Melanchthon, Philipp - An Dr. Hieronymus Weller.

(Trostbrief über den Tod des Nicolaus Hausmann.)

Wenn wir auch wackern Lehrern um der Kirche willen das längste Leben wünschen müssen, so gilt es doch dem Willen Gottes zu gehorchen, wenn er solche hin und wieder gleichsam von ihrer Station abruft und wegnimmt, zumal da wir wissen, daß sie in die Ewigkeit gerufen werden. Bei dem Gedanken an den Tod des Herrn Nicolaus ist mir zu Muthe, wie bei Entlassung von Freunden ins Vaterland. Denn deren Weggang mahnt mich nicht nur an die Liebe zum Vaterland, sondern entzündet auch in mir eine Begierde, mitzuwandern in die lieblicheren Orte. So gemahnt mich der Tod der Guten und Frommen an Erwartung der Unsterblichkeit, und erweckt in mir die Sehnsucht, zugleich mit ihnen zu jenem ewigen Sitze und Lichte, in welchem wir ohne Sünde, ohne Irrthümer, ohne Finsterniß die Weisheit Gottes genießen werden, hinzuziehen. Darum ermahne ich auch dich, deine Trauer zu lassen und nun an Förderung Eurer Kirche zu denken. Wie es im Felde den überlebenden Soldaten sich nicht ziemt, muthlos zu werden, wenn sie einige vor sich todt sehen, sondern in deren Fußtapfen zu treten, so sollen auch wir den uns vertrauten Beruf nicht verlassen, und sollen beten, daß Gott bei uns sein möge. Du weißt, daß unser Herr Christus wahrhaftig auferstanden ist und herrscht, um uns, die wir ihn anrufen, zu regieren. Er ist aufgefahren, um den Menschen Gaben zu geben. Ich bitte dich dringend, mit diesen Gedanken deine Seele aufzurichten… Lebe wohl.

Quelle: Renner, C. E. - Auserlesene geistvolle Briefe der Reformatoren