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Galaterbrief

Galaterbrief

Kapitel 1

1:1 Paulus, ein Apostel (nicht von Menschen, auch nicht durch Menschen, sondern durch JEsum Christum und GOtt den Vater, der ihn auferwecket hat von den Toten),

1:1 und alle Brüder, die bei mir sind: Den Gemeinden in Galatien.

1:2 Gnade sei mit euch und Friede von GOtt dem Vater und unserm HErrn JEsu Christo,

1:3 der sich selbst für unsere Sünden gegeben hat, daß er uns errettete von dieser gegenwärtigen argen Welt nach dem Willen GOttes und unsers Vaters,

1:4 welchem sei Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.

1:5 Mich wundert, daß ihr euch so bald abwenden lasset von dem, der euch berufen hat in die Gnade Christi, auf ein ander Evangelium,

1:6 so doch kein anderes ist; ohne daß etliche sind, die euch verwirren und wollen das Evangelium Christi verkehren.

1:7 Aber so auch wir oder ein Engel vom Himmel euch würde Evangelium predigen anders, denn das wir euch geprediget haben, der sei verflucht!

1:8 Wie wir jetzt gesagt haben, so sagen wir auch abermal: So jemand euch Evangelium prediget anders, denn das ihr empfangen habt, der sei verflucht!

1:9 Predige ich denn jetzt Menschen oder GOtt zu Dienst? Oder gedenke ich, Menschen gefällig zu sein? Wenn ich den Menschen noch gefällig wäre, so wäre ich Christi Knecht nicht.

1:10 Ich tue euch aber kund, liebe Brüder, daß das Evangelium, das von mir geprediget ist, nicht menschlich ist.

1:11 Denn ich hab' es von keinem Menschen empfangen noch gelernet, sondern durch die Offenbarung JEsu Christi.

1:12 Denn ihr habt je wohl gehöret meinen Wandel weiland im Judentum, wie ich über die Maßen die Gemeinde GOttes verfolgte und verstörete sie

1:13 und nahm zu im Judentum über viele meinesgleichen in meinem Geschlecht und eiferte über die Maßen um das väterliche Gesetz.

1:14 Da es aber GOtt wohlgefiel, der mich von meiner Mutter Leibe hat ausgesondert und berufen durch seine Gnade,

1:15 daß er seinen Sohn offenbarete in mir, daß ich ihn durchs Evangelium verkündigen sollte unter den Heiden, alsobald fuhr ich zu und besprach mich nicht darüber mit Fleisch und Blut,

1:16 kam auch nicht gen Jerusalem zu denen, die vor mir Apostel waren, sondern zog hin nach Arabien und kam wiederum gen Damaskus.

1:17 Danach über drei Jahre kam ich gen Jerusalem, Petrus zu schauen, und blieb fünfzehn Tage bei ihm.

1:18 Der andern Apostel aber sah ich keinen ohne Jakobus, des HErrn Bruder.

1:19 Was ich euch aber schreibe, siehe, GOtt weiß, ich lüge nicht.

1:20 Danach kam ich in die Länder Syrien und Zilizien.

1:21 Ich war aber unbekannt von Angesicht den christlichen Gemeinden in Judäa.

1:22 Sie hatten aber allein gehöret, daß, der uns weiland verfolgte, der prediget jetzt den Glauben, welchen er weiland verstörete;

1:23 und preiseten GOtt über mir.
Paulus rühmt die Göttlichkeit des von ihm verkündigten Evangeliums im Gegensatze gegen die Lehre der in den Gemeinden Galatiens aufgetretenen Irrlehrer, welche neben Christo zur Erlangung der Seligkeit auch die Beschneidung und mit ihr die Verpflichtung zum jüdischen Gesetz als durchaus nothwendig lehrten, und sich dabei wahrscheinlich auf einige Apostel in Jerusalem, namentlich auf Petrus fälschlich beriefen, um dadurch den Apostel Paulus und seine Predigt herabzusetzen. Paulus erklärt dabei unter anderm: „Aber so auch wir oder ein Engel vom Himmel euch würde Evangelium predigen anders, denn das wir euch gepredigt haben, der sei verflucht.“ Ein mächtiges Wort; aber freilich nicht nach dem Geschmack der Menge. Es erschreckt heilsam die Sichern, es entzaubert die Irregeleiteten und Verblendeten, es verhilft zu richtigerem Urtheil den in Vorurtheil Befangenen, es befestigt die Zweifelnden und stählt die Gläubigen im Glauben. Wir sehen daraus, daß es Paulo nicht gleichgültig ist, ob und was ein Mensch glaubt; er verwirft jeden Indifferentismus in Glaubenssachen; er bestreitet es geradezu, was so Viele heut zu Tage sagen und lehren: „es gebe keine sichere Wahrheit; der Eine denke dies, der Andere das; wer behaupte, sie zu besitzen, sei ein hochmüthiger Schwärmer; man müsse daher sich gegenseitig dulden, und nur darauf achten, ob jemand rechtschaffen handle;“ und behauptet: „es gebe eine gewisse Wahrheit in der göttlichen Offenbarung, und diese Wahrheit habe er, die einzige, untrügliche, ganze, und wer die nicht annehme, wer Anderes denke und lehre, der sei verflucht!“ Gewiß, das ist klar gesprochen und entscheidend. Ist Pauli Wort Gottes Wort, so ist ebenfalls klar, was ich zu thun und zu glauben habe. Weg mit allen Menschensatzungen und Irrlehren! Weg mit dem ungläubigen Zeitgeiste und seinen Empörungen gegen das Wort des lebendigen Gottes! An Dich, Herr, allein glaube ich und Dein Wort ist meiner Füße Leuchte und ein Licht auf allen meinen Wegen. Amen. (Friedrich Arndt)

Kapitel 2

2:1 Danach über vierzehn Jahre zog ich abermal hinauf gen Jerusalem mit Barnabas und nahm Titus auch mit mir.

2:2 Ich zog aber hinauf aus einer Offenbarung und besprach mich mit ihnen über dem Evangelium, das ich predige unter den Heiden, besonders aber mit denen, die das Ansehen hatten, auf daß ich nicht vergeblich liefe oder gelaufen hätte.

2:3 Aber es ward auch Titus nicht gezwungen, sich zu beschneiden, der mit mir war, ob er wohl ein Grieche war.

2:4 Denn da etliche falsche Brüder sich mit eingedrungen und neben eingeschlichen waren, zu verkundschaften unsere Freiheit, die wir haben in Christo JEsu, daß sie uns gefangennähmen,

2:5 wichen wir denselbigen nicht eine Stunde, untertan zu sein, auf daß die Wahrheit des Evangeliums bei euch bestünde.

2:6 Von denen aber, die das Ansehen hatten, welcherlei sie weiland gewesen sind, da liegt mir nichts an; denn GOtt achtet das Ansehen der Menschen nicht. Mich aber haben die, so das Ansehen hatten, nichts anderes gelehret,

2:7 sondern wiederum, da sie sahen, daß mir vertrauet war das Evangelium an die Vorhaut, gleichwie Petrus das Evangelium an die Beschneidung

2:8 (denn der mit Petrus kräftig ist gewesen zum Apostelamt unter die Beschneidung, der ist mit mir auch kräftig gewesen unter die Heiden),

2:9 und erkannten die Gnade, die mir gegeben war, Jakobus und Kephas und Johannes, die für Säulen angesehen waren, gaben sie mir und Barnabas die rechte Hand und wurden mit uns eins, daß wir unter die Heiden, sie aber unter der Beschneidung predigten;

2:10 allein daß wir der Armen gedächten, welches ich auch fleißig bin gewesen zu tun.

2:11 Da aber Petrus gen Antiochien kam, widerstund ich ihm unter Augen; denn es war Klage über ihn kommen.

2:12 Denn zuvor, ehe etliche von Jakobus kamen, aß er mit den Heiden; da sie aber kamen, entzog er sich und sonderte sich, darum daß er die von der Beschneidung fürchtete.

2:13 Und heuchelten mit ihm die andern Juden, also daß auch Barnabas verführet ward, mit ihnen zu heucheln.

2:14 Aber da ich sah, daß sie nicht richtig wandelten nach der Wahrheit des Evangeliums, sprach ich zu Petrus vor allen öffentlich: So du, der du ein Jude bist, heidnisch lebest und nicht jüdisch, warum zwingest du denn die Heiden, jüdisch zu leben?

2:15 Wiewohl wir von Natur Juden und nicht Sünder aus den Heiden sind,

2:16 doch, weil wir wissen, daß der Mensch durch des Gesetzes Werke nicht gerecht wird, sondern durch den Glauben an JEsum Christum, so glauben wir auch an Christum JEsum, auf daß wir gerecht werden durch den Glauben an Christum und nicht durch des Gesetzes Werke; denn durch des Gesetzes Werke wird kein Fleisch gerecht.

2:17 Sollten wir aber, die da suchen durch Christum gerecht zu werden, auch noch selbst als Sünder erfunden werden, so wäre Christus ein Sündendiener. Das sei ferne!

2:18 Wenn ich aber das, so ich zerbrochen habe, wiederum baue, so mache ich mich selbst zu einem Übertreter.

2:19 Ich bin aber durchs Gesetz dem Gesetz gestorben auf daß ich GOtt lebe; ich bin mit Christo gekreuziget.

2:20 Ich lebe aber, doch nun nicht ich, sondern Christus lebet in mir. Denn was ich jetzt lebe im Fleisch, das lebe ich in dem Glauben des Sohnes GOttes, der mich geliebet hat und sich selbst für mich dargegeben.
Stets ist das Wort „Tod“ dem Gefühle des Menschen verhaßt; daher fügt der Apostel, nachdem er uns gezeigt hat, daß wir mit Christo gekreuziget seien, hinzu, daß eben dasselbe uns auch zum Leben gereiche. Zugleich erklärt er auch, was er darunter versteht, „Gotte leben“ (V. 19): nämlich,daß er jetzt nicht mehr sein eigenes Leben habe, sondern dergestalt durch die verborgene Kraft Christi belebt werde, daß er sagen könne, Christus lebe und wirke in ihm. Denn wie der Leib durch die Seele besteht, so flößt auch Christus seinen Gliedern das Leben ein. Ein köstlicher Gedanke, daß die Gläubigen ihr Leben außerhalb ihrer selbst, daß ist in Christo, haben! Denn nun kann es nicht anders sein, als daß sie in einer wahren und wesentlichen Gemeinschaft mit ihm stehen. Fortan lebt nun Christus auf zwiefache Weise in uns. Erstlich so, daß er uns durch seinen Geist regiert und alles leitet, was wir tun; sodann, daß er uns Teil an seiner Gerechtigkeit gibt, damit wir, weil wir es aus uns selbst nicht vermögen, in ihm Gott angenehm sind. Das Erstere gehört zu unserer Erneuerung, das Andere zum Empfang seiner Gerechtigkeit aus lauter Gnaden.
Wenn der Apostel fortfährt: „denn was ich jetzt lebe im Fleische“, so versteht er hierunter das leibliche Leben. Denn man könnte sonst einwenden: „Du hast doch noch ein leibliches Leben; wenn aber dieser sterbliche Leib noch seine Verrichtungen ausübt, wenn er durch Speise und Trank erhalten wird, so ist das nicht das himmlische Leben Christi; es ist also widersinnig zu sagen, daß du kein eigenes Leben habest, da du doch nach aller Menschen Weise lebest.“ Darauf antwortet Paulus, daß dies im Glauben bestehe, womit er andeutet, daß es auf eine dem menschlichen Verstande unfaßbare Weise geschehe. Also das Leben, welches wir im Glauben besitzen, ist nicht den Augen erkennbar, sondern wird im innerlichen Bewußtsein durch die Wirksamkeit des Geistes erfaßt; daher hindert das leibliche Leben nicht, daß wir durch den Glauben das himmlische Leben besitzen; siehe Eph. 2:6: „Und hat uns samt ihm versetzt in das himmlische Wesen.“ und Kap. 2:19: „So seid ihr nun Bürger mit den Heiligen und Gottes Hausgenossen“; desgl. Phil. 3:2: „Unser Wandel ist im Himmel!“
Paulus ist reich an solchen Zeugnissen, durch welche er uns versichert, daß wir also in dieser Welt leben, daß wir doch auch in dem Himmel leben; nicht nur, weil dorten unser Haupt ist, sondern auch, weil wir infolge der Vereinigung ein gemeinsames Leben mit ihm haben, wie Jesus spricht Joh. 14:23: „Wer mich liebet, der wird mein Wort halten, und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden Wohnung bei ihm machen.“ Das sagt Paulus, um die Kraft des Glaubens zu bezeichnen; denn wenn jemanden der Gedanke käme, woher der Glaube solche Kraft hätte, daß er Christi Leben in uns ausgösse, so erklärt er Christi Liebe und Tod als den Grund, auf dem unser Glaube beruhe; denn hieraus ist die Kraft des Glaubens abzuleiten. Wie geschieht es also, daß wir im Glauben Christi leben? Weil er uns geliebt hat und sich für uns dargegeben.
Also die Liebe, mit welcher Christus uns umfaßt hat, hat bewirkt, daß er uns mit sich eins gemacht hat; das hat er durch seinen Tod vollkommen gemacht. Denn indem er sich selbst für uns dargegeben hat, hat er in unserer Person gelitten; was also der Glaube in Christo findet, dessen macht er uns teilhaftig. Wenn aber Paulus von der Liebe redet, so meint er dasselbe, was Johannes sagt: „Nicht, daß wir ihn zuerst geliebt haben, sondern er hat uns zuvor geliebt.“ (1.Joh. 4:10) Denn wenn er uns, durch unser Verdienst veranlaßt, erlöst hätte, so können wir das Erstere mit Grund behaupten; nun aber schreibt Paulus alles seiner Liebe zu; sie ist uns also aus lauter Gnaden geworden.
Man muß also auf diese Ordnung achten: Er hat uns geliebt und hat sich für uns dargegeben; es ist also so viel, als wenn er sagte: Er ist darum für uns gestorben, weil er uns geliebt hat, und zwar zu der Zeit, da wir noch Feinde waren, wie er Röm. 5:10 lehret. Er hat sich selbst für uns dargegeben! Es ist mit Worten nicht genugsam auszusprechen, was das bedeute! Denn wer könnte das erklären, wie groß die Würde des Sohnes Gottes sei? Und dieser hat sich selbst als Lösegeld für uns gegeben! In dem Worte „dargegeben“ ist die ganze Frucht enthalten, die aus dem Tode Christi erwächst, nämlich daß er das Sühnopfer, die Abwaschung, die Genugtuung usw. ist. Und welche Kraft hat das Wort, „für mich“! Denn es ist nicht genug, zu bedenken, daß Christus für das Heil der Welt gestorben ist, sondern es muß ein jeder die Wirkung und den Besitz dieser Gnade für sich in Anspruch nehmen. (Jean Calvin)
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Christus ist für unsre Sünden gekreuzigt worden. Das ist die große Tatsache, die ein echter Christ nimmer aus den Augen verliert. Der, bei dem's so ist, fühlt sich selbst als mit Ihm gekreuzigt, fühlt die Macht des natürlichen Menschen in sich gebrochen, ertötet, weil ja um ihretwillen Christus gestorben ist. Wie wichtig ist es doch, so im Glauben zu stehen, daß der Gedanke an Christi Kreuzestod die natürlichen, sündlichen Triebe zu ertöten, wirkungslos zu machen vermag, sooft sie sich geltend machen wollen. Es kann das nur bei dem geschehen, der die Sünde in ihrer Größe erkannt und gefühlt hat. Wer nur schläfrig ohne innere Zerknirschung es so hinnimmt, daß Christus für die Menschen gestorben sei, auf den hat's keine sonderliche Wirkung; und seine alte Natur behält in der Regel ihre Stärke. Wie sollten die Marter Christi uns doch tiefer ins Herz dringen, damit wir sagen und fühlen können, wir seien mit Christus gekreuzigt!
„Ich lebe aber“, sagt Paulus. Wie Christus nicht im Tode verblieben ist, so leben auch wir, die wir mit Ihm gekreuzigt sind. Aber es ist bei uns nun kein eigenes Leben mehr, sondern nur ein Leben Christi in uns. Nur was Er innerlich in uns zeugt und lehrt und mahnt und tröstet, gilt uns etwas. Und alles andere außer Ihm bleibt tot, hat alle Macht und Bedeutung für uns verloren. Das sagen die Worte: „Doch nicht ich, sondern Christus lebt in mir.“ Ach, wie wenige mögen's zu solchem Leben Christi in sich gebracht haben!
Unterdessen leben wir doch noch im Fleisch, sind noch nicht über die Schwachheiten eines irdischen leiblichen Lebens hinübergekommen, müssen daher immer noch viel leiden, wie auch Christus im Fleisch gelitten hat. Aber Paulus sagt: „Was ich jetzt lebe im Fleisch, das lebe ich in dem Glauben an den Sohn Gottes.“
In diesem Glauben hält er zweierlei fest, das sein Leben im Fleisch zu einem neuen verklärt. Denn er sagt erstlich vom Sohne Gottes: „der mich geliebt hat“, und zweitens: „der sich selbst für mich dargegeben hat“. In unsrem Glaubensleben nämlich sollten wir immer wieder an die Liebe Jesu einerseits und an Seine Hingabe andrerseits kommen - nicht nur zu unsrer Stärkung und Belebung, sondern auch zur Erneuerung und Verklärung unsres Lebens im Fleische. Im Herzen des Glaubenden sollte sich dasselbe ausprägen, was er an seinem Heiland wahrnimmt und hochhält. Hat Jesus uns geliebt - wie sollte es uns schwer werden, auch zu lieben? Hat Er sich für uns hingegeben - wie sollten wir uns sträuben, Ihm auch Opfer zu bringen und in Verleugnungen treu zu sein? Christus lebt in uns, wenn beides, Seine Liebe und Seine Hingabe, in uns verwirklicht wird.
Aber wie leicht bleibt unser so genanntes Glaubensleben doch nur ein Leben im Fleische, als wäre kein Glaube da! Weil wir nicht lieben und nichts verleugnen können! (Christoph Blumhardt)

2:21 Ich werfe nicht weg die Gnade GOttes; denn so durch das Gesetz die Gerechtigkeit kommt, so ist Christus vergeblich gestorben.
Petrus ist in Antiochien. Er hat erst mit den Heidenchristen gelebt wie ein Bruder; er hat mit ihnen gegessen und getrunken, als ob das Gesetz Mosis für ihn nicht mehr gälte. Kurz darauf kommen Etliche von den strengen Judenchristen aus Jerusalem nach Antiochien; sie halten noch fest an dem jüdischen Gesetze, und Petrus ist so schwach, daß er sich aus Furcht vor ihnen von den Heiden zurückzieht, fremd thut und sich der Speisen enthält, die er vorher mit ihnen gegessen hatte. Auch Barnabas wird mit in die Heuchelei hineingezogen. – Da steht Paulus auf. Er ist der Mann, den der Herr zur Säule christlicher Freiheit gesetzt hat; er kennt die Tiefe des Wortes: „So bleibet nun in der Freiheit, zu der uns Christus befreit hat;“ er widersteht Petro Auge gegen Auge, er straft ihn öffentlich vor der ganzen Gemeinde wegen seiner Heuchelei, daß er sich in Anwesenheit der Judenchristen von Jerusalem anders stellt als in ihrer Abwesenheit. Petrus aber wird stille. Er hat kein Wort geantwortet. Als Paulus das Wort nahm, fiel ihm der rechte Theil in Petri eigenem Herzen sogleich bei. Das ist die rechte Demuth, wenn der Mensch sich strafen läßt. Es ist bei jeder ehrlichen Strafe ein Theil in uns, der sich freuet, daß ihm der Bruder gegen den Feind zu Hülfe gekommen ist. Petrus gedenkt hernach in seinem zweiten Briefe des Paulus als eines lieben Bruders. Petri vorgeblicher Nachfolger, der römische Papst, ist ihm nicht also nachgefolgt in der Demuth. – Paulus aber hat den Eck- und Grundstein der Kirche wieder aufgerichtet, die Lehre von der freien Gnade Gottes in Christo Jesu ohne Verdienst der menschlichen Werke. Wohl uns, daß er ihn uns erhalten, und daß Luther ihn uns aus seiner Verschüttung wieder an’s Licht gezogen hat! Nur Hochmuth und Selbstgerechtigkeit kann ihn verschütten und verwerfen. Weg mit allen Menschensatzungen außer uns und in uns! Protestire alle Tage gegen Ablaß und Selbstgerechtigkeit, und ergreife die Gerechtigkeit, die dein Herr dir erworben, im Glauben: dann hast du hier und dort das wahre, heiligende und beseligende, ewige Leben. Amen. (Friedrich Arndt)

Kapitel 3

3:1 O ihr unverständigen Galater, wer hat euch bezaubert, daß ihr der Wahrheit nicht gehorchet? welchen Christus JEsus vor die Augen gemalet war, und jetzt unter euch gekreuziget ist!

3:2 Das will ich allein von euch lernen: Habt ihr den Geist empfangen durch des Gesetzes Werke oder durch die Predigt vom Glauben?

3:3 Seid ihr so unverständig? Im Geist habt ihr angefangen, wollt ihr's denn nun im Fleisch vollenden?

3:4 Habt ihr denn so viel umsonst erlitten? Ist's anders umsonst.

3:5 Der euch nun den Geist reichet und tut solche Taten unter euch, tut er's durch des Gesetzes Werke oder durch die Predigt vom Glauben?

3:6 Gleichwie Abraham hat GOtt geglaubet, und ist ihm gerechnet zur Gerechtigkeit.

3:7 So erkennet ihr ja nun, daß, die des Glaubens sind, das sind Abrahams Kinder.

3:8 Die Schrift aber hat es zuvor ersehen, daß GOtt die Heiden durch den Glauben gerecht macht. Darum verkündigte sie dem Abraham: In dir sollen alle Heiden gesegnet werden.

3:9 Also werden nun, die des Glaubens sind, gesegnet mit dem gläubigen Abraham.

3:10 Denn die mit des Gesetzes Werken umgehen, die sind unter dem Fluch; denn es stehet geschrieben: Verflucht sei jedermann, der nicht bleibet in alledem, das geschrieben stehet in dem Buch des Gesetzes, daß er's tue!

3:11 Daß aber durchs Gesetz niemand gerecht wird vor GOtt, ist offenbar; denn der Gerechte wird seines Glaubens leben.

3:12 Das Gesetz aber ist nicht des Glaubens, sondern der Mensch, der es tut, wird dadurch leben.

3:13 Christus aber hat uns erlöset von dem Fluch des Gesetzes, da er ward ein Fluch für uns (denn es stehet geschrieben: Verflucht sei jedermann, der am Holz hänget!),

3:14 auf daß der Segen Abrahams unter die Heiden käme in Christo JEsu, und wir also den verheißenen Geist empfingen durch den Glauben.

3:15 Liebe Brüder, ich will nach menschlicher Weise reden: Verachtet man doch eines Menschen Testament nicht, wenn es bestätiget ist, und tut auch nichts dazu.

3:16 Nun ist je die Verheißung Abraham und seinem Samen zugesagt. Er spricht nicht: durch die Samen, als durch viele, sondern als durch einen, durch deinen Samen, welcher ist Christus.

3:17 Ich sage aber davon: Das Testament, das von GOtt zuvor bestätiget ist auf Christum, wird nicht aufgehoben, daß die Verheißung sollte durchs Gesetz aufhören, welches gegeben ist über vierhundertunddreißig Jahre hernach.

3:18 Denn so das Erbe durch das Gesetz erworben würde, so würde es nicht durch Verheißung gegeben. GOtt aber hat es Abraham durch Verheißung frei geschenkt.

3:19 Was soll denn das Gesetz? Es ist dazukommen um der Sünde willen, bis der Same käme, dem die Verheißung geschehen ist, und ist gestellet von den Engeln durch die Hand des Mittlers.

3:20 Ein Mittler aber ist nicht eines einigen Mittler; GOtt aber ist einig.

3:21 Wie? Ist denn das Gesetz wider GOttes Verheißungen? Das sei ferne! Wenn aber ein Gesetz gegeben wäre, das da könnte lebendig machen, so käme die Gerechtigkeit wahrhaftig aus dem Gesetze.

3:22 Aber die Schrift hat es alles beschlossen unter die Sünde, auf daß die Verheißung käme durch den Glauben an JEsum Christum, gegeben denen, die da glauben.

3:23 Ehe denn aber der Glaube kam, wurden wir unter dem Gesetz verwahret und verschlossen auf den Glauben, der da sollte offenbart werden.

3:24 Also ist das Gesetz unser Zuchtmeister gewesen auf Christum, daß wir durch den Glauben gerecht würden.

3:25 Nun aber der Glaube kommen ist, sind wir nicht mehr unter dem Zuchtmeister.

3:26 Denn ihr seid alle GOttes Kinder durch den Glauben an Christum JEsum.

3:27 Denn wieviel euer getauft sind, die haben Christum angezogen.
Wenn es heißt: „Auf Christum getauft,“ so meint der Apostel damit, wenn man soll Christum dabei angezogen haben, nicht das äußerliche Getauftsein allein, sondern auch das Bewußtsein und die gläubige Empfindung davon, daß man auf Christum getauft sei, wobei dann die innerliche Vergebung der Sünden gewiß ist. Denn das macht's, daß wir Christum angezogen haben. Bei getauften Kindern wirds immer damit völlig, - und das kann schon in frühester Kindheit sein, - daß sie die gläubige Empfindung von dem bekommen, was an ihnen geschehen ist. Sobald ich fühle, ich sei auf Christum getauft, mit allem, was dazu gehört, dann gilt mir's, daß ich Christum und Seine Gerechtigkeit angezogen habe. Denn getauft heißt eigentlich abgewaschen, gereinigt sein, darum los vom bösen Gewissen, besprengt, wie es im Hebräerbriefe heißt, mit reinem Wasser und mit dem Blute des Lammes Gottes, das der Welt Sünde trug. Habe ich aber Christum, also daß Er mich wie ein Kleid überdeckt, so habe ich den ganzen Himmel und alle Gottesherrlichkeit in Hoffnung.
Aber freilich, wie ein Kleid schmückt, so soll auch Christus als ein Kleid dich schmücken. Solches geschieht, wenn Sein Bild, Sein ganzes Wesen, insbesondere Seine Sanftmut und Demuth, - wie Er sagt (Matth. 11,29): „Lernet von Mir, denn Ich bin sanftmütig und demütig,“- an dir zu sehen ist. So ist das Wort des Apostels nicht nur ein Trost für uns wider die Anklagen des Gewissens, sondern auch eine ernste Ermunterung, uns zu reinigen und von alle dem frei zu erhalten, was sich mit dem Bilde Christi nicht verträgt. Üben wir uns darinnen durch Wachen und Beten! (Christoph Blumhardt)

3:28 Hier ist kein Jude noch Grieche, hier ist kein Knecht noch Freier, hier ist kein Mann noch Weib; denn ihr seid allzumal einer in Christo JEsu.

3:29 Seid ihr aber Christi, so seid ihr ja Abrahams Samen und nach der Verheißung Erben.
In diesem Kapitel beweiset Paulus die Wahrheit seiner Verkündigung von der Gerechtigkeit vor Gott allein durch den Glauben sowohl aus der eignen Erfahrung der Galater (V. 1 bis 5.) als aus der heiligen Schrift (V. 6-11.) und aus dem Wesen und Zweck des Gesetzes selber (V. 12-29.). Auch die Heiden, die an Christum glauben, sagt er, sind durch diesen Glauben Abrahams Same und Gottes Kinder geworden, und bedürfen also nicht der Rechtfertigung durch das Gesetz. Ja, die Verheißung auf Christum ist schon da gewesen vor dem Gesetz, und das Gesetz selbst nur ein Zuchtmeister auf Christum hin; und es hört nun der Zwiespalt unter Juden und Heiden auf, ja, was noch mehr sagen will, selbst unter Knechten und Freien, Männern und Weibern; Alle sind von Gott berufen, Alle können durch den Glauben an Christum Gottes Kinder, Abrahams Same und Erben der Verheißung werden. – Heil uns, wenn dazu auch an uns das Gesetz Gottes gesegnet gewesen ist, daß es uns unsere vielen und großen Sünden vor Augen gestellt, uns unser gänzliches Unvermögen, das Gesetz zu halten, und dadurch vor Gott und selig zu werden, nachgewiesen, und uns gezwungen hat, uns nach einem andern Mittel zur Seligkeit umzusehen, und weil wir nicht aus Verdienst unserer Werke bestehen können, uns in die Arme der Gnade geworfen hat und des Verdienstes Jesu Christi! Heil uns, wenn das Gebet in uns kräftig wird: Schau auf meinen großen Jammer, stille des Gesetzes Dräun, denn dies Wort ist wie ein Hammer und zermalmt mir mein Gebein! Welche Erquickung für die Mühseligen und Beladenen! Welcher neue Trieb der Liebe und der Dankbarkeit, den Geboten Gottes treu nach Geist und Buchstaben nachzukommen! Herr, lehre mich erkennen, ob ich noch unter dem Gesetz oder schon unter der Gnade stehe, und sende mir Kraft von oben, der Gnade würdig zu leben. Amen. (Friedrich Arndt)

Kapitel 4

4:1 Ich sage aber, solange der Erbe ein Kind ist, so ist unter ihm und einem Knechte kein Unterschied, ob er wohl ein Herr ist aller Güter,

4:2 sondern er ist unter den Vormündern und Pflegern bis auf die bestimmte Zeit vom Vater.

4:3 Also auch wir, da wir Kinder waren, waren wir gefangen unter den äußerlichen Satzungen.

4:4 Da aber die Zeit erfüllet ward, sandte GOtt seinen Sohn, geboren von einem Weibe und unter das Gesetz getan,

4:5 auf daß er die, so unter dem Gesetz waren, erlösete, daß wir die Kindschaft empfingen.

4:6 Weil ihr denn Kinder seid, hat GOtt gesandt den Geist seines Sohnes in eure Herzen, der schreiet: Abba, lieber Vater!

4:7 Also ist nun hier kein Knecht mehr, sondern eitel Kinder. Sind's aber Kinder, so sind's auch Erben GOttes durch Christum.

4:8 Aber zu der Zeit, da ihr GOtt nicht erkanntet, dientet ihr denen, die von Natur nicht Götter sind.

4:9 Nun ihr aber GOtt erkannt habt, ja vielmehr von GOtt erkannt seid, wie wendet ihr euch denn um wieder zu den schwachen und dürftigen Satzungen, welchen ihr von neuem an dienen wollt?

4:10 Ihr haltet Tage und Monden und Feste und Jahrzeiten.

4:11 Ich fürchte für euch, daß ich nicht vielleicht umsonst habe an euch gearbeitet.

4:12 Seid doch wie ich, denn ich bin wie ihr. Liebe Brüder, ich bitte euch, ihr habt mir kein Leid getan.

4:13 Denn ihr wisset, daß ich euch in Schwachheit nach dem Fleisch das Evangelium geprediget habe zum erstenmal.

4:14 Und meine Anfechtungen, die ich leide nach dem Fleisch, habt ihr nicht verachtet noch verschmähet, sondern als einen Engel GOttes nahmet ihr mich auf, ja als Christum JEsum.

4:15 Wie waret ihr dazumal so selig! Ich bin euer Zeuge, daß, wenn es möglich gewesen wäre, ihr hättet eure Augen ausgerissen und mir gegeben.

4:16 Bin ich denn also euer Feind worden, daß ich euch die Wahrheit vorhalte?

4:17 Sie eifern um euch nicht fein, sondern sie wollen euch von mir abfällig machen, daß ihr um sie sollt eifern.

4:18 Eifern ist gut, wenn's immerdar geschiehet um das Gute und nicht allein, wenn ich gegenwärtig bei euch bin.

4:19 Meine lieben Kinder, welche ich abermal mit Ängsten gebäre, bis daß Christus in euch eine Gestalt gewinne.

4:20 Ich wollte aber, daß ich jetzt bei euch wäre, und meine Stimme wandeln könnte, denn ich bin irre an euch.

4:21 Saget mir, die ihr unter dem Gesetz sein wollt: Habt ihr das Gesetz nicht gehöret?

4:22 Denn es stehet geschrieben, daß Abraham zween Söhne hatte, einen von der Magd, den andern von der Freien.

4:23 Aber der von der Magd war, ist nach dem Fleisch geboren; der aber von der Freien, ist durch die Verheißung geboren.

4:24 Die Worte bedeuten etwas. Denn das sind die zwei Testamente, eines von dem Berge Sinai, das zur Knechtschaft gebieret, welches ist die Hagar.

4:25 Denn Hagar heißet in Arabien der Berg Sinai und langet bis gen Jerusalem, das zu dieser Zeit ist, und ist dienstbar mit seinen Kindern.

4:26 Aber das Jerusalem, das droben ist, das ist die Freie, die ist unser aller Mutter.

4:27 Denn es stehet geschrieben: Sei fröhlich, du Unfruchtbare, die du nicht gebierest, und brich hervor und rufe, die du nicht schwanger bist! Denn die Einsame hat viel mehr Kinder, denn die den Mann hat.

4:28 Wir aber, liebe Brüder, sind Isaak nach der Verheißung Kinder.

4:29 Aber gleichwie zu der Zeit, der nach dem Fleisch geboren war, verfolgete den, der nach dem Geist geboren war, also gehet es jetzt auch.

4:30 Aber was spricht die Schrift? Stoß die Magd hinaus mit ihrem Sohn! Denn der Magd Sohn soll nicht erben mit dem Sohn der Freien.

4:31 So sind wir nun, liebe Brüder, nicht der Magd Kinder, sondern der Freien.
Nachdem Paulus die Knechtschaft unter dem Gesetz und die Kindschaft unter dem Evangelio einander gegenüber gestellt und zum Beharren im früheren Eifer ermahnt hat, schließt er das Kapitel mit einer Vergleichung der beiden Söhne Abrahams als Vorbilder derer, die unter dem Gesetz und die unter dem Evangelio sind. Letztere sind das wahre Jerusalem, die Stadt Gottes auf Erden, in der Er wohnt und wandelt, die sein Herz hat uns sich ausschließlich seiner liebenden Nähe erfreut. Sie sind das Jerusalem da droben, weil sie ihrer ganzen Herrlichkeit nach hier unten noch nicht zur Erscheinung kommen, und jedenfalls ihr Bestes droben haben. Während die Welt Alles hier unten hat, ihre Liebe, ihren Lust, die Ziele ihrer Sehnsucht, ihre Götter und ihren Himmel, haben diejenigen, die Christi sind, droben ihr wahres Vaterland und ihre Gerechtigkeit, Christum, und damit zugleich ihre Gedanken, Betrachtungen und Wünsche; sind hienieden nur Pilger, Bürger aber dort oben; ihr Wandel ist bereits im Himmel. Sie sind die Freie, gleich der Sara, die in Abrahams Hause die Herrin war, im Gegensatz der Hagar, der ägyptischen Sclavin. Frei ist ihre Rede, sie dürfen dem König aller Könige kommen, wann und womit sie wollen, bei Tag und bei Nacht. Frei ist ihre Stellung, sie unterwerfen sich dem Gesetze ihres ewigen Königs aus dem Grunde, weil sie Lust an diesem Gesetze haben und ihr innerstes Wollen damit in Einklang steht. Die Bürger Jerusalems helfen durch ihre Seufzer und Gebete die Welt regieren. Welche der Sohn frei macht, die sind recht frei. Sie sind endlich eine wahre Mutter, wohlthuend in tausendfacher Weise und Freude schaffend; ihre Hände segnende Mutterhände, ihre Augen zärtliche Mutteraugen, ihr Herz ein liebewarmes Mutterherz; das Salz wäre aus der Welt herausgenommen, ja, der Welt Säulen würden schwanken, wenn eine Gemeinde der Heiligen nicht mehr in ihr bestände. O daß ich doch auch zu dieser Gemeinde gehöre! Amen. (Friedrich Arndt)

Kapitel 5

5:1 So bestehet nun in der Freiheit, damit uns Christus befreiet hat, und lasset euch nicht wiederum in das knechtische Joch fangen!

5:2 Siehe, ich, Paulus, sage euch: Wo ihr euch beschneiden lasset, so ist euch Christus kein nütze.

5:3 Ich zeuge abermal einem jeden, der sich beschneiden läßt, daß er noch das ganze Gesetz schuldig ist zu tun.

5:4 Ihr habt Christum verloren, die ihr durch das Gesetz gerecht werden wollt, und seid von der Gnade gefallen.

5:5 Wir aber warten im Geist durch den Glauben der Gerechtigkeit, der man hoffen muß.

5:6 Denn in Christo JEsu gilt weder Beschneidung noch Vorhaut etwas, sondern der Glaube, der durch die Liebe tätig ist.

5:7 Ihr liefet fein. Wer hat euch aufgehalten, der Wahrheit nicht zu gehorchen?

5:8 Solch Überreden ist nicht von dem, der euch berufen hat.

5:9 Ein wenig Sauerteig versäuert den ganzen Teig.

5:10 Ich versehe mich zu euch in dem HErrn, ihr werdet nicht anders gesinnet sein. Wer euch aber irremacht, der wird sein Urteil tragen, er sei, wer er wolle.

5:11 Ich aber, liebe Brüder, so ich die Beschneidung noch predige, warum leide ich denn Verfolgung? So hätte das Ärgernis des Kreuzes aufgehöret.

5:12 Wollte GOtt, daß sie auch ausgerottet würden, die euch verstören!

5:13 Ihr aber, liebe Brüder, seid zur Freiheit berufen Allein sehet zu, daß ihr durch die Freiheit dem Fleisch nicht Raum gebet, sondern durch die Liebe diene einer dem andern.

5:14 Denn alle Gesetze werden in einem Wort erfüllet, in dem: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.

5:15 So ihr euch aber untereinander beißet und fresset, so sehet zu, daß ihr nicht untereinander verzehret werdet.

5:16 Ich sage aber: Wandelt im Geist, so werdet ihr die Lüste des Fleisches nicht vollbringen.

5:17 Denn das Fleisch gelüstet wider den Geist und den Geist wider das Fleisch. Dieselbigen sind wider einander, daß ihr nicht tut, was ihr wollt.

5:18 Regieret euch aber der Geist, so seid ihr nicht unter dem Gesetze.

5:19 Offenbar sind aber die Werke des Fleisches, als da sind: Ehebruch, Hurerei, Unreinigkeit, Unzucht,

5:20 Abgötterei, Zauberei, Feindschaft, Hader, Neid, Zorn, Zank, Zwietracht, Rotten, Haß, Mord,

5:21 Saufen, Fressen und dergleichen; von welchen ich euch habe zuvor gesagt und sage noch zuvor, daß, die solches tun, werden das Reich GOttes nicht erben.

5:22 Die Frucht aber des Geistes ist: Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Gütigkeit, Glaube, Sanftmut, Keuschheit.

5:23 Wider solche ist das Gesetz nicht.

5:24 Welche aber Christo angehören, die kreuzigen ihr Fleisch samt den Lüsten und Begierden.

5:25 So wir im Geist leben, so lasset uns auch im Geist wandeln.

5:26 Lasset uns nicht eitler Ehre geizig sein, untereinander zu entrüsten und zu hassen!
Hier sehe ich, was erfordert wird, wenn ich ein Christ sein und dem Heilande angehören will: kreuzigen mein Fleisch sammt den Lüsten und Begierden. Unter Fleisch ist die Erbsünde zu verstehen oder das ganze innere Verderben, und Lüste und Begierden sind die Regungen und Gedanken, welche aus der bösen Lust und Erbsünde entstehen, der Stolz, die Wollust, die Eigenliebe, der Zorn, die irdische Weltliebe. Diese Lüste und Begierden soll ich kreuzigen, d.h. nicht blos verhüten, daß sie in keine bösen Thaten ausbrechen, sondern sie auch nicht einmal im Herzen leiden; nicht blos sie unterdrücken und andere bessere Gedanken ihnen entgegenstellen, sondern sie gänzlich ausrotten durch die Kraft der Gnade. Ein Gekreuzigter hat keine Freiheit, er ist angenagelt und kann sich nicht mehr bewegen; er empfindet Schmerzen, und endlich stirbt er nach und nach durch eine Verblutung. Dies ist aber so wenig leicht, wie eine Kreuzigung, sondern vielmehr sehr schmerzhaft. Geistesschmerzen sind stärker wie Leibesschmerzen. Ich muß den Tod meiner Begierden oft an einem Tage wiederholen. Kaum bin ich von einer Seite ruhig, so fällt mich von der andern etwas an. Böse Regungen bleiben bis ans Ende, aber jeder Tag nimmt ihnen einen Theil von ihrem leben. Der Gekreuzigte stirbt auch nicht gleich, aber er wird, wenn er nur erst am Kreuze hängt, schon von den weltlichen Gerichten als ein Gestorbener angesehen. O wenn ich es nur erst so weit gebracht habe, daß ich durch die Gnade ein feines, schnelles Gefühl erlange, welches gleich jede unlautere Regung merkt, gleich dawider sich sträubt, gleich die Waffen in die Hand nimmt und sie bekriegt. Wenn ich es erst nur so weit brächte, daß ich mich selbst kennete und nichts in mir entschuldigte. Ich will daher täglich auf mich und mein Innerstes Achtung geben. Seid denn gekreuzigt, ihr Lüste und Begierden! Jesu Tod verpflichtet mich dazu, und Er wird mir Kraft zum Siege geben. Amen. (Friedrich Arndt)

Kapitel 6

6:1 Liebe Brüder, so ein Mensch etwa von einem Fehl übereilet würde, so helfet ihm wieder zurecht mit sanftmütigem Geist, die ihr geistlich seid. Und siehe auf dich selbst, daß du nicht auch versucht werdest!

6:2 Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.

6:3 So aber sich jemand lässet dünken, er sei etwas, so er doch nichts ist, der betrüget sich selbst.

6:4 Ein jeglicher aber prüfe sein selbst Werk, und alsdann wird er an sich selber Ruhm haben und nicht an einem andern.
Jeder prüfe nicht nur einmal im Leben oder einmal im Jahr, sein selbst Werk, sondern alle Tage, ob er nämlich, wollen wir für jetzt nur sagen, beim HErrn stehe, oder ob er sich ohne seinen HErrn gerire 1). In dem liegt das meiste. Sobald wir uns an Seiner Seite fühlen, mit allem, was wir sind und tun, so geht's vorwärts, auch mit Hilfen, die wir erwarten. Fühlen wir uns getrennt, wenn auch nur in einzelnen Dingen, getrennt von Ihm, so macht solche Trennung in dem Grad, als sie vorhanden ist, Aufenthalt. Nur, was wir in dem HErrn sind und tun, gerät; alles andere wird zuletzt Schaum, und oft schneller, als wir daran denken. Insofern muß eigentlich unser selbst Werk das Werk des HErrn in uns seyn. Die Prüfung also, ob's so sei, sollte alle Tage geschehen, eigentlich in jedem Moment, indem man bei allem, was man anfängt, nur immer aufmerkt und sich fragt: Ist's mit Gott oder ohne Gott? Habe ich Seine Regeln und Gesetze im Auge, oder gehe ich eben so dem Triebe nach, gleichgültig, ob's mit dem HErrn, oder ohne Ihn gehe?
Merken wir uns von dem Spruch für jetzt nur so viel. Tun wir's, wie wir's da hören, so lernen wir richtig wandeln, freudig pilgern, in der Hoffnung wachsen, werden auch viel Gnaden und Freundlichkeiten Gottes erfahren, weil Er, bei dem wir sind, immer auch Sich fühlbar kund giebt. So mögen denn die lieben Abreisenden sich noch etwas daraus entnehmen; und wir, die wir bleiben, wollen's uns auch merken. Es bleibt gewiß, wer mit dem HErrn geht, wird und muß mit Ihm zu Seiner Herrlichkeit endlich gelangen; und dahin versammeln sich alle von nah und fern, von Ost und West, von Nord und Süd. Welche Freude aber wirds für uns seyn bei dieser großen Versammlung! (Christoph Blumhardt)

6:5 Denn ein jeglicher wird seine Last tragen.

6:6 Der aber unterrichtet wird mit dem Wort, der teile mit allerlei Gutes dem, der ihn unterrichtet.

6:7 Irret euch nicht; GOtt läßt sich nicht spotten! Denn was der Mensch säet, das wird er ernten.

6:8 Wer auf sein Fleisch säet, der wird von dem Fleisch das Verderben ernten; wer aber auf den Geist säet, der wird von dem Geist das ewige Leben ernten.

6:9 Lasset uns aber Gutes tun und nicht müde werden; denn zu seiner Zeit werden wir auch ernten ohne Aufhören.

6:10 Als wir denn nun Zeit haben, so lasset uns Gutes tun an jedermann, allermeist aber an des Glaubens Genossen.

6:11 Sehet, mit wie vielen Worten hab' ich euch geschrieben mit eigener Hand!

6:12 Die sich wollen angenehm machen nach dem Fleisch, die zwingen euch zu beschneiden, allein daß sie nicht mit dem Kreuz Christi verfolget werden.

6:13 Denn auch sie selbst, die sich beschneiden lassen, halten das Gesetz nicht, sondern sie wollen, daß ihr euch beschneiden lasset, auf daß sie sich von eurem Fleisch rühmen mögen.

6:14 Es sei aber ferne von mir rühmen denn allein von dem Kreuz unsers HErrn JEsu Christi, durch welchen mir die Welt gekreuziget ist und ich der Welt.

6:15 Denn in Christo JEsu gilt weder Beschneidung noch Vorhaut etwas, sondern eine neue Kreatur.

6:16 Und wieviel nach dieser Regel einhergehen, über die sei Friede und Barmherzigkeit und über den Israel GOttes!

6:17 Hinfort mache mir niemand weiter Mühe; denn ich trage die Malzeichen des HErrn JEsu an meinem Leibe.

6:18 Die Gnade unsers HErrn JEsu Christi sei mit eurem Geist, liebe Brüder! Amen.
Heiliger und barmherziger Gott, Vater unsers Herrn Jesu Christi, ich bitte Dich durch diesen Deinen Sohn im heiligen Geiste demüthig, daß Du die Abthötung des alten Menschen, die mir täglich nöthig ist, kräftig in mir wirken wollest, damit ich nach dem inwendigen Menschen in Dir könne gestärkt werden. Es wohnt in meinem Fleische die Sünde: gieb mir Stärke des Geistes, daß ich ihr nicht die Herrschaft in mir gestatte. Meine unerkannten Sünden stellest Du in’s Licht vor Deinem Angesicht: o stelle sie, ich bitte Dich, ins Licht vor meinem Herzen, daß ich sie sehe und betraure und in Demuth die Vergebung derselben suche. Ich bin noch nicht gänzlich frei von der Inwohnung der Sünde: o laß mich, ich bitte Dich, aus Gnade frei sein von der Schuld und dem Fluch der Sünde. Das Fleisch in mir gelüstet wider den Geist, und den Geist wider das Fleisch; der Geist ist zwar willig, aber das Fleisch ist schwach: verleihe daher meinem Geiste den Reichthum Deiner Kraft und Stärke, daß er die bösen Begierden des widerstrebenden Fleisches überwinden könne. O wie schwer und hart ist es, gegen sich selbst zu kämpfen! Wie schwer ist es, einen Hausfeind zu bezwingen! Wenn Du mich in diesem Zweikampf nicht mit himmlischer Kraft anthust, so wird zu fürchten sein, daß ich gezwungen werde, wegen der verborgenen Nachstellung dieses Feindes zu unterliegen. Drücke, brenne, schneide, tödte den alten Menschen, daß ich seinem schmeichlerischen Betrug und Verführung entfliehen könne! Gieb, daß ich täglich in mir sterbe, daß ich nicht durch die Schmeicheleien des Fleisches vom wahren Leben, das in Christo ist, abgezogen werde! Entzünde in meinem Herzen das Feuer des Geistes, daß ich Dir meinen Isaak, die bösen Begierden und den Eigenwillen, zum Opfer bringe! Fleisch und Blut können das Reich Gottes nicht ererben. Mögen sie daher in mir sterben, daß ich nicht vom Himmelreich ausgeschlossen werde! Welche nach dem Fleisch leben, die werden sterben; welche durch den Geist des Fleisches Geschäfte tödten, die werden leben. Welche Christo angehören, die kreuzigen ihr Fleisch sammt den Lüsten und Begierden. Durchstich und kreuzige daher mein Fleisch, o Christe, der Du auf dem Altar des Kreuzes für mich durchstochen und gekreuzigt bist. Amen. (Friedrich Arndt)

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