sünde. So zeigt uns also der Heilige Geist durch seine erste Lichtgabe, dass wir verlorene und verdammte Leute sind. So erleuchtet uns der Heilige Geist zuerst zur Buße. Die Heilige Schrift weiß allerdings nichts von einem methodistischen Bußkrampfe, wohl aber sehr viel von einem ernsten Bußkampfe. Es ist nichts mit dem leichtfertigen Gläubigwerden, da der Mensch ohne eine einzige Träne der Buße zu weinen mit einem Male gläubig ist; David schwemmte sein Bette die ganze Nacht mit seinen Tränen. Jeder Mensch, der dem Rufe des Heiligen Geistes in der Tat und Wahrheit folgt, wird von ihm immer zuerst über seine Sünden erleuchtet, dass er schmerzlich bewegt hinausgeht aus den Vorhöfen der Welt, wie St. Petrus aus dem Hofe des hohenpriesterlichen Palastes, und weint bitterlich. Der Heilige Geist bringt immer zuerst, wo er einen Berufenen anfasst und dieser sich anfassen lässt, durch das Gesetz zur Buße; aber wir dürfen dem Heiligen Geiste nicht die Bußmethoden vorschreiben. Die Bekehrungsgeschichten der Menschen sind so verschieden unter einander, wie verschieden die Menschen unter einander sind; gleich sind sie sich eben nur darin, dass immer ihre erste Hälfte eine Bußgeschichte ist. Wir teilen hier Eine Bußgeschichte mit und zwar die eines groben Sünders; die Buße muss auch bei seinen Kindern dieselbe sein, wenn auch ihre Geschichte anders ist.

Ein Jüngling, der dem Trunk, dem Spiel und schlechter Gesellschaft ergeben war, ward von seinem frommen Vater ernst und beweglich darüber zur Rede gesetzt. Der Sohn aber beantwortete die Mahnungen des Vaters damit, dass er alsbald in die nächste Zechstube ging, um die ernsten Gedanken zu ersäufen. Als er dahin kommt, trifft er daselbst zwar alle seine Freunde beisammen, aber die erwartete Fröhlichkeit will sich diesmal nicht einstellen, er kann des Stachels nicht ledig werden, der ihm von dem Gespräch mit seinem Vater, der ihm das Gesetz und seinen Fluch vorgehalten, im Gewissen geblieben ist. Während er trinken und sich ins Gespräch. einlassen will, stört ihn die Uhr; die geht so laut und so schwermütig hin und wieder, und während er darauf hören muss, klingt's ihm wider Willen immer in den Ohren: „Hin geht die Zeit, her kommt der Tod; o Mensch, bekehre dich zu Gott!“ Er sieht sein volles Glas an, da schallen ihm die Worte der Offenbarung ins Ohr: „Wie viel die Welt ihren Mutwillen gehabt hat, so viel schenkt ihr Gott Qual und Leid ein.“ Er schaut seine Kameraden an, deren Gesichter er kaum in dem starken Tabaksdampf erkennt, da kommen ihm die Verdammten in den Sinn und ihr Los: „Der Rauch ihrer Qual wird aufsteigen von Ewigkeit zu Ewigkeit.“ In dieser Stimmung wird ihm das Haus zu eng und alle Lust verdrießlich; er eilt hinaus ins Freie, ob in der frischen Luft ihm besser werde. Da sah er einen Fischer mit der Angel am Wasser sitzen, und der Geist flüstert ihm zu: „Der Mensch weiß seine Zeit nicht, sondern wie die Fische gefangen werden mit einem schädlichen Hamen, so werden die Menschen berückt zur bösen Zeit, wenn sie plötzlich über sie fällt.“ Er sah einen Holzhauer den letzten Schlag führen wider einen Baum, und der Baum stürzte krachend zusammen; er meinte eine Stimme zu hören: Ein jeglicher Baum, der nicht gute Früchte bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen.“ Er sah einen Raben fliegen und hörte ihn krächzen über seinem Haupt, da fasste ihn das Wort: „Ein Auge, das den Vater verspottet und verachtet, der Mutter zu gehorchen, das müssen die Raben am Bach aushacken und die jungen Adler fressen.“ Da konnte er dem Heiligen Geiste nicht länger. widerstreben, sondern brach in Tränen aus über sein sündliches Verderben, schlug in sich, wie der verlorene Sohn und ward ein anderer Mensch. Wie bei ihm, so geschieht's bei Allen, die dem Heiligen Geiste stille halten, wenn er mit der Leuchte des Gesetzes in ihr Herz und Leben leuchtet; sie gelangen zu der göttlichen Traurigkeit, die zur Seligkeit eine Reue wirkt, die Niemand gereut.

Wir betrachten nun zweitens die Erleuchtung, die der Heilige Geist dem Menschen durch das Licht des Evangeliums gewährt. Sie ist die notwendige und selige Ergänzung der Erleuchtung durch das Gesetz. Sie besteht darin, dass die Augen der Bußfertigen aufgetan werden, dass sie die Herrlichkeit Jesu Christi erkennen, eine Herrlichkeit als des eingebornen Sohnes vom Vater voller Gnade und Wahrheit. Durch das Gesetz deckt der Heilige Geist dem Menschen die dunklen Abgründe seines eigenen sündlichen Herzens auf, dass der Mensch sehr traurig wird und an sich selber verzagt; durch das Evangelium führt der Heilige Geist den Menschen auf die Sonnenhöhe der Erbarmung Gottes in Christo, dass ihm die Seele jauchzt vor Entzücken und er jubelt: Jesus nimmt die Sünder an, er hat mich auch angenommen.

Das große Denkmal der Erbarmung Gottes in Christo ist das heilige Kreuz von Golgatha. An diesem Kreuze sind durch das Blut des Sohnes Gottes alle unsere Übertretungen gesühnt; an diesem Kreuze ist unser Schuldbrief zerrissen; an diesem Kreuze ist allen Sündern Vergebung der Sünden, Leben und Seligkeit erworben. Aber der Gott dieser Welt hat der Ungläubigen Sinne verblendet, dass sie nicht sehen das helle Licht von der Klarheit Christi, das dieses Kreuz umfließt. Die am meisten verblendet sind, sehen in dem Kreuze Christi ein düsteres Zeichen mittelalterlichen Aberglaubens, und ärgern sich, dass diese Welt so gottbeseelt, so voller Wonne um und um zu ihres Glaubens Symbolum sich einen Galgen hat erwählt“. Sie verlangen und hoffen, dass die fortschreitende Menschheit auch über das Kreuz fortschreite; „sie träumen von einem goldenen Zeitalter, wo man von dem Kreuz von Golgatha so wenig sprechen werde, wie heutzutage von der Diana der Epheser. Andere stehen nicht so feindlich zum Kreuze, doch auch nicht im Mindesten freundlich. Sie haben ihre Augen so eifrig, so fest auf die Güter dieses Lebens gerichtet, dass sie das große Zeichen auf dem Berge Golgatha niemals eines Blickes würdigen; für sie hat nichts Wert, als klingende Münze. Das Kreuz ist ihnen so gleichgültig, wie nur irgendetwas, was nichts einbringt. Die nun aber vom Heiligen Geiste durch das Gesetz erleuchtet sind, fangen an, ihre Augen sehnsüchtig zum Kreuze zu erheben. Aber sie schließen die Augen bald wieder aus Trägheit des Fleisches und weil der böse Feind ihnen zuraunt: „Es ist zu spät für dich, im Kreuz das Heil zu suchen; deine Sünden sind zu groß, als dass sie dir vergeben werden könnten.“ Wehe, dreimal wehe, wenn da der Mensch auf sich allein angewiesen wäre; trotz der Erkenntnis seiner Sünde, ja gerade in Folge der Erkenntnis seiner Sünde würde er in Missglauben, Verzweiflung und andre große Schande und Laster verfallen. Es geschah so zum warnenden Exempel an Judas Ischarioth, welcher dem Heiligen Geiste widerstrebte; er schrie verzweifelnd: „Ich habe übel getan“ und ging hin und erhängte sich selbst. Vor solcher Verzweiflung bei der Erkenntnis der Sünde kann nur der Heilige Geist bewahren, und er bewahrt davor Jeden, der ihm willig folgt, mittelst der Erleuchtung durch das Evangelium.

Der da am Kreuze hängt, so spricht der Heilige Geist durch die Predigt des Evangeliums zu der durch das Gesetz erschrockenen Seele, das ist nicht bloß der Heiland, nicht bloß der Weltheiland, das ist auch dein Heiland. Er hat sein teuerbares Blut auch für dich vergossen, seinen heiligen Leib auch für dich in den Tod gegeben, er hat auch deine Sünde gesühnt; er hat auch an dich gedacht, als er sprach: Es ist vollbracht. Es ist wahr, so lehrt der Heilige Geist durch das Evangelium, deine Sünde ist groß, deine Schuld schreit gen Himmel und, es ist auch wahr, du kannst dich weder selbst erlösen, noch kann dich ein Mensch erlösen; es kostet zu viel, eine Menschenseele zu erlösen, dass Fleisch und Blut es muss Lassen anstehen ewiglich. Aber was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich; Gott war in Christo und versöhnte die Welt mit ihm selber. Und dieses Erbarmen Gottes in Christo ist schrankenlos; Niemand ist von demselben ausgeschlossen, als wer sich durch Unglauben, d. h. durch Nichtannahme des Erbarmens, selber ausschließt; wer zu ihm kommt, den will er nicht hinausstoßen. Dem Lamm ist nichts zu schlecht; ihr seid ihm alle recht; was Keiner mehr mag leiden, was alle Menschen meiden, das darf noch zu ihm kommen, wird von ihm angenommen. Darum fürchte dich nicht, glaube dein Heiland hat dich erlöst; hörst du's nicht, er ruft dich bei deinem Namen, du bist sein. Ob deine Sünde gleich blutrot ist, so soll sie doch schneeweiß werden, ob sie gleich ist wie Rosinfarbe, so soll sie doch wie Wolle werden. Das Blut Jesu Christi macht dich rein von aller deiner Sünde. Das Kreuz Jesu Christi ist das Zeichen des Heils für alle Mühseligen und Beladenen; glaube, glaube nur an den Herrn Jesum Christum, so wirst du und dein Haus selig.

Der Mensch in seiner Sünden durchbohrenden Gefühle lag weinend im Staube, inwendig Nacht und auswendig Finsternis. Siehe da geht ihm über dem Kreuz von Golgatha die Sonne der göttlichen Barmherzigkeit auf, und fröhlich hebt er seine Augen auf zu dem Lamme Gottes, das der Welt Sünde trägt. Und er erhebt sich aus dem Staube und eilt in die offenen Liebesarme dessen, dem allemal das Herze bricht, wir kommen oder kommen nicht. Der arme Sünder liegt nun selig wie Johannes an der Brust seines Jesus und spricht: „Herr, mein Hirt, Brunn aller Freuden, du bist mein, ich bin dein, Niemand kann uns scheiden; ich bin dein, weil du dein Leben und dein Blut mir zu gut in den Tod gegeben.“ Die Engel aber schlagen ihre Harfen und singen unsterbliche Lieder, dass wieder ein Sünder gerettet ist. Der große Gott im Himmel aber spricht sein Ja und Amen dazu. Nun wir denn sind gerecht geworden durch den Glauben, so haben wir Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesum Christ in der Kraft des Heiligen Geistes.

So kommt denn also durch das Evangelium Erkenntnis der Gnade Jesu Christi. So zeigt uns also der Heilige Geist durch seine zweite Lichtgabe, dass wir einen Heiland haben, der genug für uns getan hat. So erleuchtet uns der Heilige Geist zum Zweiten zum Glauben. Er geht auch bei dieser Erleuchtung mit den verschiedenen Menschen. verschiedene Wege; immer aber bringt er zum Glauben durch das Evangelium. Fragen wir auf dem ganzen Erdboden nach bei allen gläubigen, an den Heiland gläubigen Leuten: Wer hat euch herumgeholt? sie werden alle einstimmig antworten: Das süße Evangelium. Die Kinder, die dem Herrn geboren werden wie der Tau aus der Morgenröte, sind alle gezeugt in Christo Jesu durch das Evangelium. Auf der fernen Insel Rarotonga legte einmal vor vielen Jahren ein englisches Schiff an; und als der Kapitän mit dem Volk der Insel in Berührung kam, fand er barbarische Leute voll Sünden und Schanden und Frevel vor. Fast ein halbes Jahrhundert später besuchte derselbe Kapitän die Insel zum zweiten Male. Ein stattliches Kirchlein leuchtete ihm von ferne schon entgegen, statt der wüsten Hütten fand er freundliche Häuser vor, und die Einwohner sangen liebliche, geistliche Lieder, ihrem Herrn und Heiland zu Ehren. Verwundert fragte der Kapitän: Wodurch ist diese gewaltige Veränderung ins Leben getreten? Ei, sagten die Leute, wir haben unterdessen das süße Evangelium empfangen, das hat aus uns glückliche, fröhliche Menschen gemacht. Und so tut's das Evangelium bei Allen, die sich durch dasselbe vom Heiligen Geiste erleuchten lassen: es macht aus denen, die weiland Finsternis waren, ein Licht in dem Herrn. Selig der Mensch, der da wiederum geboren ist nicht aus vergänglichem, sondern aus unvergänglichem Samen, nämlich aus dem lebendigen Wort Gottes, das da ewiglich bleibet. Das ist aber das Wort, welches unter uns verkündigt ist.

Die da blind waren und durch ärztliche Hilfe ihr Augenlicht wieder erhalten haben, pflegen dem Arzte, der sie geheilt hat, nicht wenig dankbar zu sein. In den Lebensbeschreibungen berühmter Augenärzte, z. B. Jung Stillings, begegnen uns rührende und ergreifende Beispiele der Dankbarkeit. Die Erleuchtung des inwendigen Menschen ist höher als die Erleuchtung des auswendigen Menschen, soviel der Himmel höher ist als die Erde. Bußgläubige, bekehrte, gerechtfertigte, erleuchtete Christenmenschen dürfen es nie und nimmer vergessen, dass sie Alles, was sie in Jesu Christo sind und haben, der Erleuchtung des Heiligen Geistes verdanken. Aber Undank ist im Allgemeinen der Welt Lohn, Undank und besonders Undank gegen den Heiligen Geist ist nur allzu oft auch der Gläubigen Lohn. Es gilt, den Heiligen Geist selber zu bitten um ein recht dankbares Herz, das ihn täglich segne und benedeie für das helle Licht, das er uns hat aufgehen lassen. Aber auch das gehört zum Danke, dass wir ihn anflehen, er wolle erleuchten, was noch finster und verblendet ist, dass er mit seinem Gnadenscheine erfülle, die noch in Irrtum verführt sind. O du großer Gott, Heiliger Geist, erbarme dich deiner Christenheit und rufe über alle dunklen Herzen und Stätten dein göttliches Neuschöpfungswort: Es werde Licht! Amen.