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Jesaja, Kapitel 6

Jesaja, Kapitel 6

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6:1 Des Jahres, da der König Usia starb, sah ich den Herrn sitzen auf einem hohen und erhabenen Stuhl, und sein Saum füllte den Tempel.

6:2 Seraphim standen über ihm; ein jeglicher hatte sechs Flügel: mit zweien deckten sie ihr Antlitz, mit zweien deckten sie ihre Füße, und mit zweien flogen sie.
Drei Flügelpaare hielt Jesaja für nötig, damit die Himmlischen im Tempel Gottes stehen und anbeten könnten. Mit dem einen Flügelpaar deckten sie ihr Gesicht. Denn zur Beschauung für die Augen des Geschöpfes stellt sich Gott nicht aus. Die Augen müssen verhüllt werden, wenn er gegenwärtig ist. Das ist die heilige Regel, die ich auch in jeder stillen Stunde unverbrüchlich bewahren muss. Wenn ich meine Gedanken auf Gott richte, wie rasch wird daraus Sünde, eine gottlose Hoffart, die Gottes Werk betastet, seinen Willen prüft und ein Gutachten über seine Richtigkeit abgibt. Wenn wir unser Auge forschend auf die Natur und die Menschen richten, fährt gleich unser Machtwille in unseren Blick hinein. Wir dringen in die „Gegenstände“ ein, weil wir sie uns dadurch unterwerfen und dienstbar machen, dass wir sie begreifen. Gott ist nicht mein „Gegenstand“, an dem ich meine geistige Macht erproben dürfte. Darum bedarf ich wie die Serafim die Hülle vor meinen Augen gerade dann, wenn ich im Tempel Gottes stehe, dann, wenn ich meine Bibel öffne, dann, wenn ich Jesus auf seinen Wegen mit meinen Gedanken begleite, dann, wenn ich ihn am Kreuze sterben sehe. Jener Blick, mit dem ich die Natur und die Menschen mustere, entweiht Gottes Heiligtum. Das zweite Flügelpaar gibt Jesaja den Himmlischen dazu, damit sie ihre Füße bedecken. Sie müssen ihren Leib vor Gott verhüllen; entblößt hat er nicht Raum in Gottes Licht. Auch dieser Spruch des Propheten gilt uns allen. Nicht nur das, was sündlich ist, bedarf der Vergebung und würde uns von Gott scheiden, wäre er nicht der, der uns verzeiht, sondern auch das, was Natur und darum ein uns gegebener Teil unseres Wesens ist, den wir nicht von uns entfernen können, bedarf der Verhüllung, damit wir vor Gott stehen. Wir brauchen alle vor Gott nicht bloß die Reue, die das, was gottlos und ungerecht ist, beklagt, sondern auch die Scham, die nicht vergisst, dass unser natürliches Wesen uns mit dem Tier verbindet und nicht für Gottes Reich brauchbar ist. Das dritte Flügelpaar dient bei Jesaja den Himmlischen zum Flug. Es gibt keine Erkenntnis Gottes ohne die muntere Bereitschaft zu seinem Dienst. Wer im Heiligtum Gottes steht, muss beweglich sein. Wir müssen laufen können, wenn Er uns schickt, gehorchen können, wenn Er gebietet. Denn Gott macht sich mir dadurch gegenwärtig, dass Er mir seinen Willen zeigt.
Heilig bist du, unser Gott, und weil Du heilig bist, wohnst Du bei dem Loblied Deines Volks. Deine Heiligkeit gibt uns unseren Platz in der Tiefe und führt Deine Gnade aus Deiner Höhe in unsere Tiefe hinab. So richtest Du uns, die wir irdisch sind, auf zu Deiner Erkenntnis und Anbetung. Darum darf auch ich meine Tage beginnen und schließen mit Deinem Lob. Amen. (Adolf Schlatter)

6:3 Und einer rief zum andern und sprach: Heilig, heilig, heilig ist der HERR Zebaoth; alle Lande sind seiner Ehre voll!
Alles, was die Erde füllt, sagen die Himmlischen, ist Gottes Besitz, zeigt Gottes Größe und macht seinen Reichtum sichtbar, und darum, weil die Erde nichts hat, was nicht Gottes wäre und nicht seine Herrlichkeit offenbarte, preisen sie den Herrn der Heerscharen als den Heiligen. So sehen die himmlischen Augen die Welt an. Wenn die Erde von oben her betrachtet wird, macht alles, was sie beherbergt und was in ihr geschieht, Gottes Heiligkeit offenbar. Auf unserem Standpunkt gibt es dagegen Rätsel, die dunkel bleiben, sowohl in der Natur als in der Geschichte, sowohl da, wo noch kein Mensch mit seiner Arbeit die Erde verändert hat, als auch da, wo der Mensch als Herr Der Erde seine Spuren in ihr Antlitz grub. Weltenräume dehnen sich ohne Ende; was füllt sie? Sterne zerbrechen; trugen auch sie Lebendes, das mit ihrem Sturz zerbrach? Im irdischen Bereich gibt es nichts als Sterbliches und jedes Leben wird durch den Tod anderer ernährt. Darum sind die Pflanzen und Tiere überreich mit den Waffen ausgerüstet, die sie geschickt machen, das Leben der anderen zu vernichten, um ihr eigenes zu erhalten, und da, wo der Mensch an die Arbeit geht, entstehen nicht nur Gärten, sondern auch Verwüstungen. Hätte der Prophet gesagt: die Serafim verhüllten ihr Angesicht, als sie auf die Erde schauten, so brächte uns dies keine Überraschung. Nun hat er aber gesagt: weil ihr Angesicht Gott zugekehrt war, darum bedeckten sie es, und weil sie auf die Erde sahen, in der alles Gottes ist, riefen sie: Heilig, heilig, heilig ist Er, so dass die Schwellen bebten. Wir können unser menschliches Auge nicht mit dem der Himmlischen vertauschen; aber ein starker Trost und reicher Besitz ist uns mit der Gewissheit gegeben, dass die Erde von oben her betrachtet keine Verhüllung der göttlichen Herrlichkeit bewirkt, weil sie von oben her keinen Tod sehen ohne das aus ihm erwachsende Leben, keine Schuld ohne die sie richtende und sühnende Gerechtigkeit und keine gegenwärtige Not ohne die aus der Gegenwart entstehende Zukunft. Diese Kunde von der himmlischen Weltbetrachtung ist uns unentbehrlich, damit wir uns nach der Regel des Glaubens auf unserer Erde und in unserer Welt bewegen als in Gottes Eigentum.
Mir scheint es oft, ich sei, Herr, heiliger Gott, in der Fremde, weit weg von Dir. Ich stehe aber in deinem Eigentum auch in meinem irdischen Stand und an allem, was aus deiner Schöpferhand hervorgegangen ist, finden sich die Züge Deiner Majestät. Ich will es nicht vergessen, dass ich nichts in die Hand nehmen kann, was nicht Dir gehört. Hilf mir, dass ich Dein Werk nicht verderbe. Amen. (Adolf Schlatter)

6:4 daß die Überschwellen bebten von der Stimme ihres Rufens, und das Haus ward voll Rauch.

6:5 Da sprach ich: Weh mir, ich vergehe! denn ich bin unreiner Lippen und wohne unter einem Volk von unreinen Lippen; denn ich habe den König, den HERRN Zebaoth, gesehen mit meinen Augen.
Kräftiger als die ergreifendste Bußpredigt ergreift und beugt uns die Erkenntnis Jesu Christi. Bis in die innersten Falten hinein fällt und dringt des Geistes Licht. Wir werden zur Buße geleitet wie nie zuvor. Was auch starke Trübsale nicht vermögen, das vermag die Gegenwart des Herrn, denn in ihr werden wir klein, arm, niedrig, des Erbarmens Bedürftige. Wie froh und dankbar sind wir deshalb für das teure Blut Christi. Wer aufrichtig des Geistes voll werden will, der tue Buße. Sein Nahen senkt Lichtstrahlen in unser Leben hinein. Die Kindschaftssünden wachen auf. Halte stille, wenn der Geist zu kommen beginnt. Viele müssen Seinen Trost entbehren, weil sie Seiner scharfen Zucht sich nicht beugen wollen. Sollte es ungereimt erscheinen, von einer Buße der Gotteskinder zu reden? In Luk. 15 sagt uns Jesus, dass die Engel im Himmel sich freuen über einen Sünder, der Buße tut. Wie erst werden sie sich freuen, wenn Kinder Gottes Buße tun! Und wie wird Jesus und wie der himmlische Vater sich freuen! Um die Gläubigen her wird eine ganz andere Atmosphäre werden, wenn sie Buße tun und sich dem Heiligen Geiste öffnen. O Volk des Herrn, tue Buße; brünstig liebt dich dein Gott, o liebe du Ihn auch! Betrübe nicht den Heiligen Geist, indem du alten Schmutz im Herzen duldest. An was hängst du? Was zieht dich ab von Jesus? O widerstehe der Liebe deines Herrn nicht; lauter und aufrichtig weihe dich Ihm. Dann wird groß deine Freude, und der Heilige Geist kehrt heiligend bei dir ein. (Markus Hauser)


Ein Klang aus reinen Lippen drang in die Seele des Propheten, als er die Anbetung der Himmlischen vernahm, und deshalb empfindet er, wie unrein seine Lippen sind, auch wenn er predigt, auch wenn er betet, auch wenn sein Wort Gott und Gottes Werk bezeugt. Wie kann es anders sein, als dass er falsche Worte spricht, Worte, die der Herrlichkeit Gottes widersprechen, statt sie zu preisen, und das, was er will und wirkt, verdunkeln statt es zu enthüllen? Er wohnt ja unter einem Volk von unreinen Lippen. Unsere Sprache ist nicht unser Sondereigentum, sondern Gemeingut, Volksbesitz. Wir haben sie, weil sie alle haben, und reden, wie jedermann spricht. Das gilt aber nicht nur vom Laut der Sprache und ihrem Wortschatz, sondern auch vom geistigen Besitz, der sich in der uns gegebenen Sprache verkörpert hat. Was jeder von uns als seinen persönlichen Erwerb zum gemeinsamen Gut hinzutut, ist klein neben dem, was uns durch die Sprache gegeben wird. Wenn jedermann töricht von Gott redet, wie kann ich wahrheitsgemäß von ihm reden? Wenn sich auch am frommen Wort aller die menschliche Verderbtheit zeigt, wie kann sich mein Wort von ihr frei halten? Sollen wir schweigen? Die Lippen des Propheten wurden entsündigt durch das Feuer vom Altar. Es gibt auch für unsere Frömmigkeit und unsere christliche Gotteslehre nur einen Grund, auf dem sie stehen kann; das ist die unsere Schuld bedeckende Vergebung. Nur deshalb sind unsere unreinen Lippen fähig zu Gottes Lob. Nun wird es uns aber zum heißen Anliegen, dass wir die Unreinheit, die an den Lippen unseres Volkes hängt, nicht noch vermehren. In dieses schmutzige Gewässer, das von Lippe zu Lippe strömt und sich aus einer Seele in die andere ergießt, müssen je und je einige reine Tropfen fallen, Worte, die von entsündigten Lippen gesprochen sind. Wie unentbehrlich ist uns dazu die Schrift! Sie spricht mit entsündigten Lippen. Bilde dein Wort an dem ihrigen; sprich wie sie.
Wecke mein Ohr, dass ich Dein Wort fasse, damit es mein Wort fülle mit der keuschen Wahrheit und der reinen Güte, die Deines Wortes Zierde sind. Amen. (Adolf Schlatter)

6:6 Da flog der Seraphim einer zu mir und hatte eine glühende Kohle in der Hand, die er mit der Zange vom Altar nahm,

6:7 und rührte meinen Mund an und sprach: Siehe, hiermit sind deine Lippen gerührt, daß deine Missetat von dir genommen werde und deine Sünde versöhnt sei.

6:8 Und ich hörte die Stimme des Herrn, daß er sprach: Wen soll ich senden? Wer will unser Bote sein? Ich aber sprach: Hier bin ich; sende mich!2)

6:9 Und er sprach: Gehe hin und sprich zu diesem Volk: Höret, und verstehet's nicht; sehet, und merket's nicht!

6:10 Verstocke das Herz dieses Volkes und laß ihre Ohren hart sein und blende ihre Augen, daß sie nicht sehen mit ihren Augen noch hören mit ihren Ohren noch verstehen mit ihrem Herzen und sich bekehren und genesen.

6:11 Ich aber sprach: HERR, wie lange? Er sprach: Bis daß die Städte wüst werden ohne Einwohner und die Häuser ohne Leute und das Feld ganz wüst liege.

6:12 Denn der HERR wird die Leute fern wegtun, daß das Land sehr verlassen wird.

6:13 Und ob der zehnte Teil darin bleibt, so wird es abermals verheert werden, doch wie eine Eiche und Linde, von welchen beim Fällen noch ein Stamm bleibt. Ein heiliger Same wird solcher Stamm sein.

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