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Joel, Kapitel 2

Joel, Kapitel 2

2:1 Blaset mit der Posaune zu Zion, rufet auf meinem heiligen Berge; erzittert, alle Einwohner im Lande! denn der Tag des HERRN kommt und ist nahe:

2:2 Ein finstrer Tag, ein dunkler Tag, ein wolkiger Tag, ein nebliger Tag; gleichwie sich die Morgenröte ausbreitet über die Berge, kommt ein großes und mächtiges Volk, desgleichen vormals nicht gewesen ist und hinfort nicht sein wird zu ewigen Zeiten für und für.

2:3 Vor ihm her geht ein verzehrend Feuer und nach ihm eine brennende Flamme. Das Land ist vor ihm wie ein Lustgarten, aber nach ihm wie eine wüste Einöde, und niemand wird ihm entgehen.

2:4 Sie sind gestaltet wie Rosse und rennen wie die Reiter.

2:5 Sie sprengen daher oben auf den Bergen, wie die Wagen rasseln, und wie eine Flamme lodert im Stroh, wie ein mächtiges Volk, das zum Streit gerüstet ist.

2:6 Die Völker werden sich vor ihm entsetzen, aller Angesichter werden bleich.

2:7 Sie werden laufen wie die Riesen und die Mauern ersteigen wie die Krieger; ein jeglicher wird stracks vor sich daherziehen und sich nicht säumen.

2:8 Keiner wird den andern irren; sondern ein jeglicher wird in seiner Ordnung daherfahren und werden durch die Waffen brechen und nicht verwundet werden.
Die Wanderheuschrecken ziehen stets in bestimmter Ordnung einher, und obgleich ihre Zahl Legion ist, so fliegen sie nie durcheinander, und ihre Heerzüge geraten daher nie in Verwirrung. Die bemerkenswerte naturgeschichtliche Tatsache zeigt, wie der Herr überall in seiner Schöpfung den Geist der Ordnung walten lässt, und wie auch die kleinsten belebten Geschöpfe nicht minder dem von Gott in sie gelegten Gesetz gehorsam sind, als die in ihren Bahnen hinschwebenden Welten der Himmelsräume oder die flammenden Blitze. Es wäre von den Gläubigen wohlgetan, wenn sie sich in ihrem geistlichen Leben von demselben Geist der Ordnung leiten ließen. In ihrer christlichen Lebensentwicklung sollte keine einzige Tugend den Kreis einer andren überwuchern oder verdrängen, oder die Lebensfähigkeit der übrigen beeinträchtigen und alle Kraft für sich in Anspruch nehmen. Die Liebe darf der Rechtschaffenheit keinen Eintrag tun, der Mut darf nicht die Sanftmut aus dem Felde schlagen, die Bescheidenheit darf den kräftigen Willen nicht fesseln, und die Geduld dem festen Entschluss nicht hemmend in den Weg treten. So sei es auch in unsren Pflichten; die eine soll nicht der andern hinderlich werden; die Tätigkeit für das Gesamtwohl darf die häusliche Andacht nicht stören; die Arbeit für die Gemeinde darf den Familien-Gottesdienst nicht in den Winkel stellen. Es ist übel getan, wenn man Gott die eine Pflicht zum Opfer darbringt und sie mit dem Blut einer andern besudelt. Jedes Ding ist recht und schön in seiner Ordnung, sonst aber nicht. Zu den Pharisäern hat der Herr Jesus gesprochen: „Dies sollte man tun, und jenes nicht lassen.“ Dieselbe Vorschrift hat auch in unsrer persönlichen Stellung ihre Geltung, wir müssen acht haben, dass wir unsre Stellung kennen, sie einnehmen und sie bewahren. Wir müssen dienen, nach dem Maße, wie der Geist uns Gaben verliehen hat, und uns nicht in die Aufgabe dessen mengen, der neben uns dient. Unser Herr Jesus lehrte uns nicht nach hohen Dingen trachten, sondern willig die geringste Stelle unter den Brüdern einnehmen. Ferne sei von uns Ehrgeiz und Ruhmsucht, sondern wir wollen das Gewicht der Gebote unsres Herrn erwägen und tun nach seinem Geheiß. (Charles Haddon Spurgeon)

2:9 Sie werden in der Stadt umherrennen, auf der Mauer laufen und in die Häuser steigen und wie ein Dieb durch die Fenster hineinkommen.

2:10 Vor ihm zittert das ganze Land und bebt der Himmel; Sonne und Mond werden finster, und die Sterne verhalten ihren Schein.

2:11 Denn der HERR wird seinen Donner vor seinem Heer lassen her gehen; denn sein Heer ist sehr groß und mächtig, das seinen Befehl wird ausrichten; denn der Tag des HERRN ist groß und sehr erschrecklich: wer kann ihn leiden?
Betrachte, meine Seele, die Macht und Gewalt des Herrn, der dein Schatz und dein Schutz ist. Er ist ein Kriegsheld. Jehovah ist sein Name. Alle Mächte und Kräfte des Himmels harren auf seinen Wink, Heerscharen warten an seiner Schwelle, Cherubim und Seraphim, Wächter und Heilige, Fürstentümer und Gewalten, alle sind seinem Willen gehorsam. Wären unsre Augen nicht geblendet von der Überreizung unsrer irdischen Sinne, so würden wir feurige Wagen und Rosse um die Geliebten des Herrn her erblicken. Alle Kräfte der Natur stehen ganz und gar unter dem allmächtigen Walten des Schöpfers. Sturmwind und Ungewitter, Blitz und Regen, Schnee und Hagel, der sanfte Tau und der lebende Sonnenschein, sie kommen und gehen auf seinen Wink. Er löset die Bande des Orion und bindet die Bande des Siebengestirns zusammen. Erde, Luft und Meer, und die Örter unter der Erde, das sind die Zelte der Heere Jehovahs; der Weltraum ist sein Feldlager, das Licht sein Panier und die Flamme sein Schwert. Wenn Er auszieht im Streit, verheert Hungersnot das Land, Pestilenz schlägt die Völker nieder, Ströme überfluten das Land mit den Tiefen des Meeres, Windsbräute erschüttern die Gebirge, und Erdbeben bewegen die Grundfesten der Erde. Und auch die belebte Schöpfung anerkennt seine unumschränkte Herrschaft, und von dem Walfisch an, der den Propheten Jonas verschlang, bis zu dem „Ungeziefer, Läuse in allen Grenzen,“ welche das Gefilde Zoan plagten, sind alle Geschöpfe seine Diener; und gleich den Raupen und Käfern und dem Geschmeiß sind sie Streithaufen seines großen Heeres, denn sein Heer ist sehr groß und mächtig. Meine Seele, achte darauf, dass du im Frieden lebst mit deinem großen König, ja, noch vielmehr, lass dich unter sein Panier aufnehmen, denn gegen Ihn ist dein Kämpfen ohnmächtig, aber Ihm zu dienen, das ist Ehre und Ruhm. Jesus, Immanuel, Gott-mit-uns, nimmt gern Zuzügler auf in die Kriegsschar des Herrn; wenn ich noch nicht aufgenommen bin, so will ich zu Ihm gehen, ehe ich einschlafe, und Ihn darum bitten; bin ich aber schon eingereiht, wie ich hoffe, so bin ich ein Kreuzesstreiter; darum will ich guten Muts sein, denn der Feind ist meinem Herrn gegenüber ohnmächtig, denn „sein Heer ist sehr groß und mächtig.“ (Charles Haddon Spurgeon)

2:12 Doch spricht auch jetzt der HERR: Bekehrt euch zu mir von ganzem Herzen mit Fasten, mit Weinen, mit Klagen!
Es giebt viele sogenannte Erweckte, aber wenig Bekehrte von ganzem Herzen. Du hast einmal die Weckstimme gehört, und bist aufgeschreckt worden aus dem Schlafe, hast gebetet, geseufzet, geweint, bist gerührt, getröstet worden und eine Zeitlang sehr fromm gewesen; aber dann hast du wieder nachgelassen mit dem innern Eifer und Anhangen an den Herrn. Zur Beruhigung aber treibst du das Aeußere, Beten, Lesen, Singen, Predigt hören, fort, dein Herz hängt aber wieder an der Welt, am Geld oder an der Ehre; ist noch dem Zorn, oder Neid, oder andern Neigungen und Leidenschaften ergeben. Der kindliche Umgang mit dem Heiland ist dir fremde oder lästig. Du hast die alten Götzen behalten, oder wieder hervorgesucht, und ihnen nur einen andern Anstrich gegeben, oder ein anderes Mäntelchen umgehängt. Du bist nicht bekehrt. Eile und errette dich, flehe: Bekehre du mich, Herr, so werde ich bekehret. Daran sollst du dann erkennen, ob du wahrhaft bekehrt bist oder nicht, wenn der lebendige Gott oder Christus in deinem Herzen, wenn sein Sinn und Wesen dir eingeprägt ist und aus dir hervorleuchtet; wenn die Götzen der Eigenliebe, Ehrsucht, Eitelkeit, der Habsucht rc. gestürzet, und Glaube, Friede, Demuth, Freundlichkeit, Treue, Geduld rc. als Früchte wahrer Bekehrung an ihre Stelle getreten sind. (Johannes Gossner)

2:13 Zerreißet eure Herzen und nicht eure Kleider, und bekehret euch zu dem HERRN, eurem Gott! denn er ist gnädig, barmherzig, geduldig und von großer Güte, und ihn reut bald der Strafe.
Wenn wir unsre Kleider zerreißen oder auf andre äußerlich sichtbare Weise unsre innere gottesfürchtige Stimmung kundgeben, so ist das etwas Schweres, aber es ist häufig etwas Heuchlerisches; doch wahrhafte, aufrichtige Reue empfinden, das ist weit schwerer und darum auch seltener. Die Menschen beobachten ohne Weigern die kleinlichsten und umständlichsten Vorschriften äußerlicher Gottesdienstordnungen, denn das gefällt dem fleischlichen Sinn, aber wahre Gottesfurcht ist zu demütigend, zu herzangreifend, zu sehr wider den eigensten Geschmack der fleischlichen Menschen; diese ziehen etwas Gehaltloses, Weltliches, Auffallendes bei weitem vor. Äußerliche Vorschriften wirken wohltuend auf den flüchtigen zeitlichen Sinn, und schmeicheln ihm. Auge und Ohr fühlen sich befriedigt; der Selbstbetrug wird genährt; die Selbstgerechtigkeit bläht sich auf; aber diese äußerlichen Beobachtungen sind äußerst betrüglich, denn in der Todesstunde und am Tage des jüngsten Gerichts hat die Seele etwas mehr nötig, bedarf sie etwas Wahrhafteres zu ihrer Stütze, als leeres Formelwesen und gehaltloses Gepränge. Wenn nicht lebendige Gottesfurcht dabei ist, so ist aller Gottesdienst eitel und umsonst; wenn es an aufrichtigem Ernst des Herzens fehlt, dann ist jede äußere Gestalt der Gottesverehrung eine großartige Verhöhnung und eine freche Verspottung der Majestät des Himmels. Aber das Zerreißen des Herzens ist eine göttliche und tief gefühlte Wirkung. Es ist ein verborgenes Leiden, das persönlich empfunden wird; es ist keine äußerliche Sache, sondern es ist ein tief in die Seele einschneidendes Werk des Heiligen Geistes, das ins innerste Mark des Gläubigen eindringt. Es ist gewaltig demütigend, und ganz und gar feindselig gegen alles, was Sünde heißt: aber eben darum ist es eine köstliche Zubereitung für den gnädigen Trost, den stolze, ungedemütigte Geister nie empfangen können; und es bewirkt eine völlige Entscheidung, denn es findet sich nur bei den Auserwählten Gottes. Unser Schriftwort heißt uns unsre Herzen zerreißen, aber sie sind von Natur hart wie Marmor: wie ist‘s denn möglich? Wir müssen die Herzen nach Golgatha bringen; des sterbenden Erlösers Stimme hat einst Felsen zerrissen, und sie ist auch jetzt noch gleich mächtig. (Charles Haddon Spurgeon)

2:14 Wer weiß, es mag ihn wiederum gereuen, und er mag einen Segen hinter sich lassen, zu opfern Speisopfer und Trankopfer dem HERRN, eurem Gott.

2:15 Blaset mit Posaunen zu Zion, heiliget ein Fasten, rufet die Gemeinde zusammen!

2:16 Versammelt das Volk, heiliget die Gemeinde, sammelt die Ältesten, bringt zuhauf die jungen Kinder und die Säuglinge! Der Bräutigam gehe aus seiner Kammer und die Braut aus ihrem Gemach.

2:17 Lasset die Priester, des Hauses Diener, weinen zwischen Halle und Altar und sagen: HERR, schone deines Volkes und laß dein Erbteil nicht zu Schanden werden, daß Heiden über sie herrschen! Warum willst du lassen unter den Völkern sagen: Wo ist nun ihr Gott?

2:18 So wird der HERR um sein Land eifern und sein Volk verschonen.

2:19 Und der HERR wird antworten und sagen zu seinem Volk: Siehe, ich will euch Getreide, Most und Öl die Fülle schicken, daß ihr genug daran haben sollt, und will euch nicht mehr lassen unter den Heiden zu Schanden werden,

2:20 und will den von Mitternacht fern von euch treiben und ihn in ein dürres und wüstes Land verstoßen, sein Angesicht hin zum Meer gegen Morgen und sein Ende hin zum Meer gegen Abend. Er soll verfaulen und stinken; denn er hat große Dinge getan.

2:21 Fürchte dich nicht, liebes Land, sondern sei fröhlich und getrost; denn der HERR kann auch große Dinge tun.

2:22 Fürchtet euch nicht, ihr Tiere auf dem Felde; denn die Auen in der Wüste sollen grünen und die Bäume ihre Früchte bringen, und die Feigenbäume und Weinstöcke sollen wohl tragen.

2:23 Und ihr, Kinder Zions, freut euch und seid fröhlich im HERRN, eurem Gott, der euch Lehrer zur Gerechtigkeit gibt und euch herabsendet Frühregen und Spätregen wie zuvor,

2:24 daß die Tenne voll Korn werden und die Keltern Überfluß von Most und Öl haben sollen.

2:25 Und ich will euch die Jahre erstatten, welche die Heuschrecken, Käfer, Geschmeiß und Raupen, mein großes Heer, so ich unter euch schickte, gefressen haben;
Ja, jene vergeudeten Jahre, über die wir seufzen, sollen uns wieder erstattet werden. Gott kann uns so reichliche Gnade geben, daß wir in den Rest unsrer Tage so viel Arbeit zusammendrängen, daß sie Ersatz bietet für jene Jahre der Nicht-Wiedergeburt, über die wir in demütiger Buße trauern.
Die Heuschrecken der Rückfälligkeit, der Weltlichkeit, der Lauheit sehen wir jetzt als eine furchtbare Plage an. O, daß sie uns niemals nahe gekommen wären! Der Herr hat sie nun in Barmherzigkeit hinweg genommen und wir sind voll Eifer, Ihm zu dienen. Gelobt sei Sein Name, wir können solche Ernten geistlicher Gnaden gewinnen, daß unsre frühere Unfruchtbarkeit davor verschwindet. Durch reiche Gnade können wir unsre bittere Erfahrung benutzen und sie gebrauchen, andre zu warnen. Wir können durch unsre früheren Mängel um so tiefer in der Demut, im kindlichen Vertrauen und in bußfertiger Frömmigkeit gewurzelt werden. Wenn wir um so wachsamer, eifriger und milder sind, so werden wir durch unsre beklagenswerten Verluste gewinnen. Die vergeudeten Jahre können durch ein Wunder der Liebe erstattet werden. Scheint es ein zu großes Gut? Laßt uns dafür glauben und dafür leben, und wir können es noch erlangen, eben wie Petrus um so nützlicher ward, nachdem seine Vermessenheit durch seine zu Tage getretene Schwachheit geheilt worden war. Herr, stehe uns durch Deine Gnade bei. (Charles Haddon Spurgeon)

2:26 daß ihr zu essen genug haben sollt und den Namen des HERRN, eures Gottes, preisen, der Wunder unter euch getan hat; und mein Volk soll nicht mehr zu Schanden werden.

2:27 Und ihr sollt erfahren, daß ich mitten unter Israel sei und daß ich, der HERR, euer Gott sei und keiner mehr; und mein Volk soll nicht mehr zu Schanden werden.

2:28 [3:1] Und nach diesem will ich meinen Geist ausgießen über alles Fleisch, und eure Söhne und Töchter sollen weissagen; eure Ältesten sollen Träume haben, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen;

2:29 [3:2] auch will ich mich zur selben Zeit über Knechte und Mägde meinen Geist ausgießen.

2:30 [3:3] Und ich will Wunderzeichen geben am Himmel und auf Erden: Blut, Feuer und Rauchdampf;

2:31 [3:4] die Sonne soll in Finsternis und der Mond in Blut verwandelt werden, ehe denn der große und schreckliche Tag des HERRN kommt.

2:32 [3:5] Und es soll geschehen, wer des HERRN Namen anrufen wird, der soll errettet werden. Denn auf dem Berge Zion und zu Jerusalem wird eine Errettung sein, wie der HERR verheißen hat, auch bei den andern übrigen, die der HERR berufen wird.
1)
Der erste Theil dieses Kapitels ist eine Weissagung von dem König zu Babel - und einesteils eine Beschreibung, wie gräulich er das Land Israel verwüsten werde. Denn es heißet, vorher sey das Land wie ein schöner Lustgarten gewesen, aber hernach werde es im Gegentheil wie eine wüste Einöde seyn. Und darum wird auch die Zeit, da solches geschehen werde, ein finstrer Tag, ein dunkler Tag, ein wolkiger Tag, ein nebliger Tag genennet.
Damit nun hierinnen die damaligen Israeliten dem Propheten desto mehr glauben möchten, so gibt er anderntheils auch eine Beschreibung der entsetzlichen Macht, mit welcher der König von Babel werde angezogen kommen, und saget, daß dieselbe nicht etwa nur allein kommen werde, sondern daß der HErr auch Seinen Donner vor solchem Heer des Königs zu Babel hergehen lassen - und demselben also wider die Israeliten streiten helfen wolle, woferne sie dem nicht noch bei Zeiten zuvorkämen durch wahre und rechtschaffene Buße.
Darum vermahnet er sie aber auch zu solcher Buße - und machet davon den andern Theil dieses Kapitels - und heißet sie in solcher Buße fein alle mit einander, Jung und Alt, Groß und Klein, Priester und Volk, sich vereinigen - und dieselbe nicht etwa nur im äußerlichen Schein bestehen zu lassen, sondern „zerreißet eure Herzen,“ spricht er, „und nicht (nur) eure Kleider.“ Unter solchem Zerreißen der Herzen verstehet er schmerzliche Reue und Leid über die begangenen Sünden, und daß demnach die Israeliten in denselben nicht noch länger fortfahren, sondern davon ablassen - und sich von denselben von ganzem Herzen bekehren sollen.
Es haben nämlich alle Sünder wohl Ursache, sich ihre Sünden also reuen und leid seyn zu lassen - und ihr Herz über dieselben zu zerreißen, auch dann, wenn sie keine Strafe für dieselben zu befürchten und zu gewarten haben, sondern nur bedenken, wie heftig sie Gott den Herrn durch dieselben beleidiget, und was für böses sie Ihm für alle die vielen Wohlthaten, welche sie Ihm verdanken, durch ihre Sünden vergolten haben.
Nun aber auch das noch hinzukommt, daß Gott die Sünden keineswegs ungestraft lassen, sondern für dieselben, wenn nicht beizeiten Buße gethan wird, allerdings gar hart strafen will, und zwar in Zeit und Ewigkeit, - so will um deßwillen den Sündern noch desto mehr gebühren, ihre Herzen mit schmerzlicher Rene und Leid über ihre Sünden zu zerreißen, zumal da solche göttliche Traurigkeit eine so erfreuliche Wirkung nach sich ziehet. Denn „die Opfer, die Gott gefallen, sind ein geängsteter Geist; ein geängstet und zerschlagen Herz wirst Du, Gott, nicht verachten,“ saget David im 51. Psalm.
Daher vertröstet auch in unserm Kapitel der Prophet die damaligen Israeliten: Wenn Gott auch bei ihnen solche zerrissene, bußfertige Herzen sehen werde, die mit wahrer Reue und Leid gekränkt - und dabei durch den Glauben mit Seines Sohnes Blut besprengt sind, so werde Er ihrer verschonen - und sich der über sie beschlossenen Strafen wieder reuen lassen - und werde nicht nur den König zu Babel von ihnen abhalten - und ferne von ihnen treiben, sondern ihnen auch Getreide, Most und Oel die Fülle schicken, daß sie daran genug haben sollen.
Ja, zu solchen leiblichen Wohlthaten werde Er auch diese geistlichen hinzuthun, daß Er ihnen Lehrer der Gerechtigkeit geben - und ihnen einmal in der Fülle der Zeit als solch einen Lehrer der Gerechtigkeit sogar Christum, den gebenedeiten Weibessamen, senden werde, durch welchen die wunderbare Ausgießung des heiligen Geistes über alles Fleisch geschehen werde, die auch nachgehends geschehen ist an jenem großen Pfingsttag, und von welcher Petrus am selben Tag den Juden zu Jerusalem predigte, daß dadurch die in unserem Kapitel enthaltene Weissagung Joels erfüllet worden sey (Apostelgesch. 2).
Das aber solle des heiligen Geistes Werk seyn, daß Er die Herzen mit gewisser Zuversicht auf Gottes Gnade durch Christum erfüllen und durch solche Zuversicht zum Beten entzünden werde. Und wer also beten werde, der solle auch gewißlich errettet werden. Solche Gabe aber, sagt der Prophet, werde in der ganzen Welt unter alle Heiden kommen; und wer jene Gnade und Gabe nicht annehmen wolle, der müsse darüber zu scheitern gehen, und da solle keine Macht noch Vermögen helfen.
Damit solches nicht auch über uns komme, so lehre Er, der HErr, uns thun nach Seinem Wohlgefallen, und Sein heiliger, guter Geist führe uns auf ebener Bahn - um unsers HErrn Jesu Christi willen. Amen. (Veit Dieterich)

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