Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch! Amen.
Text: 1. Kön. 18, 17-21.
Da Ahab Elia sah, sprach Ahab zu ihm: Bist du, der Israel verwirrt? Er aber sprach: Ich verwirre Israel nicht, sondern du und deines Vaters Haus, damit, dass ihr des Herrn Gebote verlassen habt, und wandelt Baalim nach. Wohlan, so sende nun hin, und versammle zu mir das ganze Israel auf den Berg Carmel, und die vierhundert und fünfzig Propheten Baals, auch die vierhundert Propheten des Hains, die vom Tisch Isebels essen. Also sandte Ahab hin unter alle Kinder Israels, und versammelte die Propheten auf den Berg Carmel. Da trat Elia zu allem Volk und sprach: Wie lange hinkt ihr auf beiden Seiten? Ist der Herr Gott, so wandelt ihm nach; ist es aber Baal, so wandelt ihm nach. Und das Volk antwortete ihm nichts.
Geliebte Gemeinde! Es war eine Zeit der größten Verwirrung und der schwersten Bedrängnis für Israel, in die uns unser heutiger Text einführt. Ahab, der König über Israel, ein schwacher Mann, hatte seinem heidnischen Weibe zu Lieb dem Götzen Baal einen Tempel gebaut, und sein grausames, herrschsüchtiges Weib hatte die Propheten und Diener des Herrn ausgerottet. Im Volke fehlte es nicht an Neigung zum Götzendienste, und so mag einem Teil die neue Ordnung sogar willkommen gewesen sein, ein Teil fügte sich aus Furcht und Verzagtheit, und nur sieben tausend waren übrig geblieben in Israel, die nicht die Knie gebeugt hatten vor Baal. Da ward nach drei Jahren der schwersten Not, mit welcher Gott das untreue Volk heimsuchte, der Prophet Elias zu dem König Ahab gesendet; denn der Herr wollte sich seines armen, verkommenen und verführten Volkes wieder annehmen, wollte es wieder auf den Weg des Friedens weisen lassen.
Elias kommt zu Ahab. Als ihn Ahab sieht, spricht er zu ihm: „Bist du, der Israel verwirrt?“ Elias aber antwortete ihm: „Ich verwirre Israel nicht, sondern du und deines Vaters Haus, damit, dass ihr des Herrn Gebote verlassen habt und wandelt Baalim nach.“ Meine Lieben, die Kinder dieser Welt bleiben sich zu allen Zeiten gleich. Wenn sie alles Heilige mit Füßen treten, wenn sie die, welche dafür einstehen, mit grimmigem Hasse antasten und verfolgen, dann sind sie die Unschuldigen, die nur das Gute wollen, und die anderen sind die Friedensstörer. „Ihr Trotzen“, sagt der Psalmist, „muss köstlich Ding sein, und ihr Frevel muss wohlgetan heißen. Was sie reden, das muss vom Himmel herab geredet sein; was sie sagen, das muss gelten auf Erden.“
Ahab war jedoch nicht der Verstocktesten einer; in seinem Herzen war noch eine weiche Stelle, wo die Wahrheit noch Anklang fand. Die ernste Antwort, die ihm Elias auf seine Beschuldigung gab, machte Eindruck auf ihn, und war bereit, zu tun, was Elias von ihm verlangte. Er ließ das Volk versammeln auf den Berg Carmel. Und nun tritt Elias vor das ganze Volk und fordert es auf, sich zu entscheiden. Will es den Herrn zu seinem Gott haben, dann soll es ihm folgen, ihm dienen, ihm allein, und soll alle Gräuel des Götzendienstes aus seiner Mitte tun. Soll aber Baal sein Gott sein, dann soll es ihm folgen und soll nichts mehr gemein haben wollen mit dem Herrn. Wer aber Gott ist, wer da hört und hilft, wenn man zu ihm ruft, wer Gewalt hat im Himmel und auf Erden, ob der Herr oder Baal, das soll das Volk sofort erfahren durch das Wunder, das der Herr vor ihren Augen durch seinen Propheten wirkt.
Ihr wisst wohl, meine Lieben, was mich zur Wahl des heutigen Textes veranlasst hat. Es ist die Aufregung, die Unruhe, die in der letzten Zeit in unserer Stadt hervorgerufen wurde, und von der wohl Niemand ganz unberührt geblieben ist. Ich will und kann als euer Prediger und Seelsorger den Ereignissen der Zeit nicht aus dem Wege gehen.1) Dafür glaube ich euch im vorigen Jahr den Beweis gegeben zu haben während der Kriegszeit. Und so geziemt es mir wohl ganz besonders, über die gegenwärtigen Bewegungen auf dem Gebiet, auf das ich mit meiner Wirksamkeit hingewiesen bin, nicht zu schweigen. Manche von euch haben vielleicht erwartet, dass ich schon früher in dieser Sache das Wort ergreifen werde.
Meine Lieben, es ist unter uns eine gleiche Frage laut geworden, wie die, welche einst der Prophet Elias dem Volk Israel vorlegte. Es ist in unserer Mitte eine Gemeinde aufgetreten, die den christlichen Glauben seinem ganzen Umfang nach verwirft, die sich von Gott und Christo völlig losgesagt hat, und die nun alle Mittel aufbietet, aus unseren Gemeinden Genossen für sich zu werben. Da tritt denn an Alle die Frage heran: „Wollt ihr noch Christen sein, oder wollt ihr euch von Gott und Christo lossagen“? Ihr fühlt wohl, dass dies die ernsteste Frage ist, die uns vorgelegt werden kann; und darum wird es euch auch erwünscht sein, wenn wir sie jetzt näher erwägen.
Vater unser rc.
Wollt ihr noch Christen sein, oder wollt ihr euch von Gott und Christo lossagen? Das ist die Frage, mit der die Gegenwart an uns herantritt. Die Frage, die der Prophet Elias dem Volke Israel vorzuhalten hatte, lautete anders. „Ist der Herr euer Gott“, sprach er, „so wandelt ihm nach; ist es aber Baal, so wandelt ihm nach.“ Der Unglaube ist nicht erst seit heute und gestern auf der Welt. Auch im alten Bundesvolke gab es Ungläubige und Abtrünnige. Aber der Unglaube jener Zeit war seiner äußeren Gestalt nach ein anderer als der heut zu Tage. Der Unglaube jener Zeit war Götzendienst. Welche es in der Verkehrtheit ihres Sinnes zu schwer dünkte, dem Herrn ihrem Gott zu dienen, in seinen Geboten zu wandeln und ihm ihr Herz zum Opfer darzubringen, die wendeten sich zu dem sinnlich aufregenden und allem fleischlichen Begehren holden Dienst der heidnischen Götter. Dort fanden sie, wonach es ihr Herz gelüstete.
Der Unglaube in jener alten Gestalt ist jetzt nicht mehr möglich. Es kann Keinem der Gedanke kommen, in den Straßen Nürnbergs einen Götzenaltar errichten zu wollen. Unsere Bildung, die Entwicklung, die wir hinter uns haben, verbietet es. Aber ist damit der Unglaube ausgestorben? Nein, er tritt nur in anderer Gestalt auf.
Welches ist nun der Unglaube der Gegenwart? Die Heiden verwandelten, wie der Apostel Paulus spricht, die Herrlichkeit des unvergänglichen Gottes in das Bild der vergänglichen Kreatur; der heutige Unglaube will den ewigen Gott im Endlichen, will den Schöpfer in der Kreatur sich verlieren und aufgehen lassen. Mit einem Wort, man leugnet kurz und rund das Dasein Gottes.
Aber tun wir damit den Gemeinden, die wir im Auge haben, und ihren Lehrern und Führern nicht Unrecht? Sie behaupten das, und sie beklagen sich, dass wir sie nicht verstehen wollten. Man könne und dürfe, erklären sie, gar nicht sagen, die freien Gemeinden glaubten Dies oder Jenes. Dieser Überzeugung bin ich auch. Man kann wirklich nicht sagen, sie glaubten Dies oder Jenes. Warum aber? Weil sie eben nichts haben, weil sie durchaus gar nichts anzugeben wissen, was sie als den Inhalt ihres Glaubens bezeichnen könnten. Ja, sie selbst gestehen, dass bei ihnen nach irgendeinem Glauben gar nicht gefragt werde. Warum das? Weil sie eben nicht darnach fragen können. Sie haben selbst gefühlt, dass die allerniedrigste Forderung, die man an eine religiöse Gemeinschaft stellen muss, die ist, dass sie wenigstens eins ist in dem Bekenntnis: „Wir glauben an Gott.“ Sie haben, wie sie selbst gestehen, auch dieses Bekenntnis nicht festzuhalten vermocht. Warum? Weil sie eben nicht an Gott glauben. Denn die, die an Gott glauben, werden wahrhaftig nicht lange brauchen, um mit einander einzustimmen: „Wir glauben an Gott.“ Dies Bekenntnis abzulegen, ist ja eben ihre Freude und ihr Trost. Man kann also in der Tat nicht sagen, die freien Gemeinden glaubten an Dies oder Jenes. Elias konnte vor das Volk Israel mit der Frage treten: „Ist der Herr euer Gott, so wandelt ihm nach; ist es aber Baal, so wandelt ihm nach.“ Ich aber konnte meine Frage an euch nicht so stellen: „Wollt ihr noch Christen sein, oder wollt ihr dem Glauben der freien Gemeinden folgen?“ Diese Frage wäre ohne Sinn gewesen. Ich kann nur fragen: „Wollt ihr noch Christen sein, oder wollt ihr euch von Gott und Christo lossagen?“ Denn die freien Gemeinden sind nur eins im Verneinen, nur eins darin, dass sie sich von Gott und Christo losgesagt haben.
Aber sie behaupten, es wäre Unwahrheit, wenn man sagte, sie glaubten gar nicht an Gott. Allerdings, es wäre das Eigentümlichste, das man sich denken kann, wenn einer religiösen Gemeinschaft sogar der Name Gottes abhandengekommen wäre, wenn sie den Namen Gottes nicht einmal mehr im Munde führte. Aber welch ein Gott ist es denn, an den sie, wie sie vorgeben, glauben? „Wenn man uns fragt“, drückt sich einer ihrer Lehrer aus, „so findet sich's vielleicht, dass der größere oder der größte Teil von uns sich Gott nicht mehr als ein Wesen denkt, das in selbstbewusstem Sein existiert.“ Der Gott also, an den sie glauben, ist nicht ein selbstbewusstes Wesen. Das ist ein Gott, der von sich selbst nichts weiß, und umso weniger etwas von der Welt, umso weniger etwas von mir und dir weiß. Er kann nicht nach uns fragen, und wir brauchen nicht nach ihm zu fragen; er kann uns nicht lieben, und wir brauchen, ja wir können ihn nicht lieben. Das ist ein Gott, mit dem man bald fertig ist, ja, mit dem man gar nichts anfangen kann. Dieser Gott ist nichts anderes, als die blinde Kraft der Natur, der wir für das, was sie hervorbringt, nicht einmal zu danken haben; denn sie tut das nicht, weil sie will, sondern weil sie nicht anders kann, weil sie muss. Die Heiden suchten die Herrlichkeit des unvergänglichen Gottes zu verwandeln in das Bild der vergänglichen Kreatur, und der Unglaube der Gegenwart will die sichtbare Welt zum Grab des unsichtbaren und ewigen Gottes machen. Und diese Anschauung soll die Gottes allein völlig würdige sein. Damit soll er höher gestellt werden, als wenn er bekannt wird als der ewige, allmächtige Gott und Herr, der da spricht, so geschieht's, der da gebietet, so steht es da, und der alle Dinge trägt mit seinem kräftigen Wort. Ist denn die Dampfkraft, die den Wagen treibt, größer als der, der den Wagen baut, größer als der, der die blinde Kraft der Natur seinem Willen untertan macht? Aber noch mehr; man wagt sogar zu sagen, auch die älteste christliche Kirche, ja auch der große Apostel Paulus habe eine ähnliche Vorstellung von Gott gehabt. Wer, der auch nur eine Seite in den Briefen des Paulus gelesen hat, kann ihm mit gutem Gewissen und ohne zu erröten dergleichen zumessen? Aber in den freien Gemeinden geht Alles; da kann man Alles behaupten, Alles leugnen; da kann man schwarz-weiß und weiß schwarz nennen, wie mans eben braucht. Man will die bittere, bodenlose Armut um jeden Preis verhüllen; man will ein düsteres Grab mit ein paar Blumen umstecken.
Meine Lieben, die freien Gemeinden haben sich losgesagt von Gott und damit auch von seinem eingebornen Sohn, Jesu Christo. Wie will man denn auch an Gottes Sohn glauben, wenn man nicht an Gott glaubt? Sie nennen sich ja nicht einmal mehr Christen; sie sind ausgeschieden aus der Christenheit und haben jede Gemeinschaft mit der Gemeinde Christi gelöst. Was soll ihnen dann noch Christus sein? Sie sagen freilich, dass sie an ihm mit Dank und Bewunderung emporschauen, und dass sie von ihm lernen wollen. Aber wir wissen, was das heißt. Sie verehren ihn in derselben Weise, wie sie an Gott glauben. Sie haben nach Christo so wenig zu fragen, als sie nach Gott fragen. Was sie von Christo billigen, das sind ein paar einzelne Aussprüche, an die man auch bei den Heiden Anklänge findet, und die Niemand abweisen kann, wenn er sich nicht selbst ein sprechendes Zeugnis geistiger Armut ausstellen will. Wenn es sich aber um den eigentlichen Mittelpunkt der christlichen Lehre handelt; wenn Christus fragt: „Welcher unter euch kann mich einer Sünde zeihen? So ich euch aber die Wahrheit sage, warum glaubt ihr mir nicht?“, wenn er spricht: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; Niemand kommt zum Vater, denn durch mich;“, wenn hingewiesen wird auf die Frucht seines Leidens und Sterbens, wenn der Auferstandene verkündigt: „Also ist es geschrieben, und also musste Jesus leiden und auferstehen von den Toten am dritten Tag und predigen lassen in seinem Namen Buße und Vergebung der Sünden unter allen Völkern“; - nun wie steht es denn dann? Ach, dann hört die Freundschaft auf, und die Feindschaft beginnt, und welch bittere Feindschaft! Sie verehren ihn; ei, dann hätten ihn auch die verehrt, die ihn zum Tod verurteilt und ihn ans Kreuz geschlagen haben. Die mochten wohl auch manchen seiner Aussprüche gar schön und herrlich gefunden haben; aber sie schlugen ihn ans Kreuz, weil sie es nicht dulden wollten, dass er sich als den eingebornen Sohn des lebendigen Gottes, als den verheißenen Messias bekannte. Und die freien Gemeinden wollen es auch nicht dulden, dass Jesus Gottes Sohn ist. Sie verehren ihn; aber wenn, wie einst zwischen Christus und Barabbas gewählt wurde, Christus einem der Stimmführer unserer Zeit gegenüber gestellt würde, wen würden sie wählen und wen verwerfen? Sie verehren ihn und sind Feinde des Kreuzes Christi.
Die freien Gemeinden haben sich losgesagt von Gott und Christo. Und wofür gilt der Mensch? Er ist nichts als eine auftauchende und wieder verschwindende Woge im Strom der Zeit. Wer nicht an Gott glaubt, kann auch nicht an die Unsterblichkeit seiner Seele glauben. Die Religion der freien Gemeinden, meine Lieben, ist nicht eine Religion neben anderen Religionen; es handelt sich ihr gegenüber nicht um eine verschiedene Auffassung des einen und des anderen Punktes bei gleichem Glaubensgrunde; nein, sie ist die Religion ohne Religion, die Religion ohne Gott, die Religion der völligen Glaubenslosigkeit und Hoffnungslosigkeit.
Sehen wir doch einen Augenblick, was diese Religion uns bieten könnte. Du kennst deinen Gott und Herrn, mein Lieber; immer kommen deine Gedanken zu Gott zurück; und das eben ist das eigentliche Glück deines Lebens. Du gehst durch die Fluren in ihrem Blütenschmuck, in ihrem Erntereichtum; du lobsingst deinem Gott, der Alles so weise geordnet hat. Du siehst, wie das Vögelein sein Futter findet; du weißt, dass dein Gott noch viel weniger dir, seinem Kinde, das tägliche Brot wird fehlen lassen. Du bist in Not und Sorgen; du erhebst betend deine Hände, und in deinem Herzen wird es stille, der Herr hilft deine Last dir tragen. Du findest Hilfe, wo du keinen Ausweg mehr weißt; und du dankst fröhlich dem Herrn, der nahe ist Allen, die ihn anrufen, und der keines seiner Kinder verlässt und versäumt. Aber was sagt dir die neue Lehre, das Evangelium des Unglaubens? Du bist ein Tor! Die Welt ist nicht das Werk eines allmächtigen und allweisen Gottes. Durch Zufall ist sie entstanden, und du verdankst dein Dasein auch nur dem Zufall; einen Gott, der deiner gedenkt, einen Gott, der dich geschaffen hat, dich erhält, dich liebevoll leitet; ein Vaterherz, wie du es suchst, ein Vaterherz, an das du dich anklammern kannst in Zeit und Ewigkeit, gibt es nicht.
Siehe, es erscheinen Bräutigam und Braut vor dem Altar, glücklich in ihrer Liebe und vor Allem glücklich, weil sie gewiss sind, Gott habe sie also geführt, dass sie sich finden durften, damit sie einander zur Stütze sind, die treuesten Genossen auf dem gemeinsamen Weg zum ewigen Leben. Alles Täuschung! Ihrer Ehe fehlt der heilige Grund des göttlichen Wohlgefallens, sie folgen nur dem Zug der Natur.
Mein Lieber, du gedenkst mit Schmerzen, wie oft du gefehlt und gesündigt hast. Du bist voll Unruhe, bis du betend der vergebenden Gnade deines Gottes und Heilandes gewiss geworden bist. Aber sowie du es erfahren hast, dass das Blut Jesu Christi uns rein macht von aller Sünde, kehrt ein Friede ein in dein Herz, der über alle Vernunft ist, und du darfst schon hienieden die Kräfte der zukünftigen Welt schmecken. - Alles Täuschung! Es gibt keinen Gott, dem du Rechenschaft zu geben brauchst, und es gibt keinen Gott und Heiland, von dem du Gnade bedarfst. Wenn man beten wolle, sagt ein Lehrer der freien Gemeinden, so müsse man zu sich selber beten.
Siehe, dort liegt ein Vater auf seinem Sterbebette, umringt von seinen Kindern. Der kalte Todesschweiß steht auf seiner Stirne; aber sein Herz ist ruhig, denn in seinem Herzen ist die Liebe Gottes ausgegossen, und er sehnt sich, abzuscheiden und bei Christo zu sein. Auch um seine Kinder macht er sich keine Sorgen; er weiß, dass der Herr ein Vater der Verlassenen und Waisen ist. Alles Täuschung! Sein Weg geht nicht in den Himmel; es gibt keinen Himmel; sein Weg geht in die ewige Nacht, ins Nichts, und seinen Kindern bleibt nichts als das Geld und Gut, das er ihnen hinterlässt, und ihre Arme und Hände.
Siehe, dort drückt ein Gatte seiner Gattin, der treuen Gefährtin seines Lebens, der hingebenden Genossin seiner Freuden und Leiden, die Augen zu. „Leb' wohl“, spricht er unter Tränen, „leb' wohl, du trautes Herz, leb' wohl auf Wiedersehen, auf Wiedersehen unter dem Auge des Herrn!“ Siehe, dort wird einer Mutter einziges Kind ins Grab gesenkt. All ihren Reichtum, all ihre Hoffnung für diese Welt umschließt sein Grab. Aber sie hebt das matte, verweinte Auge zum Himmel und spricht: „Herr, mein Kind ist doch mein und bleibt mein. Ich habe es dir gegeben, und du gibst es mir einst wieder, mein seliges, vollendetes Kind.“ Alles Täuschung! Es gibt kein Wiedersehen. Wenn der letzte Atemzug verhaucht ist, dann bleibt vom Menschen nichts übrig als der vermodernde Leib.
Wir haben gesehen, meine Lieben, was die neue Lehre uns bieten könnte. Da ist Alles wüst und öde, und der Schatten des Todes lagert über Allem. Es ist die Religion ohne Gott, die Religion der Glaubenslosigkeit und Hoffnungslosigkeit. Und wie muss das Leben bei diesem Mangel an aller Religion und an allem Glauben sich gestalten? Ihr wisst es, wie vielfältig in unserer Zeit geklagt wird, dass Treue und Vertrauen unter den Menschen immer mehr schwinde, dass Rohheit und Frechheit sich immer mehr steigere, dass alle sittlichen Schranken immer mehr missachtet werden. Wenn man fragt, wie das kommt, so erhält man überall die Antwort: „Es fehlt der Glaube, es fehlt die Religion.“ Nun aber sagen uns die freien Gemeinden: „Es ist des Glaubens und der Religion noch zu viel. Wenn man gar nichts mehr glaubt, wenn man gar keine Religion mehr hat, dann erst wird Alles gut.“ Das ist gerade so, als wenn Einer, um in der Nacht recht gut sehen zu können, das Licht auslöschen wollte. Die Schrift sagt: „Die Toren sprechen in ihrem Herzen: Es ist kein Gott. Sie taugen nichts, sie sind ein Gräuel mit ihrem Wesen.“ O, wenn dieser neuen Richtung die großen Massen folgen würden, was sollte dann aus der Menschheit werden! Sie ist schon einmal zur Herrschaft gekommen in unserm Nachbarlande Frankreich. Dort hat es eine Zeit gegeben, wo der Glaube an Gott verboten war, und das Bekenntnis zu Gott als ein Verbrechen bestraft wurde. Ihr wisst, welch eine Zeit dies war. Das war die Zeit, wo der Erdboden das Blut nicht mehr einsaugen konnte, das durch die Guillotine vergossen wurde. Das war die Zeit, die heute noch die Schreckenszeit heißt, die Zeit, wo jedes Haupt vom Henkerbeil bedroht war, die Zeit, wo Keiner, wenn er am Morgen erwachte, gewiss war, ob er nicht noch im Laufe des Tages das Schafott besteigen müsse.
Und nun, meine Lieben, die Frage: „Wollt ihr Christen sein, oder wollt ihr euch von Gott und Christo lossagen“? Wollt ihr euer reiches, herrliches, königliches Erbe für die traurigste Bettlerarmut hingeben? Soll unser Nürnberg, das seine Ehre gewonnen hat durch die Treue, durch die Biederkeit und Frömmigkeit seiner Bürger, der Herd verwerflichen Unglaubens werden, soll seine Ehre in Schande verkehrt werden? Wollt ihr euere Väter, die euch euere Häuser gebaut haben, euere Mütter, die euch unter ihrem Herzen getragen haben, noch in ihrem Grab schänden und verhöhnen, indem ihr den Glauben verhöhnt, in dem sie glücklich gelebt und selig gestorben sind?
Nein, ihr wollt das nicht; ihr könnt das nicht. Ihr wollt Christen sein und Christen bleiben. Aber eine Ermahnung kann ich nicht unterlassen. Nur kein Hinken auf beide Seiten! Wollt ihr Christen sein, dann seid es auch mit voller Wahrheit und mit voller Entschiedenheit. Als Elias dem Volke Israel die entscheidende Frage vorlegte, da schwieg das Volk. Ich weiß, dass das von unserer Gemeinde nicht gesagt werden kann. Es hat in dieser Zeit der Aufregung an denen nicht gefehlt, die sich offen und freudig zu dem Herrn bekannten. Aber hat nicht doch vielleicht Mancher um irdischer Rücksichten willen geschwiegen, wo er hätte reden sollen? Für eine entscheidende Zeit gehört Entschiedenheit, und wehe dem, der durch Nachgiebigkeit die Ungerechtigkeit stärkt und fördert. Es kommen freilich der Fälle mancherlei vor, wo dem Christen Schweigen geziemt. Aber nie und nirgends darf der Christ das Wort des Herrn vergessen: „Wer mich bekennet vor den Menschen, den will ich auch bekennen vor meinem himmlischen Vater. Wer mich aber verleugnet vor den Menschen, den will ich auch verleugnen vor meinem himmlischen Vater.“ Und wie der Herr mit Allem, was er über die Seinen kommen lässt, ihnen einen Segen zuwenden will, so war es sicherlich die Liebesmeinung des Herrn, dass die letzte bewegte Zeit uns die weltüberwindende Macht unseres Glaubens recht eindringlich offenbaren und uns zu einem recht freudigen Bekenntnis zu dem Herrn erwecken sollte.
Wir, meine Lieben, folgen dem Herrn freudig und fröhlich. Der Unglaube tritt so keck und kühn hervor. Wir brauchen uns auch nicht zu fürchten. Der Sieg ist ja doch unser; oder, dass ich's recht sage, der Sieg ist unseres Herrn. Ihn kann Niemand von seinem Thron stoßen, und sein Reich ist ein ewiges Reich. Wie viel haben schon seit der Zeit, da er auf Erden wandelte, gegen ihn angekämpft! Und sie sind alle an ihm zu Schanden geworden. Eben unter dem Kampf werden die Grenzen seines Reiches immer weiter hinausgerückt. Denn er ist es allein, er allein, der jede Wunde heilt und alles Sehnen, und darum werden seine Kinder ihm fort und fort geboren werden wie Tau aus der Morgenröte.
8
Hin rollt der Strom der Zeiten und reißt die Welt mit fort;
Er ändert Sitten, Völker, treibt sie von Ort zu Ort.
Gleichwie im Sturm die Welle sich türmt und dann zerstäubt,
So steigt und fällt hin Alles. Nur Eins, steht fest, das ewig bleibt.
Es ist der Stamm des Kreuzes, daran der Heil'ge hing,
Den für das Heil der Sünder des Todes Weh' umfing,
Der Leidensbaum, dran reifte in heißer Sonne Glut
Die Frucht der ew'gen Liebe, dem menschlichen Geschlecht zu Gut.
Fest wie der Berge Gipfel auf ew'gem Felsengrund,
So steht das, Kreuz, ein Zeichen von Gottes Gnadenbund.
Wenn Alles wankt und weichet, fest bleibt es, hoch erhöht,
Ob auch zu seinen Füßen die schnöde Welt in Trümmer geht.
Jerusalem mag fallen und Rom in Staub verwehn!
Doch bleibt von Gottes Gnaden Ein Thron uns ewig stehn:
Das Kreuz, als Ruhmeszeichen des, der den Sieg gewann,
Der jetzt das Zepter führt und ewig nicht mehr sterben kann.
„Reißt doch“, rief mehr als Einer in tollem Wahne aus,
„Die Kreuze aus der Erden, und schmiedet Schwerter d'raus“!
Lasst sie nur schrei'n. Die Antwort gibt, der im Himmel ist;
Das Reich muss doch Dem bleiben, dem Er's gegeben, Jesu Christ.
Und nun auch noch ein Wort von mir! Man hat mich angefochten; mich kümmert das nicht. Ich diene meinem Herrn, und dabei frage ich nicht nach Ehre noch nach Schande vor der Welt. Er hat mich zu euch gerufen, von ihm zu zeugen; ich bleibe an meiner Stelle, ich weiche nicht, bis er mich abruft, bis er mir die Hände von meiner Arbeit tut. Ich achte es für eitel Gnade, wenn ich um seinetwillen leiden darf. Will es der Herr, dass ich mich in seinem Dienst verzehre, wie das Licht sich selbst verzehrt, indem es leuchtet, mir soll es lieb sein, wenn nur sein Name dadurch geehrt wird, und ihr davon Segen habt. Dem Herrn gehören meine Kräfte, ihm gehört mein Leben. Und wenn ich noch mehr tragen sollte, ich spreche mit dem Psalmisten:
„Herr, wie lange sollen die Gottlosen, wie lange sollen die Gottlosen prahlen, und so trotzig reden, und alle Übeltäter sich so rühmen? Herr, sie zerschlagen dein Volk, und plagen dein Erbe, und sagen: Der Herr sieht es nicht, und der Gott Jacobs achtet es nicht. Merkt doch, ihr Narren unter dem Volk, und ihr Toren, wann wollt ihr klug werden? Der das Ohr gepflanzt hat, sollte der nicht hören? Der das Auge gemacht hat, sollte der nicht sehen? Der Herr wird sein Volk nicht verstoßen, noch sein Erbe verlassen. Denn Recht muss doch Recht bleiben, und dem werden alle frommen Herzen zufallen. Wer steht bei mir wider die Boshaftigen? Wer tritt zu mir wider die Übeltäter? Wo der Herr mir nicht hilft, so läge meine Seele schier in der Stille. Aber der Herr ist mein Schutz, mein Gott ist der Hort meiner Zuversicht.“ Amen.