Baxter, Richard – Selbstverleugnung - Das XIII. Capitel.

Selbstische Dispositiones muessen verlauegnet werden.

Und I. Eigen-Lieben.

Nachdeme wir gesehen haben / in was Respect und aus was Ursachen Selbst muß verlaeugnet werden; so folget / daß ich nun weiter anzeigen muß die Stuecke insonderheit / darinnen Selbst muß verlauegnet werden / und dasjenige / was zu diesem wichtigen Werck sonst erfordert wird. Hier muesset ihr euch nun erinnern / was der seligmachende Glaube ist / daß wenn ihr sehet / wie Selbst sich deme widersetzet / ihr lernen mueget / wie ihr es verlauegnen sollet: Der seligmachende Glaube / ist ein solcher Glaube an Christum um Versoehnung mit GOtt / und dessen ewige Geniessung in der Herrlichkeit / daß er uns verursachet zu verachten / und in unsern Hertzen verlassen alle Dinge in der Welt / und uns zu uebergeben dem Geleit des Wortes und Geistes / dieselbe zu erlangen. Wann ein Mensch sich begeben kan aller Lust / Nutz und Ehre dieser Welt / erstlich / daß er in seinem Hertzen derselben nicht achtet / nicht liebet / nicht suchet / und hernach / daß er sie kan in der That selbst fahren lassen / wann es GOtt von ihme erfordern wird / wegen des vesten Vertrauen und Hoffnung / die er hat / Gottes in der ewigen Herrlichkeit zu geniessen / als welche Geniessung ihme erworben und verheissen ist durch JEsum Christum; derselbe ist ein Christ / ein Juenger Christi / ein wahrer Glaubiger; und keiner dann ein solcher. Und wie gemeldet / daß GOtt in Einigkeit / und Vater / Sohn und H. Geist in Dreyfaltigkeit ist das Objectum unsers seligmachenden Glaubens / also ist es fleischlich Selbst in Einigkeit / und Lust / Nutz / Ehre in Dreyfaltigkeit / deme alle wahre Christen absagen und verlaeugnen muessen / als welches ist / davon wir abkehren muessen / wann wir zu GOtt uns bekehren. Daß also kuertzlich euer Selbst-Verlauegnung insgemein bestehet in Verlaeugnung euer eigen Disposition und Interesse, es habe Namen / wie es wolle / wenn es gegen GOtt dem Vater / Sohn und H. Geist / oder stehet nicht in einer gebuehrlichen Unterordnung unter ihme / und dieses Interesse, welches ihr verlaeugnen muesset / bestehet in eurer Lust / Nutz und Ehre. Demnach werde ich hievon unterschiedlich / aber kuertzlich handeln.

1. Der Anfang muß geschehen in Verlaeugnung und Toedtung euerer verdorbenen und selbstischen Disposition, oder ihr koennet nimmer wol verlauegnen euer selbstisch Interesse. Es ist nicht genug / diese Selbheit unter zuhalten / in deme ihr derselben etwas versaget / daß sie gerne haben wolte / sondern die selbstische Inclination und Natur selber muß so weit getoedtet und gedaempffet werden / daß sie nicht herrsche / wie sie zuvor zu thun pflag: Dann dieses / das wir Selbheit heissen / ist nicht eure Persohn / auch nicht etwan ein geistlich / ordentlich / oder natuerlich Begehren eures Besten und Wolfarth: Sondern es ist / daß die Seele unordentlich an euch selbst haenget / und abweichet von GOtt / an welchem sie hangen solte / und uebertraeget also Gottes Recht und Ehre zu euch selbst. Heiligkeit ist eine Neigung und Ubergebung zu GOTT / durch welche zwey Stueck wir sind ihme aus- und abgesondert. Gottlosigkeit ist eine Neigung / Ubergebung und Wiedmung unser zu uns selbst ueber GOtt / oder als unterschieden von ihme. Und diese neigung / Disposition und Absonderung des Menschen zu sich selbst / an statt Gottes ist es / das ich nenne Selbst / oder Selbheit / und dieses Selbst muß getoedtet seyn / so weit als es herrschen wil.

Demnach haben wir erst in acht zu nehmen / worinnen die selbstische Disposition bestehe / die getoedtet muß werden / und dann hernach / worinnen das selbstische Interesse bestehet / das verlaeugnet werden muß. Erstlich / die selbstische Disposition bestehet in folgenden unterschiedlichen Stuecken.

Das vornehmste Stueck desselben bestehet in einer unordentlichen Eigen-Liebe. Dieses Uebel ist so tieff gewurtzelt in dem menschlichen Hertzen / daß es mag billich genannt werden seine natuerliche Zuneigung / die darum auf dem Grund lieget / unter allen wuercklichen Suenden / wie sie Namen haben / und muß veraendert werden in eine neue Natur / die vornehmlich bestehet in der Liebe Gottes: Diß ist das Hertz selbst der Erbsuende, dieses saget / was der Mensch von Natur ist / nemlich ein unordentlicher Eigen-Lieber: und wie er ist / also ist auch sein Thun beschaffen: Hierinnen sind virtualiter alle andere Laster in der Welt begriffen / gleichwie alle Gnaden verfasset werden in der Liebe Gottes. 1. Die Facultaet oder Krafft der Seelen / darinnen diese Disposition vornehmlich ihren Sitz hat / ist der Wille: Und ist ihr vornehmster Act eine unordentliche Hangung des Menschen und Gefallen an ihme selbst: Und diese ist die unordentliche Eigen-Liebe / die erstlich muß getoedtet seyn.

2. Die andere Facultaet oder Krafft der Seelen / die Selbst verdorben hat / ist der Verstand / und da findet sich zuerst die Suende der Selbst-Erhebung / welche ist das ander Stueck der Selbheit / das getoedtet werden muß. Wie es natuerlich ist dem Menschen / voller Suenden / schlecht und elend zu seyn / also ist es ihme auch natuerlich / daß er sich selbst sonderlich tugendhafft / geschickt und ehrenwuerdig achtet. Alle Menschen ueberheben sich selbst von Natur / und wolten also / daß alle andere sie hoch erheben solten: Diß ist die Suende der Hoffart. Davon an seinem Ort.