Baxter, Richard – Selbstverleugnung - Das XVI. Capitel.

Eigene Affecten muessen verlaeugnet werden.

Ein ander Stuecke der Selbheit / das getoedtet und verlaeugnet werden muß / sind die selbstischen und eigenen Affecten. GOtt hat die Seele ausgeruestet mit Affecten / theils daß sie sollen den Willen und andere Kraeffte der Seelen auffmuntern / damit dieselbe nicht nachlaeßig versaeumen / was ihnen zu thun gebuehrt / und theils ihnen in dem Werck selbst helffen: daß also die Affecten sind gleichsam als die Raeder und Segel der vernuenfftigen Seele uns zu GOtt und unserer Seligkeit naeher zu bringen / und nicht / daß sie sollen angewandt werden fleischlichem Selbst zu Dienst. Wann die Affecten geheiliget sind / und fuer GOtt gebrauchet werden / so werden sie genannt solche oder solche sonderbare Gnaden / und die Hitze derselben ist ein heiliger Eifer; aber wann sie gebrauchet werden vor fleischlich Selbst / so sind sie unsere Laster / und die Feurigkeit derselben ist dann nur Rasenheit oder fleischlicher Eifer und ein grosses Laster / wie wenig aber werden derselben gefunden / die sanfftmuethig und gedultig sind in ihrer eigenen Sache / und eifern in einem heiligen Eifer fuer GOtt? Ich weiß / es sind viele eiferig im disputiren / und andern Ubungen in Religions-Sachen / und meynen / es sey ein reiner Eifer fuer GOtt / da es doch im Grunde Selbheit ist / und Selbst so wol das Feuer erhaelt als anzuendet / da sie es kaum erkennen koennen / und wenig wissen / wessen Geistes Kinder sie sind: Ein reiner Eifer aber für GOTT / da Verlaeugnung bey ist / ist ueberaus seltzam / wie wenig sind derer / die da sagen koennen / daß ihre Liebe zu GOtt groesser und heisser ist / dann die Liebe zu ihnen selbst? Die Menschen begehren hefftig diejenige Dinge / die ihre Noth kehren koennen / und die ihrem verdorbenen Willen gefallen / aber wie kalt sind sie / die Ehre GOttes zu befoerdern? Wie ungern kommen die Menschen daran / was dem Fleisch moechte schaedlich seyn / als in ein Pest-haus zu gehen / oder toedtlich Gifft einzunehmen / oder Schmerzen zu leiden? Wenig aber sind es / die widerwillig sind / das Gesetze GOttes zu brechen. Ein hartes Wort / oder ein klein Unrecht / das ihnen widerfahren ist / kan sie zum Zorn reitzen / so daß ihr Zorn sich sehen laest in Scheltworte / wo nicht in groesserer Rache: aber GOtt mag bespottet werden einen Tag nach dem andern / und das koennen sie mit Gedult ertragen / es sind wenig fleischlich Gesinnete / die nicht mit viel groesserer Gedult solten hoeren einen Mann schweren oder fluchen / oder die Schrifft und ein heilig Leben bespotten / denn zu hoeren / daß er ihn nennet einen Schelm oder Dieb oder Luegner oder derglelichen schimpflichen Namen. Es duencket den selbstischen Leuten / die durch Hoffart und Stoltz groß sind in ihren eigenen Augen / ein unertraeglicher Schimpff / daß einer sie soll in die Augen Luegen straffen / oder ihr Geschlecht beschimpffen oder veraechtlich von ihnen reden: aber sie koennen anhoeren hundert Eyde und Laesterung der Warheit und Wegen GOttes / so geruhig und gedultig / als wann das nichts zu bedeuten haette. Ihre eigene Feinde / die sie GOtt befiehlet / daß sie sie lieben sollen / die hassen sie im Hertzen / aber die Feinde GOttes und der Heiligkeit / davon David sagt / daß er sie hasse / und ihn auf sie verdriesse / und sie in rechtem Ernst hasse / Psalm 139. v. 21. 22. die sind ihnen wenig oder gar nichts zu wider. Allein so ist es nicht mit denenjenigen / darinnen die Selbst-Verlaeugnung und Gnade GOttes herrschet. Als David hoerete / daß ihm Simei fluchete / da befahl er seinen Soldaten / daß sie ihn solten zufrieden lassen / denn GOtt haette es befohlen / das ist / GOtt haette es zugelassen durch seine Versehung / damit Er David straffete / und indeme er den Simai nicht haette zuruecke gezogen / sondern ihn lassen seinen Muthwillen ausueben / damit David versuchet wuerde. Also konte David leiden / daß ein loser und schlechter Mann bey ihm hergieng / und ihm fluchete / ihn ausschalt als einen Verraether und Bluthund / und ihn mit Steinen warff / daß er auch noch den Abisai straffete / der ihm den Kopff abreissen wolte / 2 Sam. 16. v. 7.8.9.13. Wann aber eben dieser selbige David redet von den Gottlosen / von den Uebertretern / Verleumdern / Luegnern / Stoltzen und Falschen / so beschliesset er / daß er sie nicht kennen wil / er vermag dessen nicht / sie sollen nicht bleiben in seinem Hause / und sollen nicht bey ihme gedeyen. Er hasse sie / er vertilge sie im Lande / und wolle sie ausrotten aus der Stadt des HErrn / Psalm 101. So verhielt sichs auch mit Moses / da GOtt beleidiget war durch die Abgoetterey der Israeliten / da war er so eyferig / daß er die steinerne Tafel auf die Erde warff / in welcher GOtt das Gesetze geschrieben hatte / und zerbrach dieselbe: Alleine da Mirjam und Aaron gegen seine eigene Person redeten / da stellete er GOtt die Sache heim / und er betete nur fuer sie. Pinehas sein Eifer fuer GOtt wehrete der Plage / und es wurd ihm gerechnet zur Gerechtigkeit / da hingegen der selbstische Eifer des Simeons und Levi nur genennet wird ein verfluchter Zorn / und brachte ueber sie selbst den Fluch an statt des Segens / daß sie solten seyn zertheilet in Jacob / und zerstreuet in Israel / Genes. 49/ 5.6.7. Darum lasset euch warnen durch das Wort GOttes / und gebrauchet eure Affecten vor GOtt / der sie euch gegeben hat; Ist es aber eine Sache / die Selbst allein angehet / so sterbete ab euren Affecten / als ob ihr keine bey euch haettet. Ist das Unrecht euch widerfahren / so dencket bey euch selber: Ach leider! ich bin so ein elender und geringer Wurm / daß es ein schlechtes ist mich zu beleidigen / gegen das allergeringste / damit GOtt beleidiget wird / es ist nicht wreth / daß ich darueber zuernen oder mich entruesten solte. Gedencket / daß das GOtt zustehe / daß Er das Unrecht / so euch widerfahren / richte / und das euer Werck sey / zu verhindern und zu beweinen / daß GOtt nicht beleidiget werde. Und darum / wann euch die Leute fluchen oder spotten / oder uebel nachreden / dafern GOttes Ehre beruhet / alsdann sehet zu / wie ihr euch gegen diese Laesterung reinigen und vertheidigen moeget. Aber thut es nicht fuer Selbst / sondern fuer GOtt: Im uebrigen seyd gleichsam als todt / der keine Augen hat / das Unrecht / so ihm widerfaehret / zu sehen / oder keine Ohren / es zu hoeren / oder kein Hertz / es zu fuehlen / oder keinen Verstand / es zuvernehmen / oder keine Haende / sich dafuer zu raechen / dieses ist die suendliche Glieder toedten / und selbst abgestorben seyn. Wann eure Affecten in euch sich beginnen zu regen / so fraget sie / was es bedeute? vor weme es sey / und wer da sey beleidiget worden? Ist es GOtt / so fraget ihn um Rath in seinem Worte / was Er haben wolte / das ihr thun soltet / und gehet vorsichtig um mit euren Affecten / daß ihr nicht das rechte Maß und Ziel ueberschreitet / alsdann wird es seyn ein heiliger und angenehmer Eifer: Ist es aber Selbst / der beleidiget ist / so erinnert euch / daß ihr nicht euer eigen seyd / und darum quaelet euch nicht mit vielen Gedancken der Sachen halben / sondern lasset GOtt fuer sein Eigenthum sorgen / und mit demselben machen / wie es Ihm gefaellt: Seyd ihr sein / so ist eure Sache auch sein / und darum lasset Ihn dafuer sorgen / dem es mehr angehet / als euch / und der gesaget hat / die Rache ist mein / Ich wil vergelten.